Keywords
CT - image manipulation/reconstruction - physics - archeology - 3D printing
Einleitung
Das Bergen und Restaurieren archäologischer Funde weisen viele Schwierigkeiten und mögliche Komplikationen auf. Nicht immer können Fundstücke aufgrund ihres Zustandes am Fundort von der umliegenden Erde befreit werden, ohne das Risiko einzugehen, den Fund zu beschädigen. Besonders bei porösen Materialien, instabilen Funden, stark zerfallenen Objekten oder empfindlicher Keramikgefäße mit Inhalt bietet sich die Blockbergung zur Sicherung der Funde an. [1] Auch Zeit- und Ressourcenmangel können eine konventionelle Freilegung verhindern und eine Blockbergung notwendig machen. Dabei werden die Fundstücke mitsamt der umgebenden Erde als Block geborgen und können somit unter Laborbedingungen und ohne Zeitdruck von der Erde befreit und restauriert werden.
Zur genauen Betrachtung und Analyse des Fundstückes bereits im Block bietet die moderne radiologische Bildgebung wertvolle Werkzeuge für die Archäologie. [2]. Neben der konventionellen Röntgendiagnostik zur allgemeinen Übersicht der Beschaffenheit und Lage eines Fundstückes im Erdblock bietet die Untersuchung mittels Computertomographie (CT) die Chance, den Fund bereits dreidimensional zu untersuchen, während das Objekt noch geschützt und umgeben von Erde liegt.
In Kombination mit einer CT-Untersuchung von Fundobjekten bietet auch der 3D-Druck neue Perspektiven für die Archäologie. Nach der Segmentation des Fundes und möglicher Weiterverarbeitung der Daten können die Fundstücke mit einem 3D-Drucker gedruckt werden. Mit dieser Methode lassen sich die Fundstücke bereits vor der Restauration betrachten und präsentieren. Ziel dieser Arbeit ist, die Machbarkeit eines wenig aufwändigen Ansatzes in Kombination aus ubiquitär verfügbarer medizinischer Bildgebung, frei verfügbarer Software und kommerziell verfügbarer 3D-Drucktechnik zu demonstrieren. Weiterhin soll gezeigt werden, dass mit einer derartigen Technik ohne zeitaufwändige und kostenintensive Restaurierung eine digitale Rekonstruktion und zeitliche Einordung vorgenommen werden kann.
Material und Methoden
Es wurde exemplarisch ein 61,0 cm × 19,6 cm × 20,0 cm großer aus Lösslehm bestehender Erdblock aus einer Grabfreilegung einer hochrangigen Person aus der Merowingerzeit (2. Hälfte 5. Jahrhundert bis Mitte 8. Jahrhundert n. Chr.) ausgewählt. Der Block stammt aus einer Tiefe von ca. 1,50 m unter der Oberfläche. Vor der Untersuchung wurde vermutet, dass in dem Block ein metallisches Objekt vorliegt.
Der Ablauf von der archäologischen Blockbergung bis zum 3D-Modell und 3D-Druck ist in vier Schritte unterteilt: (1) Anfertigen von dünnschichtigen CT-Aufnahmen, (2) Segmentation des Objektes anhand der CT-Daten, (3) Bildverarbeitung zur digitalen Rekonstruktion des Fundstückes und (4) 3D-Druck.
Die CT-Untersuchung des archäologischen Fundes wurde mit einem klinischen CT (SOMATOM Definition, Siemens, Forchheim) durchgeführt. Zur Vorbereitung der CT-Untersuchung wurde der Erdblock mit mehreren Metern Stretchfolie umwickelt, auf ein ebenfalls mit Folie umwickeltes Holzbrett gestellt und nochmals mit Folie umwickelt. Der CT-Scan erfolgte bei einer Röhrenspannung von 120 kV und einem effektiven Stromstärke-Zeit-Produkt von 360 mAseff. mit einer Kollimation von 64 × 0.6 mm und einem Pitch von 0.9. Aus den Rohdaten wurden unter Verwendung eines mittelweichen Kernels (B31 s) axiale Bilder mit 0,75 mm Schichtdicke bei einem Inkrement von 0,5 mm rekonstruiert.
Für die Segmentation aus den DICOM-Daten des aus mehreren Teilen bestehenden Fundstückes wurde die open source-Software 3D-Slicer (Version 4.11.20210226, www.slicer.org) verwendet [3]
[4]. Zunächst erfolgte eine schwellenwertbasierte Segmentierung mit einem Schwellenwert von 1998–3071 Hounsfield-Einheiten (HE). Anschließend wurde eine manuelle Segmentation der Fundstücke aus der umgebenden Erde in x-, y-, und z-Richtung der Bilddaten vorgenommen, siehe [Abb. 1]. Die Daten wurden in Form einer *.stl-Datei gespeichert. Die weitere digitale Rekonstruktion des digitalen Fundstückmodells wurde mit dem freeware-Modellierungsprogramm Meshmixer (Version 3.5.474, Autodesk Inc., San Francisco, CA) [5] durchgeführt. In dieser Software wurden zunächst kleine Unebenheiten und Löcher digital im Modell ausgebessert und das Erscheinungsbild des Schildbuckels geglättet, um durch Korrosion und Aufblühen des Metalls bedingte Veränderungen zu korrigieren. Außerdem wurden vom Fundstück unabhängige Bruchstücke entfernt. Der stark zerfallene Zustand des Objektes und während der Segmentation entstandene Fehler wurden digital korrigiert. In [Tab. 1] sind die verwendeten Software-Tools für die Verarbeitung, Korrektur und Rekonstruktion des Fundstückmodells aufgelistet.
Abb. 1 Axiale Darstellung der CT-Schichten der Blockbergung mit Schildbuckel in 3D-Slicer.
Tab. 1
Verwendete Meshmixer-Werkzeuge für die Korrektur der dreidimensionalen Modelle.
Werkzeuge
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Verwendungszweck
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Plain Cut
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Löschen einzelner Objekte im Modell
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Inspector
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Entfernung unzusammenhängender Bruchstücke und Schließen von Löchern
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Select
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Auswählen von Regionen und Schließen von Löchern über Entfernen der ausgewählten Region und Rekonstruktion mittels des Inspectors
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Sculpt
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Mittels unterschiedlicher Tools kann eine Glättung, Kantenerhöhung oder Planarisierung mit unterschiedlichen Stärken in einem Bereich durchgeführt werden.
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Make Solid
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Stellt eine Annäherung an das ursprüngliche Modell in Voxel-Form her, wodurch kleine Unebenheiten abhängig von der gewählten Genauigkeit entfernt werden können.
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Transform
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Verschieben und Drehen von Objekten
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Combine
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Verbinden von getrennten Objekten zu einer Einheit
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Nach Rekonstruktion des größten Fragmentes des mehrteiligen Fundstückes wurden die kleineren Fragmente in gleicher Weise verarbeitet. Nachdem erkennbar war, dass es sich bei dem größten Fragment um einen Schildbuckel handelt, wurden die vier als Schildfessel identifizierten Objekte unabhängig vom Modell gedreht und an der korrekten Position platziert und digital befestigt. Auf Basis des zu dem Zeitpunkt vorliegenden 3D-Modells wurden aus der Literatur vergleichbare Objekte herangezogen. Als Vorlage für die weitere digitale Detailrekonstruktion der zum Schild gehörenden Objekte dienten Abbildungen ähnlicher Objekte aus derselben Zeit. Deutlich zu erkennen sind der für das 6. bis Anfang 7. Jahrhundert charakteristische platte Knopf auf der Spitze des konisch geformten Buckels sowie die ebenfalls nahezu identisch aussehenden Scheibennieten an der Krempe. Diese Merkmale sind ebenfalls an dem hier vorgestellten Stück anhand des CT-Scans deutlich zu erkennen [6].
Die bearbeiteten Fragmente wurden in unterschiedlichen Bearbeitungsstadien abgespeichert: nach der Segmentation, nach dem Entfernen einzelner nicht zusammenhängender Teile, nach der finalen Bearbeitung als der Schildbuckel in unabhängigen Teilen vorlag und im zusammengesetzten Zustand.
Für den 3D-Druck der einzelnen Komponenten wurde der Drucker Prusa i3 MK3S+ (Prusa Research, Prag, CZE) verwendet. Als Filament für den Drucker wurde Polymilchsäure (PLA), ein pflanzlich basierter Polyester (Prusa Research, Prag, CZE) benutzt [7].
Diskussion
Die untersuchte Blockbergung des Schildbuckels mit -fessel entstammt aus der Grabfreilegung einer hochrangigen Person aus der Merowingerzeit, die etwa vom 5. Jahrhundert bis zur Mitte des 8. Jahrhundert n. Chr. dauerte. Die Datierung anhand der digitalen Rekonstruktion ist so genau, dass die Zeitspanne, aus der die beiden Teile stammen, auf die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts bis Anfang des 7. Jahrhunderts [8] begrenzt werden kann, ohne den Schildbuckel vorher freilegen zu müssen. Aufgrund einer Tiefe von ca. 1,50 m unter Oberkante wurde die Bestattung nicht durch moderne ackerbauliche Geräte gestört, jedoch griffen chemische Prozesse im Boden die Metallobjekte stark an. Um die Funde nicht noch mehr zu schädigen, wurde auf ein Freilegen vor Ort verzichtet und stattdessen die Bestattung in einzelnen Blöcken mit umgebender Erde entnommen, um diese später in der Restaurierung freilegen zu können.
Zur dreidimensionalen Darstellung des Fundstückes muss dieses in den CT-Aufnahmen aus dem umliegenden Boden heraus segmentiert werden. Besonders bei porösen oder stark fragmentierten Funden kann so ein zusammenhängendes Abbild geschaffen werden, ohne den Fund zu gefährden. Beispielsweise wurde 2006 die Analyse eines mittels CT untersuchten archäologischen Fundes veröffentlicht, bei dem es sich um zerbrochenes Glas handelte und aufgrund seines Zustandes nicht direkt freigelegt werden konnte [9]. Auch bei der Untersuchung von Knochenfunden in der Anthropologie können durch die Segmentationen des CT-Datensatzes entscheidende Erkenntnisse über Alter, Geschlecht oder den gesundheitlichen Zustand des Menschen gewonnen werden [10].
Während eine rein schwellenwertbasierte Segmentierung auch in der Medizin als fehleranfällig bekannt ist, kann bei archäologischen Objekten auch eine manuelle Segmentierung zu Abweichungen zwischen dem Original und dem entstandenen Modell des Fundstückes führen, da nicht in allen Bereichen eine eindeutige Segmentation möglich ist. Dies gilt hauptsächlich für Regionen, in denen der Fund korrodiert ist, sehr ähnliche Schwächungseigenschaften wie die umgebende Erde aufweist oder bei sehr starkem Zerfall von organischen Materialien. Besonders im Bereich von Rostblasen lässt sich die umliegende Erde schwer von dem Fund trennen. Wie originalgetreu das entstandene Modell ist, hängt des Weiteren von der Bearbeitung in der Nachbearbeitungssoftware ab. So kann durch Glätten, Schließen von Löchern aber auch Rekonstruktionen das entstandene Modell immer stärker vom Original abweichen. Bei der Rekonstruktion kann jedoch mithilfe bereits bekannter Funde eine begründete Annahme getroffen werden, wie das Fundstück einmal ausgesehen haben könnte. Die digitale Restaurierung und Rekonstruktion mit der Möglichkeit, die verschiedenen Schritte abzuspeichern, bietet die Möglichkeit, unterschiedliche Stadien und Rekonstruktionsvarianten des Fundes zu betrachten ohne ihn zu gefährden und bei Bedarf Schritte zurückzugehen und die Rekonstruktion anders fortzusetzen. Diese Möglichkeit bietet sich in der herkömmlichen handwerklichen Rekonstruktion nicht. Im Gegensatz zur konventionellen Freilegung und Rekonstruktion kann das Objekt so auf verschiedene Wege korrigiert und zusammengefügt werden, ohne den Fund zu gefährden. Fehler im Prozess können so ohne bleibende Folgen für den Fund behoben werden.
Für die Nachverarbeitung und Segmentation wurden 3D-Slicer und Meshmixer verwendet, da diese im Gegensatz zum CT-eigenen Nachverarbeitungstool die Erstellung für den 3D-Druck benötigten *.stl-Dateien ermöglichen. Des Weiteren ermöglichen sie die Verschiebung der Einzelstücke für die Rekonstruktion und die digitale Reparatur.
Durch die Etablierung des 3D-Drucks konnten bereits authentische Nachbildungen von Schädeln, Kronen, Inschriften und Mumien in Ausstellungen gezeigt werden [11]
[12]
[13]. Mit dieser Technik können Objekte bereits vor der fertigen Restaurierung der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Im Bereich der Anthropologie konnten derartige Rekonstruktionen in ausgewählten Fällen bereits vor Gericht als Beweismittel verwendet werden [14].
Nicht immer ist bei einer Blockbergung bekannt was der Erdblock enthält. Daher muss bis nach der Restaurierung gewartet werden, um zu erfahren, welcher Fund im Erdblock liegt. Bis es zur Restaurierung des Fundes kommt, kann viel Zeit, bis zu mehreren Jahren, vergehen. Durch eine CT-Untersuchung und nachfolgende Segmentation kann das Objekt schnell und einfach sichtbar gemacht werden. Im Vergleich zur einfachen Röntgenuntersuchung ist eine detailliertere Darstellung möglich. So könnten neue Funde in Zukunft deutlich schneller nach der Bergung untersucht werden. Damit kann auch leichter entschieden werden, welche Objekte prioritär einer handwerklichen Freilegung und Rekonstruktion zugeführt werden sollen. Weiterhin bietet die Erstellung eines digitalen Modells vor der Freilegung eine Absicherung für mögliche Beschädigung oder Verlust. Durch die digitale Speicherung der CT-Daten können die Funde zusätzlich digital dokumentiert, analysiert und global zur Verfügung gestellt werden, ohne den Fund zu gefährden.
Der CT-Scan von Fundstücken bietet viele weitere Vorteile für die Archäologie. Bereits vor der Freilegung und Restaurierung können die Fundstücke am Bildschirm analysiert und der Zustand und die Position des Fundes beurteilt werden. Diese nicht invasive Methode bietet die Möglichkeit, Eigenschaften des Fundes zu untersuchen, die ansonsten nur durch Zerstörung des Objektes ersichtlich sind. So kann die Struktur und Herstellungstechnik von Keramik beurteilt werden, ohne dafür das Objekt beschädigen zu müssen. Die Erstellung digitaler Modelle und der digitalen Rekonstruktion bietet viele Möglichkeiten, jedoch lassen sich anhand der Schichtaufnahmen keine Aussagen über die Farbe und Musterung des Fundstückes treffen [15].
Jedoch hat auch die CT-Untersuchung ihre Grenzen. Nicht jedes Fundstück kann mit einem klinischen CT-Gerät gescannt werden. Der Erdblock muss klein genug sein, um in die Gantry des CT-Scanners zu passen. Zusätzlich muss genug Strahlung den Erdblock durchdringen können, um eine geeignete CT-Aufnahme zu erhalten. Für den Scan von sehr großen Fundstücken würde sich somit ein industrielles CT anbieten, da diese im Vergleich zu den klinischen leistungsstärker sind [16]. Die vorgestellte Methode eignet sich generell für alle Objekte, die einen anderen Schwächungskoeffizienten als das sie umgebende Material aufweisen. Im Vergleich zu anderen dreidimensionalen Erfassungsmöglichkeiten von Fundstücken in der Archäologie wie der Streiflicht- oder Laserscan, bei denen nur die Oberfläche eines Objektes berührungsfrei erfasst wird, kann mit dem CT auch das Innere eines Fundes dargestellt werden. In manchen Fällen können somit auch Erkenntnisse über den Herstellungsprozess eines Objektes gewonnen werden [16]. Daher kann der CT-Scan bereits für den Erdblock durchgeführt werden, wohingegen der Streiflicht- oder Laserscan erst am freien Objekt durchgeführt werden kann. Für eine regelmäßige Anwendung der CT-Bildgebung mit Nachverarbeitung muss das Verfahren günstig und schnell durchführbar sein.
Fazit
Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass eine Analyse, Dokumentation und Rekonstruktion archäologischer Fundstücke aus einer Blockbergung mit verfügbarer medizinischer Infrastruktur zusammen mit kostenfrei verfügbarer Software möglich sind. Durch die sehr gute digitale Darstellung des Schildbuckels kann bereits anhand von Referenzenbildern eine hinreichend genaue Datierung zwischen der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts bis Anfang des 7. Jahrhunderts n. Chr. vorgenommen werden. Damit ergeben sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen der Radiologie und Archäologie neue Chancen für die Befundung und Untersuchung archäologischer Fundstücke bereits vor der Freilegung und Restaurierung. Weitere Verbesserungen der Methode, insbesondere eine vollständig automatisierte und präzise Segmentation aus den Schichtaufnahmen, ist hier eine notwendige Weiterentwicklung.