Schlüsselwörter Menschen mit Demenz - Gedächtnisambulanz - Erreichbarkeit - Diagnose - Geographische Informationssysteme (GIS)
Key words people with dementia - memory clinic - diagnosis - geographic information systems (GIS) - travel time
Hintergrund
Demenz ist eine der größten Herausforderungen unserer alternden Gesellschaft.
Aktuelle Schätzungen gehen von rund 1,7 Millionen Betroffenen allein in Deutschland
aus. Infolge des demographischen Wandels wird diese Zahl bis 2050 auf knapp 2,8
Millionen anwachsen [1 ]. Doch trotz hoher
Prävalenzraten bleiben Demenzerkrankungen oftmals unerkannt. Schätzungen des World
Alzheimer Reports 2021 zufolge sind global gesehen 75% der Menschen mit Demenz nicht
diagnostiziert [2 ]. Laut einer
bevölkerungsbasierten Studie im primärärztlichen Bereich in Mecklenburg-Vorpommern
lebt auch die Mehrheit der Betroffenen in Deutschland nach wie vor ohne eine formale
Diagnose. 60% der mit einem Screeningtest untersuchten Personen hatten demzufolge im
Vorfeld keine Demenzdiagnose erhalten [3 ]. Des
Weiteren erfolgt die Diagnosestellung oftmals erst spät im Krankheitsverlauf. Laut
der multizentrischen Längsschnittstudie Bayerischer Demenz Survey – BayDem betrug
die mediane Dauer von der Wahrnehmung erster Symptome bis zur Diagnosestellung 16
Monate [4 ]. Dabei ist eine zeitgerechte
Diagnosestellung die Grundlage für die sinnvolle Nutzung von Therapie- und
Unterstützungsangeboten [5 ]. Primäre Demenzen
sind bislang zwar nicht heilbar. Bei einer zeitgerechten Diagnosestellung können die
auftretenden neuropsychiatrischen und kognitiven Symptome aber entsprechend
behandelt und verringert [6 ]
[7 ] sowie die künftige Pflege geplant werden
[8 ]. Auch die Kosten für das
Gesundheitssystem lassen sich, beispielsweise durch einen längeren Verbleib in der
Häuslichkeit und weniger Krankenhauseinweisungen, reduzieren [9 ]. Spezialisierte Einrichtungen, wie
Gedächtnisambulanzen (GDA), können für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen
maßgeblich zu einer zeitgerechten und leitliniengetreuen Diagnostik beitragen [10 ]
[11 ]
[12 ]. Die Erreichbarkeit
medizinischer Einrichtungen ist ein wichtiger Prädiktor für deren Inanspruchnahme.
So konnten bereits mehrere Studien aus verschiedenen Bereichen des Gesundheitswesens
zeigen, dass diagnostische Angebote umso häufiger genutzt wurden, je kürzer die
Distanzen der Patienten und Patientinnen zu den jeweiligen Einrichtungen waren [13 ]
[14 ]
[15 ]. Denn insbesondere in
peripheren, ländlichen Räumen können räumliche Zugangsbarrieren zu diesen wichtigen
Angeboten bestehen. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es deshalb die
Erreichbarkeit von GDA in Bayern zu analysieren und hinsichtlich regionaler
Unterschiede zu untersuchen. Wesentliches Anliegen war es Regionen mit
eingeschränktem Zugang zu identifizieren und in einem zweiten Schritt
Handlungsempfehlungen für eine Verbesserung der Versorgungssituation abzuleiten.
Erreichbarkeitsanalysen im Gesundheitswesen
Geographische Informationssysteme (GIS) bieten umfangreiche Werkzeuge für die
Analyse von raumbezogenen Daten und wurden bereits erfolgreich in einer Vielzahl
von Studien der medizinischen Versorgungsforschung eingesetzt. Beispielsweise
nutzten Walker et al. GIS zur Analyse der Erreichbarkeit spezialisierter
onkologischer Kliniken in Kanada [16 ].
Schweikart et al. bildeten mittels GIS die räumlichen Disparitäten der
ambulanten ärztlichen Versorgungssituation in Berlin ab [17 ].
Die Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen lässt sich mittels
unterschiedlicher Methoden modellieren [18 ]
[19 ]
[20 ]. Eine Möglichkeit ist die Ermittlung
des Reisewiderstandes zum nächstgelegenen Anbieter [19 ]. Wenngleich Methoden, die komplexe,
multidimensionale Analysen ermöglichen (wie beispielsweise 2SFCA-Ansätze),
zunehmend an Bedeutung gewinnen, bleibt der Reisewiderstand nach wie vor ein
wichtiger Ansatz, um die Erreichbarkeit von Versorgungseinrichtungen des
Gesundheitswesens abzubilden [20 ]. Zur
Quantifizierung des Reisewiderstandes werden zumeist die Reisezeit oder die
zurückzulegende Distanz herangezogen [19 ].
Daher ermöglicht dieser Ansatz eine klare und nachvollziehbare Darstellung der
Versorgungssituation und erscheint als geeignetes Instrument um die
Erreichbarkeit von GDA in Bayern zu modellieren.
Das Projekt digiDEM Bayern
Die Analysen wurden im Rahmen des Projekts Digitales Demenzregister
Bayern , kurz digiDEM Bayern , durchgeführt. Dabei handelt es sich um
ein vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention
gefördertes Versorgungsforschungsprojekt. Es befasst sich mit der Versorgung von
Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) und Demenz und deren
pflegenden An- und Zugehörigen. Übergeordnetes Ziel des Projekts ist es die
Lebensbedingungen von Menschen mit MCI/Demenz und deren pflegenden An- und
Zugehörigen in Bayern zu verbessern sowie die klinische Komplexität und den
Langzeitverlauf demenzieller Erkrankungen besser zu verstehen [21 ].
Methodik
Datengrundlagen
Zur Lokalisierung der Standorte der GDA wurden zwei Datenquellen herangezogen:
die Liste der Gedächtnissprechstunden in Deutschland der Alzheimer Forschung
Initiative e.V. [22 ] sowie die Übersicht
der Deutschen Alzheimer Gesellschaft [23 ].
In diesen Quellen sind deutschlandweit alle medizinischen Einrichtungen
hinterlegt, die zum Stichtag 07.08.2019 bzw. 31.05.2021 als Gedächtnisambulanzen
eingetragen waren. Für Bayern und die angrenzenden Bundesländer konnten so
insgesamt 79 GDA identifiziert werden.
Die erwartete Anzahl der MmD auf Gemeindeebene in Bayern wurde auf Grundlage der
Demenzprävalenzraten für Deutschland berechnet. Zu diesem Zweck wurden die
altersgruppen- und geschlechtsspezifischen Bevölkerungsdaten im Rahmen einer
Sonderdatenabfrage auf Grundlage der Fortschreibung des Bevölkerungsstandes
durch das Bayerische Landesamt für Statistik bereitgestellt. Diese umfassten die
Einwohnerzahlen für n=2056 Gemeinden zum Stichtag 31.12.2020 unterteilt nach
Altersgruppen und Geschlecht. Auf Basis dieser Unterteilung wurde auf der
Gemeindeebene direkt-standardisiert nach der bayerischen Referenzpopulation im
Jahr 2020. Grundlage für die Demenz-Prävalenzraten bildeten die altersgruppen-
und geschlechtsspezifischen Angaben für Menschen über 65 Jahre in Deutschland
aus dem von Alzheimer Europe herausgegeben Dementia in Europe Yearbook 2019
[24 ].
Räumliche Analyse
Um die Standorte der GDA abzubilden, wurden die extrahierten Adressdaten aller
identifizierten Einrichtungen mittels der Suchmaschine Nominatim von
OpenStreetMap (OSM) in geographische Koordinaten (Längen- und Breitengrade)
kodiert. Die zeitliche Erreichbarkeit der Gedächtnisambulanzen wurde mittels
einer Netzwerkanalyse ermittelt. Ähnlich zu modernen Navigationsgeräten und
Routenplanern, wird die Pkw-Fahrtzeit dabei anhand von Straßendaten bestimmt. Im
Gegensatz zur schlichten Luftliniendistanz können so tatsächliche Wege, wie
Straßen, und Barrieren (z. B. zulässige Tempolimits, Flüsse, Gebäude und
Eisenbahnverkehrsstrecken) berücksichtigt werden [25 ]. In der vorliegenden Arbeit wurde die
Netzwerkanalyse mit dem Open Source Werkzeug Open Source Routing Machine (OSRM)
[26 ] auf Basis von deutschlandweiten
OSM Straßendaten vollzogen. Die Fahrtzeiten wurden auf Grundlage eines
500x500m-Rasters mit insgesamt 657.350 Punkten ermittelt. Dazu wurde zunächst
die Reisezeit von jedem dieser Punkte zu allen identifizierten GDA (n=79)
bestimmt und im Anschluss für jeden Punkt die geringste Fahrtzeit
ausgewählt.
Um die modellierte Demenzprävalenz und die Raumkategorie des Wohnorts
(Stadt/Land), zu berücksichtigen, wurden die Fahrtzeiten auf Gemeindeebene
anhand des Mittelwerts aggregiert. Die Kategorie des Raumtyps wurde nach den
Raumtypen 2010 des BBSR [27 ]
festgelegt.
Die entsprechenden Subgruppenanalysen wurden nach Alter, Geschlecht und
Raumkategorie des Wohnorts durchgeführt und die Ergebnisse der Netzwerkanalyse
sowohl in tabellarischer Form als auch kartographisch visualisiert. Außerdem
wurden für den Regierungsbezirk Oberpfalz Szenarien modelliert, die den Ausbau
weiterer GDA miteinbeziehen.
Ergebnisse
Modellierte Demenzprävalenz in Bayern
Den Analysen zu Folge ist anzunehmen, dass zum Stichtag 31.12.2020 näherungsweise
234 032 MmD in Bayern lebten. Dies entspricht einem Anteil von 8,6% an der
bayerischen Gesamtbevölkerung der über 65-Jährigen (67% Frauen). 57% davon
lebten schätzungsweise im städtischen Raum. Innerhalb der Gemeinden schwankte
die modellierte Prävalenz stark und reichte von sechs (Balderschwang) bis hin zu
22 947 (München). Mit steigendem Alter, steigt auch das Risiko an einer Demenz
zu erkranken. Für Personen älter als 90 Jahre liegen die geschätzten
Prävalenzraten in Europa bei 40,8%, für die 65–69 Jährigen dagegen lediglich bei
1,3% [24 ]. Anhand dieser Prävalenzraten
ist davon auszugehen, dass im Jahr 2020 in Bayern in der Gruppe der über
90-Jährigen rund 49.400 Personen an einer Demenz erkrankt waren.
Erreichbarkeit von Gedächtnisambulanzen in Bayern
Die Ergebnisse der Netzwerkanalyse zeigten, dass die Mehrheit der erwarteten
Anzahl an MmD in Bayern (40,15%; 93 950) in Gemeinden mit einer
durchschnittlichen Fahrtzeit von 20 bis 40 Minuten bis zur nächstgelegenen GDA
lebten. Dennoch mussten über 20% (50 878) von ihnen mehr als 40 Minuten
Reisezeit in Kauf nehmen, um eine GDA zu erreichen. Und auch wenn der
Prozentsatz der modellierten Betroffenen, die mehr als eine Stunde Fahrtzeit
aufwenden mussten, mit knapp 3% relativ gering erscheint, so handelte es sich in
absoluten Zahlen um fast 7000 Personen. Detaillierte Angaben zu den Fahrtzeiten
unterteilt nach Altersgruppe und Geschlecht sind in [Tab. 1 ] dargestellt.
Tab. 1 Erreichbarkeit von GDA für MmD in Bayern nach
Altersgruppe und Geschlecht
Fahrtzeit
Altersgruppe
Bevölkerung in Bayern 2020
geschätzte Anzahl MmD in Bayern 2020
Frauen
Männer
Insgesamt
Frauen
Männer
Insgesamt
< 20 min
65–69
5,00% (136 281)
4,28% (116 503)
9,28% (252 784)
0,87% (2044)
0,55% (1282)
1,42% (3326)
70–74
4,60% (125 231)
3,82% (104 040)
8,42% (229 271)
1,81% (4231)
1,38% (3225)
3,19% (7456)
75–79
4,15% (112 963)
3,34% (91 079)
7,49% (204 042)
4,30% (10 054)
2,72% (6375)
7,02% (16 429)
80–84
4,08% (111 246)
2,93% (79 808)
7,01% (191 054)
6,23% (14 573)
3,65% (8539)
9,88% (23 113)
85–89
2,1% (56 973)
1,25% (34 181)
3,35% (91 154)
6,06% (14 187)
2,38% (5572)
8,44% (19 758)
90 und älter
1,23% (33 385)
0,51% (14 026)
1,74% (47 411)
6,39% (14 956)
1,78% (4166)
8,17% (19 122)
65 und älter
21,16% (576 .079)
16,13% (439.637)
37,29% (1 015 716)
25,66% (60 045)
12,46% (29 159)
38,12% (89 204)
20–40 min
65–69
5,77% (157 163)
5,44% (148.198)
11,21% (305 361)
1,01% (2357)
0,70% (1630)
1,71% (3988)
70–74
4,86% (132 500)
4,44% (120.908)
9,30% (253 408)
1,91% (4476)
1,60% (3748)
3,51% (8225)
75–79
4,03% (109 866)
3,46% (94.383)
7,49% (204 249)
4,18% (9778)
2,82% (6607)
7,00% (16 385)
80–84
4,30% (117 180)
3,24% (88.132)
7,54% (205 312)
6,56% (15 351)
4,03% (9430)
10,59% (24 781)
85–89
2,24% (61 056)
1,32% (36.067)
3,56% (97 123)
6,50% (15 203)
2,51% (5879)
9,01% (21 082)
90 und älter
1,26% (34 335)
0,51% (13.832)
1,77% (48 167)
6,57% (15 382)
1,76% (4108)
8,33% (19 490)
65 und älter
22, 46% (612 100)
18,41% (501 520)
40,87% (1 113 620)
26,73% (62 547)
13,42% (31 403)
40,15% (93 950)
40–60 min
65–69
2,65% (72 252)
2,52% (68 726)
5,17% (140 978)
0,46% (1084)
0,32% (756)
0,78% (1840)
70–74
2,23% (60 689)
2,07% (56 289)
4,30% (116 978)
0,88% (2050)
0,75% (1745)
1,63% (3795)
75–79
1,82% (49 522)
1,52% (41 272)
3,34% (90 794)
1,88% (4407)
1,23% (2889)
3,11% (7296)
80–84
2,05% (55 767)
1,49% (40 514)
3,54% (96 281)
3,12% (7306)
1,85% (4335)
4,97% (11 641)
85–89
1,08% (29 357)
0,63% (17 136)
1,71% (46 493)
3,12% (7310)
1,19% (2793)
4,31% (10 103)
90 und älter
0,60% (16 429)
0,25% (6681)
0,85% (23 110)
3,14% (7360)
0,85% (1984)
3,99% (9345)
65 und älter
10,43% (284 016)
8,48% (230 618)
18,91% (514 634)
12,60% (29 517)
6,19% (14 503)
18,79% (44 020)
> 60 min
65–69
0,40% (10 903)
0,38% (10 323)
0,78% (21 226)
0,07% (164)
0,05% (114)
0,12% (277)
70–74
0,35% (9607)
0,32% (8764)
0,67% (18 371)
0,14% (325)
0,12% (272)
0,26% (596)
75–79
0,31% (8351)
0,24% (6661)
0,55% (15 012)
0,32% (743)
0,20% (466)
0,52% (1209)
80–84
0,32% (8667)
0,23% (6261)
0,55% (14 928)
0,48% (1135)
0,29% (670)
0,77% (1.805)
85–89
0,16% (4499)
0,09% (2493)
0,26% (6992)
0,48% (1120)
0,17% (406)
0,65% (1527)
90 und älter
0,09% (2546)
0,04% (1018)
0,13% (3564)
0,49% (1141)
0,13% (302)
0,62% (1443)
65 und älter
1,63% (44 573)
1,30% (35 520)
2,93% (80 093)
1,98% (4628)
0,96% (2230)
2,94% (6858)
Gesamt 65 und älter
55,68% (1 516 768)
44,32% (1 207 295)
100,00% (2 724 063)
66,97% (156 737)
33,03% (77 295)
100,00% (234 032)
Gesamtbevölkerung (Bayern)
50,44% (6 627 588)
49,56% (6 512 595)
100,00% (13 140 183)
Quellen: Daten aus Alzheimer Europe. Yearboolk 2019. Statistisches
Bundesamt. Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. Bayerisches Landesamt
für Statistik, Fürth 2022.
Die Karte ([Abb. 1 ]) veranschaulicht
graphisch, dass die Mehrheit der GDA in Städten angesiedelt war. Betrachtet man
die Reisezeiten für städtische und ländliche Räume getrennt voneinander, werden
die Disparitäten dieser beiden Raumkategorien deutlich. Während die Hälfte aller
erwarteten Betroffenen aus städtischen Gemeinden (67 173) weniger als 20 Minuten
mit dem Auto entfernt zur nächsten GDA lebten ([Tab. 2 ]), musste die Hälfte der geschätzten Anzahl an MmD aus
ländlichen Gemeinden (51 377) 20 bis 40 Minuten Fahrtzeit aufwenden. Über ein
Viertel der modellierten Anzahl an Betroffenen aus ländlichen Gemeinden (27 583)
benötigte sogar über 40 Minuten ([Tab.
3 ]).
Abb. 1 Karte zur Erreichbarkeit von GDA in Bayern (Die Karte in
farbiger Darstellung finden Sie zum Download unter: https://digidem-bayern.de/karten-erreichbarkeit-von-gda/ )
Tab. 2 Erreichbarkeit von GDA in Bayern für MmD in
städtischen Räumen nach Altersgruppe und Geschlecht
Fahrtzeit
Altersgruppe
städtische Bevölkerung in Bayern 2020
geschätzte Anzahl städtische MmD in Bayern 2020
Frauen
Männer
Insgesamt
Frauen
Männer
Insgesamt
< 20 min
65–69
6,71% (100 772)
5,55% (83 380)
12,26% (184 152)
1,14% (1511)
0,69% (917)
1,83% (2429)
70–74
6,21% (93 266)
5,03% (75 548)
11,24% (168 814)
2,37% (3151)
1,76% (2342)
4,13% (5493)
75–79
5,69% (85 438)
4,47% (67 146)
10,16% (152 584)
5,72% (7604)
3,53% (4700)
9,25% (12 304)
80–84
5,59% (83 947)
3,89% (58 406)
9,48% (142 353)
8,27% (10 997)
4,70% (6249)
12,97% (17 247)
85–89
2,90% (43 484)
1,68% (25 169)
4,58% (68 653)
8,14% (10 828)
3,08% (4103)
11,22% (14 930)
90 und älter
1,73% (25 924)
0,71% (10 629)
2,44% (36 553)
8,73% (11 614)
2,37% (3157)
11,10% (14 771)
65 und älter
28,83% (432 831)
21,33% (320 278)
50,16% (753 109)
34,37% (45 705)
16,13% (21.469)
50,50% (67 173)
20–40 min
65–69
4,54% (68 245)
4,05% (60 808)
8,59% (129 053)
0,77% (1024)
0,50% (669)
1,27% (1693)
70–74
3,90% (58 494)
3,38% (50 737)
7,28% (109 231)
1,49% (1976)
1,18% (1573)
2,67% (3549)
75–79
3,32% (49 827)
2,74% (41 092)
6,06% (90 919)
3,34% (4435)
2,16% (2876)
5,50% (7311)
80–84
3,53% (52 959)
2,54% (38 082)
6,07% (91 041)
5,21% (6938)
3,06% (4075)
8,27% (11 012)
85–89
1,86% (27 964)
1,04% (15 595)
2,90% (43 559)
5,23% (6963)
1,91% (2542)
7,14% (9505)
90 und älter
1,13% (16 910)
0,43% (6490)
1,56% (23 400)
5,69% (7576)
1,45% (1928)
7,14% (9503)
65 und älter
18,28% (274.399)
14,18% (212.804)
32,46% (487 203)
21,73% (28 911)
10,26% (13 663)
31,99% (42 573)
40–60 min
65–69
2,10% (31 616)
1,88% (28 202)
3,98% (59 818)
0,36% (474)
0,23% (310)
0,59% (784)
70–74
1,82% (27 293)
1,57% (23 584)
3,39% (50 877)
0,69% (922)
0,55% (731)
1,24% (1653)
75–79
1,53% (22 990)
1,21% (18 123)
2,74% (41 113)
1,54% (2046)
0,95% (1269)
2,49% (3315)
80–84
1,71% (25 757)
1,18% (17 754)
2,89% (43 511)
2,54% (3374)
1,43% (1900)
3,97% (5274)
85–89
0,92% (13 815)
0,50% (7569)
1,42% (21 384)
2,59% (3440)
0,93% (1234)
3,52% (4674)
90 und älter
0,56% (8432)
0,21% (3122)
0,77% (11 554)
2,84% (3777)
0,70% (927)
3,54% (4705)
65 und älter
8,64% (129 903)
6,55% (98 354)
15,19% (228 257)
10,56% (14 034)
4,79% (6371)
15,35% (20 405)
> 60 min
65–69
0,29% (4363)
0,27% (4095)
0,56% (8458)
0,05% (65)
0,03% (45)
0,08% (110)
70–74
0,26% (3967)
0,23% (3452)
0,49% (7419)
0,10% (134)
0,08% (107)
0,18% (241)
75–79
0,23% (3487)
0,18% (2753)
0,41% (6240)
0,23% (310)
0,15% (193)
0,38% (503)
80–84
0,25% (3680)
0,17% (2516)
0,42% (6196)
0,36% (482)
0,20% (269)
0,56% (751)
85–89
0,13% (1893)
0,07% (1004)
0,20% (2897)
0,35% (471)
0,12% (164)
0,47% (635)
90 und älter
0,08% (1162)
0,03% (432)
0,11% (1594)
0,39% (521)
0,10% (128)
0,49% (649)
65 und älter
1,24% (18 552)
0,95% (14 252)
2,19% (32 804)
1,48% (1984)
0,68% (906)
2,16% (2890)
Gesamt 65 und älter
56,99% (855 685)
43,01% (645 688)
100,00% (1 501 373)
68,14% (90 634)
31,86% (42 408)
100,00% (133 041)
Gesamtbevölkerung Bayern
50,86% (3 700 957)
49,14% (3 575 935)
100,00% 7 276 892
Quellen: Daten aus Alzheimer Europe. Yearbook 2019. Statistisches
Bundesamt. Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. Bayerisches Landesamt
für Statistik, Fürth 2022.
Tab. 3 Erreichbarkeit von GDA in Bayern für MmD in
ländlichen Räumen nach Altersgruppe und Geschlecht
Fahrtzeit
Altersgruppe
ländliche Bevölkerung in Bayern 2020
geschätzte Anzahl ländliche MmD in Bayern 2020
Frauen
Männer
Insgesamt
Frauen
Männer
Insgesamt
< 20 min
65–69
2,91% (35 509)
2,71% (33 123)
5,62% (68 632)
0,53% (533)
0,36% (364)
0,89% (897)
70–74
2,62% (31 965)
2,33% (28 492)
4,95% (60 457)
1,07% (1080)
0,87% (883)
1,94% (1963)
75–79
2,25% (27 525)
1,96% (23 933)
4,21% (51 458)
2,43% (2450)
1,66% (1675)
4,09% (4125)
80–84
2,23% (27 299)
1,75% (21 402)
3,98% (48 701)
3,54% (3576)
2,27% (2290)
5,81% (5866)
85–89
1,10% (13 489)
0,74% (9012)
1,84% (22 501)
3,33% (3359)
1,46% (1469)
4,79% (4828)
90 und älter
0,61% (7461)
0,28% (3397)
0,89% (10 858)
3,31% (3342)
1,00% (1009)
4,31% (4351)
65 und älter
11,72% (143 248)
9,77% (119 359)
21,49% (262 607)
14,21% (14 340)
7,62% (7691)
21,83% (22 031)
20–40 min
65–69
7,27% (88 918)
7,15% (87 390)
14,42% (176 308)
1,32% (1.334)
0,95% (961)
2,27% (2295)
70–74
6,05% (74 006)
5,74% (70 171)
11,79% (144 177)
2,48% (2.500)
2,15% (2.175)
4,63% (4676)
75–79
4,91% (60 039)
4,36% (53 291)
9,27% (113 330)
5,29% (5.343)
3,69% (3.730)
8,98% (9074)
80–84
5,25% (64 221)
4,09% (50 050)
9,34% (114 271)
8,33% (8.413)
5,30% (5355)
13,63% (13 768)
85–89
2,71% (33 092)
1,67% (20 472)
4,38% (53 564)
8,16% (8.240)
3,31% (3337)
90 und älter
1,43% (17 425)
0,60% (7342)
2,03% (24 767)
7,73% (7.806)
2,16% (2181)
9,89% (9987)
65 und älter
27,62% (337 701)
23,61% (288 716)
51,23% (626 417)
33,31% (33 637)
17,56% (17 740)
50,87% (51 377)
40–60 min
65–69
3,32% (40 636)
3,31% (40 524)
6,63% (81 160)
0,60% (609)
0,44% (446)
1,04% (1055)
70–74
2,73% (33 396)
2,68% (32 705)
5,41% (66 101)
1,12% (1128)
1,00% (1014)
2,12% (2142)
75–79
2,17% (26 532)
1,89% (23 149)
4,06% (49 681)
2,34% (2361)
1,60% (1620)
3,94% (3982)
80–84
2,46% (30 010)
1,86% (22 760)
4,32% (52 770)
3,89% (3931)
2,41% (2435)
6,30% (6367)
85–89
1,27% (15 542)
0,78% (9567)
2,05% (25 109)
3,83% (3870)
1,54% (1559)
5,37% (5429)
90 und älter
0,65% (7997)
0,29% (3559)
0,94% (11 556)
3,55% (3583)
1,05% (1057)
4,60% (4640)
65 und älter
12,60% (154 113)
10,81% (132 264)
23,41% (286.377)
15,33% (15 483)
8,04% (8 132)
23,37% (23 615)
> 60 min
65–69
0,54% (6540)
0,51% (6228)
1,05% (12 768)
0,10% (98)
0,07% (69)
0,17% (167)
70–74
0,46% (5640)
0,43% (5312)
0,89% (10 952)
0,19% (191)
0,16% (165)
0,35% (355)
75–79
0,40% (4864)
0,32% (3908)
0,72% (8772)
0,43% (433)
0,27% (274)
0,70% (706)
80–84
0,41% (4987)
0,31% (3745)
0,72% (8732)
0,65% (653)
0,40% (401)
1,05% (1054)
85–89
0,21% (2606)
0,12% (1489)
0,33% (4095)
0,64% (649)
0,24% (243)
0,88% (892)
90 und älter
0,11% (1384)
0,05% (586)
0,16% (1970)
0,61% (620)
0,17% (174)
0,78% (794)
65 und älter
2,13% (26 021)
1,74% (21 268)
3,87% (47 289)
2,62% (2644)
1,31% (1324)
3,93% (3968)
Gesamt 65 und älter
54,07% (661 083)
45,93% (561 607)
100,00% (1 222 690)
65,47% (66 103)
34,53% (34 887)
100,00% (100 990)
Gesamtbevölkerung
49,91% (2 926 631)
50,09% (2 936 660)
100,00% (5 863 291)
Quellen: Daten aus Alzheimer Europe. Yearbook 2019. Statistisches
Bundesamt. Fortschreibung des Bevölkerungsstandes. Bayerisches Landesamt
für Statistik, Fürth 2022.
Szenariensimulation am Beispiel der Region Oberpfalz
Der Regierungsbezirk Oberpfalz wurde beispielhaft für weitere Analysen
ausgewählt. Dies hat zweierlei Gründe. Zum einen demonstriert die Karte ([Abb. 1 ]) anschaulich, dass nicht alle
ländlichen Räume gleichermaßen von langen Reisezeiten betroffen waren.
Insbesondere Personen aus den oberpfälzischen Gemeinden nahe der tschechischen
Grenze mussten lange Fahrtzeiten bis zur nächsten GDA zurücklegen. Zum anderen
werden diese Gebiete aufgrund starker Alterungstendenzen der Bevölkerung [28 ] künftig hohe Demenzprävalenzen
aufweisen.
Deshalb wurden in der vorliegenden Arbeit vier unterschiedliche Szenarien mittels
Modellen dargestellt, um den Einfluss einer potentiellen neuen GDA zu
simulieren. Szenarium a) stellte den Ist-Zustand mit zwei GDA in Stadt und
Landkreis Regensburg dar. Für Szenarium b) wurde ein neuer Standort in Amberg in
die Berechnungen einbezogen, für Szenarium c) befand sich der neue Standort in
Weiden und für Szenarium d) erhielten beide Städte eine neue GDA ([Abb. 2 ]). Amberg und Weiden wurden als
weitere potenzielle Standorte in Betracht gezogen, da es sich dabei um die
beiden nächstgrößeren Städte, nach Regensburg, innerhalb des Regierungsbezirks
Oberpfalz handelt. Es ist deshalb einerseits davon auszugehen, dass sie bereits
über die notwendige Infrastruktur (Fachärzte, Bildgebung, Gebäude) verfügen und
andererseits aufgrund ihrer vergleichsweise hohen Bevölkerungsdichte auch zu
einer höheren Abdeckung beitragen können, als kleinere Orte in den umliegenden
Landkreisen.
Abb. 2 Szenariensimulation für die Oberpfalz (Die Karte in
farbiger Darstellung finden Sie zum Download unter: https://digidem-bayern.de/karten-erreichbarkeit-von-gda/ )
Die Oberpfalz hat eine Gesamtbevölkerung von 1 112 267 mit 230 681 Menschen in
der Altersgruppe 65 plus. Davon waren 2020 näherungsweise 19 403 Personen von
einer Demenz betroffen. Im Ist-Zustand (a) wurde der hohe Anteil an mittel-
(40–60 min) und dunkelgrauen (>60 min) Flächen, sowie die hohe Bedeutung der
beiden Einrichtungen in Stadt und Landkreis Regensburg deutlich sichtbar ([Abb. 2 ]). Die Ergebnisse ([Abb. 3 ]) zeigten, dass zum
Untersuchungszeitpunkt 50% der geschätzten Anzahl an MmD (9693) mehr als 40
Minuten von der nächsten GDA entfernt lebten. In Szenario (b) mit einem
zusätzlichen Standort in Amberg sank dieser Anteil auf 25% (n=5002) und im Fall
c) mit einer neuen GDA in Weiden sogar auf 18% (3530). Mit einer GDA in beiden
Städten (d) würden nur 13% der modellierten Bevölkerung mit Demenz (2619) mehr
als 40 Minuten zurücklegen müssen.
Abb. 3 Fahrtzeiten zur nächsten GDA für MmD in verschiedenen
Beispielszenarien in der Oberpfalz (Die Abbildung in farbiger
Darstellung finden Sie zum Download unter: https://digidem-bayern.de/karten-erreichbarkeit-von-gda/ )
Diskussion
Insgesamt existiert weltweit bislang nur eine einzige Studie [13 ], die die räumliche Erreichbarkeit von
diagnostischen Einrichtungen für MmD untersucht. Unserer Kenntnis nach ist dies
deshalb die erste Analyse, die die Erreichbarkeit von GDA auf Grundlage von GIS
modelliert. Dies erscheint überraschend, da derartige Analysen in der Vergangenheit
zu anderen großen Volkskrankheiten durchgeführt wurden. So wurden bereits Studien
zur Erreichbarkeit onkologischer Versorgungseinrichtungen und Stroke Units
publiziert [16 ]
[29 ]
[30 ].
Wie anhand der Ergebnisse dargestellt werden konnte, war für die Mehrheit der
erwarteten Anzahl an MmD in Bayern eine GDA innerhalb eines Zeitraumes von unter 40
Minuten zu erreichen. Es ließen sich jedoch erhebliche Unterschiede zwischen den
Raumkategorien feststellen. So mussten Personen aus ländlichen Gemeinden häufiger
längere Reisezeiten auf sich nehmen, als Personen aus städtischen Gemeinden. Bei
genauerer Betrachtung wurde zudem deutlich, dass überwiegend Personen aus Gemeinden
an der Grenze zu Österreich und Tschechien von besonders langen Fahrtzeiten
betroffen waren. Insgesamt muss bei der Interpretation der Reisezeiten zudem
berücksichtigt werden, dass es sich dabei jeweils um die einfache Fahrtzeit zur
nächsten GDA handelte. Menschen, die 40 Minuten von der nächsten GDA entfernt
lebten, hätten für einen Besuch mit der Rückfahrt in Summe somit eine
Gesamtreisezeit von 80 Minuten aufwenden müssen. Anhand der Szenarien für die
Oberpfalz konnte exemplarisch gezeigt werden, dass der gezielte Aufbau eines neuen
GDA-Standorts die Fahrtzeiten verringern und somit zu einer Verbesserung der
Versorgungssituation beitragen kann.
Gedächtnisambulanzen im Versorgungskontext
GDA sind für eine zeigerechte und leitliniengetreue Demenzdiagnostik und
-behandlung von zentraler Bedeutung [10;11]. Denn insbesondere im Bereich der
hausärztlichen Versorgung findet die zeitgerechte Diagnosestellung bislang
häufig nicht statt [31 ]. Neben mangelnder
Fachkompetenz spielen auch Aspekte, wie die Stigmatisierung der Erkrankung [31 ]
[32 ], eine wichtige Rolle. Eine Studie mit 400 deutschen
Allgemeinärzten und -ärztinnen zeigte, dass eine Mehrheit von 72% sich dafür
aussprach, dass Fachärzte und Fachärztinnen oder GDA die Behandlung von MmD
übernehmen sollten [33 ]. Des Weiteren sind
auch nicht alle Neurologen und Neurologinnen oder Psychiater und Psychiaterinnen
auf MmD spezialisiert und können nicht immer alle notwendigen diagnostischen
Maßnahmen durchführen. Spezialisierte Tests können jedoch gerade bei Personen
mit MCI oder atypischer Symptomatik zu einer besseren diagnostischen Genauigkeit
beitragen [2 ]
[8 ]. Zudem hat sich gezeigt, dass
insbesondere der interdisziplinäre Ansatz, der in GDA verfolgt wird, maßgeblich
zu einer wirksamen und kosteneffizienten Diagnostik und Behandlung beitragen
kann [34 ]
[35 ].
Erreichbarkeit beeinflusst Inanspruchnahme
Dass die Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen ein entscheidender Prädiktor
für ihre zeitgerechte Inanspruchnahme ist, konnten sowohl Harada et al. [13 ] als auch Hirsch Allen et al. [15 ] in ihren Untersuchungen belegen. So
ließen sich Studienteilnehmende, die näher an einer Demenzscreening-Einrichtung
lebten mit einer höheren Wahrscheinlichkeit testen, als Personen, die größere
Entfernungen zurücklegen mussten [13 ].
Hirsch Allen et al. konnten nachweisen, dass sich Patienten und Patientinnen mit
längeren Anreisezeiten in weiter fortgeschrittenen Erkrankungsstadien befanden,
als Betroffene mit kürzeren Entfernungen zur nächsten Klinik [15 ]. Folglich ist davon auszugehen, dass
auch MmD, die in Gebieten mit langen Reisezeiten leben, weniger häufig und nicht
zeitgerecht diagnostiziert werden, als Betroffene aus gut angebundenen
Gemeinden. Die Analysen im Rahmen der vorliegenden Arbeit deuten darauf hin,
dass dies besonders für Betroffene aus ländlichen, peripheren Räumen in
grenznahen Gebieten gelten könnte.
Erreichbarkeit beeinflusst Qualität der ärztlichen Versorgung
Donath et al. [36 ] und Koller et al. [37 ] konnten anhand Ihrer Studien
nachweisen, dass bereits heute Unterscheide zwischen ländlichen und städtischen
Räumen hinsichtlich der Qualität der Versorgung bestehen. Demnach unterschieden
sich der Einsatz von Bildgebungsverfahren [36 ] und die Anzahl der aufgesuchten Fachärzte ein Jahr vor und ein
Jahr nach der Demenzdiagnose [37 ] zwischen
städtischen und ländlichen Räumen signifikant. Wie unsere Untersuchungen
belegen, bestehen auch hinsichtlich der zeitlichen Erreichbarkeit Unterschiede
zwischen ländlichen und städtischen Gemeinden. So waren 24 der insgesamt 29 GDA
in Bayern in städtischen Räumen verortet. Des Weiteren müssen MmD aus ländlichen
Gemeinden nachweislich längere Fahrtzeiten überwinden, um in einer GDA
vorstellig zu werden. Hausner et al. kommen in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass
die diagnostischen Aufwände, beispielsweise in der Bildgebung und Labormedizin,
in den kommenden Jahren insgesamt weiter anwachsen werden und GDA im Bereich der
Demenzdiagnostik an Bedeutung gewinnen werden. [10 ]. Vor diesem Hintergrund ist deshalb davon auszugehen, dass sich
die Qualitätsunterschiede in der Diagnostik zwischen urbanen und ruralen Räumen
weiter verstärken werden, wenn GDA nicht unabhängig vom Wohnort gleichermaßen
gut erreichbar sind.
Limitationen
Die im Rahmen dieser Studie durchgeführte Netzwerkanalyse weist folgende Limitationen
auf: Nach wie vor liegen keine belastbaren epidemiologischen Zahlen zur Inzidenz und
Prävalenz dementieller Erkrankungen in Deutschland vor. Die Prävalenzen beruhen
daher auf Schätzungen auf Grundlage europäischer Hochrechnungen. Folglich ist nicht
auszuschließen, dass dies zu einer Unter- oder Überschätzung der tatsächlichen
Anzahl von MmD in Bayern geführt hat. Ebenso kann die tatsächliche Anzahl der GDA in
Bayern unter Umständen von der in der Netzwerkanalyse berücksichtigten Zahl
abweichen. Denn auch hier existiert keine öffentlich zugängliche, staatlich erfasste
Datenquelle.
Des Weiteren bestehen Limitationen in Bezug auf die Genauigkeit der für die
Netzwerkanalyse verwendeten Daten. Die Aggregation der Fahrtzeiten auf Gemeindeebene
könnte insbesondere in urbanen Gebieten zu Ungenauigkeiten geführt haben. Eine
höhere Präzision könnte durch Analysen auf Postleitzahlebene erreicht werden.
Mangels amtlicher Bevölkerungsdaten auf dieser Ebene, waren derartige Analysen im
Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht möglich. Bei der Interpretation der Ergebnisse
muss außerdem beachtet werden, dass OSM-Daten keine zeitlich auftretenden
Verkehrstrends, wie Berufsverkehr oder Großbaustellen, abbilden können. Sie
ermöglichen lediglich die Modellierung einer generalisierten, optimalen Situation.
Einschränkend ist außerdem festzuhalten, dass sich die Analyse auf den
Individualverkehr mittels PKW konzentrierte. Personen, die auf den öffentlichen
Personennahverkehr (ÖPNV) angewiesen sind, blieben im Rahmen dieser Untersuchung
unberücksichtigt.
Aufgrund ihrer wachsenden Bedeutung im Rahmen der Demenzdiagnostik konzentrierten
sich die Analysen auf die Erreichbarkeit von GDA. Um die Versorgungssituation von
MmD umfassend abzubilden, wären jedoch darüber hinaus noch weitere Untersuchungen,
beispielsweise hinsichtlich der Erreichbarkeit von Allgemeinärzten und -ärztinnen
oder von niedergelassenen Fachärzten und -ärztinnen, wünschenswert.
Schlussfolgerungen
Der räumliche Zugang zu GDA schafft die Grundlage für eine zeitgerechte und
leitliniengetreue Demenzdiagnostik. Mit zunehmender Verfeinerung der diagnostischen
Möglichkeiten (Biomarker, Bildgebung mittels CT und MRT, etc.) [10 ] und angesichts der demographischen
Entwicklungen [28 ] wird die Bedeutung von
spezialisierten Diagnostikzentren für MmD und Menschen mit leichten kognitiven
Beeinträchtigungen künftig sogar noch weiter zunehmen. Daher wäre eine
flächendeckend gute Erreichbarkeit von GDA, unabhängig vom Wohnort der Betroffenen,
geboten.
Im Rahmen der Analysen konnte nachgewiesen werden, dass vor allem ländliche Räume in
Grenzregionen in besonderem Maß von langen Fahrtzeiten betroffen sind. Dringender
Handlungsbedarf besteht unseren Analysen zufolge für Gemeinden nahe der
tschechischen Grenze. Denn diese verfügen nicht nur über einen eingeschränkten
räumlichen Zugang zu GDA, sondern werden künftig auch verstärkt von Überalterung
[28 ] betroffen sein.
Eine Option, um allen Betroffenen, unabhängig von ihrem Wohnort, eine zeitgerechte
und leitliniengetreue Diagnosestellung zu ermöglichen, ist der gezielte Aufbau
weiterer GDA in diesen Räumen. Die Szenariensimulationen für die Oberpfalz zeigten
eindrücklich, dass durch den gezielten Ausbau von GDA in schlecht angebundenen
Regionen die Fahrtzeiten für viele Betroffene maßgeblich verringert werden können.
Alternativ könnte der Einsatz von telemedizinischen oder mobilen Diagnostikangeboten
eine wirksame Strategie sein, um die Versorgungssituation in diesen Räumen zu
stärken. Ähnlich dem „Mammobil“, das Frauen in ländlichen Räumen den Zugang zu einer
Brustkrebsfrüherkennung erleichtern soll [38 ],
könnte eine mobile Einheit Demenzdiagnostik in Gebieten mit langen Fahrtzeiten zur
nächsten GDA durchführen.
Bisher kamen GIS in der Versorgungsforschung zu Demenz nur in geringem Maß zum
Einsatz. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass Netzwerkanalysen ein wirksames Mittel
sein können, um die Versorgungsstruktur sichtbar zu machen und kann somit als
Grundlage für weitere Analysen dienen. Möglichst genaue Analysen erfordern dabei
aber auch die Verfügbarkeit aussagekräftiger, kleinräumiger Daten hinsichtlich der
Demenzprävalenz und der genauen Lage der Einrichtungen für MmD. Nationale
Demenzregister könnten diese Datenlücke schließen.
Fördermittel
Diese Arbeit wurde durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege
und Prävention (StMGP) als Teil des Projekts digitales Demenzregister Bayern –
digiDEM Bayern gefördert (Förderkennzeichen: G42d-G8300-2017/1606-83).