Da der Anteil der älteren Patienten in unserer Gesellschaft aufgrund der demografischen
Entwicklung in den nächsten Jahren zunehmend ansteigen wird, stehen die Behandlungen
der neurodegenerativen Erkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) und die geriatrische
Behandlung von Patienten zunehmend im Vordergrund.
In unserer Veranstaltung im September 2023 standen neben den klassischen neurologischen
Erkrankungen wie Schlaganfall, Epilepsie und den entzündlichen Erkrankungen des ZNS,
insbesondere auch neue wissenschaftlich fundierte Diagnostik- und Therapieansätze
der Alzheimer-Demenz, der Parkinson-Krankheit und geriatrischer Behandlungskonzepten
im Vordergrund, von denen wir einige Vorträge hier präsentieren möchten.
Georg Adler, Mannheim, stellte die aktuellen Ergebnisse in der Therapie der Alzheimer-Demenz
mittels Amyloid-Antikörper, die ein wesentlicher Faktor in der Pathogenese der Alzheimer-Krankheit
darstellen, vor. Letztere führten in klinischen Studien zu einer Verlangsamung des
Krankheitsverlaufs bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter
Demenz und stellen hierdurch ein erfolgsversprechender therapeutischer Ansatzpunkt
im Frühstadium dar. Matthias Maschke, Trier, referierte über Studien, die sich mit
der nicht medikamentösen Prophylaxe und Therapie der Demenz befassen. So konnte hier
eine positive Wirkung von physischer Aktivität und Sport auf die Kognition und einen
präventiven Effekt auf die Entwicklung einer Demenz bei gesunden älteren Menschen
nachgewiesen werden. Bei bereits erkrankten Menschen mit Demenz ergaben die Studien
Hinweise, dass sich die kognitive Leistungsfähigkeit durch physische Aktivität und
Sport in bestimmten Anteilen verbessern lässt.
Über die Einsatzmöglichkeiten zur Therapie motorischer und nicht motorischer Symptome
des Botulinum-Neurotoxins im Rahmen der Parkinson-Krankheit berichtete Wolfgang H.
Jost, Wolfach, in seinem CME-zertifizierten Artikel. Die Parkinson-Krankheit geht
im Verlauf insbesondere in der letzten Lebensphase mit einer erhöhten Mortalität einher,
bei der die Betroffenen unter einer Vielzahl von motorischen und nicht motorischen
Symptomen leiden, die die Lebensqualität stark beeinträchtigen können. Anna J. Pedrosa
und David J. Pedrosa, Gießen und Marburg, diskutierten in diesem Zusammenhang umfassende
Versorgungskonzepte am Lebensende bei Patienten mit Parkinson-Krankheit.
Die Behandlungsmöglichkeiten der Multiplen Sklerose (MS) haben sich in den vergangenen
20 Jahren durch ein breites Arsenal von verlaufsmodifizierenden Immuntherapien deutlich
verbessert. Die Arbeitsgruppe um Simon Faissner, Bochum, stellte den aktuellen Stand
der neusten MS-Therapieansätze vor. Hierbei wurde insbesondere auf die neuen therapeutischen
Entwicklungen der Phase-III-Studienprogramme zu Inhibitoren der Bruton-Tyrosinkinase,
die potenziell B-Zellen und myeloide Zellen im ZNS adressieren, eingegangen. Außerdem
werden Ergebnisse aus diversen aktuellen Studien vorgestellt.
Die Behandlung von Epilepsie-Patienten war in den letzten Jahren von der Etablierung
neuer, innovativer Diagnose- und Therapieverfahren geprägt. Hier sind beispielsweise
Systeme zur Ultra-Langzeit-EEG-Registrierung und der Einsatz von neuen Neurostimulationsverfahren
bei refraktären Epilepsien zu erwähnen. Yaroslav Winter, Mainz, und Erik Ellwardt,
Wiesbaden, beleuchteten die einzelnen Verfahren und stellten synergistische Effekte
der Neurostimulation in Kombination mit bestimmten Wirkmechanismen anfallsunterdrückender
Medikamente dar.
Die häufigsten hirneigenen Tumore bei Erwachsenen stellt die Gruppe der Gliome dar,
deren Klassifikation nach histomorphologischen Kriterien erfolgt. Im Update der Klassifikation
der WHO für Tumoren des ZNS von 2021 haben molekulare Marker eine noch stärkere Bedeutung
für die Einteilung/Diagnose und Behandlung von Gliomen gewonnen. Lazaros Lazaridis,
Bochum, und Corinna Seliger-Behme, Heidelberg, gingen auf die systematische Auswertung
und aktuellen Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, der European
Association of Neuro-Oncology sowie der nordamerikanischen Society for Neuro-Oncology
ein. Hierbei wurde insbesondere die neue Klassifikation der WHO für Tumoren des ZNS
von 2021 und die neu definierten Entitäten von Gliomen beleuchtet. In diesem Zusammenhang
wurden der aktuelle Stand und vielversprechende innovativer Ansätze in der multimodalen
Behandlung von Gliomen dargestellt, in der neue Studiendaten für die Behandlung von
Tumoren mit einer Mutation der Iso-Zitrat-Dehydrogenase vorgestellt wurden.
Außer den erwähnten klinischen Themen stehen auch juristische Aspekte in der medizinischen
Behandlung und Betreuung von Patienten zunehmend im Vordergrund. Hierbei spielt das
Notvertretungsrecht des Ehegatten in Gesundheitsangelegenheiten nach §1358 BGB, das
am 01.01.2023 in Kraft trat, eine zentrale Rolle. Die Neuregelung ermöglicht es einem
Ehegatten, medizinische Entscheidungen für den anderen Ehegatten zu treffen, wenn
dieser dazu nicht in der Lage ist. Christian Dornis, Amtsgericht Merzig, erklärte
aus juristischer Sicht die Neuregelung, die darauf abzielt, das Betreuungswesen zu
entlasten und schnelle Entscheidungen in akuten Situationen zu ermöglichen.
Unsere Fortbildungsreihe im Rahmen des Südwestdeutschen Schlaganfall-, Neuro- und
Geriatrie-Tags in Kaiserslautern knüpfte auch 2023 als Hybrid-Veranstaltung mit über
1500 Online-Teilnahmen an die gut besuchten Veranstaltungen der vergangenen Jahre
an. Wir möchten uns bei den zahlreichen Referenten für die interessanten und wertvollen
Vorträge und nicht zuletzt bei Dr. Anja Borchers vom Georg Thieme Verlag für die Unterstützung
bei der Erstellung dieses Themenheftes bedanken.
Thilo Hammen und Johannes Treib, Kaiserslautern