CC BY 4.0 · Rofo 2024; 196(08): 819-826
DOI: 10.1055/a-2246-6697
Review

Gedanken zur Nachhaltigkeit beim Umgang mit iodhaltigen Kontrastmitteln in der CT: eine Praxis-orientierte Übersicht am Beispiel von Klinik und Niederlassung

Article in several languages: English | deutsch
1   Pharmaceuticals Medizin, Radiology, Bayer Vital GmbH, Leverkusen, Germany
2   Clinic for Diagnostic and Interventional Radiology, University Hospital Heidelberg, Germany
,
Mike Notohamiprodjo
3   Radiological and Nuclear Medicine Partnership Munich (PR 1432), DIE RADIOLOGIE, Sonnenstraße 17, 80331 München, Germany
,
4   Institute of Diagnostic and Interventional Radiology, Pediatric Radiology and Neuroradiology, Rostock University Medical Center, Rostock, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund

Iodhaltige Kontrastmittel (KM) sind aus der Computertomografie (CT), der Angiografie und dem Herzkatheter sowie weiteren Röntgen-basierten Verfahren z. B. in der Urologie nicht mehr wegzudenken. In diesem Kontext werden iodhaltige KM insbesondere über Patientenausscheidungen neben anderen Spurenstoffen in die Umwelt eingetragen. Gleichzeitig fallen beim Gebrauch iodhaltiger KM auch KM-Reste sowie Verpackungen und Verbrauchsmaterialien an.

Methode

Um die Einbringung von iodhaltigen KM in die Umwelt zu reduzieren und einen effizienten Umgang mit den Ressourcen zu fördern, ist daher ein Bewusstsein für den nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit iodhaltigen KM und zugehörigen Materialien unerlässlich. Dabei kann durch eine Reihe wirkungsvoller Maßnahmen ein Beitrag geleistet werden. Anhand der Literatur und einer quantitativen Erhebung aus der eigenen Routine werden in dieser Übersichtsarbeit Aspekte der Nachhaltigkeit beim Umgang mit iodhaltigen KM in der CT am Beispiel von Klinik und Niederlassung diskutiert.

Schlussfolgerung

Bei der Planung und Durchführung kontrastverstärkter CT-Untersuchungen kann durch personalisierte KM-Protokolle die KM-Nutzung effizienter gestaltet werden. Für die Weiterverwendung von KM-Resten bietet ein Teil der KM-Hersteller Rücknahmeprogramme an. Das Auffangen von KM-Ausscheidungen nach KM-Injektionen mittels Urinbeuteln könnte einen großen Einfluss auf die Reduktion des Umwelteintrags haben. Und nicht zuletzt kann durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Verbrauchs- und Verpackungsmaterial, insbesondere die Nutzung von Multi-Patienten-Systemen, ein wertvoller Beitrag zur Abfallvermeidung und Ressourcenschonung geleistet werden. Alle diese Maßnahmen können ihre Wirksamkeit im Hinblick auf die Schonung von Umwelt und Ressourcen letztlich dann voll entfalten, wenn deren Umsetzung in der Breite realisiert werden kann. Hierfür ist ein noch größeres Augenmerk auf das Thema Nachhaltigkeit unter allen beteiligten Akteuren erstrebenswert.

Kernaussagen

  • Ein nachhaltiger und verantwortungsvoller Umgang mit iodhaltigen KM ist erstrebenswert.

  • Durch heute umsetzbare Maßnahmen können der Umwelteintrag reduziert und Ressourcen geschont werden.

  • Die KM-Nutzung kann durch Optimierung kontrastverstärkter CT-Untersuchungen effizienter gestaltet werden.

  • Rücknahmeprogramme für KM-Reste ermöglichen deren Weiterverwendung.

  • Urinbeutel könnten einen großen Einfluss auf die Reduktion des Umwelteintrags haben.

Zitierweise

  • Rengier F, Notohamiprodjo M, Weber MA et al. Thoughts on sustainability in the use of iodinated contrast media in CT: a practice-oriented reviewbased on the example of a hospital and a private practice. Fortschr Röntgenstr 2024; 196: 819 – 827


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Einleitung

Kontrastmittel (KM) sind aus der Medizin nicht mehr wegzudenken. Iodhaltige KM werden dabei insbesondere für die Computertomografie (CT), die Angiografie und den Herzkatheter, aber auch bei weiteren Röntgen-basierten Verfahren z. B. in der Urologie eingesetzt. Die Nutzung iodhaltiger KM nimmt aufgrund des wachsenden Bedarfs an kontrastmittelgestützten Verfahren weltweit stetig zu. In der Folge werden iodhaltige KM neben anderen Spurenstoffen auch in Gewässern gefunden [1]. Daneben fallen beim Gebrauch iodhaltiger KM auch Verpackungen und Verbrauchsmaterialien an.

Um die Einbringung von iodhaltigen KM in die Umwelt zu reduzieren und einen effizienten Umgang mit den Ressourcen zu fördern, ist daher ein Bewusstsein für den nachhaltigen und verantwortungsvollen Umgang mit iodhaltigen KM und zugehörigen Materialien unerlässlich. Zu den Bereichen, in denen hierzu ein Beitrag geleistet werden kann, zählen:

  • Planung und Durchführung kontrastverstärkter CT-Untersuchungen

  • Entsorgung und Weiterverwendung von Kontrastmittelresten

  • Auffangen von und Umgang mit Kontrastmittelausscheidungen

  • Umgang mit Verbrauchs- und Verpackungsmaterial

Diese Aspekte werden in der vorliegenden Übersichtsarbeit für die CT in praxisorientierter Weise am Beispiel von Klinik und Niederlassung diskutiert.


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Überblick über Umweltaspekte und die Spurenstoffstrategie in Deutschland

Die weltweite Versorgung mit dem Rohstoff Iod stammt zu einem großen Teil aus drei Gebieten: den Wüstennitratminen in Chile, den Öl- und Gasfeldern in Japan, sowie den iodreichen Solequellen in den USA [2]. Die weltweiten Ressourcen am Rohstoff Iod betrugen 2019 etwa 6300 000 Tonnen, die weltweite Produktion des Rohstoffs Iod über 30 000 Tonnen [2]. Weltweit werden Iod und seine Verbindungen am häufigsten in iodhaltigen KM, Pharmazeutika, Flüssigkristallanzeigen (LCDs) und Iodophoren verwendet, in absteigender Reihenfolge der verbrauchten Menge [2]. In Deutschland waren die Verkaufsmengen bei rund 600–630 Tonnen iodhaltigen KM entsprechend rund 295–310 Tonnen Iod in den Jahren 2017–2019 relativ konstant [3].

Iodhaltige KM sind ein Vertreter einer Reihe von Spurenstoffen, die in Gewässern in geringen Konzentrationen gemessen werden können. Neben anderen Arzneimittelrückständen sind dies auch beispielsweise Körperpflegemittel, Industriechemikalien oder Haushaltschemikalien. Im Vergleich zu anderen Arzneimittelrückständen gehören iodhaltige KM neben Diuretika, Antidiabetika, Antiepileptika und Antihypertensiva zu den Arzneimittelrückständen in Oberflächengewässern mit höheren Konzentrationen als andere Arzneimittelrückstände ([Abb. 1]).

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Abb. 1 Arzneimittelwirkstoffe, die 2019 in Konzentrationen von über 0,1 μg/l in Oberflächengewässern gefunden wurden (Daten aus [43]). Die Säulen stellen die maximal gemessene Konzentration dar, die Striche illustrieren den höchsten Jahresmittelwert aller Messstellen.

Die Ausscheidung iodhaltiger KM erfolgt nach intravaskulärer Verabreichung bei Patienten mit normaler Nierenfunktion über glomeruläre Filtration und den Harntrakt, innerhalb von etwa 2 Stunden sind bereits 50 % des KM ausgeschieden [4] [5] [6] [7]. Durch die nahezu unveränderte Ausscheidung über den Urin gelangen die KM in der Regel in die Umwelt und die Gewässer. Daten aus dem Jahr 2020 zeigen im Rhein bei Lobith (Grenzübergang zwischen Deutschland und den Niederlanden) zwischen 10,3 und 175 kg/Tag für einzelne KM [8]. Die Gesamtmenge an iodhaltigen KM, die im Jahr 2020 über den Rhein die Grenze von Deutschland in die Niederlande überquerte, betrug dabei etwa 70 Tonnen [8] [9].

Iodhaltige KM sind im Unterschied zu therapeutischen Arzneimitteln biologisch inaktive Substanzen, ihre Ökotoxizität wird daher als gering eingeschätzt [10]. Unter bestimmten Bedingungen können in der Umwelt, bei der Abwasserbehandlung oder bei der Trinkwasseraufbereitung Umwandlungsprozesse stattfinden und dabei Nebenprodukte entstehen, die für die Umwelt und potenziell auch für unser Trinkwasser ein Risiko darstellen könnten [9].

Vor diesem Hintergrund wurde in Deutschland 2016 durch das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt ein Dialogprozess begonnen, um Inhalte einer Spurenstoffstrategie des Bundes zu erarbeiten. Dieser Prozess wurde vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI geleitet sowie von der IKU GmbH moderiert. Ziel war es, Handlungsempfehlungen für Maßnahmen an verschiedenen Punkten des Lebenswegs ausgewählter Stoffgruppen zu identifizieren bzw. zu erarbeiten. Es wurden dabei Verbände und Akteure entlang des Lebenswegs der Produktion, der Anwendung, der Abwasserbehandlung sowie der Entsorgung beteiligt ([Abb. 2]) [11]. In diesem Prozess wurde der Runde Tisch Röntgenkontrastmittel veranlasst, in dessen Rahmen folgende Vermeidungs- und Reduzierungsmaßnahmen identifiziert, diskutiert, bewertet und 2021 veröffentlicht wurden: [10]

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Abb. 2 Lebensweg von Iod in Kontrastmitteln, vereinfachtes Schema, Erläuterung siehe Text.
  • Eine Substitution kontrastmittelverstärkter Untersuchungen durch Untersuchungen ohne iodhaltiges KM erscheint nur äußerst eingeschränkt möglich. Eine Sensibilisierung des medizinischen Personals für Umweltaspekte, insbesondere für eine sachgerechte Entsorgung von KM-Resten, auf Veranstaltungen und anderen Wegen wird angestrebt.

  • Aus Umweltgesichtspunkten gebe es keine bevorzugte Empfehlung bestimmter iodhaltiger KM.

  • Für die Umsetzung von Urinauffangsystemen zur Verringerung des Eintrags iodhaltiger Kontrastmittel in das Abwasser wurde eine Konzeptionsstudie für eine „Ausweitung der Pilotversuche mit Auffangsystemen in Krankenhäusern/Praxen“ entsprechend des Ergebnispapiers des Spurenstoff-Dialogprozesses [10] beauftragt.

  • In Kläranlagen kann kommunal mithilfe von Aktivkohle oder Ozon eine Verringerung der KM-Ablaufkonzentrationen erreicht werden. Die Wirksamkeit der Verfahren sei jedoch begrenzt und ein flächendeckender Ausbau der Kläranlagen mit diesen speziellen Verfahren nicht vorgesehen. Eine solche Maßnahme könne daher einen lokalen, aber keinen flächendeckenden Beitrag zur Verringerung von iodhaltigen KM in Gewässern leisten.

  • Bei Herstellung und Verarbeitung werden Abwassereinleitungen durch eine Kombination verschiedener Verfahren bereits auf ein minimales Maß reduziert.

  • Prinzipiell könnte die Rückgewinnung des Iods sowohl zur Rohstoffsicherheit als auch zur Reduzierung des Eintrags in die Umwelt beitragen. Eine Rückgewinnung wäre technisch aus Separationsurin und Urinbeuteln möglich. Eine Rückgewinnung aus Kommunalabwasser werde aufgrund des hohen Material- und Energieaufwands als nicht wirtschaftlich angesehen.


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Planung und Durchführung kontrastverstärkter CT-Untersuchungen

Nach fundierten Schätzungen wird von einer Gesamtzahl von etwa 300 Millionen CT-Untersuchungen pro Jahr weltweit ausgegangen [12], davon 40 % kontrastverstärkte CT-Untersuchungen mit durchschnittlich circa 100 ml iodhaltigem KM pro Untersuchung.

Ein bewussterer Umgang bei der Anwendung, insbesondere bei der Planung und Durchführung kontrastverstärkter CT-Untersuchungen, könnte dazu beitragen, den Verbrauch iodhaltiger KM zu reduzieren und damit letztlich auch die Iodeinbringung in die nachfolgenden Systeme zu verringern ([Abb. 2]). Natürlich soll dabei die diagnostische Aussagekraft der Bilder nicht beeinträchtigt werden. Im Folgenden werden mögliche Maßnahmen diskutiert.

Personalisierte Kontrastmittelprotokolle

Die neugefasste Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der CT aus dem Jahre 2022 fordert für viele Kontrastmittelprotokolle eine Anpassung nach dem Körpergewicht [13]. Beispielsweise gibt die Leitlinie für eine Abdomen-CT mit KM eine gewichtsadaptierte Ioddosis von 0,3–0,6 g Iod/kg Körpergewicht vor, oder für eine CT-Angiografie der Aorta eine gewichtsadaptierte Ioddosis von 0,2–0,4 g Iod/kg Körpergewicht ([Tab. 1]). Darüber hinaus empfiehlt die Leitlinie, für CT-Angiografien besonders den Parameter Röhrenspannung zu berücksichtigen.

Tab. 1

Zwei ausgewählte Beispiele zur personalisierten Untersuchungstechnik gemäß der Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Computertomografie [13].

CTA Aorta

Abdomen-CT

Zielanreicherung

Blutpool ≥ 250 HE

Bei TAVI ≥ 150 HE ausreichend

Nicht definiert

Kontrastmittel-Timing

Bolustrack oder Testbolus

Bolustrack bei mehrphasigen Protokollen

Lage und Größe der ROI zur Verfolgung des Kontrastmittelbolus

Aorta ascendens

ROI ≥ 1 cm2, ca. halber Innendurchmesser des Gefäßes

Aorta descendens

ROI ≥ 1 cm2, ca. halber Innendurchmesser des Gefäßes

Verzögerung/Schwellenwert

120–180 HE, Scanverzögerung ca. 5 s

Standardabdomen: 70–85 s

Mehrphasige Protokolle: ≥ 100 HE, Scanverzögerung ca. 10 s

Gewichtsadaptation

0,2–0,4 g Iod/kg Körpergewicht

≤ 45 g Iod Gesamtmenge

0,3–0,6 g Iod/kg Körpergewicht

≤ 45 g Iod Gesamtmenge

Berücksichtigung der Röhrenspannung

Empfohlen

Optional

Iod-Einbringrate[*]

1,1–1,9 g Iod/s

1,1–1,9 g Iod/s

Beispiel für Kontrastmittel mit 300 mg Iod/ml

Ca. 50–100 ml mit 3,7–6,3 ml/s

Ca. 50–100 ml mit 3,7–6,3 ml/s

NaCl-Spülbolus

ca. 30–50 ml mit identischer Flussrate

ca. 30–50 ml mit identischer Flussrate

* Die Iod-Einbringrate ist definiert als Produkt aus der Iod-Konzentration des Kontrastmittels und der Injektionsgeschwindigkeit.


Durch die Personalisierung von Kontrastmittelprotokollen nach Körpergewicht und Röhrenspannung kann nicht nur eine konsistente Bildqualität erreicht, sondern auch bis zu 56 % KM eingespart werden, für unterschiedliche Untersuchungen wie Koronar-CT-Angiografien, CT-Angiografien der Aorta oder Abdomen-CT [14] [15] [16] [17] [18] [19] [20] [21] [22]. In Bezug auf die Adaptation nach der Röhrenspannung bei monoenergetischen CT-Untersuchungen ist es eine etablierte Größe, dass im Vergleich zu einer Referenz bei 120 kVp mit jeder Reduktion der Röhrenspannung um 10 kVp die KM-Dosis um jeweils 10 % gesenkt werden kann mit erhaltenem Bildkontrast [23]. Bei Nutzung einer Röhrenspannung von 70 kVp – sofern der vorhandene Scanner und der Patientenhabitus dies ermöglichen – bedeutet dies also eine KM-Dosiseinsparung von etwa 50 % allein durch die Berücksichtigung der Röhrenspannung. Mit Einführung der Dual-Energy-Scanner 2005 und der Photon-Counting-Scanner 2022 wurden zudem virtuelle monoenergetische Rekonstruktionen möglich, die ebenfalls das Potenzial von KM-Dosiseinsparungen aufweisen [23].

Mit diesen Maßnahmen können folglich nicht nur Iodeinträge aus Urinausscheidungen in die Umwelt reduziert, sondern auch Kosten eingespart werden. Zur praktischen Umsetzung solcher personalisierter Kontrastmittelprotokolle gibt es bereits Software-Lösungen unterschiedlicher Hersteller, die eine automatisierte Berechnung patientenindividueller KM-Protokollparameter ermöglichen [24] [25]. Darüber hinaus bieten verschiedene Hersteller einen klinischen Applikationsservice an, der vor Ort als kompetenter Ansprechpartner für Optimierungen zur Seite stehen kann [26] [27].


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Kochsalzbolus

Ein Kochsalzbolus, das heißt die Injektion von Kochsalzlösung unmittelbar nach der KM-Injektion, gehört zum Standard jedes KM-Protokolls [13]. Der primäre Zweck des Kochsalzbolus ist es, das KM aus dem Injektionsschlauch und den Armvenen in die zentralen Venen zu treiben. Hierdurch kann, je nach Viskosität des KM, die Gesamtheit oder der Großteil des KM-Bolus in die Zielregion der CT-Untersuchung gelangen und somit zur Kontrastierung beitragen. Gleichzeitig führt der Kochsalzbolus zu einem kompakteren KM-Bolus, was durch den entsprechend geringeren Verdünnungseffekt mit dem Blut zu einem schnelleren Anstieg der Kontrastierung in der Zielregion sowie einer stärkeren Kontrastierung führt. Damit stellt der Kochsalzbolus einen entscheidenden Aspekt bei der effizienten Nutzung des KM dar.

Typischerweise werden sowohl KM- als auch Kochsalzinjektion bei CT-Untersuchungen mithilfe automatischer Powerinjektoren ausgeführt [28]. In der Regel werden 30–50 ml Kochsalzlösung mit identischer Injektionsgeschwindigkeit wie die vorherige KM-Injektion gegeben [13].


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Entsorgung und Weiterverwendung von Kontrastmittelresten

Mit der sachgerechten Entsorgung, Sammlung und Weiterverwendung von KM-Resten in der CT kann ein wertvoller Beitrag geleistet werden, auch wenn in den Interventionsbereichen der verschiedenen Fachdisziplinen wie Gefäßmedizin, Kardiologie oder Radiologie typischerweise größere Mengen an KM-Resten anfallen als in der CT und in Bezug auf die CT die Urinausscheidung nach KM-Injektion insgesamt wesentlich größere KM-Mengen enthält als KM-Reste anfallen [13].

Serviceprogramme wie z. B. die der Bayer AG und von GE HealthCare zur Rücknahme von KM-Resten und Rückgewinnung von Iod ermöglichen eine Weiterverwendung des Iods und somit eine Verlängerung des Iod-Lebenswegs [29] [30]. Zur Sammlung der KM-Reste wird ein für den Nutzer kostenloser Behälter zur Verfügung gestellt, der schließlich eingesammelt und an den Produktionsstandorten der Bayer AG in Deutschland bzw. von GE HealthCare in Norwegen verarbeitet wird. Durch solche Programme kann nicht nur der Eintrag von Iod in die Umwelt und Gewässer reduziert, sondern auch die Ressource der Iod-Rohstoffquelle geschont werden.

Eine direkte Weiterverwendung von KM-Resten vor Ort ist beispielsweise durch die Nutzung für ex vivo oder tierexperimentelle Studien möglich. An der Universitätsmedizin Rostock werden Teile der KM-Reste aus der Radiologie beispielsweise an zentrale Einrichtungen für die Kleintierbildgebung und Versuchstierhaltung abgegeben. Sollen KM-Reste entsorgt werden, existieren hierfür detaillierte Entsorgungsvorschriften und Empfehlungen, insbesondere die Mitteilung der Bund-Länder-Arbeitsgemeinschaft (LAGA) 18 Vollzugshilfe zur Entsorgung von Abfällen aus Einrichtungen des Gesundheitsdienstes [31]: „Arzneimittel einschließlich unverbrauchter Röntgenkontrastmittel sind getrennt zu erfassen. Eine gemeinsame Entsorgung dieser Abfälle mit Abfällen nach AS 18 01 04 [Anmerkung: Abfälle, an deren Sammlung und Entsorgung aus infektionspräventiver Sicht keine besonderen Anforderungen gestellt werden] oder mit gemischten Siedlungsabfällen ist möglich. Wichtig dabei ist, dass ein missbräuchlicher Zugriff durch Dritte und eine damit verbundene Gefährdung ausgeschlossen ist sowie folgend eine thermische Behandlung sichergestellt wird.“ [vgl. AS 18 01 09 aus [31]]. Die thermische Behandlung (Verbrennung) zerstört die chemische Zusammensetzung des KM und es entstehen molekulares Iod (I2) und Iodsalze, die auch natürlicherweise in der Umwelt vorhanden sind [32]. Eine Entsorgung von KM-Resten über den Ausguss oder die Toilette in das Abwasser ist somit nicht sachgerecht.


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Auffangen von und Umgang mit Kontrastmittelausscheidungen

Bei Patienten mit normaler Nierenfunktion werden iodhaltige KM nach intravaskulärer Injektion schnell überwiegend über den Harntrakt ausgeschieden, innerhalb von etwa 2 Stunden bereits etwa 50 % [4] [5] [6] [7]. Dementsprechend sind insbesondere die ersten Urinausscheidungen nach einer KM-Injektion für ein Auffangen von Interesse, um KM-Ausscheidungen im Abwasser und somit den Eintrag in die Umwelt zu reduzieren. Urinausscheidungen können entweder über Urinsammelbehälter oder über separate Toiletten mit einem eigenen Rohrsystem gesammelt werden. Ambulanten Patienten können geeignete Urinsammelbehälter beispielsweise in Form von Urinbeuteln mit einem absorbierenden Material, welches den Urin fixiert, auch mitgegeben werden.

Dieses Konzept wurde in Pilotstudien in Deutschland und den Niederlanden mit mehreren Tausend Patienten untersucht, bei denen Patienten jeweils vier Urinbeutel erhielten und auf freiwilliger Basis dazu aufgefordert wurden, diese Beutel für die ersten vier Urinausscheidungen nach einer kontrastmittelverstärkten CT zu verwenden [9] [33]. Die überwiegende Mehrheit der Patienten gab an, dass sie die Urinbeutel benutzten. Es konnte dabei eine Reduktion der KM-Konzentration im Abwasser um 45 % gezeigt werden [9] [33].

Während eine Rückgewinnung des Iods aus dem Kommunalabwasser zwar technisch prinzipiell möglich, aber aufgrund des hohen Material- und Energieaufwands nicht wirtschaftlich wäre, könnte die Rückgewinnung des Iods aus Urinsammelbehältern oder Separationsurin technisch möglich und abhängig vom Iodpreis potenziell auch wirtschaftlich sein [13]. Eine Rückgewinnung des Iods könnte auch hier sowohl zur Rohstoffsicherheit, als auch zur Reduzierung des Eintrags in die Umwelt beitragen. Daneben ist eine sachgerechte Entsorgung von benutzten Urinsammelbehältern über die Krankenhausabfälle oder den privaten Hausmüll analog der Entsorgung von Kontrastmittelresten (s. o.) mit nachfolgender Verbrennung möglich.

Eine breite, idealerweise bundesweite Implementierung von Urinauffangsystemen hängt nicht nur mit der praktischen Umsetzung, sondern auch den Kosten bzw. deren Finanzierung zusammen. Mehrere Studien untersuchten in diesem Kontext die Kosten für Urinsammelbehälter-Maßnahmen. Analysiert bzw. geschätzt wurden dabei je nach Studie Kosten für Material, Personal und/oder Entsorgung. Die Materialkosten variierten zwischen 1,90 Euro bis 6,69 Euro pro PatientIn [34] [35] [36] [37]. Der zeitliche Mehraufwand des Personals wurde auf etwa 16 Minuten pro PatientIn im stationären Setting und etwa 6 Minuten im ambulanten Setting geschätzt [34] [37]. Die Entsorgungskosten beliefen sich auf 0,15 Euro bis 0,39 Euro pro PatientIn im stationären Setting und 0,05 Euro im ambulanten Setting [34] [37] [38]. Die Berlin-Studie 2004–2006 führte eine vollständige Kostenschätzung für eine zukünftige Anwendung im stationären Setting durch und kam zu Kosten in Höhe von 10,03 Euro pro PatientIn, entsprechend circa 380 Euro pro kg Iod [34]. Eine darauf basierende Hochrechnung für alle Berliner Krankenhäuser ergab jährliche Kosten von über 1,3 Mio. Euro [34]. Eine lineare Hochrechnung dieser Kostenschätzung aus dem Jahre 2006 auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands ergäbe allein für den stationären Bereich Kosten von über 30 Mio. Euro pro Jahr. Wie solche Summen refinanziert werden könnten, ist bislang weiterhin völlig offen [3].

Ein anderer, umfassender Ansatz zu pharmazeutischen Rückständen im Krankenhausabwasser könnte in einer dezidierten medizinischen Abfallbehandlung vor Ort liegen. Ein Beispiel hierfür ist das Pharmafilter-Konzept, das darauf abzielt, sowohl Feststoffe als auch flüssige Abfallstoffe in speziellen Fermentierungsanlagen in der Nähe des Krankenhauses zu behandeln. Solche Systeme produzieren zugleich Biogas und entfernen ein breites Spektrum von Arzneimitteln, einschließlich Antibiotika, aus dem Abwasser des Krankenhauses. Eine Pilotstudie in den Niederlanden zeigte eine vollständige Entfernung von iodhaltigen KM aus dem Krankenhausabwasser mittels dieser Filtersysteme [39].


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Umgang mit Verbrauchs- und Verpackungsmaterial

Mengen an Verbrauchsmaterial und Entsorgung

Verbrauchs- und Verpackungsmaterialien umfassen Patientenunterlagen, Patientenschläuche, periphere Venenverweilkanülen, Spritzen für Kochsalz, Einmalhandschuhe, Nierenschalen, Desinfektionsmittel für Haut und Flächen, Tupfer, Pflaster und deren Verpackungen. In Bezug auf Kohlenstoffdioxidemissionen wirken sich Verbrauchsmaterialien unter Betrachtung des gesamten Zyklus von der Produktion über Lieferketten bis zum Verbrauch und der Entsorgung additiv zu den Emissionen aus der Produktion, den Lieferketten, dem Stromverbrauch und der Entsorgung der Großgeräte aus [40] [41]. Vor diesem Hintergrund bestehen an den verschiedenen Stellen dieses Zyklus Ansatzpunkte zur Optimierung.


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Multi-Patienten-Systeme

Bei der Verwendung von Einmal-Systemen können bei jeder KM-Anwendung Reste entstehen, die dann verworfen werden müssen. Gleichzeitig müssen dabei nach jeder KM-Anwendung die Einmalspritzen entsorgt werden.

Multi-Patienten-Systeme verhindern den Rückfluss von Kontrastmittel, Kochsalz und Blut und somit eine Kreuzkontamination zwischen Patienten. Sie sind für die Nutzung bei mehreren Patienten über einen definierten Zeitraum zugelassen. Durch die Verwendung von Multi-Patienten-Systemen können nicht nur KM-Reste reduziert, sondern auch die Mengen an Verbrauchsmaterialen reduziert werden. Multi-Patienten-Systeme ermöglichen den flexiblen und situationsabhängigen Einsatz von Flaschengrößen von 50 bis 500 ml. Typischerweise kann am Tagesanfang mit Flaschengrößen von 500 ml begonnen werden und dann im weiteren Tagesverlauf die Flaschengröße gegen Tagesende an den noch erwarteten Bedarf angepasst werden [42]. Hierbei sind die maximal zugelassenen Nutzungszeiten des Multi-Patienten-Systems und der Kontrastmittelflasche zu beachten. Diese Zeit variiert zwischen zehn und 24 Stunden und ist aus hygienischen Gründen begrenzt, da eine Gefahr inter-individueller Kontaminationen unbedingt vermieden werden muss.


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Reflektion der eigenen Routine in der Klinik bzw. Niederlassung

Abschließend sollen oben genannte Aspekte der Nachhaltigkeit beim Umgang mit iodhaltigen KM in der CT anhand einer quantitativen Erhebung aus der eigenen Routine in unserer Klinik (Universitätsmedizin Rostock) bzw. unserer Niederlassung (DIE RADIOLOGIE München) diskutiert werden. Als Erhebungszeitraum dienten in der Klinik 24 Stunden eines Wochentags an zwei Geräten und in der Niederlassung 15 aufeinanderfolgende Wochentage an einem Gerät. Der Anteil kontrastverstärkter CT-Untersuchungen in Höhe von circa 40 % und das hierfür durchschnittlich eingesetzte KM-Volumen in Höhe von circa 100 ml gemäß der oben angeführten weltweiten Schätzungen [12] reflektierte dabei sehr gut die Realität unserer eigenen Routine.

Planung und Durchführung kontrastverstärkter CT-Untersuchungen

In der klinischen Routine unserer Klinik bzw. Niederlassung wurden Kontrastmittelprotokolle bis 2022 mit der Ausnahme von adipösen PatientInnen nicht an das Körpergewicht angepasst. Im Zuge der neugefassten Leitlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der CT aus dem Jahre 2022 werden die dortigen Vorgaben zur Personalisierung von Kontrastmittelprotokollen 2023 sukzessive in die Routine unserer Klinik bzw. Niederlassung übernommen.


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Entsorgung und Weiterverwendung von Kontrastmittelresten

In der klinischen Routine unserer Klinik bzw. Niederlassung betrugen die KM-Reste durchschnittlich 12 ml bzw. 9,3 ml pro durchgeführte KM-verstärkte CT im Vergleich zu 70–150 ml injizierter KM-Menge. Das Verhältnis von KM-Resten zu KM-Mengen in Urinausscheidungen belief sich demnach auf etwa 1:10. Zum Zeitpunkt der Manuskriptverfassung im Juni 2023 werden alle KM-Reste – mit Ausnahme eines Anteils zur Weiterverwendung in ex vivo und tierexperimentellen Studien der Universitätsmedizin Rostock – innerhalb der KM-Flasche in den Klinikmüll bzw. den Restmüll entsorgt. Die Teilnahme an einem Serviceprogramm zur Rücknahme von KM-Resten zur Rückgewinnung von Iod soll nun in beiden Einrichtungen geprüft werden.


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Umgang mit Verbrauchs- und Verpackungsmaterial

In der klinischen Routine unserer Klinik bzw. Niederlassung entstand Abfall im Umfang von durchschnittlich einem 120-Liter-Abfallsack für alle 12–18 Patienten. In einer beispielhaften Zählung fielen dabei für 100 Patienten durchschnittlich 44 periphere Venenverweilkanülen, 59 Tupfer, 60 Pflaster, 74 Einmalhandschuhe, 24 Nierenschalen, 37 Kochsalzspritzen und deren Verpackungen an. Dabei landeten in der Klinik bis auf die größeren Verpackungskartons alle Verbrauchs- und Verpackungsmaterialien in dem gleichen Abfallsack. Die Einführung einer Abfalltrennung für Verpackungsmaterialien wäre in diesem Kontext erstrebenswert. In der Niederlassung bestand bereits eine Abfalltrennung für Kartons und Verpackungsmaterialien jeweils getrennt von den übrigen Abfällen.


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Fazit

Nachhaltigkeit findet im Gesundheitswesen zunehmend Beachtung. Sowohl Kliniken als auch Niederlassungen versuchen, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern, nachhaltiger zu handeln und dadurch auch Kosten zu sparen.

In der CT tragen iodhaltige KM und Verbrauchsmaterialien neben dem Stromverbrauch der Großgeräte zu Kohlenstoffdioxidemissionen bei. Ein nachhaltiger und verantwortungsvoller Umgang mit iodhaltigen KM ist darüber hinaus aus Aspekten des Eintrags von KM in die Umwelt und Ressourcenschonung erstrebenswert. Hierfür kann durch eine Reihe wirkungsvoller Maßnahmen kurz-, mittel- und langfristig ein Beitrag geleistet werden.

Bei der Planung und Durchführung kontrastverstärkter CT-Untersuchungen kann durch personalisierte KM-Protokolle und die Nutzung eines Kochsalzbolus für alle KM-Protokolle die KM-Nutzung effizienter gestaltet werden. Für die Weiterverwendung von Kontrastmittelresten bieten KM-Hersteller Rücknahmeprogramme an. Das Auffangen von KM-Ausscheidungen nach KM-Injektionen mittels Urinbeuteln oder separaten Toiletten könnte zukünftig einen großen Einfluss auf die Reduktion des Umwelteintrags haben. Und nicht zuletzt kann durch einen verantwortungsvollen Umgang mit Verbrauchs- und Verpackungsmaterial, insbesondere durch die Nutzung von Multi-Patienten-Systemen, ein wertvoller Beitrag zur Abfallvermeidung und Ressourcenschonung geleistet werden.


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Conflict of Interest

Fabian Rengier is an employee of Bayer Vital GmbH and holds stocks of Bayer AG. The other authors declare that they have no conflict of interest.

Danksagung

Wir bedanken uns bei Katy Priebe, leitende MTR am Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Kinder- und Neuroradiologie an der Universitätsmedizin Rostock und bei Alexandra Klang, leitende MTR am Standort Starnberg von DIE RADIOLOGIE für die Unterstützung bei der Datenerhebung. Wir danken zudem Dr. Martin Rohrer und Dr. Alexander Boreham (co.medical, Berlin) für die Unterstützung beim Medical Writing.


Correspondence

Dr. Fabian Rengier
Pharmaceuticals Medizin, Radiology, Bayer Vital GmbH
Building K56
51366 Leverkusen
Germany   
Phone: +49/21 43 01   

Publication History

Received: 26 July 2023

Accepted: 13 November 2023

Article published online:
26 February 2024

© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution License, permitting unrestricted use, distribution, and reproduction so long as the original work is properly cited. (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/)

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Active pharmaceutical ingredients found in surface waters in concentrations above 0.1 μg/l in 2019 (data from [43]). Columns represent the maximum concentration measured, and lines illustrate the highest annual mean value of all measuring points.
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Fig. 2 Life cycle of iodine in contrast agents, simplified scheme, see text for explanation.
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Abb. 1 Arzneimittelwirkstoffe, die 2019 in Konzentrationen von über 0,1 μg/l in Oberflächengewässern gefunden wurden (Daten aus [43]). Die Säulen stellen die maximal gemessene Konzentration dar, die Striche illustrieren den höchsten Jahresmittelwert aller Messstellen.
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Abb. 2 Lebensweg von Iod in Kontrastmitteln, vereinfachtes Schema, Erläuterung siehe Text.