Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2255-0455
GPM – Gesellschaft für Pferdemedizin e.V.
In einem informativen Online-Seminar beleuchtete die Gesellschaft für Pferdemedizin (GPM) in mehreren Vorträgen das Spannungsfeld Euthanasie des Pferdes in Klinik und Praxis.
#
Euthanasie – Was ist ein vernünftiger Grund?!
Zunächst erläuterte Prof. Dr. Sabine Kästner, Leitung der Abteilung Anästhesie und Analgesie der Klinik für Kleintiere der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) die medizinischen Aspekte im Rahmen der Euthanasie bei Pferden. Prof. Kästner fasste die einzelnen Schritte von der Besitzerkommunikation, Trauerarbeit und Aufklärung bis hin zur Methodik und korrekten Planung und Durchführung zusammen. Hierbei kann eine genaue Erläuterung der Vorgehensweise sowie das Benennen möglicher Nebenwirkungen der verwendeten Medikamente den Pferdebesitzer*innen helfen, die als besonders belastend wahrgenommenen Phasen der Euthanasie wie Niedergehen, Atemstillstand und eventuelles Wiedereinsetzen der Atmung besser einzuordnen. Auch auf die Sicherheit aller Beteiligten ist zu achten.
2-Stufen-Euthanasie als Standard
Als Standard wird die „2-Stufen-Euthanasie“ in Allgemeinanästhesie nach Einlegen eines Venenkatheters und Sedierung empfohlen. Bei dieser Vorgehensweise können beide derzeit verfügbaren Präparate gleichbedeutend angewandt werden. Wichtig zu bedenken ist die Kontraindikation für den Einsatz des Kombi-Präparats T61 bei tragenden Stuten, da dieses nicht plazentagängig ist. Daher sollte bei tragenden Stuten Pentobarbital zur Euthanasie angewendet werden.
Anschließend betrachtete Prof. Dr. Peter Kunzmann, Institut für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie der TiHo Hannover, die im Tierschutzgesetz verankerte Formulierung des „vernünftigen Grundes“ aus ethischer Sicht. Deutschland nimmt hier eine Sonderstellung ein, da im Gegensatz zu anderen Ländern das Leben der Tiere an sich gesetzlich geschützt ist.
Dies spiegelt sich auch in der sozialen Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft mit der Frage wider, wann das Töten von Tieren als legitim gilt. Die Unterscheidung zwischen dem größten Schaden für das Tierleben in Form des Todes und dem größten Übel für das Tier in Form von Schmerzen, Leiden oder Schäden rechtfertigt dennoch die Durchführung einer Euthanasie.
#
Ethische und finanzielle Aspekte
Die Euthanasie sollte gemäß den Schweizer Grundsätzen für den Tierarzt und die Tierärztin nur nach präziser Diagnose und Prognose, sowie unter Abwägung der Lebensqualität des Tieres durchgeführt werden und ist auch als Teil der tierärztlichen Kunst im „Ethik-Kodex für Tierärztinnen und Tierärzte Deutschlands“ verankert.
Doch auch finanzielle Aspekte spielen eine Rolle. Die Tierwürde ist hierbei aber nicht auf die Würde des Menschen übertragbar, sie ist nicht über alles erhaben. Die wirtschaftliche Belastung der Halterin oder des Halters infolge einer Behandlung zur Abwendung einer Euthanasie ist aber nicht durch eine Faustformel oder Obergrenze definiert, sondern bleibt in jedem Fall eine Einzelfallabwägung. Eine Euthanasie aus rein wirtschaftlichen Gründen ist nicht als vernünftiger Grund anzusehen, die finanzielle Belastung muss aber zumutbar sein.
Prof. Dr. Karsten Feige, Direktor der Klinik für Pferde der TiHo Hannover, untermauerte mit einigen Fallbeispielen rechtliche Vorgaben und ethische Prinzipien, die zuvor erörtert wurden. Die Euthanasie von Pferden aus amtstierärztlicher Sicht wurde durch Dr. Christiane Mehl, leitende Veterinärdirektorin des Veterinäramts Hannover-Stadt, vorgestellt. Sie verdeutlichte zunächst, dass die Tierärztin oder der Tierarzt aufgrund verschiedener Abwägungskriterien die Entscheidung zur Euthanasie trifft und damit auch die Verantwortung hierfür übernimmt. Orientierungshilfen für den Umgang mit dem Euthanasiewunsch eines kranken, aber behandelbaren Pferdes entgegen dem tierärztlichen Rat auf der einen sowie einer Euthanasieablehnung von unheilbar kranken Pferden mit nicht therapierbaren Schmerzen auf der anderen Seite wurden von ihr diskutiert.
Eine wichtige Rolle spielte auch hier wieder die Aufklärung des Halters oder der Halterin über deren Verantwortung und Fürsorgepflicht für ihre Tiere. Das Veterinäramt kann aber in besonders schweren Fällen eingeschaltet werden und nimmt dann nach Sachermittlung und Aufklärung gegebenenfalls verwaltungsrechtliche Anordnungen vor. Hierbei können sowohl die Behandlung als auch die Tötung des Tieres mit sofortiger Vollziehung angeordnet werden. Bei Zuwiderhandlung ist auch eine strafrechtliche Verfolgung der Halter möglich, wenn auch selten erforderlich.
In der abschließenden Diskussionsrunde wurden spezifische Fragestellungen und zahlreiche Fälle diskutiert, die von Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Vorfeld des Live-Online Seminars eingereicht wurden. Die Vorträge und Diskussionen wurden aufgezeichnet. Auf der Webseminarplattform bietet die GPM nun die Aufzeichnung des Online-Seminars zum Thema „Euthanasie – was ist ein vernünftiger Grund?!“ an.
#
#
GPM-Podcast zum Thema Euthanasie


Passend zu diesem Thema ist ebenfalls ein GPM-Podcast mit dem Thema „Ethik und Euthanasie“ frei verfügbar. Entscheidungsfindung und rechtliche Grundlagen zum Einschläfern eines Pferdes werden besprochen. In dieser Podcast – Reihe werden aktuelle Themen zur Pferdegesundheit besprochen. Der Podcast richtet sich an Pferdebesitzer*innen, Studierende der Tiermedizin, Tierärzt*innen und Reitsport-Interessierte. Hören Sie uns auf der GPM-Webseite oder der Podcast-Plattform Ihrer Wahl. Gerne dürfen GPM-Mitglieder den Podcast auf ihrer Homepage verlinken.
Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.
Hahnstraße 70
60528 Frankfurt a. M., Deutschland
Tel.: 0 69/25 49 69 00-0
Fax: 0 69/25 49 69 00-69
Mitgliederservice: Herr Yves Colombel
info@gpm-vet.de
www.gpm-vet.de
#
Am 22. und 23. März 2024 finden die ersten GPM-Networking Days in Hannover statt. Im Rahmen der Vortragsveranstaltung am Freitag, dem 22. März 2024 liegt im Herrenhäuser Schloss der Fokus auf der Orthopädie und der Sportmedizin sowie der künstlichen Intelligenz (KI) in der Tiermedizin, bevor der Abend mit der GPM-Mitgliederversammlung und einer Afterwork-Party ausklingt. Am Samstag, dem 23. März 2024 erwarten die Teilnehmenden in der Pferdeklinik der TiHo Hannover u. a. Workshops mit international renommierten ReferentInnen zur Kaufuntersuchung, orthopädischen Ultrasonografie, Kardiologie, Raufutterberechnung, Röntgenaktualisierung und Anwendung der GOT. Das Erwerben von Tickets für die Veranstaltung ist im GPM-Shop möglich (https://gpm-vet.de/shop/product/55-gpm-networking-days-2024-kongresstag-tagesticket).


#
Publication History
Article published online:
27 March 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany



