Nervenheilkunde 2024; 43(06): 327-329
DOI: 10.1055/a-2261-0564
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Psychedelika in der Psychiatrie – Nachlese der 1. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Psychedelische Forschung und Therapie (DGPFT e.V.), Teil 2

Uwe Herwig
 
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    Prof. Dr. Dr. Uwe Herwig Gründungsvorsitzender DGPFT e. V. (dgpft.de) Ärztlicher Direktor, stv. Geschäftsführer, Zentrum für Psychiatrie Reichenau, Akademisches Lehrkrankenhaus Universität Konstanz, Lehrbeauftragter Universitäten Ulm und ZürichQuelle: ©privat

    Auch in dieser Ausgbae der Nervenheilkunde möchten wir nochmals einen Schwerpunkt auf das Thema Psychedelika in der Psychiatrie und Psychotherapie legen. Kürzlich fanden in den USA und in Europa übergeordnete Symposien und Workshops seitens der Bewilligungsbehörden statt, wie im Februar 2024 von der Federal Drug and Food Administration FDA und im April 2024 von der European Medicines Agency EMA. Damit erlangt dieses Thema verstärkt öffentliche und politische Aufmerksamkeit insbesondere von regulativen Behörden, welche über eine eventuelle Einführung in die Klinik befinden würden. In Deutschland wurde mittlerweile die Rekrutierung für die bisher größte hiesige Studie zur Wirksamkeit von Psilocybin bei Depressionen (EPIsoDE) in Mannheim und Berlin abgeschlossen und mit Vorliegen der Ergebnisse wird eine Diskussion zur klinischen Implementation erwartet.

    Im vorhergehenden Heft der Nervenheilkunde waren bereits einige Beiträge der Fachtagung der Deutschen Gesellschaft für Psychedelische Forschung und Therapie (DGPFT e. V.) im September 2023 in Göttingen vorgestellt worden. Diese werden nun hier ergänzt. Der Autor des Editorials widmet sich den historischen Aspekten der Nutzung von Psychedelika. Ausgehend von vorwissenschaftlicher kultureller Nutzung in verschiedensten Regionen der Erde werden die ersten chemischen Untersuchungen und Überlegungen zur Nutzung in der Psychiatrie, wie z. B. zur Modellpsychose aufgezeigt. Vertieft werden dann die ersten psychotherapeutischen Anwendungen aufgeführt, gefolgt von der Zeit der Vorbote und der „Renaissance“ der modernen Erforschung der Psychedelika. Daran anknüpfend folgen in einem weiteren Artikel Aspekte der neurobiologischen Wirkung von Psychedelika auf psychopharmakologischer sowie neurosystemischer und neurodynamischer Ebene mit Überleitung zu psychotherapeutischen Wirkfaktoren.

    Tomislav Majic und Ricarda Evens führen die Bedeutung postakuter Effekte nach Psychedelikaeinnahme aus. In der Regel wird auf die akute Wirkung fokussiert oder auf mögliche anschließende therapeutische Effekte. Genauso wichtig sind eventuelle anhaltende oder gar unerwünschte Folgewirkungen nach einer Einnahme, über welche Probanden, Patienten oder Nutzer insgesamt aufgeklärt werden sollten. Nina Hartter und Kollegen aus einer Arbeitsgruppe um Henrik Jungaberle und Gerhard Gründer stellen eine Studie zur Haltung von Fachpersonen gegenüber der Nutzung von Psychedelika vor. Hier wird zwar einerseits eine gewisse optimistische Sicht hierauf beschrieben, gleichzeitig aber auch die notwendige Fachlichkeit betont sowie ggf. die Notwendigkeit einer Einbettung in ein Finanzierungssystem und eine Anwendung auf Basis spezifischer Qualifikation. Ketamin und Esketamin sind in Deutschland die bisher einzig legal anwendbaren Substanzen mit einer psychoaktiven psychedelischen Wirkung. Cornelius Schüle und Kollegen führen zunächst die pharmakologischen Grundlagen und die Studienlage zur Anwendung bei Depressionen aus, um dann auf die Diskussion einer möglichen Einbettung in ein psychotherapeutisches Setting zu kommen.

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    Tagung der DGPFT e. V. im September 2023 am Asklepios Fachklinikum in Göttingen (Vorsitzender Uwe Herwig). Quelle: Foto: ©DGPFT e. V.

    Wir bewegen uns mit dem Thema Psychedelika in einem dynamischen Feld, in welchem eine besonnene Betrachtung angesichts von Tendenzen zur Überfrachtung bis Idealisierung einerseits und historisch basierter skeptischer Zurückhaltung und Distanzierung andererseits notwendig ist. Insbesondere sollten keine überhöhten Erwartungen an klinische Effekte geweckt werden. Wenn Psychedelika auch in Deutschland einmal in der Klinik zur Verfügung stehen, so werden sie von der Bedeutung her ihren moderaten Beitrag im weiten Spektrum psychiatrischer Behandlungsansätze zu leisten versuchen. Wichtig erscheint, bereits jetzt in eine vertiefte Betrachtung einzusteigen.

    Uwe Herwig, Reichenau


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    Publication History

    Article published online:
    11 June 2024

    © 2024. Thieme. All rights reserved.

    Georg Thieme Verlag KG
    Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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    Prof. Dr. Dr. Uwe Herwig Gründungsvorsitzender DGPFT e. V. (dgpft.de) Ärztlicher Direktor, stv. Geschäftsführer, Zentrum für Psychiatrie Reichenau, Akademisches Lehrkrankenhaus Universität Konstanz, Lehrbeauftragter Universitäten Ulm und ZürichQuelle: ©privat
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    Tagung der DGPFT e. V. im September 2023 am Asklepios Fachklinikum in Göttingen (Vorsitzender Uwe Herwig). Quelle: Foto: ©DGPFT e. V.