Resilienz-Coaching
Ein Praxismanual zur Unterstützung von Menschen in herausfordernden Zeiten
Tantjana Reichhart, Claudia Pusch: Resilienz-Coaching. Ein Praxismanual zur Unterstützung
von Menschen in herausfordernden Zeiten. Wiesbaden: Springer, 2023; 316 Seiten, gebunden,
49,99 Euro, ISBN 9783658374310
Jeder darf sich Coach nennen. Krankenkassen zahlen nicht für Coaching, Klienten müssen
gesund sein… Und Resilienz ist sicher mehr als ein Gummiball, der nach Schicksalsschlägen
umgehend in seine Ausgangsform zurückspringt. Wir wissen zwar ungefähr was resiliente
von weniger resilienten Menschen unterscheidet. Aber ob bzw. inwieweit sich solche
bio-psycho-sozial angelegten Muster durch Coaching gezielt und schnell wunschgemäß
modifizieren lassen, ist empirisch kaum gesichert.
In diesem Feld aus Pragmatismus, Rhetorik, institutionellen Scheuklappen und (allseitigen)
wirtschaftlichen Interessen bewegt sich Coaching derzeit. Die Erstautorin des vorliegenden
Buches, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, hat es angesichts dessen leichter,
weil sie sich aus dem wissenschaftlich fundieren Fundus ihrer Fächer bedienen kann.
Wobei, dass Resilienz-Coaching eine eigenständige Disziplin sei, kann bezweifelt werden.
Zielt nicht jedes Coaching darauf ab, Kompetenzen zur Lösung relevanter Probleme und
damit Resilienz zu erhöhen?
Das etwa 300 Seiten starke Buch beginnt mit Begriffsdefinitionen und Resilienz-Faktoren.
Der allgemeine Ablauf eines Coachings wird skizziert, kurze Kapiteln sind anatomisch-physiologischen
Grundlagen, Motivationspsychologie und Verhaltensmodifikation gewidmet. Differenziert
werden Parallelen des Resilienz-Begriffes u. a. zur Salutogenese aufgezeigt. Der folgende
Teil fokussiert auf die Erstellung von Resilienz-Profilen, Achtsamkeit als Aspekt
von Resilienz wird vorgestellt, bevor Optimismus, Soziale Netzwerke, Selbstwirksamkeit
und die Bedeutung von Werten thematisiert werden. Stressmanagement, einem zentralen
Coaching-Thema, wird auf 20 Seiten abgehandelt, noch kürzer das offenbar unvermeidliche
Burnout-Thema. Abschließend widmet sich das Buch der Professionalität des Coachs,
der Unterschied zwischen Therapie und Coaching wird korrekt dargelegt, wobei bezweifelt
werden kann, dass sich auf 4 Seiten hinreichend vermitteln lässt, wie man psychische
Erkrankungen erkennt. Abschließend geht es um die persönliche Psychohygiene des Coachs.
Im Anhang finden sich Ablaufpläne und praktisch verwendbare Schaubilder.
Die Propagierung des Resilienz-Begriffes hätte etwas relativierender erfolgen können.
Ansonsten: Resilienz-Coaching ist, gemessen an psychotherapeutischen Standards, ein
substanzielles Buch, das mitunter wie eine Art Kompendium von diesbezüglichen Theorien
und Konzepten („Tools“) imponiert. Coachs mit wenig Praxiserfahrung hätten sich vermutlich
mehr Fallbeispiele und engmaschiger auf die Gestaltung von Therapieabläufen bezogene
Handreichungen gewünscht. Therapeuten überraschen die Inhalte des Buches nicht, Coachs
hingegen vermittelt es substanzielle Grundkenntnisse, deren praktische Umsetzung dann
intensiv geübt werden kann.
Andreas Hillert, Prien am Chiemsee