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DOI: 10.1055/a-2268-7150
GPM – Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.
In dem als Dialog geführten GPM-Webseminar „Diskussionsabend zu häufig gestellten Fragen zur Pferdefütterung“ wurden von Frau Prof. Ingrid Vervuert und Dr. Martin Gundel verschiedene Fragestellungen zur Pferdefütterung thematisiert.
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Web-Seminar Pferdefütterung – von Melasse bis Wasserversorgung
Wie steht es um die Wasserversorgung und -qualität?
Die Wasserversorgung der Pferde gestaltet sich sehr unterschiedlich. So finden sich natürliche Wasserquellen, künstlich angelegte Wasserstellen, Weidetränken in unterschiedlichster Ausführung und automatische Selbsttränken. Dabei erläutert Frau Prof. Vervuert zunächst, dass die rechtlichen Anforderungen an Trinkwasser sich von denen an Tränkwasser unterscheiden. Tränkwasser unterliegt dabei wesentlich geringeren Anforderungen (s. dazu „Charakterisierung eines für die Versorgung von Lebensmittel liefernden Tieren ‚geeigneten‘ Wassers“ des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft) als Trinkwasser, sollte aber hygienisch einwandfrei, schmackhaft und verträglich sein. Routineproben zur Überprüfung der Wasserqualität sollten im Idealfall 1 x jährlich direkt am Einspeisungsort entnommen werden. Zur Abklärung von Auffälligkeiten oder zur Überprüfung der Wasserleitungen können gegebenenfalls zusätzlich Proben direkt an der Tränke entnommen werden. Die Entnahme sollte dabei steril und in ein steriles Probengefäß erfolgen (0,7 – 1 l, Gefäß zu ca. 70% füllen). Dafür kann die Entnahmestelle entweder abgeflammt oder mit Alkohol oder Desinfektionstüchern vorbereitet werden. Zudem sollte das Wasser vor der Entnahme mindestens 2 – 3 min laufen gelassen werden.
Der von Besitzern häufig geäußerte Verdacht einer zu hohen Nitratbelastung kann in der Praxis unter Berücksichtigung der Empfehlungen für Tränkwasser nicht nachvollzogen werden. Pferde sind zudem nicht so empfindlich, eine Nitratvergiftung zu entwickeln, wie z. B. Wiederkäuer. Auch die häufig zu hohen Eisenwerte im Tränkwasser sind meist ohne klinische Relevanz, solange die Pferde das Wasser geschmacklich akzeptieren. Allerdings führen hohe Eisengehalte im Tränkwasser vielfach zu Funktionsstörungen der Wasserventile bei Selbsttränken. Bei der mikrobiologischen Untersuchung werden häufig E. coli in Wasserproben nachgewiesen und können gegebenenfalls von klinischer Relevanz sein. Vor allem Wasserquellen auf Weiden sind anfällig für Kontaminationen aus der Umwelt (Überschwemmung, Gülle, Dünger, Kot, Algen) und sollten regelmäßig oder vor erneuter Nutzung, z. B. zum Start der Weidesaison, überprüft und entsprechend aufbereitet werden.
Die tägliche Wasseraufnahme der Pferde sollte im Blick behalten werden. Der Erhaltungsbedarf liegt bei 3 – 5 l/100 kg KM. Dabei müssen klimatische Bedingungen, der Leistungsbedarf mit eventuellen Schweißverlusten oder z. B. eine Laktation beachtet werden. Von großer Bedeutung ist eine ausreichende Durchflussgeschwindigkeit bei Tränken! Die optimale Durchflussgeschwindigkeit liegt bei 8 l/min. In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass eine niedrigere Durchflussgeschwindigkeit von z. B. 3 l/min zu einer signifikant niedrigeren Wasseraufnahme bei den Pferden führt. Eine sehr hohe Durchflussgeschwindigkeit von z. B. 16 l/min führte zum Teil zu Abwehrverhalten. Generell nehmen Pferde aus Eimern und Bottichen mehr Wasser auf als aus Selbsttränken. Erhöht werden konnte die Wasseraufnahme in Studien bei einem großen Teil der Pferde durch die Zufütterung von Salz oder durch einen mit melassiertem Ergänzungsfutter angereicherten Extra-Wassereimer. Aus eigener Erfahrung wusste Prof. Vervuert zu berichten, dass die Wasseraufnahme bei vielen Pferden durch die Zugabe von 100 – 200 g Weizenkleie in einen 20 l-Wassereimer deutlich erhöht werden kann. Zusätzlich sollte jedoch immer auch ein Eimer mit klarem Wasser ohne Zusätze angeboten werden. Bei der Fütterung von eingeweichten Futtermitteln wie z. B. Heucobs trinken Pferde zum Teil weniger, weil ein Teil des Wasserbedarfs über das eingeweichte Futter bereitgestellt wird. Nach starkem Schwitzen haben Pferde aufgrund der hypertonen Schweißzusammensetzung trotz der Flüssigkeitsverluste oft kein erhöhtes Durstgefühl. Daher kann es sinnvoll sein, den Pferden nach einer starken Belastung ein schmackhaftes Futtermittel, z. T. auch salzhaltig, anzubieten, um sie zum Trinken zu animieren.
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Was gibt es Neues zu freiem Kotwasser?
Freies Kotwasser, das im Herbst und Winter auftritt, ist vermutlich durch den Wechsel von eher leicht verdaulichem Gras auf schwer zu verdauendem Heu bzw. Heulage zurückzuführen. Freies Kotwasser wird dabei häufiger bei der Fütterung eines stark verholzten Heus beobachtet (1. später Schnitt). Ein spät geschnittener 1. Schnitt sowie Heu aus der Grassamengewinnung werden deutlich schlechter verdaut als ein früher 1. oder ein 2. Schnitt!
Zudem führt eine mangelhafte Zerkleinerung des Futters, insbesondere bei alten Pferden und Pferden im Zahnwechsel, zu einer schlechteren Verdaulichkeit und damit verbunden zu einer geringeren Wasserbindung an die langen Partikel der Ingesta. Des Weiteren können eine übermäßige Sandaufnahme, Stress bei der Futteraufnahme oder Parasiten eine Rolle spielen. Die Fütterung von Heulage oder Luzernesilage war in neuen Studien (bei guter Qualität und ausreichender Gewöhnung) nicht mit einem vermehrten Auftreten von Kotwasser assoziiert. Bei der Aufnahme von großen Mengen (schlecht verdaulichem) Stroh trat mehr Kotwasser auf, bei der Fütterung von Luzerne hingegen signifikant weniger Kotwasser. Prof. Vervuert widerlegte im Zusammenhang mit dieser Fragestellung anhand von Studienergebnissen an kolonfistulierten Pferden die häufig geäußerte Theorie, dass es durch die Fütterung von Heulage zu einer Dickdarmazidose kommt. Die Fütterung von Luzerneheu und Luzernesilage wirkte sich in einer aktuellen, von Prof. Vervuert durchgeführten Studie, positiv auf die Trockensubstanzgehalte im Kot aus. Prof. Vervuert wies erneut darauf hin, dass die Heuqualitäten in Deutschland immer proteinärmer werden. Auch eine stressfreie Möglichkeit zur Futteraufnahme ist zur Vermeidung von Kotwasser wichtig, gerade bei alten und rangniedrigen Pferden. Positive Effekte bei Kotwasser waren durch die Fütterung von getrockneten Graswürfeln (100 – 200 g/100 kg KM) und Esparsette (100 – 200 g/100 kg KM) zu erzielen, insbesondere beim Übergang von der Weide- auf die Stallhaltung. Des Weiteren empfiehlt Prof. Vervuert die Fütterung von Trockenbierhefe (50 g/100 kg KM) oder eventuell ganzem Mais (Stärke als energetisches Substrat zur Fermentation im Dickdarm, 50 g/100 kg KM).
In Zusammenhang mit den unzureichenden Raufutter-Qualitäten verweisen die Autoren auf den von der GPM angebotenen Raufutter-Ratgeber, in dem das Thema umfassend aufgearbeitet wird. In den Augen der Vortragenden besteht Verbesserungsbedarf in der Produktion von qualitativ hochwertigem Raufutter. Viele Zusatzfuttermittel wären überflüssig, wenn das Grundfutter eine bessere Qualität aufweisen würde!
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Melasse im Futter – wirklich ein Problem?
Melasse ist ein Nachprodukt der Zuckerherstellung aus Zuckerrüben und wird in der Pferdefütterung zur Aufwertung der Ration in Bezug auf die Energieversorgung und die Schmackhaftigkeit sowie zur Staubbindung eingesetzt. Bei vielen Pferdebesitzern ist Melasse in Verruf geraten. Prof. Vervuert hält die Diskussion für überzogen, weil die über das melassierte Krippenfutter aufgenommene Menge an Zucker im Vergleich zu der über das Raufutter aufgenommenen Zuckermenge verschwindend gering ist.
Im Anschluss wurden noch einzelne Fragen besprochen, die vorab von interessierten Zuhörern eingereicht werden konnten. Als erstes wurde das Problem behandelt, dass viele PSSM2-Futtermittel ein ungünstiges Ca/P-Verhältnis aufweisen. Da bei mittleren Heuqualitäten im Raufutter ausreichende Mengen an Kalzium und Phosphor vorliegen, fällt das inverse Ca/P-Verhältnis in einigen PSSM-Futtermitteln in der Gesamtration nicht ins Gewicht. Die nächste Frage behandelte die niedrigen Selen-Werte in einigen Mineralfuttern. Bei einer heubasierten Ration (ggf. in Kombination mit Getreide) sollte ein vitaminisiertes Mineralfutter mindestens 16, besser 18 mg Selen/kg enthalten, bei einer Dosierung von 100 g für ein Großpferd. Eine weitere Frage beschäftigte sich mit der Wahl des richtigen Müslis für tragende Stuten. Dabei hob Prof. Vervuert hervor, dass der Ernährungszustand die Menge bestimmt. Dabei sollte das Hauptaugenmerk erneut auf der Fütterung eines qualitativ hochwertigen Raufutters liegen, gerne auch Luzerne. In der Zusammensetzung sind Gehalte von > 15% Rohprotein, > 6% Fett und moderate Stärke- und Zuckergehalte von < 30% anzustreben. Auf eine ausreichende Phosphor-Versorgung muss besonders geachtet werden und gegebenenfalls eine Phosphor-Quelle wie Kleie zugefüttert werden, weil unser Raufutter immer phosphorärmer wird. Als gute und einfache Alternative zu einem Stutenmüsli ist eine Ration aus 12 kg Heu plus 3 – 4 kg Luzerneheu/Luzerneheulage, 2 kg Hafer (relativ phosphorreich), 100 – 200 ml Pflanzenöl, mineralisiertem Mineralfutter und 1 – 2 kg Möhren zu nennen. Die letzte Frage beschäftigte sich mit der korrekten Fütterung von PSSM1-Pferden. Bei PSSM1-Pferden ist eine Heuanalyse in Hinblick auf die Zuckerwerte zu empfehlen, im Zweifel sollte das Heu gewässert werden. Die Substitution von Vitamin E, im Zweifel als Monopräparat, und einem guten Mineralfutter mit ausreichend Selen ist zu empfehlen.
Dieses und weitere Web-Seminare der GPM finden Sie auf www.gpm-vet.de oder wenn Sie den QR-Code scannen.
Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.
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Publication History
Article published online:
24 June 2024
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