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DOI: 10.1055/a-2270-0089
Rheumachirurgie unter Biologika und JAK-Inhibitoren – therapeutische Fenster in der Orthopädischen Rheumatologie




Liebe Leserin, lieber Leser der arthritis + rheuma,
die therapeutischen Möglichkeiten entzündlich-rheumatischer Erkrankungen haben sich unter guter medikamentöser Krankheitskontrolle deutlich gewandelt. So sind heute gelenkerhaltende Eingriffe indiziert, wo früher Resektionsarthroplastiken, Arthrodesen und Prothesen erforderlich waren.
Von zentraler Bedeutung ist hier der Begriff des therapeutischen Fensters (englisch: Window of Opportunity), welcher die Zeitspanne, in der eine Therapie indiziert ist, bezeichnet. Bevor sich das therapeutische Fenster einer operativen Therapie öffnet, sind meistens weniger beeinträchtigende Behandlungsmaßnahmen, welche zu einem guten Ergebnis führen und dazu beitragen, invasivere Maßnahmen hinauszögern oder zu vermeiden, indiziert. Ein gutes Beispiel hierfür ist die physikalische Therapie des Hüftgelenks durch Traktion und Mobilisation bei einer moderaten Arthrose. Diese steht vor der Indikation zur Hüftendoprothese. Das therapeutische Fenster für die Hüftendoprothese öffnet sich also in dem Moment, in dem konservative Maßnahmen oder gelenkerhaltende operative Maßnahmen nicht mehr sinnvoll durchführbar sind.
Nicht nur die Behandlung der Arthritiden, sondern die der Sehnenscheiden weist bei diesen Erkrankungen viele Besonderheiten auf, die es zu beachten gilt, um erfolgreich zu behandeln.
Daneben sind die Ursachen für Nervenkompressionssyndrome bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen häufig Sehnenscheidenentzündungen oder Synovialhernien, welche bei der Dekompression entfernt werden müssen, um erfolgreich zu therapieren.
Die Ulnardeviation der Langfinger und die karpale Subluxation stellen auch heute noch eine große Herausforderung für den handchirurgisch tätigen Orthopädischen Rheumatologen dar. Die Korrektur der sogenannten „Handskoliose“ ist komplex und mit einer hohen Rezidivrate behaftet.
Am Fuß kommen zunehmend gelenkerhaltende Eingriffe zur Anwendung, wodurch die Funktion weniger beeinträchtigt wird als nach den klassischen resezierenden oder versteifenden Eingriffen.
Die medikamentöse Entzündungshemmung kann die klinischen Symptome von Infektionen verschleiern und damit zu einer erheblichen diagnostischen Unsicherheit führen. Wird hierdurch die Therapie verzögert, so können die Folgen für den Patienten dramatisch sein und im schlimmsten Falle zu einer letalen Sepsis führen.
Durch die Ausschöpfung physikalischer und medikamentöser Therapien ist es in der Rheumatologie also häufig möglich, für den Patienten Zeit zu gewinnen, bevor invasive Therapien unumgänglich sind. Da der Gelenkverschleiß bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zwar verlangsamt, aber nicht aufgehalten werden kann, solange die Entzündung fortbesteht, kann in diesem Fall auch nicht von einer Heilung, sondern nur von einer Linderung gesprochen werden. Durch die stark verbesserte antientzündliche Therapie profitieren die Patienten dennoch erheblich in Bezug auf die schmerzhafte Einschränkung ihrer Mobilität und Lebensqualität. Das langsamere Fortschreiten der Erkrankung verursacht also nur noch geringe oder keine Beschwerden, sodass die zunehmende Gelenkzerstörung lange unbemerkt bleibt, bis das Gelenk unwiederbringlich zerstört ist. Um dies zu vermeiden, ist es sehr wichtig, regelmäßig körperliche Untersuchungen durchzuführen, um alle therapeutischen Fenster zu nutzen, bevor sich diese schließen. So kann beispielsweise auch eine Spätsynovialektomie bei vielen Patienten helfen, eine Arthrodese oder Prothese für einen längeren Zeitraum aufzuschieben.
Da die Erkenntnis einer notwendigen Überwachung des Gelenk- und Sehnenstatus leider ebenso wenig wie die Besonderheiten der Rheumachirurgie bei allen Ärzten und Patienten im Fokus stehen, sollen die Beiträge dieses Hefts das Bewusstsein (englisch: Awareness) dafür schärfen, alle therapeutischen Optionen zu nutzen, um die Behinderungen durch die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen so gering wie möglich zu halten und Schäden durch eine Therapieverzögerung zu vermeiden.
Wir danken allen Autorinnen und Autoren für ihre interessanten und reich bebilderten Beiträge und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen dieses Hefts.
Ihre
Prof. Dr. Ralph Gaulke, Hannover
Prof. Dr. Wolfgang Rüther, Hamburg
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
06. September 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany



