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DOI: 10.1055/a-2273-8836
Anforderungen an die rechtfertigende Indikation und ständige Aufsicht im Strahlenschutz am Beispiel der Durchleuchtung
- I. Einführung
- II. Die rechtfertigende Indikation
- III. Die ständige Aufsicht
- IV. Zusammenfassung der Ergebnisse
I. Einführung
Dieser Beitrag befasst sich mit Fragen zur rechtfertigenden Indikation und zur ständigen Aufsicht im Strahlenschutz, die sich im Zusammenhang mit Durchleuchtungen (auch fluoroskopische Untersuchungen genannt) ergeben. Das Durchleuchtungsgerät kann dabei nicht nur ein einziges Bild vom Inneren des Körpers anfertigen, sondern eine ganze Serie, so dass eine Art Film entsteht. Daher wird bei Durchleuchtungen – in Abgrenzung zu der konventionellen Röntgenaufnahme – die Anwendung ionisierender Strahlung mehrfach ausgelöst. Aus dieser besonderen Durchleuchtungstechnik ergeben sich die nachfolgenden Fragen, die wegen der weit verbreiteten Erstellung von Durchleuchtungsbildern in der Radiologie und anderen Fachgebieten, etwa zur Darstellung von Herz- oder Schluckbewegungen oder zur Untersuchung von weiteren dynamischen Vorgängen, eine hohe Praxisrelevanz haben.
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Da die Anwendung ionisierender Strahlung immer nur dann zulässig ist, wenn eine Person mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz vor der Anwendung die rechtfertigende Indikation gestellt hat (vgl. § 83 Abs. 3 S. 1 StrlSchG), stellt sich im Rahmen von Durchleuchtungen einerseits die Frage, ob die rechtfertigende Indikation bei jedem Auslösen ionisierender Strahlung (Einzellösung) oder einmalig vor der Untersuchung (Gesamtlösung) zu stellen ist. Dieser Frage wird in Abschnitt II. dieses Beitrags nachgegangen. Weitere Fragen befassen sich mit der Thematik der ständigen Aufsicht nach § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV.
§ 145 StrlSchV regelt den zur Anwendung ionisierender Strahlung berechtigten Personenkreis und differenziert dabei in Absatz 1 zwischen denjenigen Personen, die über die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz verfügen (§ 145 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV) und denjenigen Personen, die nicht über die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz verfügen (§ 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV). Derjenige Arzt, der nicht über die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz verfügt, darf ionisierende Strahlung nur unter ständiger Aufsicht und Verantwortung eines Arztes mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz anwenden. In Anbetracht des Begriffs der ständigen Aufsicht ist fraglich, welche Voraussetzungen an die Aufsichtsführung zu stellen sind.
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es ausreicht, wenn sich der aufsichtführende Arzt in demselben Gebäude wie der zu beaufsichtigende Arzt aufhält und welche Besonderheiten sich daraus ergeben, dass die Untersuchung nicht als einzelne Röntgenaufnahme, sondern durch die Aufnahme von Durchleuchtungsbildern erfolgt? Dieser Fragen werden unter III. beantwortet.
II. Die rechtfertigende Indikation
Die rechtfertigende Indikation ist in § 83 StrlSchG und in § 119 StrlSchV geregelt. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass der behandelnde Arzt vor Anwendung der ionisierenden Strahlung eine Abwägung zwischen dem gesundheitlichen Nutzen der einzelnen Anwendung und den mit der Strahlenexposition verbundenen Risiken vorzunehmen hat. Dieser Abwägungsvorgang gehört zur täglichen Routine eines Radiologen.
Durchleuchtungen sind aus radiologischer Sicht routinierte Tätigkeiten, so dass es möglicherweise ausreicht, wenn die rechtfertigende Indikation einmalig vor Durchführung der Untersuchung gestellt wird. Denkbar ist aber auch, dass dies vor jeder Auslösung ionisierender Strahlung während der dynamischen Röntgenbilddarstellung der Durchleuchtung erneut erforderlich ist. Letzteres würde dazu führen, dass den behandelnden Ärzten auch eine entsprechende Dokumentationspflicht für jedes einzelne Stellen der rechtfertigenden Indikation trifft, was mit einem erheblichen zeitlichen Mehraufwand für den behandelnden Arzt verbunden wäre. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der seit dem 20.05.2021[ 1 ] geänderten Fassung des § 85 Abs. 1 StrlSchG und dem damit einhergehenden erhöhten Dokumentationsaufwand für die rechtfertigende Indikation.[ 2 ]
Bei einer Durchleuchtung sind eine Vielzahl von Einzeluntersuchungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund erscheint es im Hinblick auf die praktische Durchführung des Stellens der rechtfertigenden Indikation vor jedem Auslösen der Strahlung bereits fragwürdig, ob die gesetzliche Regelung in § 83 StrlSchG tatsächlich im Sinne der Einzellösung verstanden werden kann. Die nachfolgenden Ausführungen befassen sich daher mit der Frage nach der Notwendigkeit des mehrfachen Stellens der rechtfertigenden Indikation bei Durchleuchtungen.
1. Definition
Zur Annäherung an den Begriff der rechtfertigenden Indikation folgt zunächst eine kurze Darstellung der Verwendung dieses Begriffs durch das Strahlenschutzgesetz. § 83 Abs. 3 S. 1 StrlSchG enthält eine Legaldefinition der rechtfertigenden Indikation. § 83 Abs. 3 S. 1 StrlSchG regelt (Hervorhebung nicht im Original):
„Die Anwendung darf erst durchgeführt werden, nachdem ein Arzt oder Zahnarzt mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz entschieden hat, dass und auf welche Weise die Anwendung durchzuführen ist (rechtfertigende Indikation).“
Für die Anwendung ionisierender Strahlung im Rahmen einer medizinischen Exposition regelt § 83 Abs. 3 S. 2 StrlSchG als zusätzliche Voraussetzung (Hervorhebung nicht im Original):
„Die rechtfertigende Indikation erfordert bei Anwendungen im Rahmen einer medizinischen Exposition die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen der einzelnen Anwendung gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt.“
Ergänzend ist § 83 Abs. 2 StrlSchG heranzuziehen.
Schließlich normiert § 83 Abs. 3 S. 4 StrlSchG (Hervorhebung nicht im Original):
„Die rechtfertigende Indikation darf nur gestellt werden, wenn der Arzt oder Zahnarzt, der die Indikation stellt, die Person, an der ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe angewendet werden, vor Ort persönlich untersuchen kann, es sei denn, es liegt ein Fall der Teleradiologie nach § 14 Absatz 2 vor.“
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2. Erfordernis der mehrmaligen Stellung der rechtfertigenden Indikation bei Durchleuchtungen
Die oben aufgeführten Definitionen nach § 83 Abs. 3 StrlSchG geben keinen Aufschluss darüber, wie die rechtfertigende Indikation speziell bei Durchleuchtungen zu stellen ist. Im Kern geht es darum, ob der einheitliche Ablauf einer Durchleuchtung strahlenschutzrechtlich in eine Vielzahl von Einzelakten und damit Anwendungen aufzuspalten ist oder diese in einen Gesamtbetrachtungszusammenhang einzustellen sind. Es ist daher durch Auslegung der gesetzlichen Regelungen (a.) zu ermitteln, ob im Rahmen von Durchleuchtungen die rechtfertigende Indikation mehrfach – also im Sinne der Einzellösung – gestellt werden muss. Sodann soll ein Bezug zu der strahlenschutzrechtlichen Dokumentationspflicht hergestellt werden (b.), um abschließend unsere Ergebnisse zusammenzufassen (3.).
a. Wortlaut und Telos des Strahlenschutzrechts
Sowohl § 83 Abs. 3 StrlSchG als auch § 119 StrlSchV sprechen von der rechtfertigenden Indikation im Singular, was für einen einmaligen Vorgang des Stellens spricht. Überdies ordnet § 83 Abs. 3 S. 1 StrlSchG lediglich in zeitlicher Hinsicht an, dass vor der Anwendung der ionisierenden Strahlung zu entscheiden ist, dass und auf welche Weise die Anwendung durchzuführen ist. § 5 Abs. 3 StrlSchG regelt zur Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen (Hervorhebung nicht im Original):
„Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe am Menschen: Technische Durchführung
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einer Untersuchung mit ionisierender Strahlung oder radioaktiven Stoffen und die Befundung der Untersuchung oder
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einer Behandlung mit ionisierender Strahlung oder radioaktiven Stoffen und die unmittelbare Überprüfung und Beurteilung des Ergebnisses der Behandlung.“
Zu dem Erfordernis der mehrmaligen Stellung der rechtfertigenden Indikation gelangt man also nur dann, wenn man strahlenschutzrechtlich eine Mehrzahl von Anwendungen im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 StrlSchG annimmt. In diesem Fall wären jedoch die sonstigen Strahlenschutzmaßnahmen durch den Strahlenschutzverantwortlichen nach Maßgabe des Strahlenschutzrechts folgerichtig zu entwickeln.
Dass eine Anwendung ionisierender Strahlung eine Mehrzahl von verschiedenen Einzelakten zu einer Gesamtanwendung „verklammert“, ergibt sich aber aus einem systematischen Vergleich zu sonstigen Regelungen des Strahlenschutzrechts. Gemäß § 124 Abs. 1 StrlSchG hat der Strahlenschutzverantwortliche dafür zu sorgen, dass eine Person, an der ionisierende Strahlung oder radioaktive Stoffe angewendet werden, vor der Anwendung über das Risiko der Strahlenanwendung informiert wird. Würde man der der Einzellösung folgen, hätte der die ionisierende Strahlung anwendende Arzt vor jeder Auslösung neuer ionisierender Strahlung den Patienten erneut über das Risiko der Strahlenanwendung zu informieren. Im Gegensatz zu den bürgerlich-rechtlichen Aufklärungsvorschriften (vgl. § 630e Abs. 3 BGB) existiert hierfür auch keine Tatbestandsausnahme.
Dies entspräche nicht dem Telos des Strahlenschutzrechts. Die mit der Umsetzung der Richtlinie 2013/59/Euratom verbundene umfassende Novellierung des Strahlenschutzrechts einschließlich des Strahlenschutzvorsorgerechts bezweckt mittels eines eigenständigen Gesetzes den Strahlenschutz zu verbessern, übersichtlich und vollzugsfreundlich zu gestalten sowie unnötige bürokratische Hemmnisse abzubauen[ 3 ]. Das StrlSchG trifft gemäß. § 1 Abs. 1 1. HS StrlSchG Regelungen zum Schutz des Menschen. Es dient dem Recht zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung. Dabei ist das Recht zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung von fundamentaler Bedeutung für die menschliche Gesundheit[ 4 ].
Die Aufspaltung einer einheitlichen Anwendung von ionisierender Strahlung in eine Vielzahl von „Einzelanwendungen“ im Sinne des Strahlenschutzrechts und die damit einhergehende mehrfache Auslösung von Strahlenschutzmaßnahmen zum Schutz der menschlichen Gesundheit wäre als reine Förmelei einzuordnen. Denn hierdurch würde das Strahlenschutzrecht nicht vollzugsfreundlicher gestaltet und unnötige bürokratische Hemmnisse abgebaut. Vielmehr würde allein das Gegenteil erreicht. Die rechtfertigende Indikation wäre nicht nur in einer Vielzahl an Fällen zu stellen und auch zu dokumentieren (dazu sogleich), sondern auch der Patient wäre immer wieder pro forma über das Risiko der Strahlung zu informieren und nach § 119 Abs. 3 S. 2 StrlSchV über frühere Anwendung ionisierender Strahlung zu befragen.
All dies würde aber nicht dem Schutzzweck der Norm – nämlich dem Schutz der menschlichen Gesundheit – dienen, sondern zu einer Überforderung des Arztes führen, der die rechtfertigende Indikation zu stellen hat. Eine Überforderung des Arztes führt jedoch nicht dazu, dass die menschliche Gesundheit besser geschützt wird. Vielmehr kann dies dazu führen, dass die eigentliche Abwägungsentscheidung zwischen Risiko und Nutzen nicht mehr als solche wahrgenommen, sondern als bloße lästige Pflicht empfunden wird.
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b. Bezug zur Aufzeichnungspflicht
In diesem Zusammenhang sind auch die strahlenschutzrechtlichen Aufzeichnungspflichten in den Blick zu nehmen. § 85 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StrlSchG regeln (Hervorhebung nicht im Original):
„Der Strahlenschutzverantwortliche hat dafür zu sorgen, dass über die Anwendung ionisierender Strahlung oder radioaktiver Stoffe am Menschen unverzüglich Aufzeichnungen angefertigt werden. Die Aufzeichnungen müssen Folgendes enthalten:
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Angaben zur rechtfertigenden Indikation und den Zeitpunkt der Indikationsstellung,
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den Zeitpunkt und die Art der Anwendung […]“
Nach § 85 Abs. 1 S. 1 StrlSchG sind vom Strahlenschutzverantwortlichen über die Anwendung ionisierender Strahlung unverzüglich Aufzeichnungen anzufertigen[ 5 ]. Diese Aufzeichnungen haben gemäß § 85 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StrlSchG Angaben zur rechtfertigenden Indikation und dem Zeitpunkt der Indikationsstellung und weiterhin nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchG Angaben über den Zeitpunkt und die Art der Anwendung der ionisierenden Strahlung zu enthalten. Würde man also eine Durchleuchtung in eine Mehrzahl von Anwendungen von ionisierender Strahlung aufspalten, so wären in zeitlicher Hinsichtlich gemäß § 85 Abs. 1 S. 1 unverzüglich die Aufzeichnungen zu fertigen. Die Aufzeichnungen müssten über jede einzelne Anwendung Angaben zur rechtfertigenden Indikation, den Zeitpunkt der Indikationsstellung sowie den Zeitpunkt und die Art der Anwendung enthalten.
Dies zeigt, dass die Einzellösung bei der Anwendung des Gesetzes nicht zutreffend sein kann. Telos des neuen Strahlenschutzrechts ist, das Strahlenschutzrecht vollzugsfreundlich zu gestalten sowie unnötige bürokratische Hemmnisse abzubauen. Eine derart überbordende Dokumentationspflicht für eine Routineuntersuchung wie eine Durchleuchtung würde aber genau zum Gegenteil führen. Es würde eine Vollzugsfeindlichkeit entstehen, da ein derartiger Umfang der Dokumentation nicht praktikabel ist, und letztlich bürokratische Hemmnisse zur bestmöglichen Versorgung der Patienten aufbauen.
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3. Ergebnis
Während der Wortlaut der §§ 83 Abs. 3 S. 1, 5 Abs. 3 StrlSchG, 119 StrlSchV noch zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis führt, spricht der Telos des Strahlenschutzrechts und eine systematische Wertung in Bezug auf die Dokumentationsanforderungen für die Gesamtlösung. In verschiedenen Gebührenordnungspositionen (GOP) der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) ist die Durchleuchtung im Leistungsumfang der GOP, nach denen Röntgenuntersuchungen abgerechnet werden, enthalten (so beispielsweise im Rahmen der GOP 5150, 5157, 5165). Auch dieser Umstand spricht eher dafür, dass ein einheitlicher Vorgang vorliegt, der eine Einstellung in einen Gesamtbetrachtungszusammenhang nahelegt. Die rechtfertigende Indikation ist im Rahmen von Durchleuchtungen daher nicht mehrfach zu stellen. Erforderlich und ausreichend ist im Sinne der Gesamtlösung, dass die rechtfertigende Indikation einmalig vor der Untersuchung gestellt wird.
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III. Die ständige Aufsicht
In Bezug auf die in § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV geregelte ständige Aufsicht ist offen, welche Anforderungen an die örtliche Nähe und Erreichbarkeit des aufsichtführenden Arztes zu stellen sind. In Betracht kommt, dass die ständige Aufsicht die permanente Anwesenheit des Aufsichtsführenden im Behandlungszimmer erforderlich macht oder es ausreicht, dass der aufsichtführende Arzt im selben Gebäude anwesend und jederzeit erreichbar ist.
1. Die ständige Aufsicht als unbestimmter Rechtsbegriff
Bei der ständigen Aufsicht handelt es sich um einen sogenannten unbestimmten Rechtsbegriff. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber den Begriff der ständigen Aufsicht nicht legaldefiniert hat und der aus diesem Grund auslegungsbedürftig ist.
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2. Die Aufsicht und die ständige Aufsicht in der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung
Die Richtlinie „Durchführung der Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) – Strahlenschutz in der Medizin – Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)“ (im Folgenden „Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung“ genannt) enthält in ihrer Anlage B10 Ausführungen zu den Begriffen der Aufsicht und der ständigen Aufsicht. Bereits die sprachliche Differenzierung zwischen Aufsicht und ständiger Aufsicht macht deutlich, dass an die ständige Aufsicht gesteigerte Anforderungen zu stellen sind. Bevor auf die in der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung definierten Begrifflichkeiten eingegangen wird, ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie im Jahr 2011 zur Durchführung der alten, nunmehr novellierten Strahlenschutzverordnung erlassen wurde. Eine Auseinandersetzung mit der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung erscheint jedoch aus folgendem Gesichtspunkt sinnvoll.
Die Richtlinie definiert in § 82 StrlSchV verwendeten Begriff der Aufsicht. Da § 82 StrlSchV a.F. die Vorgängervorschrift zu § 145 StrlSchV darstellt, ist die Richtlinie geeignet in ihren Ausführungen zu § 82 StrlSchV Anhaltspunkte zur Handhabung des Begriffs der Aufsicht zu bieten, wie er nunmehr in § 145 StrlSchV verwendet wird. Zudem ist zu beachten, dass die Richtlinie bisher nicht außer Kraft gesetzt oder aufgehoben wurde. Der Richtliniengeber hat bisher daher nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Richtlinie zur alten Strahlenschutzverordnung nicht fortgelten und auf die neue Strahlenschutzverordnung anwendbar sein soll.
a. Definition der Aufsicht in der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung
Die Anlage B10 zur Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung führt zur schlichten Aufsicht zunächst Folgendes aus (Hervorhebung nicht im Original):
„Im Rahmen der technischen Mitwirkung nach § 82 StrlSchV [Vorgängervorschrift zu § 145 StrlSchV] bedeutet Aufsicht eine angemessene persönliche Kontrolle durch die Aufsichtsperson im Hinblick auf die Einhaltung der erforderlichen Strahlenschutzmaßnahmen sowie die fachliche Qualitätssicherung bei den genehmigten Tätigkeiten zur Anwendung radioaktiver Stoffe oder beim Betrieb von Anlagen zur Erzeugung ionisierender Strahlen. Die angemessene persönliche Kontrolle erfordert in Abhängigkeit von der Qualifikation der zu beaufsichtigenden Person und deren Tätigkeiten nur in besonderen Fällen, z. B. bei der Ausbildung, bei der Einarbeitung oder bei besonderen Strahlenrisiken die physische Anwesenheit der Aufsichtsperson in direkter räumlicher Nähe.“
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b. Definition der ständigen Aufsicht in der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung
Die ständige Aufsicht hingegen wird wie folgt definiert (Hervorhebung nicht im Original):
„Die ständige Aufsicht im Sinne von § 82 Absatz 1 Nummer 2 StrlSchV […] erfordert grundsätzlich während der Anwendung zum einen die Anwesenheit der Person nach § 82 Absatz 1 Nummer 1 StrlSchV direkt am Arbeitsplatz der zu beaufsichtigenden Person sowie zum anderen deren laufende Überwachung, so dass die Aufsichtsperson jederzeit und unabhängig von dem Verhalten der zu beaufsichtigenden Person rechtzeitig eingreifen kann, z. B. bei einem irregulärem Betriebsablauf mit erhöhten Strahlenrisiken oder bei einer eventuellen Fehlhandlung.“
Die Anlage B 10 zur Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung legt daher bereits nahe, dass in Abgrenzung zur (schlichten) Aufsicht die ständige Aufsicht gesteigerte Anforderungen an die physische Anwesenheit der aufsichtführenden Person enthält. So reicht die direkte räumliche Nähe durch eine angemessene persönliche Kontrolle nicht aus; vielmehr ist eine Anwesenheit direkt am Arbeitsplatz erforderlich, um eine laufende Überwachung zu gewährleisten.
Im Hinblick auf die Rechtsnatur der Richtlinie ist jedoch zu beachten, dass es sich bei dieser um eine Verwaltungsvorschrift handelt, der keine rechtliche Verbindlichkeit zukommt.[ 6 ] Auch die Rechtsprechung geht davon aus, dass es sich bei der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung um keine normkonkretisierende Verwaltungsvorschrift handelt. Dies hat zur Folge, dass die Gerichte bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der ständigen Aufsicht nicht an die Richtlinie gebunden sind[ 7 ]. Insofern stellt sich daher die Frage, wie der Begriff der ständigen Aufsicht in der juristischen Literatur und Rechtsprechung verstanden wird.
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3. Der Begriff der ständigen Aufsicht in der Literatur
Bevor durch die neue Strahlenschutzverordnung[ 8 ] in § 145 der zur Anwendung von ionisierender Strahlung berechtigte Personenkreis geregelt worden ist, war dieser einerseits in § 82 StrlSchV[ 9 ] und in § 24 RöV[ 10 ] niedergelegt. In § 24 Abs. 1 Nr. 3 RöV, der auf die Anwendung von Röntgenstrahlen am Menschen Anwendung fand, war geregelt, dass eine ständige Aufsicht erforderlich ist. Demgegenüber wurde in § 82 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV in der Fassung vom 20.07.2001 lediglich der Begriff der „Aufsicht“ im Verordnungstext verwandt.
Mit Wirkung vom 04.10.2011 wurde die Bestimmung des § 82 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV jedoch angepasst.[ 11 ] Hierbei wurde der Begriff der „Aufsicht“ durch die „ständige Aufsicht“ ersetzt. Dies zeigt, dass die Anforderungen an die Aufsicht verschärft werden sollten. Die Durchführungshilfen zum Strahlenschutz in der Medizin führen zu der Fassung der Vorgängernorm des § 82 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV zu den Anforderungen an die schlichte Aufsicht aus, dass soweit die persönliche Anwesenheit des Arztes mit der erforderlichen Fachkunde nicht dauerhaft erforderlich ist, dieser jederzeit auf Abruf in nicht mehr als 15 Minuten vor Ort sein muss. In bestimmten Fällen, insbesondere bei der Behandlung, kann sogar die ständige persönliche Anwesenheit erforderlich sein[ 12 ].
Auch nach einer anderen Ansicht zum bis zum 04.10.2011 geltenden § 82 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV ist der Begriff der „schlichten“ Aufsicht so zu verstehen, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit sowie eine örtliche unmittelbare Nähe gegeben sein muss[ 13 ].
Zu beachten ist in vielen Fällen jedoch, dass nach der früheren Rechtslage nicht § 82 StrlSchV a.F. anzuwenden gewesen wäre, sondern § 24 Abs. 1 Nr. 3 RöV. Nach der alten Rechtslage, das heißt bevor die alte Strahlenschutzverordnung und die Röntgenverordnung in der neuen Strahlenschutzverordnung, die seit dem 31.12.2018 gültig ist, vereint wurden, haben die Röntgenverordnung und die Strahlenschutzverordnung unterschiedliche Bereiche geregelt. Die StrlSchV erfasste gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) aa) und d) StrlSchV a.F. insbesondere den Bereich der Anwendung radioaktiver Stoffe in der Nuklearmedizin und regelte die Strahlentherapie mit Einrichtungen, die mit ionisierender Strahlung oberhalb einer Energiegrenze von einem Megaelektronvolt von Elektronen beschleunigen[ 14 ].
Demgegenüber galt die RöV gemäß § 1 RöV für alle Röntgendiagnostikeinrichtungen, in denen Röntgenstrahlung mit einer Grenzenergie von mindestens fünf Kiloelektronvolt durch beschleunigte Elektronen erzeugt werden kann und diese Beschleunigung der Elektronen auf eine Energie von einem Megaelektronvolt begrenzt ist. Dazu zählen insbesondere Einrichtungen, die zur Untersuchung und Behandlung von Menschen eingesetzt werden beschleunigen[ 15 ].
Für viele Untersuchungen ergab sich daher nicht die Anwendung von § 82 StrlSchV a.F., sondern die des § 24 RöV, der in Abs. 1 Nr. 3 ebenfalls den Begriff der ständigen Aufsicht enthielt. Der Begriff der „ständigen Aufsicht“ nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 RöV, sowie der Vorgängervorschrift in § 23 Nr. 2 RöV wurde von der Literatur wie folgt definiert (Hervorhebung nicht im Original):
„Ständige Aufsicht und Verantwortung bedeuten, dass die kontroll- und weisungsberechtigte Person nach Nr. 1 jederzeit erreichbar sein und sich örtlich in unmittelbarer Nähe aufhalten muss, damit sie die Anwendung der Röntgenstrahlen laufend überwachen und korrigieren sowie die eventuell erforderlich werdenden Entscheidungen treffen kann.“[ 16 ]
Diese Definition ist der Definition der ständigen Aufsicht, die die Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung zu § 82 StrlSchV a.F. enthält, sehr ähnlich. Beide Definitionen enthalten die begriffsdefinitorischen Elemente der laufenden Überwachung sowie die jederzeitige Eingriffs- bzw. Korrekturmöglichkeit des Aufsichtführenden. Die von der Literatur vertretene Definition zu § 24 RöV a.F. fordert aber, anders als die zu § 82 StrlSchV a.F. nicht die Anwesenheit am Arbeitsplatz oder die Eingriffsmöglichkeit des Aufsichtführenden unabhängig vom Verhalten der zu beaufsichtigenden Person. Insofern enthält die Definition in der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung, die bis heute nicht ersetzt worden ist, strengere Anforderungen.
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4. Ansicht des Bayerischen Ministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz zum Begriff der ständigen Aufsicht
Das Bayerische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz hat sich in einer Stellungnahme im Rahmen der Länderbeteiligung zur Verordnung zur weiteren Modernisierung des Strahlenschutzrechts am 30.05.2018 dahingehend geäußert, dass die Begrifflichkeit der „ständigen Aufsicht“ durch die „Aufsicht“ ersetzt werden sollte.
Die ständige Aufsicht sei bei nichtfachkundigen Ärzten nur in bestimmten Situationen erforderlich, die der fachkundige Arzt im Rahmen seiner Verantwortung selbst festlegen kann und muss. Die normale Aufsicht bei entsprechender Auflage zur jederzeitigen Erreichbarkeit des fachkundigen Arztes und dessen Anwesenheit innerhalb von höchstens 15 Minuten sei für den Strahlenschutz völlig ausreichend[ 17 ].
Umgesetzt wurde dieser Änderungsvorschlag ausweislich der aktuellen Fassung des § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV allerdings nicht. Für den hier zu untersuchenden Umfang der ständigen Aufsicht ist aber festzuhalten, dass das Bayerische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz sehr wohl annimmt, dass an eine ständige Aufsicht strengere Anforderungen zu stellen sind als an die einfache Aufsicht. Zudem kann man annehmen, dass das Bayerische Ministerium für Umwelt und Verbraucherschutz bei der ständigen Aufsicht die Anwesenheit des Aufsichtführenden am Arbeitsplatz für erforderlich hält.
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5. Der Begriff der ständigen Aufsicht in der Rechtsprechung
Zur Konturierung des Begriffs der ständigen Aufsicht lohnt es sich, im Nachfolgenden auch auf die ergangene Rechtsprechung einzugehen.
a. OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.1982, Az.: 1 U 66/82
Zur Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „ständigen Aufsicht“ hat das OLG Stuttgart in einer Entscheidung vom 24.11.1982[ 18 ] sowohl für die frühere StrlSchV, als auch die RöV festgestellt, dass dieser nicht statisch, sondern unter Berücksichtigung der Qualifikation und Zuverlässigkeit des eingesetzten Assistenzpersonals auszulegen ist (Hervorhebung nicht im Original):
„Hierbei ist einerseits die besondere Gefährlichkeit der Strahlentherapie und andererseits die Qualifikation und Zuverlässigkeit des eingesetzten Assistenzpersonals zu berücksichtigen. Wenn – wie im vorliegenden Fall – der bei der Röntgenbehandlung eingesetzte Röntgenassistent gut qualifiziert ist und bisher stets zuverlässig gearbeitet hat, kann sicher nicht gefordert werden, daß der delegierende Arzt seinen Mitarbeitern ständig über die Schulter schauen muß. Wer das fordert, hebt sämtliche Vorteile arbeitsteiliger Tätigkeitsformen zwischen Arzt und nicht-ärztlichem Mitarbeiter auf (vgl. Hahn NJW 81, 1977, 1984). Auf der anderen Seite ist es entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht ausreichend, daß ein Arzt innerhalb von 15 Minuten auf Abruf zur Verfügung steht. Bei einer solchen Rufbereitschaft des Arztes ist ein korrigierendes Eingreifen z. B. bei der Einstellung des Bestrahlungsfeldes oder der Bestrahlungsdosis nicht gewährleistet. Der Senat schließt sich deshalb der Ansicht des Sachverständigen, Prof. Dr. L, an, daß eine Strahlentherapie ‚unter Aufsicht eines Arztes‘ nur dann anzunehmen ist, wenn ein Arzt mit entsprechender Ausbildung jederzeit verfügbar ist, um bei während der Behandlung auftretenden Problemen helfen bzw. auf Fragen des Patienten eingehen zu können“
Das OLG Stuttgart verweist in der zitierten Textpassage darauf, dass es aus seiner Sicht zwar nicht erforderlich ist, dass der delegierende Arzt seinen Mitarbeitern ständig über die Schulter schaut; gleichzeitig stellt es aber auch klar, dass es nicht ausreichend ist, wenn ein Arzt innerhalb von 15 Minuten auf Abruf zur Verfügung steht.
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b. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012, Az.: 10 S 1340/12
Der VGH Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 17.12.2012[ 19 ] zum Begriff der ständigen Aufsicht Folgendes ausgeführt, wobei zu beachten ist, dass sich die Ausführungen nicht auf § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV beziehen, sondern auf § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV a.F. der dem Wortlaut nach § 145 Abs. 2 Nr. 5 StrlSchV entspricht. Das Urteil ist jedoch nicht nur für das Fachgebiet der Strahlentherapie, sondern auch für die Radiologie von Bedeutung, weil der VGH die Auffassung vertreten hat, dass an die ständige Aufsicht und Verantwortung nach der RöV keine geringeren Anforderungen als im Rahmen der früheren StrlSchV (vom 20.07.2001, BGBl. I, S. 1714) gestellt werden (Hervorhebung nicht im Original):
„Der Begriff der ständigen Aufsicht und Verantwortung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Inhalt durch Auslegung zu ermitteln ist. Dabei können an die ständige Aufsicht und Verantwortung im Sinne der Nrn. 3, 4 und 5 des § 82 Abs. 2 StrlSchV jeweils unterschiedliche Anforderungen zu stellen sein, da die zu beaufsichtigenden Personen unterschiedliche Qualifikationen aufweisen. Im Bereich der hier maßgeblichen Nr. 4 StrlSchV verfügen diese Personen über eine sonstige medizinische Ausbildung. Die ständige Aufsicht und Verantwortung muss die fehlende Fachkunde der Personen nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV kompensieren. Die Intensität der Aufsicht kann zudem je nach Art der technischen Mitwirkung und den damit verbundenen Risiken variieren.
[…]
Der Wortlaut ‚ständige‘ bringt zum Ausdruck, dass die Aufsicht fortlaufend erfolgen muss. Eine auf Stichproben beschränkte Kontrolle ist damit jedenfalls dann nicht zu vereinbaren, wenn es sich – wie hier – um Tätigkeiten handelt, die mit erheblichen Risiken für die Gesundheit des Patienten verbunden sind. Nach dem Schutzkonzept des § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV hat die ständige Aufsicht die fehlende Fachkunde der zu beaufsichtigenden Person zu kompensieren, was durch bloße Stichproben nicht möglich ist. Der fachkundige Arzt, der die Aufsicht führt, muss vielmehr bei jeder Behandlung die risikoreichen Tätigkeiten überprüfen, etwa ob der Patient zum Zeitpunkt des Auslösens der Bestrahlung richtig positioniert ist.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach es für die ständige Aufsicht und Verantwortung ausreicht, dass ein Arzt mit entsprechender Ausbildung jederzeit verfügbar sei, um bei während der Behandlung auftretenden Problemen helfen bzw. auf Fragen des Patienten eingehen zu können. Erst recht reicht es nicht aus, dass der fachkundige Arzt, wie es die Richtlinie Strahlenschutz in der Medizin 2011 in den Begriffsbestimmungen in Anlage B 10 vorsieht, innerhalb von 15 Minuten herbeigerufen werden kann. Mit dem Zweck der ständigen Aufsicht, die fehlende Fachkunde der zu beaufsichtigenden Person zu kompensieren, ist es nicht zu vereinbaren, dass die zu beaufsichtigende Person die Aufsicht durch Herbeirufen des Arztes einfordern muss, auch wenn dies angesichts der Gegebenheiten in der Praxis der Klägerin binnen Sekunden möglich wäre. Es darf nicht von der Entscheidung der zu beaufsichtigenden Person abhängen, wann eine Aufsicht stattfindet. Der Senat ist daher der Überzeugung, dass es jedenfalls bei den hier in Rede stehenden risikoreichen Tätigkeiten der technischen Mitwirkung beim eigentlichen Bestrahlungsvorgang erforderlich ist, dass der fachkundige Arzt die Person nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV laufend überwacht und jederzeit korrigierend eingreifen kann.
[…]
Der Wortlaut der ständigen Aufsicht schließt auch die Beaufsichtigung in direkter räumlicher Nähe ein. Der Schutzzweck der ständigen Aufsicht in § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV, die fehlende Fachkunde der zu beaufsichtigenden Person auszugleichen, erfordert es ebenfalls, auch die Beaufsichtigung in direkter räumlicher Nähe als eine Art der ständigen Aufsicht zu betrachten.“
Der VGH Baden-Württemberg vertritt daher die Rechtsauffassung, dass die Intensität der Aufsicht je nach Art der technischen Mitwirkung und den damit verbundenen Risiken variieren kann.
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c. Analyse der Entscheidungen und Schlussfolgerungen
Im Hinblick auf das Urteil des VGH Baden-Württemberg sind zwei Besonderheiten zu beachten. Der VGH Baden-Württemberg hat sich in seinem Urteil vom 17.12.2012 zum Begriff der ständigen Aufsicht zwar geäußert. Wie bereits eingangs erwähnt, beziehen sich seine Ausführungen jedoch nicht auf § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV, sondern auf § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV a.F. Da die beiden Normen aber ihrem Wortlaut nach identisch sind, dürften die Ausführungen übertragbar sein. § 145 Abs. 2 Nr. 5 StrlSchV regelt, dass bei Personen, die über eine erfolgreich abgeschlossene sonstige medizinische Ausbildung verfügen, die ständige Aufsicht einer Person mit der erforderlichen Fachkunde im Strahlenschutz erforderlich ist.
Ferner ist zu beachten, dass Gegenstand des Urteils der Einsatz eines Linearbeschleunigers Tomotherapie Hi-Art zu einer Bestrahlungstherapie – also eine besonders risikoreiche Form der Behandlung mittels ionisierender Strahlung – war. Das Urteil ist jedoch nicht nur für das Fachgebiet der Strahlentherapie, sondern auch für die Radiologie von Bedeutung, weil der VGH die Auffassung vertreten hat, dass an die ständige Aufsicht und Verantwortung nach der RöV keine geringeren Anforderungen als im Rahmen der früheren StrlSchV (vom 20.07.2001, BGBl. I, S. 1714) gestellt werden[ 20 ].
Nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg ist die ständige Aufsicht ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Inhalt durch Auslegung zu ermitteln ist. Dabei können an die ständige Aufsicht und Verantwortung jeweils unterschiedliche Anforderungen zu stellen sein, da die zu beaufsichtigenden Personen unterschiedliche Qualifikationen aufweisen. Damit schließt sich der VGH Baden-Württemberg im Ergebnis den Ausführungen des OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 24.11.1982 an, wonach der Umfang der Aufsichtspflicht des delegierenden Arztes u. a. von der Qualifikation und Zuverlässigkeit des Assistenzpersonals abhängig ist[ 21 ].
Wegen der vom VGH Baden-Württemberg ausgeführten Möglichkeit, dass an die ständige Aufsicht und Verantwortung unterschiedliche Anforderungen zu stellen sein können, kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass an die ständige Aufsicht im Fall des § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV andere Anforderungen zu stellen sind als an den Begriff der ständigen Aufsicht nach § 145 Abs. 2 Nr. 5 StrlSchV. Die Aussage des VGH Baden-Württemberg, nach der die Intensität der Aufsicht je nach Art der technischen Mitwirkung und den damit verbundenen Risiken variieren kann, legt nahe, dass in einem solchen Fall nach § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV möglicherweise geringere Anforderungen an die Intensität der Aufsicht zu stellen sind.
Der Grund für diese Annahme sind die mit der Anwendung der ionisierenden Strahlung verbundenen Risiken. Diese unterscheiden sich im Fall der Anwendung ionisierender Strahlung bei einer Durchleuchtung von den Risiken, die von der Anwendung ionisierender Strahlung im Rahmen der Strahlentherapie ausgehen, die dem Sachverhalt in dem Urteil des VGH Baden-Württemberg zugrunde lag. Der dem Urteil des VGH Baden-Württemberg zugrunde liegende Sachverhalt beschreibt eine Bestrahlungstherapie, bei der bewusst eine hohe Strahlendosis eingesetzt wird, um Tumorzellen zu schädigen. Mit der Höhe der Strahlendosis nimmt auch das Gefährdungspotential bei einer Fehlbestrahlung zu[ 22 ]. Die Strahlenexposition bei einer Durchleuchtung unterscheidet sich insofern von einer Bestrahlungstherapie, als dass die Strahlung zur Diagnostik und nicht zur Therapie eingesetzt wird, um Tumorzellen zu schädigen. Bei einer Durchleuchtung ist der Arzt daher verpflichtet, die Strahlenexposition möglichst gering zu halten. Der Einsatz der ionisierenden Strahlung dient hier lediglich dazu, im Rahmen der radiologischen Untersuchung dynamische Vorgänge, Strukturen und Gefäße im Körper sichtbar zu machen. Diese Divergenz in der Zwecksetzung der Anwendung ionisierender Strahlung spricht daher auch dafür, dass bei einer Durchleuchtung andere Anforderungen an die ständige Aufsicht zu stellen sind.
Nach Ansicht des VGH Baden-Württemberg läuft allerdings eine stichprobenartige Kontrolle dem Begriff der ständigen Aufsicht zuwider[ 23 ]. Das Wort „ständig“ bringe viel mehr zum Ausdruck, dass die Aufsicht fortlaufend erfolgen muss. Insofern kann festgehalten werden, dass es nicht ausreichen dürfte, wenn der aufsichtführende Arzt den zu beaufsichtigenden Arzt bei der Durchführung seiner Untersuchung nur in zufällig ausgewählten Momenten kontrolliert. Ebenso wenig reicht es aber aus, wenn der zu beaufsichtigende Arzt die Aufsicht durch Herbeirufen des aufsichtführenden Arztes herbeiführen muss.
Diese Ansicht vertritt nicht nur der VGH Baden-Württemberg, sondern auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinen Urteilen vom 14.04.2008[ 24 ]. Der Bayerische VGH verweist in seinen Urteilen darauf, dass der Begriff der ständigen Aufsicht und Verantwortung im Sinne von § 24 Abs. 1 Nr. 3 RöV verlange, dass sich der verantwortliche Radiologe in unmittelbarer Nähe aufhalten und die Tätigkeit laufend überwachen müsse, um erforderlichenfalls jederzeit korrigierend eingreifen zu können[ 25 ].
Nicht unberücksichtigt bleiben darf im Zusammenhang mit der Frage nach den Anforderungen an die ständige Aufsicht, dass sich sowohl das Urteil des VGH Baden-Württemberg als auch das des Bayerischen VGH auf die alte Rechtslage beziehen, nach der zwischen der Röntgenverordnung und der Strahlenschutzverordnung differenziert wurde. Der Bayerische VGH hatte in seinem Urteil über den Begriff der ständigen Aufsicht im Sinne des § 24 Abs. 1 Nr. 3 RöV zu entscheiden; der VGH Baden-Württemberg hat die Rechtsprechung des Bayerischen VGH zum Begriff der ständigen Aufsicht im Sinne der RöV auf den Begriff der ständigen Aufsicht nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV a.F. bezogen.
Fraglich ist, wie die Forderung des VGH Baden-Württemberg für den Fall der Durchleuchtung umzusetzen ist. Nach Ansicht des VGH muss der fachkundige Arzt, der die Aufsicht führt, bei jeder Behandlung die risikoreichen Tätigkeiten überprüfen, etwa ob der Patient zum Zeitpunkt des Auslösens der Bestrahlung richtig positioniert ist.
Dies führt zu der Frage, ob bei einer Durchleuchtung für jedes einzelne Auslösen der Strahlung eine Überprüfung notwendig wäre. Dies wiederrum würde im Ergebnis dazu führen, dass die Überwachung des aufsichtführenden Arztes einer dauerhaften Überwachung – jedenfalls in weiten Teilen der Untersuchung – gleichkommen würde. Die Entscheidung des VGH Baden-Württemberg erging zu den Anforderungen an die ständige Aufsicht in der Strahlentherapie nach § 82 StrlSchV a.F. Die Anforderungen sind auf eine Röntgenuntersuchung daher nicht übertragbar. Denn nur die Strahlentherapie erfordert aufgrund der Gefährlichkeit des Eingriffs eine genaue Positionierung des Patienten. Zudem bezogen sich die Ausführungen auf die Überwachung des nichtärztlichen Personals § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV a.F. und nicht des ärztlichen Personals ohne entsprechende Fachkunde nach § 82 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV a.F. Die Überwachung des nichtärztlichen Personals unterliegt jedoch aufgrund deren geringerer medizinischer Ausbildung strengeren Anforderungen als die Überwachung des ärztlichen Personals.
Während der Durchleuchtung ist zudem grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass sich der Patient, während er der ionisierenden Strahlung in einem engen zeitlichen Rahmen ausgesetzt ist, so viel bewegt, dass er nicht mehr richtig positioniert ist. Es erscheint daher fraglich, ob sich die ärztliche Aufsicht tatsächlich auch darauf erstrecken muss, laufend zu prüfen, ob der Patient noch richtig positioniert ist.
Zum einen kann ein Arzt nach § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV zwar nur über die erforderlichen Kenntnisse, nicht jedoch über die erforderliche Fachkunde im Strahlenschutz nach Abs. 1 Nr. 1 verfügt, die zutreffende Positionierung des Patienten während der Durchleuchtung aufgrund seiner fachärztlichen Kompetenz jederzeit überprüfen. Hierzu bedarf es nicht des aufsichtführenden Arztes mit Fachkunde nach § 145 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV. Zudem besteht nur ein geringes Risiko einer Änderung der Positionierung durch den Patienten, da der Patient sich in der Regel nicht viel bewegen können wird. Im Ergebnis würden an die Aufsicht in diesem Fall strengere Anforderungen gestellt, als bei der deutlich risikoreicheren Strahlentherapie unter dem Einsatz eines Linearbeschleunigers. Daher ist es nicht erforderlich, dass der Arzt mit Fachkunde nach § 145 Abs. 1 Nr. 1 StrlSchV eine mehrfache Überprüfung der Positionierung des Patienten vornehmen muss. Dies kann von dem ausführenden Arzt nach § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV übernommen werden.
Zudem führt der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil aus, dass der Wortlaut der ständigen Aufsicht auch die Beaufsichtigung in direkter räumlicher Nähe einschließt. Auch der Schutzzweck der Norm, bei dem der VGH auf den Ausgleich der fehlenden Fachkunde abstellt, lässt die Beaufsichtigung in direkter räumlicher Nähe als eine Art der ständigen Aufsicht zu. Dies könnte bedeuten, dass eine Aufsichtsführung von einem Raum, der unmittelbar an den Raum, in dem die Durchleuchtung durchgeführt wird, angrenzt, zulässig ist. Dies beruht darauf, dass der VGH nicht zugleich festgestellt hat, dass die räumliche Nähe den Aufenthalt im selben Raum voraussetzt. Vielmehr legt der Begriff der Nähe, der eine geringe Entfernung meint, nahe, dass der räumliche Bezug, der zwischen der aufsichtführenden und der zu beaufsichtigenden Person bestehen muss, nicht durch den Aufenthalt im selben Raum definiert wird, sondern durch eine raumübergreifende Nähe, die eine Aufsichtsführung vom Nachbarraum aus ermöglichen würde.
Auch das oben zitierte Urteil des OLG Stuttgart vertritt die Ansicht, dass eine Anwesenheit im selben Raum nicht zur Ausübung der ständigen Aufsicht erforderlich ist. So führt das OLG Stuttgart ganz konkret aus, dass der aufsichtführende Arzt seinen Mitarbeitern nicht ständig über die Schulter gucken können muss.
Ausdrücklich offen gelassen hat der VGH Baden-Württemberg in seinem Urteil die Frage, ob die Anforderungen an die ständige Aufsicht und Verantwortung des fachkundigen Arztes über die Person nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV a.F. gelockert werden kann, wenn zumindest eine der mitwirkenden Personen selbst über die erforderliche Fachkunde verfügt.
In Bezug auf die Anforderungen an die ständige Aufsicht lässt sich jedenfalls festhalten, dass eine stichprobenhafte Kontrolle des aufsichtführenden Arztes nicht ausreichend ist. Wichtig ist auch, dass es nicht von der zu beaufsichtigenden Person abhängen darf, wann der aufsichtführende Arzt seiner Aufsichtspflicht nachkommt. Damit soll eine Aufsichtsführung „auf Abruf“ ausgeschlossen werden.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der aufsichtführende Arzt auch wissen muss, dass er die Aufsicht führt; ansonsten kann er der Aufsichtsführung nicht aktiv gestaltend nachkommen. Weiterhin setzt die Aufsichtsführung voraus, dass der aufsichtführende Arzt weisungsbefugt ist. Auch über diese Weisungsbefugnis muss sich der aufsichtführende Arzt bewusst sein.
Die beiden letztgenannten Punkte gewinnen insbesondere im arbeitsteiligen Zusammenarbeiten zwischen den Ärzten in einer Abteilung Bedeutung. Verfügt ein Arzt nur über die für die Anwendung radioaktiver Stoffe und ionisierender Strahlung erforderlichen Kenntnisse im Strahlenschutz und soll die Anwendung der ionisierenden Strahlung unter ständiger Aufsicht eines anderen Arztes geschehen, muss zunächst einmal auf Grund schuldrechtlicher Vereinbarungen sichergestellt sein, dass ein angestellter Arzt einem anderen angestellten Arzt, der in der medizinischen Hierarchie ggf. über ihm steht, Weisungen erteilen darf und dies muss ihm auch gewahr sein. Darüber hinaus muss das Weisungsverhältnis auch tatsächlich so gewollt sein bzw. praktiziert werden, damit nicht der Verdacht eines Scheingeschäfts i. S. d. § 117 Abs. 1 BGB entsteht. Schließlich ist anzuraten, dass eben jenes Weisungsverhältnis auch in der Patientenakte ausdrücklich dokumentiert wird.
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6. Zusammenfassende Auswertung der Ansichten bezüglich des Begriffs der ständigen Aufsicht
Die Ansichten in der Literatur und Rechtsprechung legen eine enge Auslegung des Begriffs der ständigen Aufsicht nahe. Aus der Literatur sind nur Auffassungen bezüglich des Begriffs der Aufsicht bekannt. Aus der Rechtsprechung ergeben sich folgende Gesichtspunkte:
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die ständige Aufsicht und Verantwortung muss die fehlende Fachkunde der Personen kompensieren,
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die Intensität der Aufsicht kann je nach Art der technischen Mitwirkung und den damit verbundenen Risiken variieren,
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die Aufsicht muss fortlaufend erfolgen; eine auf Stichproben beschränkte Kontrolle ist damit jedenfalls nicht zu vereinbaren,
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der fachkundige Arzt, der die Aufsicht führt, muss bei jeder Behandlung die risikoreichen Tätigkeiten überprüfen,
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bei risikoreichen Tätigkeiten der technischen Mitwirkung beim eigentlichen Bestrahlungsvorgang erforderlich ist, dass der fachkundige Arzt die Person nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 StrlSchV a.F. laufend überwacht und jederzeit korrigierend eingreifen kann.
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mit dem Zweck der ständigen Aufsicht, die fehlende Fachkunde der zu beaufsichtigenden Person zu kompensieren, ist es nicht zu vereinbaren, dass die zu beaufsichtigende Person die Aufsicht durch Herbeirufen des Arztes einfordern muss, auch wenn dies angesichts der Gegebenheiten in der jeweiligen Praxis binnen Sekunden möglich wäre.
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auch die Beaufsichtigung in direkter räumlicher Nähe kann als eine Art der ständigen Aufsicht zu betrachten sein.
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IV. Zusammenfassung der Ergebnisse
Gegenstand dieses Beitrages war zum einen die Untersuchung der Frage, ob bei einer Durchleuchtung jedes Mal, bevor der Patient ionisierender Strahlung ausgesetzt wird, die rechtfertigende Indikation zu stellen ist (Einzellösung) oder aber es ausreichend ist, dass die rechtfertigende Indikation einmal vor Beginn der Durchleuchtung gestellt wird (Gesamtlösung). Daneben war zu untersuchen, welche konkreten Anforderungen der Begriff der „ständigen Aufsicht“ nach § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV an die räumliche Nähe des aufsichtführenden Arztes stellt.
Der Wortlaut des Gesetzes ist für die Frage, ob die Einzel- oder Gesamtlösung die rechtlich zulässige Variante ist, nicht besonders ergiebig. Nach dem Telos der Norm ist die Gesamtlösung jedoch vorzugswürdig. Dies ergibt sich in systematischer Hinsicht auch aus den Anforderungen an die Dokumentation der rechtfertigen Indikation, die § 85 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 1 StrlSchG an den Strahlenschutzverantwortlichen stellt. Die Gesamtlösung, also das einmalige Stellen der rechtfertigenden Indikation gemäß. § 83 Abs. 3 S. 1 StrlSchG vor Beginn der Durchleuchtung, ist strahlenschutzrechtlich zulässig und daher auch nur erforderlich.
Auch bei der Frage zu den konkreten Anforderungen an die ständige Aufsicht bei Durchführung von Durchleuchtungen bedarf es einer intensiven Befassung mit der zu dieser Frage ergangenen Rechtsprechung und der Literatur. Die alte Rechtslage, nach der zwischen der Strahlenschutzverordnung und der Röntgenverordnung differenziert wurde, enthielt keine nähergehenden Anforderungen an die ständige Aufsicht. Um diese Lücke in Bezug auf die Begrifflichkeit der ständigen Aufsicht zu schließen, wurde in die Richtlinie zur Durchführung der Strahlenschutzverordnung (Anlage B10) eine Definition der ständigen Aufsicht aufgenommen. Problematisch erscheint jedoch die fehlende rechtliche Bindungswirkung der Gerichte an die Richtlinie. Es liegt daher nahe, den Begriff der ständigen Aufsicht anhand der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien näher zu bestimmen. Danach setzt die ständige Aufsicht nach § 145 Abs. 1 Nr. 2 StrlSchV voraus, dass der aufsichtführende Arzt jederzeit korrigierend eingreifen kann und sich in direkter räumlicher Nähe zu dem zu beaufsichtigenden Arzt befindet. Nicht ausreichend dürfte in diesem Zusammenhang ein Aufenthalt des Aufsichtführenden im selben Gebäude sein. Die Ausgestaltung der ständigen Aufsicht darf nicht von dem zu beaufsichtigenden Arzt abhängen. Auf der anderen Seite muss der aufsichtführende Arzt überhaupt die Aufsicht auf Grund einer rechtlichen sowie tatsächlichen Weisungsbefugnis ausüben können und sich schließlich dieser Befugnis bewusst sein. Bei Durchleuchtungen ergeben sich dabei im Hinblick darauf, dass der Aufsichtführende die risikoreichen Tätigkeiten wie die richtige Positionierung des Patienten zum Zeitpunkt des Auslösens der Bestrahlung überprüfen muss, Besonderheiten.
Prof. Dr. Peter Wigge
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Karina Jentsch
Rechtsanwältin
Hendrik Hörnlein, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwälte Wigge
Scharnhorststraße 40
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www.ra-wigge.de
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1 Erstes Gesetz zur Änderung des Strahlenschutzgesetzes vom 20.05.2021 BGBl. I S. 1194.
2 vgl. hierzu Steinhäuser, Kirsch, Fortschr Röntgenstr 2022, 441–444.
3 BT-Drs. 18/11 241, S. 178.
4 BT-Drs. 18/11 241, S. 177.
5 vgl. Steinhäuser, Kirsch, Fortschr Röntgenstr 2022, 442, 443.
6 vgl. Vorbemerkungen der Richtlinie zur Strahlenschutzverordnung.
7 vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012, Az.: 10 S 1340/12, Rn. 43.
8 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) vom 05.12.2018 (BGBl. I, 2043).
9 Strahlenschutzverordnung vom 20.07.2001 (BGBl. I S. 1714).
10 Röntgenverordnung vom 30.04.2003 (BGBl. I S. 604).
11 StrlSchV vom 04.10.2011 (BGBl. I S. 2000).
12 vgl. Fiebich/Shannoun/Westermann/Zink, Durchführungshilfen zum Strahlenschutz in der Medizin, 2008, § 82 StrlSchV, Erläuterung 2.1.
13 Schmatz/Nöthlichs, Erläuterungen zur Strahlenschutzverordnung, 2012, § 82 StrlSchV, Erläuterung 3.
14 Fiebich/Westermann/Zink, Medizinischer Strahlenschutz, 2012, Vorwort.
15 Fiebich/Westermann/Zink, Medizinischer Strahlenschutz, 2012, Vorwort.
16 vgl. Kramer/Zerlett, Röntgenverordnung, 1991, C RöV § 23, Rn. 6, S. 112.
18 OLG Stuttgart, Urteil vom 24.11.1982, Az.: 1 U 66/82 = NJW 1983, 2644.
19 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012, Az.: 10 S 1340/12, Rn. 53 ff.
20 vgl. hierzu Wigge, Frigger, Fortschr Röntgenstr 2014, 91, 93.
21 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012, Az.: 10 S 1340/12, Rn. 53.
22 vgl. Wigge, Frigger, Fortschr Röntgenstr 2014, 91, 93.
23 VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 17.12.2012, Az.: 10 S 1340/12, Rn. 54.
24 Bayerischer VGH, Urteile vom 14.04.2008, Az.: 9 B 08.80; 9 B 08.81; 9 B 08.94.
25 Bayerischer VGH, Urteil vom 14.04.2008, Az.: 9 B 08.80, Rn. 27.
Publication History
Article published online:
25 April 2024
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