Osteologie 2024; 33(02): 88-92
DOI: 10.1055/a-2284-5729
Review

Imminent Fracture Risiko – Folgen für die Sequenztherapie

Imminent fracture risk – Consequences for sequential therapy
Friederike Thomasius
1   Frankfurter Hormon- und Osteoporosezentrum, Frankfurt, Germany
,
Heide Siggelkow
2   MVZ Endokrinologikum Göttingen, Endokrinologikum-Gruppe, Hamburg, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Das „Imminente Frakturrisiko“ war in den vergangenen Jahren Thema diverser Publikationen. Dabei ist das Thema eines akzentuiert erhöht liegenden Frakturrisikos nach Fraktur über einen Zeitraum von max. 2 Jahren nicht neu, da Frakturrisikogradienten nach Fraktur nicht linear mit der Zeit verlaufen. Grund der aufgeflammten Diskussion ist die Möglichkeit der erweiterten therapeutischen Optionen durch Zulassung eines zweiten osteoanabol wirkenden Medikamentes. Die osteoanabole Therapie als optimale Therapiesequenz nach Fraktur in der Zeit des imminent erhöht liegenden Frakturrisikos wird im Konsens international empfohlen. Die Leitlinienaktualisierung der S3 Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose fasst die Daten zum imminenten Frakturrisiko in den Empfehlungen zur Differentialtherapie zusammen, der Hintergrund der Empfehlungen soll in dem Beitrag dargelegt werden.


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Abstract

The imminent fracture risk has been the subject of various publications in recent years. The topic of an accentuated increased fracture risk after fractures over a maximum period of 2 years is nothing entirely new, as it has been quite well known that fracture risk gradients after fractures do not run linear over time. The reason for the renewed discussion is the possibility of expanding the therapeutic options through the approval of a second osteoanabolic agent. The international consensus is, that osteoanabolic therapy is the optimal treatment sequence after a fracture during the period of immediately increased fracture risk. The guideline update of the S3 guideline on the diagnosis and treatment of osteoporosis summarizes the data on the imminent fracture risk in the recommendations for differential therapy.


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Einleitung

Die Osteoporose gehört zu den häufigsten Erkrankungen im Alter>50 Jahre. Jede zweite Frau erleidet nach dem Eintritt der Menopause eine Fragilitätsfraktur [1]. Das Risiko, eine Osteoporose bedingte Fraktur nach der Menopause zu erleiden, liegt damit höher als die zusammengenommenen Risiken für Myokardinfarkt, Schlaganfall und Mammakarzinom [2]. Das der Fraktur vorangehende Frakturrisiko spiegelt die Komplexität der Erkrankung Osteoporose wider: Multifaktoriell und polygenetisch. In jedem Falle lässt sich das Frakturrisiko nicht allein durch die Knochendichtemesswerte vorhersagen. Wichtig ist die Erhebung und Berücksichtigung von Risikofaktoren, die das Frakturrisiko individuell erhöhen. Weltweit sind hierfür Risikokalkulatoren entwickelt worden. Das Risiko nach Auftreten einer Fraktur ist besonders zu berücksichtigen, denn dies ist innerhalb der ersten Monate bis zu zwei Jahren nach einer Fraktur stark erhöht [3]. Deswegen ist eine Therapie zur raschen und effektiven Senkung des Frakturrisikos gerade nach vertebralen und Schenkelhalsfrakturen essenziell.

Hintergrund Folgefrakturrisiko- imminentes Frakturrisiko

2001 publizierte Lindsay [4] eine Analyse aus den Daten der Placebogruppe vier großer Zulassungsstudien postmenopausaler Studienpatientinnen, bei denen der Status der Wirbelfraktur bei Studienbeginn bekannt war (n=2725), das Durchschnittsalter in der Population betrug 74 Jahre. Es wurde gezeigt, dass im ersten Jahr die kumulative Inzidenz neuer Wirbelfrakturen 6,6% betrug. Dabei erhöhte das Vorliegen einer oder mehrerer Wirbelfrakturen bei Studienbeginn das Risiko für eine Wirbelfraktur im ersten Studienjahr um das Fünffache im Vergleich zu Probanden ohne prävalente Wirbelfraktur (RR 5,1; 95% Konfidenzintervall CI 3,1 bis 8,4; P<0,001). Bei den 381 Teilnehmern mit prävalenter Wirbelfraktur lag die Inzidenz einer neuen Wirbelfraktur im Folgejahr bei 19,2% (95% CI 13,6% bis 24,8%). Risikofaktor für eine inzidente Fraktur war die vorhergehende Fraktur.

In einer niederländischen Studie mit 4140 postmenopausalen Frauen bei bekannter Frakturvorgeschichte traten nach einer ersten Fraktur 23% aller nachfolgenden Frakturen innerhalb eines Jahres auf, 54% innerhalb von 5 Jahren.

Zum Zeitpunkt der ersten Fraktur betrug das relative Risiko (RR) für nachfolgende Frakturen 2,1 (95% CI 1,7 bis 2,6) und blieb über 15 Jahre hinweg erhöht. Innerhalb eines Jahres nach der ersten Fraktur betrug der Risikogradient für das Auftreten einer Fraktur RR 5,3 (95% CI 4,0 bis 6,6), innerhalb von 2–5 Jahren 2,8 (95% CI 2,0 bis 3,6), und innerhalb von 6–10 Jahren 1,4 (95% CI 1,0 bis 1,8) [5].

Die Reykjavik-Studie erfasste eine Stichprobe der isländischen Bevölkerung (n=18 872), hierbei wurden alle Frakturen der Teilnehmer ab ihrem Eintritt in die Studie bis zum 31. Dezember 2012 erfasst. Über einen Zeitraum von 10 Jahren traten bei 28% der 1498 Personen mit einer Index-Hüftfraktur Frakturen auf. Bei anderen Index-Frakturen lag der Anteil zwischen 35 und 38%.

Nach jeder Index-Fraktur war das Risiko einer Folgefraktur in der Zeit unmittelbar nach der Fraktur am höchsten und nahm mit der Zeit deutlich ab. Von denjenigen, die eine erneute Fraktur erlitten, frakturierten 31–45% innerhalb eines Jahres nach Indexfraktur.

Dies spiegelte sich in den Risikogradienten wider (RR 2 ,6 bis 5,3, je nach Frakturstelle), die im Laufe von 10 Jahren abnahmen (RR 1,5 bis 2,2) [6].

Auch für Deutschland liegen Daten einer CLAIMS Datensatz Analyse an einem Kollektiv (n=18 354) von Frauen und Männern mit einem mittleren Alter von 77 Jahren (+/−9,8) vor. Nach einer Indexfraktur traten bei 15,9% Folgefrakturen innerhalb eines Jahres auf, wobei erstaunlicherweise das Folgefrakturrisiko nach Unterarmfraktur höher war als nach Hüftfraktur [7].

Zusammengefasst ist festzuhalten: Die ersten zwei Jahre nach dem Indexereignis einer Fraktur liegt das Frakturrisiko für eine Folgefraktur am höchsten. Dieser Zeitraum wird deswegen als Zeitraum des „imminenten Risikos“ definiert, dies kann als „sehr hohes Risiko für eine unmittelbar bevorstehende Fraktur, bedingt durch einen plötzlich aufgetretenen, sehr starken Frakturrisikofaktor, der eine kurzfristige, deutliche Frakturrisikoerhöhung bewirkt“ im Deutschen umfasst werden. Die Nennung des Begriffes „imminentes Frakturrisiko“ wird aus diesem Grunde bevorzugt.


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Mortalität

Eine im Dezember 2023 veröffentlichte Studie untersuchte die Mortalität nach Index- und Folgefraktur in einer großen dänischen Kohortenstudie [8]. Die Studie umfasste 106 303 Personen mit Fraktur und 1 062 988 Kontrollen. Die Sterblichkeit nach einer Indexfraktur war im Monat nach einer Hüftfraktur bei Frauen am höchsten (HR 10,98 (95% CI 10,23 bis 11,79), bei Männern war das Risiko zu versterben noch höher mit einer HR von 16,40 (95% CI 15,00 bis 17,93). Nachfolgende Hüftfrakturen führten zu dem höchsten Folgefrakturrisiko unter den verschiedenen Frakturtypen. Zur Mortalität trugen Pneumonie, Dehydrierung, Harnwegsinfekt und Sepsis am stärksten bei. Das höchste Mortalitätsrisiko wurde in dem Monat unmittelbar nach der Index- und Folgefraktur festgestellt. Die Kombination von Index- und Folgefrakturen an verschiedenen Stellen des Skeletts hatte einen erheblichen Einfluss auf das Sterberisiko. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das imminente Frakturrisiko und die hierdurch bedingten Folgefrakturen mit einer stark erhöhten Mortalität verbunden sind. Diese erhöhte Mortalität ist ein weiterer Grund, das imminente Frakturrisiko rasch und effektiv zu senken. Die Daten der zitierten Studie bestätigen, was eine Metaanalyse aus 2010 [9] bereits zeigte: Eine Exzess Mortalität um den Faktor 5–8 innerhalb der ersten 3 Monate nach Fraktur, die das Mortalitätsrisiko in der Gruppe der>80- Jährigen zusätzlich um bis zu 22% erhöht.

Und sie bestätigt das, was seit drei Dekaden Kenntnisstand ist [10]: Hüftfrakturen und vertebrale Frakturen erhöhen die Mortalität substanziell, insbesondere in den ersten zwei Jahren nach Fraktur.

Diese klinische Hochrisikosituation legt nahe, eine rasch wirksame und besonders potente medikamentöse Therapie zur Frakturrisikosenkung bevorzugt auszuwählen, die dann so schnell wie möglich eingeleitet werden soll.


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Diskutierte Therapieoptionen im klinischen Kontext der Hochrisikosituation

In der aktuellen Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose des DVO (AWMF Registernummer 183–001) führt ein imminent erhöht liegendes Frakturrisiko (bei einer Hochrisikosituation, definiert als ein 3-Jahres Frakturrisiko ab 10%) zu einer Therapieempfehlung mit osteoanabolen Substanzen. Der Grund für diese Empfehlung ist die in den letzten Jahren publizierte Evidenz. Hierzu ausgewählte Beispiele:


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Publizierter Expertenkonsens

Eine Arbeitsgruppe der Europäischen Gesellschaft für klinische und wirtschaftliche Aspekte der Osteoporose, Osteoarthritis und muskuloskelettale Erkrankungen (ESCEO) publizierte einen Konsensbericht zur Therapie von Hochrisikopatientinnen und -patienten, der die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur aktuellen Literatur und die daraus resultierenden Empfehlungen wie folgt zusammenfasste [11]:

  • die Definition der klinischen Situationen, bei denen von einer deutlichen Erhöhung des Frakturrisikos auszugehen ist als 1. Kürzlich aufgetretene Frakturen und 2. eine supraphysiologische Kortikosteroidbehandlung, einen Zeitrahmen von 2 Jahren nach Indexfraktur umfassend, und hinzufügend, dass Risikofaktoren, die mit einem höheren kurzfristigen Risiko verbunden sind, in der Regel auch mit einem hohen Langzeitrisiko verbunden sind.

  • Therapie, mit Verweis auf die zunehmende Datenlage, die zeigt, dass die Osteoanabolika Teriparatid, Abaloparatid (demnächst in Deutschland zugelassen) und Romosozumab den antiresorptiven Wirkstoffen in Bezug auf Wirksamkeit und Schnelligkeit der Wirkung überlegen sind, wie auch in ihrer Fähigkeit, die Knochenmineraldichte zu erhöhen und Frakturen zu verhindern.

  • Klinisch resultierend in der Empfehlung: Wenn bei einer Person ein sehr hohes Frakturrisiko festgestellt wird (das mit Hilfe verschiedener Risikobewertungsmethoden ermittelt werden kann), wird eine Erstbehandlung mit einem osteoanabolen Medikament empfohlen. Diese sollten für die in den Verschreibungsrichtlinien empfohlene Dauer eingesetzt werden. Neben der osteoanabolen Therapie wird eine Konsolidierungsphase mit einer antiresorptiven Therapie (z. B. mit einem Bisphosphonat oder Denosumab) empfohlen“. Ein klares Votum für Osteoanabol FIRST bei Hochrisiko und explizit imminent erhöht liegendem Frakturrisiko (s. [Abb. 1] zur Frakturrisiko adaptierten Therapie).

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Abb. 1 Frakturrisiko adaptierte Therapie, nach [11]
Fig. 1 Fracture risk adapted therapy [11].

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Metaanalysen zur Therapieeffizienz

Eine Publikation aus dem Jahre 2021 befasst sich mit den Möglichkeiten der medikamentösen Therapie zur Prävention von Frakturen bei imminent erhöht liegendem Frakturrisiko [12]. Die Publikation fasst anhand einer Bewertung von Metaanalysen (MA), Netzwerk – Metaanalysen (NMA) der letzten 10 Jahre und randomisierten kontrollierten Studien zu den oralen Bisphosphonaten, Zoledronat, Denosumab, Teriparatid, Romosozumab und Abaloparatid zusammen: Das Konzept des imminenten Frakturrisikos hat Auswirkungen auf die Wahl der Therapie. Bei Patientinnen und Patienten mit hohem Frakturrisiko sollte die Therapie mit hochwirksamen antiresorptiven Wirkstoffen, intravenösem Zoledronat oder Denosumab, oder mit Osteonabolika beginnen, um das Frakturrisiko rasch und schnell zu senken. In Ermangelung von Head-to-Head-Studien zum Vergleich von Osteoanabolika mit Zoledronat und Denosumab deutet die Analyse von NMA/MA auf eine höhere Wirksamkeit von Osteoanabolika bei der Vorbeugung von Wirbelfrakturen und einen mäßigen Vorteil bei nicht-vertebralen Frakturen hin. Bei Denosumab und Osteoanabolika ist eine sequentielle Behandlung erforderlich, um die Erfolge nach dem Absetzen der Behandlung zu erhalten, aber das optimale Behandlungsschema für diese Therapien ist noch nicht mit Sicherheit definiert.

Damit zeigt sich für die Patientinnen und Patienten, die keine osteoanabole Therapie in der Hochrisikosituation zur Senkung des imminenten Frakturrisikos erhalten können, eine weitere Therapiemöglichkeit auf: Die der hochpotenten antiresorptiven Therapie.

Einzig die orale Bisphosphonattherapie wird in dieser speziellen Hochrisikosituation nicht primär empfohlen, sie benötigt zu lange, um das Frakturrisiko zu senken, sodass sie nicht primäre Wahl bei imminent erhöht liegendem Frakturrisiko sein kann.


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Definition der Population, die nachgewiesenermaßen von einer osteoanabolen Therapie bei imminenter Frakturrisikoerhöhung profitiert

Hierfür ist die Betrachtung der Einschlusskriterien der Head-to-Head Studien, in denen die osteoanabol wirksamen Therapieoptionen Romosozumab oder Teriparatid im Vergleich zu einem oralen Bisphosphonat hinsichtlich Senkung des Frakturrisikos untersucht wurden (Romosozumab vs. Alendronat [13] bzw. Teriparatid vs. Risedronat [14], Unterschiede in Frakturrisikosenkung s. [Tab. 1]) wichtig, die in [Tab. 2] zusammengefasst sind.

Tab. 1 Unterschiede in der Frakturrisikosenkung: Osteoanabole Therapie vs. Orale Bisphosphonate.
Table 1 Differences in Fracture Risk Reduction: Osteoanabolic Therapy vs. Oral Bisphosphonates.

Vertebrale Frakturen head-to-head Studien

ARCH (12)

Anzahl Patientinnen Alendronat 2047 Romoszumab 2046

Dauer in Monaten 12

ALN, 128/2047 (6,3) ROMO, 82/2046 (4,0) RR 0,63, 95% CI 0,47 to 0,85 p=0,003

VERO (13)

Risderonat 533 Teriparatid 516

24

RIS, 64/533 (12,0) TPTD, 28/516 (5,0) RR 0,44, 95% CI 0,29–0,68; p<0,0001

Non – vertebrale Frakturen head-to-head Studien

ARCH (12)

Anzahl Patientinnen Alendronat 2047 Romoszumab 2046

Dauer in Monaten 12

ALN, 95/2047 (4,60) ROMO, 70/2046 (3,40) RR 0,74, 95% CI 0,54–0,99 p=0,05

VERO (13)

Risderonat 533 Teriparatid 516

24

RIS, 38/680 (6,00) TPTD, 25/680 (4,00) RR 0,66, 95% CI 0,39–1,10 NS

ALN=Alendronat, ROMO=Romosozumab, RIS=Risedronat, TPTD=Teriparatid

Tab. 2 Definition einer Hochrisikopopulation, Einschlusskriterien ARCH und VERO Studie.
Table 2 Definition of a high-risk population, inclusion criteria ARCH and VERO trial.

Einschlusskriterien VERO Vergleich Teriparatid vs. Risderonat

Einschlusskriterien ARCH Vergleich Romosozumab vs. Alendronat

Alter

>45 Jahre postmenopausal 20% 50–65 Jahre
20%>80 Jahre

64–82 Jahre

T-Score:

<−1,5 SD an Oberschenkelhals oder LWS

≤-2,5 an Gesamtfemur oder Femurhals

Frakturstatus:

mindestens zwei moderate (d. h. eine Verringerung der Wirbelkörperhöhe von 26–40%) oder eine schwere (mehr als 40%ige Reduktion)

entweder≥1 moderate/schwere oder≥2 milde Wirbelkörperfrakturen oder eine proximale Femurfraktur 3 bis 24 Monate vor Studieneinschluss

Imminentes Frakturrisiko:

Ein Drittel der Studienpopulation hatte innerhalb der 12 Monate vor Studieneinschluss eine vertebrale Fraktur erlitten

Durch Fraktureinschlusskriterium abgedeckt

Berechnung MOF Risiko nach FRAX:

FRAX MOF 20%

FRAX MOF 20%

Weiterhin sollten die Empfehlungen anderer Fachgesellschaften zur Definition einer Hochrisikopopulation beachtet werden (siehe [Tab. 3]).

Tab. 3 Definition sehr hohes Frakturrisikos.
Table 3 Definition of very high risk of fracture.

DXA

Frakturstatus

oder

US Endocrine Society [18]

T-Score≤−2,5 SD

Mehrere vertebrale Frakturen

UK Schottische SIGN Leitlinie [17]

T-Score≤−1,5 SD

1 schwere oder 2 oder mehr moderate vertebrale Frakturen

LWS T-Score≤−4 SD unabhängig vom Frakturstatus

SVGO (Schweizer Vereinigung gegen die Osteoporose) [16]

65 Jahre oder älter, und vorherige Major Osteoporotic Fracture (MOF) (Hüfte, klinisch vertebrale Fraktur, Humerus, Radius)

FRAX Score für MOF 20% (1,2×) über der absoluten Interventionsschwelle

Beide Definitionen einer Hochrisikopopulation zeigen, dass die kürzlich eingetretene Fraktur, und hier in erster Linie vertebrale Frakturen und Hüftfraktur, die Hochrisikopopulation charakterisiert.


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Wie in einer Hochrisikosituation bei imminenter Frakturrisikoerhöhung therapieren?

Ausgesprochene Empfehlungen zu Hochrisikosituationen/imminent erhöht liegendem Frakturrisiko in der DVO Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose 2023 (AWMF Register 183–001) sind:

  • Bei Auftreten einer osteoporotischen Wirbelkörper- oder proximalen Femurfraktur soll die Einleitung der spezifischen medikamentösen Therapie möglichst rasch und ohne Verzögerung erfolgen.

  • Bei Osteoporosepatientinnen und -patienten mit hohem Frakturrisiko unter geplanter/laufender Glukokortikoidterapie mit>5 mg Prednisolon/Tag>3 Monate sollte einer osteoanabolen Therapie mit Teriparatid gegenüber einer oralen Bisphosphonattherapie der Vorzug gegeben werden.

Die Empfehlung zur osteoanabolen Therapie (Soll-Empfehlung) ist in der Hochrisikosituation mit einer gesonderten Therapieschwelle für eine osteoanabole Therapie versehen. Diese liegt bei einem 3-Jahres Frakturrisiko für vertebrale und Schenkelhalsfrakturen von 10% und mehr. In dieser Situation soll eine osteoanabole Therapie (auch primär) empfohlen werden, wobei die Empfehlung für eine osteoanabole Therapie nicht an eine Hochrisikosituation allein gebunden ist: Ab einem 3- Jahres Frakturrisiko von 5% kann eine osteoanabole Therapie erwogen werden. Wichtig ist dabei, auf die Indikation, definiert durch die Zulassungskriterien der osteoanabolen Therapieansätze zu achten.

Die imminente Frakturrisikoerhöhung geht in der Regel mit einer dauerhaften Erhöhung des Frakturrisikos einher. Therapiekonzepte, die über längere Zeit eine Frakturrisikosenkung bewirken, werden deswegen benötigt. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die FDA (Food and Drug Administration) die Möglichkeit für eine längere Behandlung mit dem Osteoanabolikum Teriparatid eröffnet hat: Die Beschränkung einer Therapie mit Teriparatid auf 24 Monate wurde aufgehoben, sodass bei schwerer Osteoporose die Therapie mit Teriparatid auch verlängert erfolgen kann. Grund hierfür sind die entwarnenden Daten zum Osteosarkomrisiko seit Zulassung von Teriparatid. Die EMA (European Medicines Agency) folgt der FDA in diesem Punkte nicht, sodass im europäischen Raum weiterhin die Gabe von Teriparatid auf 24 Monate beschränkt bleibt [15].


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Zusammenfassung und Fazit für die Praxis

  • Das imminent erhöht liegende Frakturrisiko wird anhand von Risikofaktoren definiert, die das Frakturrisiko kurzfristig über 2 Jahre übersteigert erhöhen.

  • Risikofaktoren, die diese Definition erfüllen sind vertebrale Frakturen und Oberschenkelhalsfrakturen, für alle anderen Frakturtypen ist die publizierte Evidenz gering oder divergierend, zudem Frakturereignisse/andere starke Risikofaktoren in Kombination mit geplanter/laufender Glukokortikoidterapie mit>5 mg Prednisolon/Tag>3 Monate

  • Liegt ein imminent erhöht liegendes Frakturrisiko vor, so soll dieses rasch gesenkt werden, um das Folgefrakturrisiko zu senken.

  • In der Therapiesequenz sind deswegen osteoanabol wirksame Substanzen zu bevorzugen: Zur Senkung des imminent erhöht liegenden Frakturrisikos soll bei einem Frakturrisiko>10%/3 Jahre primär osteoanabol wirksamen Medikamenten (Romosozumab und Teriparatid) der Vorzug gegeben werden, international besteht zu dieser Empfehlung Konsens.

  • Sind Osteoanabolika in der Therapie zur Senkung des imminent erhöht liegenden Frakturrisikos nicht möglich, stellen parenterale, hochpotente Antiresorptiva zur raschen Senkung des Frakturrisikos eine Therapiealternative in der Therapiesequenz bei imminent erhöht liegendem Frakturrisiko dar, jedoch ohne die Knochenqualität substanziell zu verbessern


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Interessenkonflikt

Dr. Friederike Thomasius: hat in den vergangenen 3 Jahren Honorare für Beratung von Amgen, Fresenius, Stada, Theramex erhalten zu haben und für Vorträge von Abbvie, Alexion, Amgen, Cogitando, Doctorflix, Das Fortbildungskolleg, , MedLearning AG, Osteologie Akademie OSTAK, Streamed-Up, Theramex und UCBProf. Heide Siggelkow: Vortragshonorare: Amgen, Shire/Takeda, Alexion, Kyowa Kirin, UCB, Sanofi-Aventis, Sandoz, Advisory Board: Amgen, Shire/Takeda, UCB, Kyowa Kirin, Biomarin, Bridgebio, Forschungsunterstützung: Takeda, Ascendis.

  • Literatur

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Korrespondenzadresse

Dr. Friederike Thomasius
Frankfurter Hormon- und Osteoporosezentrum, N/A, Goethestr.23 60313 Frankfurt
Germany   

Publication History

Received: 18 December 2023

Accepted: 08 March 2024

Article published online:
16 May 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Abb. 1 Frakturrisiko adaptierte Therapie, nach [11]
Fig. 1 Fracture risk adapted therapy [11].