Schlüsselwörter
brain - MR-spectroscopy - technical aspects - tissue characterization - glioma - metabolism
Einleitung
Diffuse Gliome sind eine heterogene Gruppe infiltrativ wachsender hirneigener Tumore
mit hoher krankheits- und behandlungsassoziierter Morbidität sowie Mortalität. Niedrig-maligne
Formen weisen häufig Mutationen in den Genen auf, die für das Stoffwechselenzym Isocitrat-Dehydrogenase
(IDH) kodieren [1]. IDH liegt in mehreren Isoformen vor und ist durch die Katalyse der Reaktion Isocitrat
zu α-Ketoglutarat ein wichtiger Bestandteil des Citratzyklus. Tumor-assoziierte Gain-of-function-Mutationen verleihen dem Enzym die Fähigkeit, eine Umsetzung von α-Ketoglurat zu
2-Hydroxyglutarat (2-HG) zu katalysieren [2]
[3]. 2-HG reichert sich im Tumorgewebe an und hemmt Enzyme, die ein breites Spektrum
von Zellfunktionen steuern [4]. Im Vergleich zu Gliomen ohne IDH-Mutationen weisen IDH-mutierte Gliome eine andere
molekulare Pathogenese mit günstigerer Prognose auf [5]
[6]
[7]
[8]. In Gliomen wurde die Isoform 1 (IDH1) bisher nur im Zytoplasma und IDH2 in den
Mitochondrien detektiert [9].
Die Analyse und Einbeziehung solcher genetischer und molekularer Marker wie des IDH-Status
ist in neuroonkologischen Tumorboards heute Standard, insbesondere an onkologischen
Spitzenzentren. Diese Übersichtsarbeit beschreibt die Bedeutung des MR-spektroskopisch
nachweisbaren Metaboliten 2-Hydroxyglutarat (2-HG), der im Rahmen der neuroonkologischen
Diagnostik in Ergänzung der molekularen Pathologie bei Gliomen auf das Vorliegen einer
IDH-Mutation hinweist, auch wenn seine zuverlässige Detektion und Quantifizierung
eine methodische Herausforderung darstellt. Hierzu wurden repräsentative Arbeiten
anhand einer Literaturrecherche in den Datenbanken MEDLINE, EMBASE, SCOPUS und WEB
of SCIENCE unter Verwendung folgender Schlagwörter und Suchoperatoren ausgewählt:
Glioma AND (2-Hydroxyglutarate OR 2-HG OR 2HG) AND (MRS OR MR spectroscopy), mit eigenen
Untersuchungen und Messungen ergänzt und in dieser narrativen Übersicht zusammengefasst.
Protonen-MR-Spektroskopie (1H-MRS) und spektrale Charakteristik von 2-Hydroxyglutarat
Protonen-MR-Spektroskopie (1H-MRS) und spektrale Charakteristik von 2-Hydroxyglutarat
Die Protonen-Magnet-Resonanz-Spektroskopie (1H-MRS oder MRS) ist eine nicht-invasive Methode, die die Quantifizierung der Konzentration
bekannter Metaboliten wie Trimethylamin-haltige Metaboliten – meist als Cholin (Cho
bzw. totales Cho/tCho) zusammengefasst –, N-Acetyl-Aspartat (NAA oder totales NAA/tNAA,
zusammengefasst mit N-Acetyl-Aspartat-Glutamat), Laktat und myo-Inositol erlaubt,
und damit Aussagen bezüglich Proliferation, neuronaler Integrität oder Energiestoffwechsel
(aerob/anaerob) von intrakraniellen Geweben ermöglicht. Diese Informationen erweitern
und ergänzen die klassische Bildgebung bei unklaren Hirnläsionen und können wertvolle
Informationen liefern.
2-Hydroxyglutarat oder auch 2-Hydroxyglutarsäure besitzt ein skalar-gekoppeltes Spin-System
mit 5 sich nicht austauschenden Wasserstoff-Protonen. Hieraus ergibt sich im NMR-Spektrum
ein komplex aufgespaltenes Resonanzmuster bestehend aus drei Multipletts mit chemischen
Verschiebungen von ca. 4,02 ppm, 2,25 ppm und 1,9 ppm [10]. Im Spektrum zeigt sich wegen der Aufspaltung (Multiplizität) und Entwicklung der
Kopplung eine nur geringe Peakhöhe. Zudem kommt es im in-vivo-Spektrum zu Überlagerungen und Überlappungen mit den Signalen von Metaboliten mit
ähnlicher chemischer Verschiebung wie NAA (Singulett bei 2,01 ppm), Glutamin und Glutamat
(Multipletts zwischen 2,0 ppm bis 2,4 ppm), Kreatin (Singulett bei 3,9 ppm) und myo-Inositol
(Triplett bei 4,1 ppm) [11]. In [Abb. 1] sind die erwähnten Metaboliten simuliert und verdeutlichen die Schwierigkeit einer
robusten, isolierten Detektion von 2-HG.
Abb. 1 Simulation von 2-HG und der Überlappungsresonanzen einiger Metaboliten. Simuliert
wurde eine PRESS-Sequenz mit TE1 = 32 ms, TE2 = 65 ms [10]. Farblich markiert sind die Überlappungsfrequenzen zu erkennen, wodurch es im in-vivo-Spektrum
zu einer Überlagerung mit den dargestellten, teils prominenteren Metaboliten kommt.
In der Simulation nicht berücksichtigt sind die in der Praxis auftretenden deutlich
größeren Linienbreiten (Full Width at Half Maximum, FWHM) der Resonanzpeaks aufgrund
des typischerweise unperfekten Shims des Messvolumens. Zu beachten ist die unterschiedliche
Skalierung der Einzelspektren. Im Summenspektrum (unten) sind die realen Intensitätsverhältnisse
verdeutlicht. Aufgrund der in-vivo vorliegenden Konzentrationen sind die überlappenden
Metabolitenpeaks in der Regel nochmals höher als die 2-HG-Signalintensität.
Prinzipiell können alle drei Resonanzen von 2-HG zur Detektion herangezogen werden.
Durch die spektrale Nähe zu Wasser (4,7 ppm), das im menschlichen Gehirn in einer
etwa 10.000-fach höheren Konzentration vorkommt und daher messtechnisch und durch
Nachverarbeitungsmaßnahmen unterdrückt werden muss, ist die 2-HG-Resonanz bei 4,02
ppm nur bedingt geeignet. Ebenso maskiert die in der Regel sehr prominente NAA-Resonanz
das Multiplett bei 1,9 ppm. Das Multiplett bei 2,25 ppm liefert den größten Signalbeitrag
und wird deshalb meist zur Quantifizierung herangezogen.
Je nach MRS-Akquisitionsmethode werden 2-HG-Konzentrationen bis zu 14 mM berichtet
[12], wobei festgestellt wurde, dass Gliome mit einer IDH2-Mutation mehr 2-HG anreichern
als solche mit IDH1-Mutation [13]
[14].
MR-spektroskopischer Nachweis von 2-HG
MR-spektroskopischer Nachweis von 2-HG
Neben der Einzel-Volumen-Spektrokopie (Single Voxel Spectroscopy, SVS), die einen Einblick in den Metabolismus in einem kleinen quaderförmigen Volumen
zulässt, sind auch Multivoxeltechniken wie die spektroskopische Bildgebung (Chemical Shift Imaging, CSI oder MR Spectroscopic Imaging, MRSI) möglich. Typische Voxelvolumina der SVS betragen ca. 1–8 cm³ und können je
nach erforderlichem Signal-Rausch-Verhältnis (SNR) in etwa 3–5min gemessen werden.
Im Gegensatz hierzu wird bei der spektroskopischen Bildgebung eine gesamte Matrix
(2D oder 3D) von beispielsweise 1 cm³ großen Voxeln akquiriert, für die ein großes
Gesamtvolumen von bis zu 300 cm3 im Hirn selektiert und angeregt wird. Die notwendigen Phasenkodierschritte bedingen
eine deutlich längere Messzeit, außerdem kann das B0-Feld bei solch großem Gesamtvolumen schlechter geshimmt werden, was vor allem die
Wasserunterdrückung erschwert. Die mit der spektroskopischen Bildgebung gewonnenen
räumlichen Zusatzinformationen können als sogenannte Metaboliten-Karten – meist als
Metabolitenverhältnisse – veranschaulicht und einem anatomischen Bild überlagert werden.
Für die Bestimmung der Absolutkonzentration detektierbarer Metaboliten ist die SVS
aufgrund der messtechnisch bedingt typischerweise höheren spektralen Auflösung und
leichteren Aufnahme von Referenzsignalen besser geeignet. Vorgeschlagene technisch
aufwändige MRSI-Methoden wie der Einsatz spezifischer Auslesetechniken mit Akquisitionszeiten
von fast 16 min [15] sind für den Einsatz in der klinischen Routine eher bedingt geeignet.
Eine im klinischen Alltag gebräuchliche Akquisitionsmethode ist die Point REsolved Spectroscopy Sequence (PRESS) [16]
[17]. Wegen der Möglichkeit sehr kurze Echozeiten realisieren zu können, wird häufig
auch STimulated Echo Acquisition Mode (STEAM) [18] verwendet, dessen Signalintensität jedoch nur halb so hoch wie bei PRESS ist. Das
Problem der chemischen Versetzungsartefakte (Chemical Shift Displacement, CSD) bei der Lokalisation der Messvolumina kann durch den Einsatz adiabatischer
Refokussierungspulse, wie in der semi-Localized by Adiabatic SElective Refocusing-Sequenz (sLASER oder semi-LASER) [19], vermindert werden.
Eine besondere Bedeutung kommt bei allen Akquisitionsmethoden die Wahl der Echozeit
TE zu. Zu 2-HG finden sich in der Literatur sowohl Untersuchungen mit kurzer [20]
[21]
[22] als auch mit langer TE [23]. Eine optimierte PRESS-Version wurde durch Choi et al.
[10] vorgeschlagen. Durch eine numerische Simulation und anschließende Phantommessungen
wurden die Zeiten zwischen den Hochfrequenzpulsen optimiert. Bei einer gesamten TE
von 97 ms, zusammengesetzt aus 32 ms (TE1, zwischen erstem und zweitem HF-Puls) und
65 ms (TE2, zwischen zweitem und drittem Puls), konnte so eine sehr gute Detektierbarkeit
erreicht werden. [Abb. 2] zeigt ein Spektrum, welches mit einer nach diesen Vorgaben modifizierten PRESS erhoben
wurde.
Abb. 2 In-vivo-Spektrum eines Oligodendroglioms nach Strahlentherapie und Chemotherapie akquiriert
bei 3 Tesla mit PRESS, TE = 97 ms (TE1 = 32 ms, TE2 = 65 ms). Zusätzlich zur 2-HG-Detektion
zeigt sich die typische tNAA-Abnahme und tCho-Zunahme. Das große Signal bei etwa 1,2
ppm ist ein Lipidsignal. In cyan ist das angefittete Basisdatensignal von 2-HG dargestellt.
Die kenntlich gemachte Resonanz von Cystathionin (Cystat) deutet auf eine 1p/19q-Kodeletion
hin [24].
Insgesamt erscheint die Anwendung längerer Echozeiten zu zuverlässigeren Ergebnissen
zu führen. Suh et al.
[12] zeigten eine höhere Falsch-Positiv-Rate und damit eine schlechtere diagnostische
Performanz für Untersuchungen mit kurzer TE. Ein Grund dafür kann sein, dass sich
bei langen Echozeiten überlappende Metaboliten wie Glutamat und Glutamin, bedingt
durch die unterschiedliche Entwicklung ihrer skalaren Kopplungsmuster (J-Kopplung)
von dem Muster der 2-HG-Resonanz bei 2,25 ppm besser differenzieren lassen.
Die Mescher-Garwood-Methode (MEGA) [25] greift das Problem der Überlappung von Metabolitensignalen mit ähnlicher chemischer
Verschiebung auf und wird als MEGA-PRESS und auch MEGA-sLASER verwendet. Bei 2-HG
erfolgt ein frequenzselektiver Sättigungspuls (ON) auf die funktionelle Gruppe bei
1,9 ppm. Hierdurch kann die skalare Kopplung zu der funktionellen Gruppe bei 4,02
ppm refokussiert werden (sogenannte Editierung). In einem zweiten Experiment erfolgt
ein gleichartiger frequenzselektiver Puls (OFF) in einem nicht relevanten Frequenzbereich,
das Signal bei 4,02 ppm bleibt hierbei unverändert. Durch Subtraktion erhält man im
Idealfall ein Differenzspektrum ohne die nicht editierten bzw. nicht skalar gekoppelten
Resonanzgruppen (im Idealfall durch Subtraktion eliminiert). Diese Methode ist jedoch
wesentlich anfälliger auf wechselnde und inhomogene Messbedingungen wie beispielsweise
B0-Inhomogenitäten oder Frequenzdrifts, die unter klinischen Untersuchungsbedingungen
vorkommen. Zudem muss hierfür wegen geringerer Sensitivität eine längere Aquisitionszeit
und ein größeres Messvolumen eingeplant werden. Eine Untersuchung von 2-HG mit sLASER
im Vergleich zu MEGA-sLASER an einem 7 Tesla-System ergab, dass die klassische, nicht-editierende
Akquisitionstechnik die robustere und damit im klinischen Einsatz geeignetere Methode
[26] ist. Bei 3 Tesla konnte Branzoli et al.
[27] allerdings eine bessere Detektionsgüte für den Einsatz der MEGA-PRESS verglichen
mit PRESS zeigen.
[Abb. 3] zeigt die Detektion eines niedriggradigen Astrozytoms mit der PRESS- und mit der
MEGA-PRESS-Methode. Hier ist ersichtlich, dass das optimierte PRESS-Spektrum zusätzliche
Informationen über relevante Metabolite wie Cholin, Kreatin und NAA liefert, welche
im MEGA-PRESS-Differenz-Spektrum eliminiert sind. Es besteht jedoch die Möglichkeit,
das OFF-Spektrum ohne entkoppelnden Puls diesbezüglich zu analysieren.
Abb. 3 MR-Spektroskopie (3 Tesla) eines niedriggradigen, therapienaiven Glioms (rot) und
der kontralateralen Seite (grün). Immunhistochemisch wurde ein Astrozytom, IDH-mutiert,
Grad 2 bestätigt. a kontralaterales PRESS-Spektrum (TE1 = 32 ms, TE2 = 65 ms, (2 × 2 × 2) cm³) und b Gliom-Spektrum mit erhöhtem tCho, 2-HG und erniedrigtem tNAA. Die PRESS-Spektren
wurden anhand der Kreatin-Peakfläche bei ca. 3 ppm skaliert. c Anatomische Lage der VOI-Lokalisation auf transversalem FLAIR-Bild (Field of View
154 mm x 163 mm). d Korrespondierendes Gliom-MEGA-PRESS-Spektrum ((3 × 3 × 3) cm³, TE = 68 ms, MEGA-Puls
mit 85 Hz Bandbreite, ON = 1,89 ppm, OFF = 7,46 ppm). Die angefitteten 2-HG-Basisdaten
sind jeweils in cyan dargestellt.
Quantifizierung
Für eine qualitative Beurteilung von 2-HG reicht der Nachweis der typischen Peaks
oft aus. Um die 2-HG-Konzentration zu quantifizieren, sind weitere Schritte nötig.
In der Regel wird hierfür eine Referenz mit einer bekannten Konzentration im Spektrum
benötigt, wobei als Referenzsignal Kreatin oder Wasser in Frage kommen. Durch die
Verhältnisbildung zu Kreatin, das als konstant angenommen wird, werden Akquisitions-
und Gerätevariablen wie beispielsweise Verstärkungsfaktoren herausgekürzt, zusätzliche
Messungen sind nicht nötig. Allerdings ist eine Abschätzung der absoluten Konzentration
nur eingeschränkt möglich, da sich tatsächlich die Kreatin-Konzentration zwischen
weißer und grauer Substanz stark unterscheidet [28] und bei Gliomen und anderen Läsionen erheblich variieren kann [29].
Bei der Verwendung von Gewebewasser als interne Referenz [30] muss hingegen ein zusätzliches Vergleichsspektrum ohne Wasserunterdrückung aufgenommen
werden. Die Bestimmung der Wasserkonzentration im Voxel kann über die Segmentierung
von anatomischen Aufnahmen in graue und weiße Substanz und Cerebrospinalflüssigkeit
(CSF) und die Hinzunahme von gewebespezifischen Parametern erfolgen [31]. Bei Raumforderungen oder Läsionen ist die Genauigkeit dieser Methode eingeschränkt,
wenn der Wassergehalt des Gewebes unsicher ist. In diesem Fall kann die Wasserkonzentration
auch über eine protonendichtegewichtete Aufnahme abgeschätzt werden, indem die mittlere
Signalintensität der Voxel im Gewebe mit der des CSF verglichen wird, dessen MR-sichtbare
Wasserkonzentration (97%) bekannt ist [32]. Der Einfluss unterschiedlicher Relaxationseffekte kann vor allem bei intermediären
oder langen Echozeiten zu Unsicherheiten führen, wenn die gewebespezifischen transversalen
Relaxationszeiten nicht bekannt sind. Dieser Problematik kann durch eine zusätzliche
T2-Messung und nachfolgender Relaxationskorrektur begegnet werden. Außerdem hängt
die ermittelte Metabolitenkonzentration über die Wasserreferenzierung unter Umständen
auch von der Pulssequenz des Herstellers ab [33], was bei der Verhältnisbildung mittels Kreatin nicht beobachtet wurde [34].
Die Verarbeitung und Quantifizierung der gemessenen Spektren erfolgt üblicherweise
mit Hilfe Software-basierter Methoden im Zeit- oder Frequenzbereich und kann neben
der Fourier-Transformation Signalverarbeitungsschritte wie Wirbelstromkorrektur, numerische
Restwasserunterdrückung, Frequenz- und Phasenkorrektur, Apodisierung, Zero-filling
und Basislinienkorrektur beeinhalten [35]. Ein passend zu den Akquisitionsparametern simulierter oder in-vitro gemessener sogenannter Basisdatensatz, der alle relevanten Metaboliten enthält wird
an das in-vivo-Spektrum angepasst. Als Maß für die Güte eines Fits haben sich die relativen Cramér-Rao-Untergrenzen
(Cramér-Rao-Lower-Bounds, CRLB) etabliert.
Um im Sinne einer diagnostischen Zusatzinformation lediglich eine IDH-Mutation durch
die Detektion von 2-HG nachzuweisen, ist eine sichere Detektion ausreichend. Wesentlich
anspruchsvoller ist eine Quantifizierung zur longitudinalen Beobachtung der 2-HG-Konzentration
im Rahmen einer Therapieüberwachung. Hierzu ist eine möglichst gleichbleibende Datenqualität
erforderlich, um die Detektion auch kleiner Konzentrationsänderungen zu ermöglichen.
Choi et al.
[36] konnten in Oligodendrogliomen eine schnelle 2-HG-Konzentrationsabnahme als Reaktion
auf eine Chemotherapie nachweisen, während die Abnahme der 2-HG-Konzentration in Astrozytomen
langsamer verlief. Der medikamentöse Einsatz von IDH-Inhibitoren zur Tumortherapie
konnte von Di Stefano et al.
[37] über die 2-HG-Konzentrationsdynamik erfolgreich verfolgt werden.
Detektionssicherheit
Da bei der Nachverarbeitung der MRS-Daten meist die gesamten Signalbearbeitungs- und
Quantifizierungsschritte durchlaufen werden, eignet sich für eine sichere Detektion
die Festlegung eines unteren Grenzwertes (Cut-off). Je nach Untersuchung und Akquisitionssequenz
werden Konzentrationen zwischen 0,897 mM [21] und 1,8 mM hierfür berichtet [22] bzw. als Verhältnis zu Kreatin ein Wert von 0,11 [38].
Suh et al. [12] berichten in einer Meta-Analyse aus 14 wissenschaftlichen Publikationen mit insgesamt
460 therapienaiven Patienten von einer gepoolten Sensitivität der spektroskopischen
Detektion von 2-HG von 95% (95% Konfidenzintervall KI, 85–98%) bei einer Spezifität
von 91% (95% KI, 83–96%). Zu beachten ist hierbei, dass die Detektionssicherheit bei
bereits chemotherapeutisch oder neurochirurgisch behandelten Patienten deutlich verringert
ist. In einer kürzlich erschienen Studie zeigten Di Stefano et al.
[37] eine Abnahme der Sensitivität von 95% auf 62% in behandelten Patienten – bedingt
durch kleinere Tumorvolumina und damit einer ungünstigen Voxelabdeckung (Partialvolumeneffekt).
De la Fuente et al.
[39] konnten für PRESS einen Zusammenhang der Sensitivität für die 2-HG-Detektion mit
dem Voxelvolumen zeigen. Für Volumina <3,4 mL konnte nur in 8% der Messungen (2 von
24) spektroskopisch 2-HG in Patienten mit IDH-mutierten Gliomen nachgewiesen werden,
für Volumina ≥8 mL dagegen in 20 von 22 (91%) Fällen. Die Arbeit von Di Stefano et al.
[37] unterstreicht dies mit einem hochsignifikanten Zusammenhang (p < 0,001) der 2-HG-Detektion
mit MEGA-PRESS und der erreichten Voxelabdeckung.
Verglichen mit einem immunhistochemischem Nachweis bzw. einer genomischen Sequenzierung
berichten Suh et al.
[40] von einer Falsch-Positiv-Rate der 2-HG Detektion von 21% in Glioblastomen. Hierbei
zeigte sich ein Zusammenhang von nekrotischem Gewebe im Untersuchungsvolumen und der
Falsch-Postiv-Rate. Durch die hohe Konzentration an Lipiden in diesem Gewebe zeigen
sich Signale zwischen 2,0 ppm und 2,9 ppm, die die 2-HG-Resonanz bei 2,25 ppm vortäuschen
können. Durch den Einsatz von Editierungstechniken (MEGA) lässt sich dies vermeiden,
wie Branzoli et al.
[27] zeigen konnten. Sowohl für den Nachweis als auch für die Bestimmung der Konzentration
von 2-HG (verglichen mit analytisch bestimmten Konzentrationen per Gaschromatografie
mit Massenspektrometrie-Kopplung) zeigte sich die MEGA-PRESS als höher performante
Akquisitionsmethode.
Klinische Bedeutung
Die 2021 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichte neue Klassifikation
der Tumore des zentralen Nervensystems integriert verstärkt molekulargenetische Veränderungen.
Dem Nachweis von Mutationen in den Genen der Isocitrat-Dehydrogenase (IDH) und des
chromosomalen Verlustes der Arme 1p und 19q kommt hierbei die entscheidendste Bedeutung
zu [1]. Üblicherweise wird eine IDH-Mutation über eine neuropathologische Aufarbeitung
des im Rahmen einer Biopsie oder einer mikrochirurgischen Resektion gewonnenen Tumorgewebes
nachgewiesen. Ein verlässlicher spektroskopischer Nachweis von 2-HG könnte diagnostische
und prognostische Erstinformation liefern. Dies gilt insbesondere für die Situation
der Differenzierung zwischen unspezifischen inzidentellen Hirnläsionen und IDH-mutierten
Gliomen. Schließlich muss bei hochgradigem Verdacht auf ein IDH-mutiertes Gliom eine
operative Resektion oder, falls aus funktionellen Gründen nicht möglich, eine Biopsie
angestrebt und bei Tumornachweis eine Behandlung eingeleitet werden [41].
Darüber hinaus gibt es Arbeiten, die Konzentrationsdynamiken von 2-HG im Rahmen des
Monitoring laufender Tumortherapien untersuchen [42]. Diese Form der Therapieüberwachung kann insbesondere für zukünftige molekulare
Therapien mit IDH-Inhibitoren hochrelevant sein [43]. Eine verlässliche Detektion und Quantifizierung erfordert jedoch methodische Vorerfahrung,
sodass dieses Verfahren eher von Einrichtungen mit entsprechenden Spektroskopiekenntnissen
realisiert werden kann.
Differenzialdiagnostisch ist zu beachten, dass 2-HG auch bei der sehr seltenen angeborenen
2-Hydroxyglutarazidurie auftritt [44]. Hierbei ist eine massiv erhöhte 2-HG-Konzentration im Urin und im Liquor beobachtet
worden [45].
Zusammenfassung und Ausblick
Zusammenfassung und Ausblick
Durch den MR-spektroskopischen Nachweis und die Quantifizierung der 2-Hydroxyglutarsäure
steht der Radiologie bei hirneigenen Tumoren eine effektive Methode zur Verfügung,
um die morphologischen Charakteristika aus der MR-Bildgebung um relevante metabolische
Informationen zu erweitern. Mit akzeptablen Akquisitionszeiten für eine Einzelvolumen-MR-Spektroskopie
können Zusatzinformationen generiert werden, welche sowohl den diagnostischen Ablauf
als auch die prognostische Beratung von Patienten mit bisher unklaren Hirnläsionen
erleichtern können [43]. Aufgrund des recht kleinen und aufgespaltenen MRS-Signals von 2-HG sind entsprechend
hohe Anforderungen an die Qualität der Daten wie ein guter Shim und ein adäquates
SNR erforderlich. Dies ist unter klinischen Bedingungen nicht immer gegeben. Insbesondere
die Messung bereits vorbehandelter Gliome gestaltet sich auf Grund von nekrotischem
Gewebe, großen Suszeptibilitätsdifferenzen, Liquor im Resektionsvolumen oder auch
einem zu kleinen (Rest-) Tumorvolumen als anspruchsvoll und teilweise nicht möglich.
Editierungstechniken (MEGA) erlauben eine gezielte Adaption an das Resonanz- und Kopplungsmuster
des Metaboliten und erscheinen somit – verglichen mit nicht-Editierungsverfahren –
als die spezifischere Methode, speziell bei einer Feldstärke von 3 Tesla. Allerdings
ist diese Technik – wie bereits erwähnt – aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber
inhomogenen Messbedingungen und auch der Notwendigkeit längerer Akquisitionszeiten
und größerer Messvolumina nicht ohne Einschränkungen vorzuziehen. Die wesentliche
Herausforderung bei der spektroskopischen Messung von 2-HG ist ein gut an die klinische
Fragestellung und die vorliegenden Messbedingungen adaptiertes Protokoll, sowie eine
kompetente Datennachverarbeitung und -quantifizierung.
Mit einem hochsignifikanten Zusammenhang von Cystathionin (Cystat) und einer 1p/19q-Kodeletion
in IDH-mutierten Gliomen konnte Branzoli et al.
[24] auf einen weiteren, möglicherweise onkologisch bedeutsamen Metaboliten aufmerksam
machen. Somit könnte die MR-spektroskopische Differenzierung durch 2-HG (IDH-Mutation
vs. IDH-Wildtyp) zukünftig um ein zusätzliches, in der WHO-Klassifizierung definiertes
Unterscheidungkriterium (1p/19q-Kodeletion vs. 1p/19q intakt) erweitert werden. Die
hierdurch mögliche, nicht-invasive Abgrenzung eines IDH-mutierten Oligodendroglioms
von einem IDH-mutierten Astrozytom zeigt erneut das große Potenzial der MR-Spektroskopie
als „virtuelles“ Biopsieverfahren auf. Aus [Abb. 2] ist die Lage der detektierbaren Cytathionin-Resonanz ersichtlich. Damit kann das
in diesem Fall durch eine neuropathologische Aufarbeitung identifizierte Oligodendrogliom
auch MR-spektroskopisch bestätigt werden.