CC BY-NC-ND 4.0 · Zeitschrift für Palliativmedizin 2025; 26(01): 37-44
DOI: 10.1055/a-2286-0291
Originalarbeit

Deutsche Übersetzung und erste psychometrische Testung des Family Appraisal of Caregiving Questionnaire for Palliative Care (FACQ-PC)

German Translation and Initial Psychometric Testing of the Family Appraisal of Caregiving Questionnaire for Palliative Care (FACQ-PC)
Sebastian Rosendahl Huber
1   Forschung und Entwicklung, FH Gesundheitsberufe OÖ, (Ringgold ID: RIN385638)
,
Gerhard Müller
2   Institut für Pflegewissenschaft, Department für Pflegewissenschaft und Gerontologie, UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie,
,
Christiane Kreyer
2   Institut für Pflegewissenschaft, Department für Pflegewissenschaft und Gerontologie, UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie,
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel der Studie Pflegende Angehörige erfahren häufig erhebliche Belastungen. Um sie zu unterstützen, sollten belastende und positive Aspekte der Lebenssituation systematisch erfasst werden. Dazu wurde der Family Appraisal of Caregiving Questionnaire for Palliative Care (FACQ-PC) mit 25 Items in 4 Domänen übersetzt und validiert.

Methode Die Übersetzung erfolgte nach den Prinzipien der International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research (ISPOR). Anschließend wurden die interne Konsistenz sowie die Inhalts- und Augenscheinvalidität durch Expert*innen (n=15) sowie pflegende Angehörige (n=35) bestimmt.

Ergebnisse Die Übersetzung weist eine gute interne Konsistenz mit einem Cronbachs α-Wert von über 0,8 (n=35) in allen 4 Domänen, eine ausreichende Augenscheinvalidität (S-FVI=74%, n=32) sowie Inhaltsvalidität (I-CVI>78%, n=15) in allen bis auf 2 Items auf.

Schlussfolgerung Die Ergebnisse legen nahe, dass der deutschsprachige FACQ-PC für Praxis und Forschung valide ist.


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Abstract

Aim of the study Caregivers often experience considerable stress. To support them, negative and positive aspects of the caregiving situation should be systematically assessed. Therefore, the Family Appraisal of Caregiving Questionnaire for Palliative Care (FACQ-PC) with 25 items in 4 domains was translated and validated.

Method The translation was done according to the principles of the International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research (ISPOR). After translation, internal consistency, content validity and face validity were determined by experts (n=15) and caregivers (n=35).

Results The translation shows good internal consistency with a Cronbach’s α-value above 0.8 (n=35) in all four domains, sufficient face validity (S-FVI=74%, n=32) and sufficient content validity (I-CVI>78%, n=15) in all but two items.

Conclusions The results suggest that the German translation of the FACQ-PC is valid for use with caregivers in the palliative care setting.


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Einleitung

Das zentrale Ziel von Palliative Care ist die Verbesserung der Lebensqualität, und zwar sowohl der erkrankten Person als auch der Angehörigen [1]. Pflegende Angehörige sind Personen, die durch enge soziale und emotionale Bindung gekennzeichnet sind und die erkrankte Person regelmäßig informell unterstützen [2]. In der Palliativversorgung erfahren sie starke physische, psychische, soziale und spirituelle Belastungen, nicht zuletzt, weil sie häufig informell die Pflege und Betreuung zu Hause übernehmen [3]. Die häusliche Versorgung wird als arbeitsintensiv, turbulent und fordernd beschrieben [4]. Eine Studie mit 302 pflegenden Angehörigen zeigte, dass 40% eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für eine Angststörung und 20% für eine Depression hatten [5]. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Unterstützung pflegender Angehöriger zu entwickeln [6]. A priori bedarf es geeigneter und valider Assessmentinstrumente, um die Angehörigensituation zu erfassen und Unterstützungsmaßnahmen gezielt auszuwählen [7]. Beim Einsatz von Assessmentinstrumenten darf nicht vernachlässigt werden, dass Angehörige auch von positiven Aspekten berichten, u.a. von einer Intensivierung der Beziehung, etwas zurückgeben zu können, vom Gefühl gebraucht zu werden oder sich persönlich weiterentwickeln zu können [3]. Außerdem sollten Angaben zur testtheoretischen Güte publiziert sein [8]. Eine datenbankbasierte Literaturrecherche (CINAHL via EBSCO Host, Medline via PubMed) ergab, dass nur der Family Appraisal of Caregiving Questionnaire for Palliative Care (FACQ-PC) diese Anforderungen erfüllt [9].

Der FACQ-PC wurde 2006 von Cooper et al. [9] in Australien für den Einsatz in Forschung und Praxis auf der Grundlage eines integrierten Modells [10] des Wohlbefindens und der Belastung pflegender Angehöriger im palliativen Setting entwickelt. Aus dem Modell wurden 4 Domänen abgeleitet: Die Domäne caregiver strain (8 Items) erfasst, inwieweit sich pflegende Angehörige physisch und emotional ausgelaugt und in ihrer Rolle gefangen und isoliert fühlen [9]. Mit der Domäne positive caregiving appraisals (7 Items) werden positive Aspekte der Pflege und Betreuung wie persönliches Engagement, Selbstvertrauen und Intimität in der Beziehung erfasst [9]. Die Domäne caregiver distress (4 Items) bildet negative Gefühle wie Sorgen und Schuldgefühle ab [9]. Die familiäre Situation wird mit der Domäne family well-being (6 Items) erfasst [9]. Aus diesen 4 Domänen wurden 25 Items mit einer 5-stufigen Rating-Skala von 1 (stimme überhaupt nicht zu) bis 5 (stimme voll und ganz zu) abgeleitet. Höhere durchschnittliche Summenwerte je Domäne weisen auf eine verstärkte Manifestation des jeweiligen Phänomens hin. Die interne Konsistenz für alle 4 Domänen waren angemessen (Cronbachs α-Wert=0,73–0,86) [9]. Eine explorative Faktorenanalyse der Hauptachsen ergab 6 Faktoren mit Eigenwerten größer als 1, die jeweils 25, 14, 8, 7, 5 und 4% der Varianz erklären [9]. Aufgrund des Scree-Plots wurde die Faktorenanalyse mit 4 Faktoren wiederholt [9]. Alle Items luden am höchsten auf ihrem theoretischen Faktor [9]. Zur Überprüfung der konvergenten und diskriminanten Validität wurden von 56 pflegenden Angehörigen auch Skalen zur subjektiven Belastung, der Bradburn Positive und Negative Affect Scale und der Family Relationships Index (FRI) ausgefüllt [9]. Die Domäne caregiving strain korrelierte stark mit der subjektiven Belastung (r=0,83), ebenso die family well-being-Domäne mit dem FRI (r=0,65) [9]. Die Domäne caregiver distress korrelierte stark mit der Negative Affect Scale (r=0,56) [9]. Einen moderaten Zusammenhang zeigte sowohl die Domäne caregiving appraisals mit Positive Affect Scale (r=0,3) und mit der FRI (r=0,35) [9]. Die Korrelationen legen die konvergente und diskriminante Validität des FACQ-PC nahe [9]. Trotz guter psychometrischer Eigenschaften liegt der FACQ-PC noch nicht in deutscher Sprache vor. Ziele dieser Studie waren daher die Übersetzung des FACQ-PC in die deutsche Sprache sowie eine erste Überprüfung der deutschsprachigen Version (FACQ-PC-D) hinsichtlich der Gütekriterien interne Konsistenz, Inhalts- und Augenscheinvalidität.


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Material und Methoden

Diese Studie gliedert sich in 2 Phasen: Übersetzung und Überprüfung der Gütekriterien des FACQ-PC-D. Im Vorfeld wurde beim Entwickler des FACQ-PC die Genehmigung für die Übersetzung eingeholt. Die Übersetzung folgte den Prinzipien der International Society for Pharmacoeconomics and Outcomes Research (ISPOR) [11]. Für eine psychometrische Prüfung wurde eine deskriptive Querschnittsstudie durchgeführt. Die Augenscheinvalidität und die interne Konsistenz wurden mithilfe von pflegenden Angehörigen geprüft, während die Inhaltsvalidität durch Expert*innen bewertet wurde.

Die Inhaltsvalidität wurde gewählt, weil sie der erste Schritt nach einer Instrumentenneuentwicklung sein sollte [12]. Bei der Bestimmung der Inhaltsvalidität wurden Expert*innen einbezogen, da sie mit ihrem Fachwissen überprüfen können, ob die Items des FACQ-PC-D geeignet sind, das zugrunde liegende Modell abzubilden [13]. Da die Akzeptanz gerade bei den ohnehin stark belasteten pflegenden Angehörigen von großer Bedeutung ist, wurde ebenso die Augenscheinvalidität überprüft [3] [4] [14]. Nach der kultursensitiven Übersetzung sollten die psychometrischen Eigenschaften der Übersetzung ähnlich denen des Originals sein [11]. Daher wurde für den Vergleich mit dem Original auch die interne Konsistenz des FACQ-PC-D untersucht.

Übersetzung

Die ISPOR-Prinzipien sind ein systematischer, mehrstufiger Prozess, der Übersetzung, Rückübersetzung, kulturelle Anpassung und einen Erkenntnisprozess umfasst. Die Rückwärtsübersetzung soll die sprachliche Äquivalenz mit dem Quellinstrument sicherstellen. Die soziokulturelle und konzeptionelle Äquivalenz der Übersetzung soll durch den Erkenntnisprozess gewährleistet werden [11]. Die 10 Schritte des realisierten Übersetzungsprozesses sind in [Abb. 1] grafisch dargestellt.

Der Übersetzungsprozess wurde von einem Projektmanager (PM) koordiniert und von einer Schlüsselperson im Land (SiL) begleitet, die über den fachlichen Hintergrund und Erfahrung in der Übersetzung von Instrumenten verfügte. SiL war eine Pflegeperson, die sich seit vielen Jahren mit Palliative Care aus pflegewissenschaftlicher Perspektive beschäftigt. Sie war auch eine der 2 Personen zur Vorwärtsübersetzung. Personen für die Vorwärtsübersetzung sollten über sehr gute Englischkenntnisse, Deutsch als Muttersprache und Forschungserfahrung verfügen. Der Vorwärtsübersetzer (VÜ) war ein Arzt mit dem österreichischen Ärztekammer-Diplom für Palliativmedizin.

Für die Rückwärtsübersetzung wird mindestens eine Person (RÜ) mit englischer Muttersprache benötigt, die zugleich fließend Deutsch beherrscht. RÜ darf keine Vorkenntnisse über den FACQ-PC haben. RÜ war eine Forscherin der britischen Regierungsbehörde Department of Health and Social Care.

Zoom Image
Abb. 1 Flussdiagramm für die deutsche Übersetzung und interkulturelle Adaptation des FACQ-PC nach den 10 Prinzipien von ISPOR. Abkürzungen: SiL = Schlüsselperson im Land, VÜ = Vorwärtsübersetzer, RÜ = Rückwärtsübersetzerin, PM = Projektmanager.

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Psychometrische Testung

Inhaltsvalidität

Die theoriegeleitete Entwicklung ist der erste Schritt der inhaltlichen Validität und wird für den FACQ-PC-D aufgrund der Übersetzung nach ISPOR angenommen. In einem zweiten Schritt sollte unter den Expert*innen ein Konsens darüber bestehen, dass das Konstrukt, welches der theoriegeleiteten Entwicklung zugrunde lag, mit den Fragen abgebildet werden kann [13]. Dazu wurden von Jänner bis April 2022 Erhebungsbögen in einem oberösterreichischen Krankenhaus mit einem Schwerpunkt in der Behandlung von Tumorerkrankungen aufgelegt. Dabei wurde eine Gelegenheitsstichprobe von 35 Expert*innen angestrebt [15]. Eingeschlossen wurden alle Personen, die ehrenamtlich oder hauptberuflich in der Onkologie oder Palliativmedizin tätig waren. Zur Quantifizierung der Inhaltsvalidität wurde der Content Validity Index (CVI) verwendet [16]. Jedes Item des FACQ-PC-D wurde dazu auf einer 4-stufigen Rating-Skala (sehr relevant, ziemlich relevant, ein wenig relevant und gar nicht relevant) bewertet und konnte zusätzlich kommentiert werden. Die Antwortmöglichkeiten sehr relevant und ziemlich relevant erhielten den Wert 1, die übrigen den Wert 0. Die Summe aus der 4-stufigen Rating-Skala wurde pro Frage über alle Befragten gebildet und durch die Anzahl der Befragten dividiert, wodurch der CVI auf Itemebene (I-CVI) ermittelt wurde. Der Mittelwert der I-CVI aller Fragen ergab den CVI auf Skalenebene (S-CVI). Bei mehr als 5 Expert*innen muss der S-CVI über 0,78 liegen [13].


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Augenscheinvalidität

Für diese Testung wurde eine Gelegenheitsstichprobe von 60 pflegenden Angehörigen angestrebt. Mittels eines Erhebungsbogens wurde die Plausibilität der Fragen abgefragt und es bestand die Möglichkeit, Kommentare zu hinterlassen [14]. Erhebungsbögen wurden im Zeitraum von Dezember 2021 bis April 2022 auf 6 österreichischen Palliativstationen und in einem Hospiz aufgelegt. Eingeschlossen wurden Angehörige, die mindestens 18 Jahre alt waren und Patient*innen auf Palliativstationen oder in Hospizen besuchten und in der Lage waren, die Erhebungsbögen mit oder ohne Unterstützung auszufüllen. Die Augenscheinvalidität wurde quantitativ mit dem Face Validity Index (FVI) berechnet [17]. Jedes Item wurde auf einer 4-stufigen Rating-Skala (sehr plausibel und glaubwürdig, ziemlich plausibel und glaubwürdig, ein wenig plausibel und glaubwürdig und gar nicht plausibel und glaubwürdig) bewertet; zusätzlich konnten die Fragen kommentiert werden. Die Antworten wurden dichotomisiert (sehr plausibel und glaubwürdig und ziemlich plausibel und glaubwürdig erhielten den Wert 1, die übrigen den Wert 0). Die Summe über alle Befragten dividiert durch die Anzahl der Befragten ergab den FVI auf Itemebene (I-FVI). Der FVI auf Skalenebene (S-FVI) wurde als Mittelwert aller I-FVI bestimmt [17]. Für diese Arbeit wurde ab einem S-FVI von 70% von einem Konsens der Befragten ausgegangen [18].


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Interne Konsistenz

Die Angehörigen füllten ebenfalls den FACQ-PC-D aus, um die Homogenität der 4 Bereiche des FACQ-PC-D mit dem Cronbachs α-Wert und einer Part-Whole-Korrektur zu berechnen [19]. Für die Interpretation der Cronbachs α-Werte kann folgende Faustregel verwendet werden: α > 0,9 ist ausgezeichnet, α>0,8 ist gut, α>0,7 ist akzeptabel, α>0,6 ist fragwürdig, α>0,5 ist schlecht und α<0,5 ist inakzeptabel [20]. Gemäß Bonetts Formel [21] wurde eine Gelegenheitsstichprobe von 58 Teilnehmer*innen angestrebt.


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Ethische Aspekte

Da es sich um eine anonyme Befragung von Angehörigen und Expert*innen nur durch Auslegen von Fragebögen im Pflegestützpunkt bzw. im Broschürenständer auf den Stationsfluren ohne Verwendung von Patient*innendaten und ohne Rückschlussmöglichkeit auf die Person handelt, war nach Rücksprache mit dem Ethikkomitee (Research Committee for Scientific Ethical Questions der UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie) kein formelles Ethikvotum erforderlich.


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Ergebnisse

Übersetzung

Nach der Vorbereitung (Schritt 1) wurde der FACQ-PC in Schritt 2 von 2 Personen unabhängig voneinander ins Deutsche übersetzt. Anschließend wurde in Schritt 3 eine einheitliche Version (FACQ-PC-D-0.1) mit SiL, VÜ und PM erstellt. Für den Begriff Caregiver wurde trotz der Unschärfe in der Übersetzung der Begriff pflegende Angehörige verwendet. Im Hinblick darauf, dass im FACQ-PC unter dem Begriff Caring nicht nur direkte pflegerische Handlungen, sondern alle Aktivitäten des täglichen Lebens verstanden werden, wurde für die Übersetzung die Formulierung Betreuung und Pflege gewählt.

Die Rückübersetzung erfolgte durch RÜ in Schritt 4 möglichst wörtlich. In Schritt 5, der Begutachtung der Rückübersetzung, identifizierten SiL und PM viele kleinere sprachliche Ungenauigkeiten, u.a. den Unterschied zwischen care for und caring. In Schritt 6 wurden zur Harmonisierung 15 Begriffe markiert, die sich tatsächlich unterscheiden, wie zum Beispiel problems und challenges. Diese wurden dann mit RÜ bzw. dem Entwickler des FACQ-PC diskutiert. Laut RÜ sind einige Unterschiede auf den unterschiedlichen Gebrauch des britischen Englisch der RÜ und des australischen Englisch des FACQ-PC zurückzuführen.

Bei Frage 25 wurde das Wort concerns mit Sorgen und dann zurück zu sorrows übersetzt. Nach Ansicht des Entwicklers haben sorrows und concerns unterschiedliche Bedeutungen. Der Entwickler empfahl stattdessen, das Wort worries zu verwenden, das genau mit Sorgen übereinstimmt. Schlussendlich wurde von SiL und PM eine weitere Version (FACQ-PC-D-0.2) finalisiert. Im kognitiven Debriefing (Schritt 7) wurde mit 3 zufällig ausgewählten pflegenden Angehörigen das semantische und sinnstrukturelle Verständnis des FACQ-PC-D-0.2 besprochen. Sie hatten in den letzten 5 Jahren unheilbar kranke Angehörige betreut. Da alle Befragten Verständnisschwierigkeiten mit Frage 9 hatten, wurde diese mit für mich ergänzt und somit zu Die Betreuung und Pflege von X ist für mich befriedigend umformuliert. Aus den Daten wurde in Schritt 8 von SiL gemeinsam mit PM die deutsche Übersetzung (FACQ-PC-D) finalisiert und in Schritt 9 auf Fehler im Rahmen eines Korrektorats überprüft. Dabei wurde unter anderem bei Frage 9 (Die Betreuung und Pflege von X ist für mich befriedigend.) das Wort ist aus Gründen der besseren Verständlichkeit nicht durch sind ersetzt. Der in Schritt 10 geforderte Abschlussbericht war eine Qualifizierungsarbeit.

Damit wurde der originale FACQ-PC sprachlich und inhaltlich an den deutschsprachigen Sprach- und Kulturraum angepasst und steht online als Fragebogen (siehe Zusatzmaterial) mit dem Titel „Selbsteinschätzung der Lebenssituation von Angehörigen in der Palliativversorgung“ zur Verfügung.

Vom finalisierten FACQ-PC-D wurden die Inhalts-, Augenscheinvalidität und die interne Konsistenz getestet.


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Inhaltsvalidität

Von den 50 verbreiteten Erhebungsbögen wurden 15 von Expert*innen (Rücklaufquote 30%), überwiegend aus dem gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege, retourniert ([Tab. 1]).

Tab. 1 Beschreibung der Stichprobe der Expert*innen.

Merkmal

n

%

* = im palliativen Setting

Stichprobe

15

durchschnittliches Dienstalter* (Jahre)

10,14 (SD ± 10,29)

Spanne Dienstalter von–bis (Jahre)

0–31

Alterskategorie

  • 20–30 Jahre

  • 31–40 Jahre

  • 41–50 Jahre

  • über 50 Jahre

3

1

6

5

20

6,7

40

33,3

Tätigkeitsprofil

  • gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege

  • sonstiges Pflegepersonal

  • sonstiges Personal

13

1

1

86,7

6,7

6,7

Zur Bestimmung der Inhaltsvalidität wurde die inhaltliche Relevanz der einzelnen Fragen des FACQ-PC-D von den Expert*innen beurteilt. Daraus wurde der in [Tab. 2] dargestellte CVI sowohl auf Itemebene (I-CVI) als auch auf Skalenebene (S-CVI) berechnet. Der I-CVI liegt bei allen Fragen über 0,78, mit Ausnahme der Fragen 9 und 10.

Tab. 2 Ergebnisse der Berechnung des Content Validity Index (CVI) und Face Validity Index (FVI).

Frage

N CVI

I-CVI in %

N FVI

I-FVI in %

Anmerkung: N = Anzahl der Befragten; I = Item; S = Skala; fett gedruckte Werte = I-CVI < 78% bzw. I-FVI < 70%

1) Als pflegende/r Angehörige/r fühle ich mich müde und erschöpft.

15

100

32

94

2) Als pflegende/r Angehörige/r habe ich das Gefühl, dass meine eigene Gesundheit gelitten hat.

15

100

31

87

3) Als pflegende/r Angehörige/r habe ich das Gefühl, die Kontrolle über mein Leben zu verlieren.

15

93

32

59

4) Als pflegende/r Angehörige/r habe ich nicht genug Zeit für mich selbst.

15

100

32

84

5) Ich fühle mich isoliert und alleine mit der Betreuung und Pflege von X.

15

93

32

66

6) Ich musste mein soziales Leben aufgeben, um mich um X zu kümmern.

15

93

32

69

7) Als pflegende/r Angehörige/r konnte ich meiner Arbeit oder meiner Ausbildung nicht so gut nachgehen, wie ich es gerne getan hätte.

15

100

27

67

8) Die Betreuung und Pflege von X verursachten finanzielle Schwierigkeiten.

15

87

29

62

9) Die Betreuung und Pflege von X ist für mich befriedigend.

15

73

31

74

10) Es ist für mich eine Ehre, für X zu sorgen.

15

73

31

77

11) Weil ich mich um X kümmere, fühle ich mich ihr/ihm enger verbunden.

15

93

31

84

12) Ich kann X trösten, wenn sie/er es braucht.

15

87

32

91

13) Ich bin zuversichtlich, mit den meisten Herausforderungen bei der Betreuung und Pflege von X umgehen zu können.

15

87

32

69

14) Ich fühle mich gebraucht in meiner Beziehung zu X.

15

100

31

77

15) Ich engagiere mich für die Betreuung und Pflege von X.

15

93

32

84

16) Ich fühle mich schuldig, weil ich nicht mehr für X tun kann.

14

93

31

52

17) Ich mache mir Sorgen, dass ich nicht genug für X tun kann.

15

100

32

66

18) Ich bin besorgt wegen der Betreuung und Pflege von X.

15

100

32

84

19) Ich bin deprimiert wegen der Betreuung und Pflege von X.

15

87

30

53

20) Unsere Familie arbeitet zusammen, um Schwierigkeiten zu überwinden.

15

93

31

90

21) In unserer Familie können wir miteinander über unsere Gefühle sprechen.

15

93

31

81

22) Ich habe das Gefühl, dass unsere Familie durch die Betreuung und Pflege von X enger zusammengerückt ist.

15

93

31

84

23) Durch die Betreuung und Pflege von X kommen wir als Familie besser mit den Veränderungen zurecht.

15

80

30

63

24) In unserer Familie herrscht oft Uneinigkeit in Bezug auf die Betreuung und Pflege von X.

15

80

30

57

25) In unserer Familie vermeiden wir es, unsere Ängste und Sorgen in Bezug auf die Betreuung und Pflege von X anzusprechen.

15

87

30

67

S-CVI bzw. S-FVI in %

91

74


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Augenscheinvalidität

Von 90 Befragungssets wurden 32 (35% Rücklaufquote) von pflegenden Angehörigen zurückgesendet und ausgefüllt ([Tab. 3]).

Der Face Validity Index der Skala (S-FVI) betrug 74%. Dies deutet auf eine ausreichende Augenscheinvalidität hin ([Tab. 2]). Den niedrigsten Face Validity Index wiesen die Fragen 16 (52%) und 19 (53%) auf.

Tab. 3 Beschreibung der Stichprobe der pflegenden Angehörigen (PA).

Merkmal

n

%

Anmerkung: * = Wohnort der betreuten Person im Vergleich zur/zum pflegenden Angehörigen (PA)

Stichprobe

32

Durchschnittsalter (Jahre)

59 (SD ± 12,53)

Altersspanne Min/Max (Jahre)

28–78

Geschlecht

  • weiblich

  • männlich

26

6

81,3

18,8

Beziehung zur betreuten Person

  • Kind

  • Ehe- oder Lebenspartner

  • Elternteil

  • anderweitig verwandt

16

13

1

1

51,6

41,9

3,2

3,2

am Wohnort betreute Person*

  • gleicher Haushalt wie PA

  • andere

  • Hospiz

19

8

3

63,3

26,7

10


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Interne Konsistenz

Die internen Konsistenzen (n = 33) wurden für die 4 Domänen getrennt berechnet und sind als gut zu bewerten ([Tab. 4]). Zusätzlich wurde für jede Frage eine Part-Whole-Korrektur durchgeführt. Die Cronbachs α-Werte der Domänen liegen zwischen 0,818 und 0,883.

Tab. 4 Cronbachs α-Wert pro Domäne des FACQ-PC-D.

Fragen bzw. Domänen des FACQ-PC-D

Cronbachs α-Wert
(Part-Whole-Korrektur)

Anmerkung: * = Item rückwärts bewertet; ** = Verbesserung durch Weglassen des Items

Domäne Pflegebelastung

0,853

1) müde und erschöpft

  0,845

2) eigene Gesundheit

  0,814

3) Kontrolle verlieren

  0,815

4) Zeit für mich selbst

  0,841

5) isoliert und allein

  0,821

6) Aufgabe soziales Leben

  0,829

7) Arbeit/Ausbildung

  0,85

8) finanzielle Schwierigkeiten

  0,864**

Domäne positive Pflegeerfahrungen

0,883

9) subjektiv befriedigend

  0,861

10) Ehre

  0,847

11) Verbundenheit

  0,841

12) trösten können

  0,856

13) Zuversicht

  0,909**

14) gebraucht fühlen

  0,848

15) Engagement

  0,881

Domäne Stress von Angehörigen

0,818

16) schuldig fühlen

  0,728

17) Sorgen machen

  0,756

18) besorgt sein

  0,815

19) deprimiert fühlen

  0,778

Domäne familiäres Wohlbefinden

0,828

20) Schwierigkeiten überwinden

  0,804

21) Gefühle teilen

  0,793

22) familiäre Nähe

  0,771

23) mit Veränderungen zurechtkommen

  0,791

24) Uneinigkeit in der Familie*

  0,825

25) Geheimhaltung von Ängsten und Sorgen*

  0,814


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Diskussion

Pflegende Angehörige von Palliativpatient*innen sind häufig stark belastet. Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass Angehörige auch über positive Aspekte berichten [3]. Da für den deutschsprachigen Raum kein Instrument identifiziert werden konnte, welches beide Seiten erfasst, wurde der englischsprachige FACQ-PC erfolgreich ins Deutsche übersetzt (FACQ-PC-D). Eine erste Validierung ergab eine gute interne Konsistenz in allen 4 Domänen, eine ausreichende Augenschein- sowie Inhaltsvalidität in allen bis auf 2 Items.

Wie in der Studie von Nissen et al. [22] wurde die Vorwärts- und Rückwärtsübersetzung mit einem Minimum von 2 bzw. einer Person durchgeführt. Als besonders hilfreich für die Übersetzung erwies sich der iterative Prozess der ISPOR-Prinzipien. So konnten kulturelle und sprachliche Unterschiede zwischen dem australischen und dem britischen Englisch in der Rückübersetzung geklärt werden. Darüber hinaus konnten auftretende Unklarheiten in der Interpretation, unter anderem ob challenges das gleiche Konzept wie problems widerspiegelt, mit dem Entwickler des FACQ-PC geklärt werden. Um eine kultursensitive Übersetzung speziell für das palliative Setting zu erreichen, war es sehr hilfreich, dass alle beteiligten Personen über eine hohe Expertise im Gesundheitswesen verfügten. Das kognitive Debriefing lieferte ein hinreichendes Feedback für die Finalisierung der Übersetzung.

Die Inhaltsvalidität wurde in dieser Arbeit quantitativ untersucht. Der S-CVI des FACQ-PC-D lag bei 0,91 und war damit vergleichbar mit anderen Assessmentinstrumenten, die einen S-CVI zwischen 0,807 und 1 angeben [7].

Dass die pflegenden Angehörigen den FACQ-PC-D als plausibel einschätzen, lässt der ausreichende S-FVI von 74% vermuten. Gemäß der Literatur sollte der S-FVI über 70% liegen [18]. Die Fragen 16 und 19 wiesen mit 52% bzw. 53% den niedrigsten I-FVI auf, was vermutlich auf den eher provokativen Charakter dieser beiden Fragen zurückzuführen ist. Aufgrund der sprachlichen Äquivalenz zum Original wurde auf eine Überarbeitung dieser Fragen verzichtet.

Die Homogenität der Domäne zeigte sich in der guten internen Konsistenz der Übersetzung in allen 4 Domänen (0,82–0,88). Im Vergleich zwischen dem Original (FACQ-PC) und der Übersetzung (FACQ-PC-D) zeigte sich ein Cronbachs α-Wert von 0,85 zu 0,86 für die Domäne caregiver strain; 0,88 zu 0,73 für positive caregiving appraisals; 0,82 zu 0,75 für caregiver distress und 0,83 zu 0,84 für family well-being und damit ein ähnliches Bild [9].

Die Ergebnisse sind vermutlich auf pflegende Angehörige im deutschsprachigen Raum übertragbar, denn die Stichprobe der pflegenden Angehörigen bestand zu 81,3% aus Frauen, die ihre Eltern pflegten und im Durchschnitt 60 Jahre alt waren. Bei einer Untersuchung von 2.612 österreichischen pflegenden Angehörigen zeigte sich ein ähnliches Bild mit einem Frauenanteil von 77% Frauen und einem Durchschnittsalter von 60 Jahren [3]. Wie in dieser Studie wurden auch hier am häufigsten Eltern bzw. Stiefeltern (36%) und am zweithäufigsten Ehe- und Lebenspartner*innen (35%) gepflegt [3]. Eine Analyse der testtheoretischen Güte für die einzelne Subgruppen wie beispielsweise männliche Angehörige, jüngere Angehörige und nach der Beziehung zur pflegebedürftigen Person konnte aufgrund der kleinen Stichprobe in dieser Studie nicht durchgeführt werden. In Zukunft sollten Studien mit einer größeren Stichprobe durchgeführt werden, um die Ergebnisse zu bestätigen und Subgruppenanalysen durchzuführen.

Limitationen

Die Expert*innen, Angehörigen und Übersetzer*innen wurden mittels Gelegenheitsstichproben ausgewählt, wobei auf fachliche und geografische Diversität geachtet wurde. Trotzdem könnte eine Verzerrung der Ergebnisse durch diese Methode entstanden sein, da die Stichprobe nicht repräsentativ für die gesamte Bevölkerung ist.

Bei der Rückübersetzung wurde zugunsten der Expertise der RÜ die Anforderung der ISPOR-Prinzipien hinsichtlich der englischen Muttersprache nicht erfüllt, obwohl sie seit Jahrzehnten dort lebt und ebenfalls dort studiert hat [11]. Dies wurde durch die Unterstützung der zweisprachig aufgewachsenen Tochter bei der Rückübersetzung kompensiert.

Gemäß der Literatur sollten für eine Inhaltsvalidität mindestens zwischen 8 und 12 bzw. 175 Expert*innen befragt werden [23] [24]. In dieser Studie wurden 15 Expert*innen befragt. Der I-CVI für die Fragen 9 und 10 lag mit 0,73 unter dem geforderten Wert von 0,78 [25]. Es wird vermutet, dass das weit gefasste Einschlusskriterium (Mitarbeit im onkologischen oder palliativen Setting) zum schlechten Abschneiden dieser beiden Items geführt hat. Dies wurde in einem Kommentar zu Frage 9 deutlich, da sich der Kommentar, dass befriedigend nicht eindeutig sei, auf die Wortwahl und nicht auf die Relevanz des Items bezog. Die Fragen 9 und 10 wurden daher beibehalten.

In der englischsprachigen Literatur liegt der S-FVI oft über 90% [17]. Ein möglicher Grund für den deutlich niedrigeren Wert unserer Untersuchung könnten entweder kulturelle Gründe oder die als Antwortmöglichkeit gewählten Begriffe plausibel und glaubwürdig sein. Zwei Zentren berichteten, dass die Begriffe für einzelne pflegende Angehörige schwer verständlich seien. Die Begriffe wurden nach Döring und Bortz [14] gewählt. In der englischsprachigen Literatur wird häufig nach Klarheit und Verständlichkeit gefragt, welche leichter verständlich wären und in Zukunft verwendet werden sollten [17].

Für die Untersuchung der internen Konsistenz konnte die errechnete Stichprobe von 58 Personen mit dem gewählten Rekrutierungsweg nicht erreicht werden. Wird die Annahme des akzeptablen Cronbachs α-Wert (CA0) in der Stichprobenberechnung von 0,5 auf einen in der Literatur üblichen CA0 von 0 reduziert, so wären nur noch 17 Personen erforderlich gewesen [21] [26]. Demgegenüber wird der Cronbachs α-Wert mit zunehmender Stichprobengröße stabiler [27]. Der Einfluss von einer zu kleinen Stichprobe auf die interne Konsistenz ist nicht abschließend geklärt [26]. Die Part-Whole-Korrektur ergab bei den Fragen 8 und 13 ein Verbesserungspotenzial des Cronbachs α-Werts, was auf einen Übersetzungsfehler hindeuten könnte. Bei Frage 13 wurde schon während der Übersetzung diskutiert, ob das englische Wort problems aus dem Original mit Problemen oder Herausforderungen übersetzt werden sollte. Dies wurde mit dem Entwickler des Originals besprochen, der der Meinung war, dass beide Wörter das gleiche Konzept abfragen. Dennoch sollte in Zukunft geprüft werden, ob die Domäne positive caregiving appraisals mit derzeit 7 Items auch im Original ohne Frage 13 auskommt. Frage 8 nach finanziellen Schwierigkeiten wird durch die unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme in Australien und Österreich beeinflusst [28]. Zudem konnte in einer Studie von Liebert et al. [29] eine Veränderung um 0,03–0,04 im Cronbachs α-Wert nur durch Wiederholung der Untersuchung gezeigt werden. Die Verbesserung um 0,01 ist daher als nicht signifikant anzusehen.

Die Ergebnisse legen nahe, dass der FACQ-PC-D ein inhaltlich und augenscheinlich valider Fragebogen ist, dessen Items pro Domäne über eine ausreichende interne Konsistenz zur Erfassung positiver als auch negativer Aspekte der Lebenssituation von Angehörigen im palliativen Setting verfügt. Weitere psychometrische Tests zur Konstruktvalidität und Test-Retest-Reliabilität sind geplant.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Unser Dank gilt allen pflegenden Angehörigen, den Expert*innen sowie den teilnehmenden Einrichtungen, die zum Gelingen dieser Studie beigetragen haben. Ein besonderer Dank geht an die Personen, die an der Übersetzung mitgewirkt haben, sowie an den Entwickler des FACQ-PC für die hervorragende Kooperation.

Zusatzmaterial


Korrespondenzadresse

Sebastian Rosendahl Huber, MScN
Forschung und Entwicklung, FH Gesundheitsberufe OÖ
Semmelweisstraße 34/D3
4020 Linz
Österreich   

Publication History

Article published online:
04 June 2024

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Abb. 1 Flussdiagramm für die deutsche Übersetzung und interkulturelle Adaptation des FACQ-PC nach den 10 Prinzipien von ISPOR. Abkürzungen: SiL = Schlüsselperson im Land, VÜ = Vorwärtsübersetzer, RÜ = Rückwärtsübersetzerin, PM = Projektmanager.