Schlüsselwörter
MR-imaging - physics - safety
Einleitung
Die Magnetresonanztomografie (MRT) hat als eines der wichtigsten medizinischen bildgebenden
Verfahren in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen [1]
[2]
[3]. In Deutschland wurden im Jahr 2019 je 1000 Einwohner 145 MRT-Untersuchungen registriert
[4]. International sind derzeit schätzungsweise 50000 Magnetresonanztomografen im Einsatz
[5]. Modense et al. schätzen eine Gesamtzahl von ca. 2000000 Mitarbeitern weltweit,
die hohen statischen Magnetfeldern im Bereich der medizinischen MRT ausgesetzt sind
[6]. Hierzu zählen nicht nur Radiolog*innen und Radiologieassistent*innen, sondern auch
Anästhesist*innen, Pflegepersonal, technisches Personal und Reinigungskräfte [2]. Hinzu kommen Mitarbeiter*innen, die in Forschungseinrichtungen an MRT-Systemen
arbeiten und Beschäftigte, die an der Montage und Wartung von MRT-Geräten beteiligt
sind. Die am stärksten exponierte Gruppe sind Radiologieassistent*innen [7]. Auswirkungen auf das Personal, vor allem im Hinblick auf Langzeitwirkungen, sind
jedoch teilweise nur gering erforscht. Um einen Überblick über diese Wirkungen zu
geben und Forschungslücken aufzudecken, wurde eine systematisch Literaturrecherche
durchgeführt.
Um störende, aber auch gesundheitsschädliche Wirkungen auf den menschlichen Organismus
zu vermeiden, wurde die Richtlinie 2013/35/EU (RL 2013/35/EU) erlassen, in der die
Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor
der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (elektromagnetische Felder) festgelegt
sind. Langzeitwirkungen der Exposition gegenüber diesen Feldern wurden in dieser Richtlinie
nicht berücksichtigt, da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens diesbezüglich keine gesicherten
wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlagen. Durch das „Gesetz zum Schutz vor nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSG)“ soll der Schutz und die Vorsorge vor schädlichen Wirkungen beim Betrieb von Systemen,
die nichtionisierende Strahlung in der Heil- und Zahnheilkunde sowie zu gewerblichen
Zwecken verwenden, gewährleistet und geregelt werden [8]. Dieses Gesetz findet unter anderem Anwendung für Anlagen welche elektrische, magnetische
und elektromagnetische Strahlung in den Frequenzbereichen von 0 Hertz bis 300 Gigahertz
zu medizinischen und gewerblichen Zwecken verwenden und regelt beispielsweise die
Anforderungen der Anwender wie Notwendigkeit einer Approbation oder ein Fachkundenachweis.
Nahezu alle nationalen und internationalen Bestimmungen zum Schutz vor elektrischen,
magnetischen und elektromagnetischen Feldern gehen auf Empfehlungen der ICNIRP (International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection) zurück [9].
Eine der Grundlagen der RL 2013/35/EU stellt unter anderem der Forschungsbericht 400-D
(FB 400-D) aus dem Jahr 2011 des Bundesministeriums für Arbeit- und Soziales (BMAS)
dar [10]. Dieser gibt Grenzwerte und Auslöseschwellen für die Exposition gegenüber elektrischen,
magnetischen und elektromagnetischen Feldern an. Die im FB 400-D gesetzten Grenzwerte
und Auslöseschwellen basieren in der Hauptsache auf dem Ziel, den menschlichen Körper
vor unerwünschten Wirkungen durch elektromagnetische Felder zu schützen (Nervenstimulation,
Gewebeerwärmung usw.). Diese Werte beziehen sich im Wesentlichen auf kurzfristige
Interaktionen mit unterschiedlichen Arten elektromagnetischer Felder.
Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick über den gegenwärtigen Stand der Forschung
zu Auswirkungen der Exposition des menschlichen Körpers gegenüber hohen statischen
und niederfrequenten Magnetfeldern sowie hochfrequenten elektromagnetischen Feldern.
Im Fokus der Betrachtung steht die Exposition für Personal im Bereich der klinischen
MRT-Bildgebung. Hier liegt die magnetische Feldstärke (magnetische Flussdichte) heutzutage
üblicherweise bei 1,5T bis 3T. Im Forschungsbereich werden in Deutschland mittlerweile
zehn Ultrahochfeld-Human-MRT im Bereich von 7T bis 9,4T betrieben, wobei 2017 ein
erstes 7T-MRT-Gerät die klinische Zulassung erhalten hat und in der Krankenversorgung
eingesetzt wird [11]
[12]
[13]. Im Bereich der Forschung liegen die magnetischen Flussdichten der MRT-Geräte (Experimental-
und Kleintier-MRT) bei derzeit bis zu 17,6T [12]. Für die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) werden magnetische Flussdichten bis zu
28T angegeben [10]
[14].
In dieser Zusammenfassung wird der aktuelle medizinisch-wissenschaftliche Stand zu
Wirkungen der Exposition gegenüber elektromagnetischen Feldern unter Berücksichtigung
einer Langzeitexposition zusammengefasst. Hierbei liegt der Fokus auf den Beschäftigten
im Bereich der klinischen Magnetresonanztomografie.
Methode der Recherche
In [Tab. 1] sind die Ein- und Ausschlusskriterien für die Literaturrecherche zusammengefasst.
Tab. 1 Ein- und Ausschlusskriterien der systematischen Literaturrecherche.
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Einschlusskriterien
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Ausschlusskriterien
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Sprache
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Englisch, Deutsch
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andere Sprachen
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Zielgruppe
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Humane Studien (Beschäftigte) oder (kombinierte Studien human/tierexperimentell)
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rein tierexperimentelle Studien
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Verfügbarkeit
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Volltext ist verfügbar
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Zugriff nur auf Titel oder Abstract
|
Da sich die Fragestellungen explizit auf Auswirkungen elektromagnetischer Felder auf
den Menschen bzw. das medizinische Personal beziehen, wurde eine Einschränkung der
Suche auf humane Studien bzw. kombinierte Studien (human/tierexperimentell) innerhalb
der Zielgruppe durchgeführt. Die Artikel, die aufgrund dieser Einschränkung nicht
in die Recherche aufgenommen wurden, wurden gesondert auf Relevanz geprüft. Wenn sich
dort Erkenntnisse ergaben, die für diese Untersuchung von Bedeutung waren, werden
diese im Abschnitt Diskussion kommentiert.
In [Tab. 2] sind die durchsuchten Datenbanken aufgeführt. In den Datenbanken wurde mittels Expertensuche
(erweiterter Suche, Advanced Search) gesucht. Weiterhin wurden Boolesche Operatoren,
eine Trunkierung, sowie Phrasen für die Suche verwendet.
Tab. 2 Ausgewählte Datenbanken.
Datenbank
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URL
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Datenbanktyp
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Pubmed
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https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/
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Medizinische Datenbank mit Artikeln aus dem gesamten Bereich der Biomedizin (Zugang
zu MEDLINE)
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Cochrane Library
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https://www.cochranelibrary.com/
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Online-Bibliothek, umfasst drei wissenschaftliche Datenbanken (Systematic Reviews,
Central Register of Controlled Trials und Cochrane Clinical Answers)
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ClinicalTrials
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https://www.ClinicalTrials.gov/
|
Datenbank klinischer Studien der U.S. National Library of Medicine
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Das allgemeine Pico-Schema wurde modifiziert, um eine passende Suchmatrix für die
zugrunde liegenden Fragestellungen zu erhalten ([Tab. 3]).
Tab. 3 Modifiziertes PICO-Schema für diese Studie.
P
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Population
|
Welche Population wird betrachtet?
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Angestellte (insbes. Mitarbeiter im Gesundheitsbereich)
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I
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Intervention: hier Exposition
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Welche Exposition wird beschrieben?
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Elektromagnetische Felder, MRT
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O
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Outcome, hier: Effekte
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Zu beobachtende Effekte nach Exposition mit elektromagnetischen Feldern
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Wirkungen (auch Langzeitfolgen), Beeinträchtigungen
|
Für die Recherche wurde eine Sammlung aus thematisch passenden Stichwörtern und Schlagwörtern
angefertigt. Synonyme und Abkürzungen wurden berücksichtigt.
Alle Suchbegriffe wurden entweder als MeSH-Term (z.B. „Cognition Disorders“[MeSH])
oder als Begriff bzw. Phrase in Title/Abstract gesucht (z.B. „Cognition*“[Title/Abstract]).
Manche MeSH-Terms wurden mit der Einschränkung „No Exp“ für „no exploded“ gesucht
(z.B. „Health personnel“[Mesh:NoExp]), in diesem Fall wird nur der MeSH-Term selbst
und nicht seine Unterbegriffe gesucht.
Die einzelnen Suchblöcke aus [Tab. 4] wurden anschließend mit dem Booleschen Operator AND verknüpft. Für die Pubmed-Suche ergab sich nach der Verknüpfung der drei Suchblöcke
eine Trefferanzahl von 6428. Nach Eingrenzung von Sprache (1) und Zielgruppe (2) verblieben
für die weitere Betrachtung 5372 Treffer.
Tab. 4 Zusammenstellung der Suchbegriffe (Pubmed).
|
Nr.
|
Query
|
Treffer
|
P
|
#1
|
"Occupational Medicine"[MeSH] OR "Occupation*"[Title/Abstract] OR "Occupational Diseases"[Mesh:NoExp]
OR "Occupational Exposure"[MeSH] OR "Staff*"[Title/Abstract] OR "personnel*"[Title/Abstract]
OR "Radiologists"[MeSH] OR "Medical Laboratory Personnel"[MeSH] OR "physicians"[Mesh:NoExp]
OR "nurses"[MeSH] OR "medical staff"[MeSH] OR "nursing staff"[MeSH] OR "personnel,
Hospital"[Mesh:NoExp] OR "Health personnel"[Mesh:NoExp] OR "Occupational Health"[MeSH]
OR "Health occupations"[Mesh:NoExp] OR "employment*"[Title/Abstract] OR "workplace*"[Title/Abstract]
OR "workstation*"[Title/Abstract]
|
872419
|
I
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#2
|
"Magnetic Resonance Imaging"[Mesh:NoExp] OR "fMRI"[Title/Abstract] OR "Magnetic Resonance*"[Title/Abstract]
OR "MR Tomograph*"[Title/Abstract] OR "NMR Imaging*"[Title/Abstract] OR "NMR Tomograph*"[Title/Abstract]
OR "MRI"[Title/Abstract] OR "Magnetic Fields"[MeSH] OR "Magnetic Field*"[Title/Abstract]
OR "Electromagnetic Field*"[Title/Abstract] OR "Electromagnetic Radiation"[MeSH] OR
"Electromagnetic Radiation*"[Title/Abstract] OR "magnetic resonance"[Title/Abstract]
|
1079485
|
O
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#3
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"Cognition Disorders"[MeSH] OR "Cognition*"[Title/Abstract] OR "Cognition"[MeSH] OR
"Cognitive*"[Title/Abstract] OR "Sensation Disorders"[MeSH] OR "sensitivit*"[Title/Abstract]
OR "senes*"[Title/Abstract] OR "Sensation*"[Title/Abstract] OR "Sensor*"[Title/Abstract]
OR "hearing*"[Title/Abstract] OR "Tinnitus"[Title/Abstract] OR "smell*"[Title/Abstract]
OR "taste*"[Title/Abstract] OR "metallic*"[Title/Abstract] OR "Phosphenes"[MeSH] OR
"phosphene*"[Title/Abstract] OR "light phenomen*"[Title/Abstract] OR "eye-hand*"[Title/Abstract]
OR "Dysgeusia"[Title/Abstract] OR "vision*"[Title/Abstract] OR "visual*"[Title/Abstract]
OR "Dizzi*"[Title/Abstract] OR "Dizzy*"[Title/Abstract] OR "Vertigo"[MeSH] OR "Vertigo*"[Title/Abstract]
OR "spinning*"[Title/Abstract] OR "Nausea"[MeSH] OR "Nausea"[Title/Abstract] OR "Neurocognitive
Disorders"[MeSH] OR "Neurocognitiv*"[Title/Abstract] OR "Sleep Disorders, Circadian
Rhythm"[MeSH] OR "Sleep*"[Title/Abstract] OR "nerve stimulation*"[Title/Abstract]
OR "tactil*"[Title/Abstract] OR "tissue heating*"[Title/Abstract] OR "neuropsychological
Tests"[MeSH] OR "neuropsychological Tests"[Title/Abstract] OR "Embryonic Development"[MeSH]
OR "embryonic development*"[Title/Abstract] OR "Congenital Abnormalities"[MeSH] OR
"malformation*"[Title/Abstract] OR "Pregnancy"[MeSH] OR "pregnan*"[Title/Abstract]
OR "Fertility"[MeSH] OR "Fertil*"[Title/Abstract] OR "fetal development*"[Title/Abstract]
OR "fetal development"[MeSH] OR "teratogen*"[Title/Abstract] OR "Neoplasms"[MeSH]
OR "Neoplasm*"[Title/Abstract] OR "cancer*"[Title/Abstract] OR "carcinog*"[Title/Abstract]
OR "Blood Circulation"[MeSH] OR "Blood Circulation*"[Title/Abstract] OR "blood flow*"[Title/Abstract]
OR "adverse effects"[sh] OR "adverse effect*"[Title/Abstract] OR "Time Factors"[MeSH]
OR "limit value*"[Title/Abstract] OR "specific absorption rate*"[Title/Abstract]
|
11083102
|
Es ergab sich eine Trefferanzahl von 571 für die Cochrane Library und 1494 für ClinicalTrials.gov.
Eine Kombination aller drei Datenbanken unter Ausschluss der Duplikate ergab eine
Trefferanzahl von insgesamt 7273 Treffern. Diese wurden im Anschluss einem Screening
nach Titel und Abstract unterzogen und auf Relevanz hinsichtlich der aufgeworfenen
Fragestellungen geprüft. Nach Titel/Abstract-Screening wurden 134 Studien für ein
Volltext-Screening ausgewählt ([Abb. 1]). Im weiteren Verlauf der Suche wurden zitierte Studien und Internetquellen mit
aufgenommen.
Abb. 1 Flussdiagramm zur Literaturrecherche (* = Anhang 1; ** = Anhang 2).
Ergebnisse und Diskussion
Wirkungen statischer, niederfrequenter und bewegungsinduzierter Magnetfelder
Starke statische Magnetfelder sind fähig, den menschlichen Körper nahezu ungehindert
zu durchdringen. Dementsprechend können elektrodynamische Interaktionen Einfluss auf
geladene, sich bewegende Teilchen im Körper nehmen [15]
[16]. Auch im Blutstrom befinden sich geladene Teilchen, welche durch diese Interaktionen
magnetohydrodynamisch beeinflusst werden können [15]. Kinouchi et al. lieferten hierzu im Jahr 1996 mithilfe der Finite-Element-Analyse
einen theoretischen Ansatz [15]. In dieser Studie wurde errechnet, dass bei Flussdichten von 10 und 15T eine ungefähre
Verringerung des Blutvolumenstroms von 5% bzw. 10% zu erwarten sind [15]. Ebenso weisen die Ergebnisse darauf hin, dass durch den Blutfluss induzierte Spannungen
in der Aorta bis ins Herz vordringen und die autonome Herzfunktion stören könnten
[15]
[17]. Im Jahr 2003 untersuchten Chakeres et al. 25 Personen an verschiedenen Lokalisationen
im Umfeld eines 8-T-MRT in jeweils 14 Messungen innerhalb und außerhalb des Magnetfeldes
(hochfrequente elektromagnetische Felder kamen nicht zum Einsatz) [18]. Fünf Messungen fanden innerhalb des Magnetfeldes an Lokalisationen statt, die unterschiedlichen
Feldstärken entsprachen (8; 6; 4,5; 3 und 1,5T). Es wurden verschiedene Vitalfunktionen
mithilfe eines Monitoringsystems (Herzfrequenz, Elektrokardiogramm (EKG), systolischer
und diastolischer Blutdruck) gemessen und zusätzlich die Sauerstoffsättigung und Körpertemperatur
ermittelt. Die einzige statistisch signifikante Veränderung, die festgestellt wurde,
war ein leichter Anstieg des systolischen Blutdruckes bei 8T, der aber klinisch vernachlässigbar
war [18]. Die anderen gemessenen Vitalfunktionen zeigten keine signifikanten klinisch relevanten
Veränderungen in Bezug auf die Exposition gegenüber den unterschiedlichen Feldstärken
[18]. Diese Ergebnisse sind in Einklang mit den Erkenntnissen von Kangarlu et al., die
sowohl bei Schweinen als auch bei freiwilligen Probanden bei einer Feldstärke von
8T keine signifikanten kardialen und kognitiven Wirkungen feststellen konnten [19]. Eine neuere Studie von Bongers et al. aus dem Jahr 2018 deutet darauf hin, dass
eine Langzeitexposition gegenüber statischen Magnetfeldern bei Beschäftigten, die
in der Produktion von MRT-Geräten tätig sind, die Entwicklung von Bluthochdruck begünstigen
[20]. In dieser Studie wurden die ersten und letzten verfügbaren betriebsärztlichen Blutdruckmessungen
von Beschäftigten (n = 538) mit den jeweiligen modellierten kumulativen Expositionen
gegenüber statischen Magnetfeldern verbunden (einrichtungsbezogene Expositionsmatrix
und individuelle Arbeitsabläufe). Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass hohe kumulative
Expositionen gegenüber statischen Magnetfeldern eine Entwicklung von Bluthochdruck
begünstigen können [20]. Hierbei zeigte sich, dass die Stärke und Intensität der Expositionen einen deutlicheren
Einfluss auf das Risiko, Bluthochdruck zu entwickeln, hatten als die Gesamtdauer der
Expositionen [20]. In diesem Zusammenhang und den immer stärker werdenden statischen Magnetfeldern
im Bereich der MRT sind weitere Studien nötig, um die Ergebnisse dieser Studie und
damit mögliche Langzeiteffekte zu bestätigen.
Die zeitlich veränderlichen, niederfrequenten Magnetfelder (100–1000 Hz) und Bewegungen
in einem statischen Magnetfeld sowie Bewegungen entlang eines Feldgradienten können
elektrische Wirbelströme induzieren [21]
[22]
[23]. Für konstante Bewegungsabläufe (gleichbleibende Geschwindigkeit der Bewegung) kann
die Stärke der induzierten elektrischen Felder im Körper geschätzt werden [24]. Im menschlichen Körper liegen natürliche Feldstärken von 5–50 mV vor [25]. Die Induktion elektrischer Felder über bestimmte Schwellenwerte hinaus kann somit
zu sensorischen Effekten bis hin zu gesundheitlichen Gefahren führen [25]. Weiterhin kann es durch die Interaktion starker statischer Magnetfelder mit bewegten,
geladenen Teilchen in Flüssigkeiten und Zellen des Körpers zu vorübergehenden Störungen
der Sinnesempfindungen kommen. Diese entstehen durch magnetische Induktion über die
Einwirkung von Lorentzkräften. Im statischen Magnetfeld geht man davon aus, dass Lorentzkräfte
z.B. auf Ionenströme in der vestibulären Endolymphflüssigkeit und in den Haarzellen
wirken [3]
[26]. In [Tab. 5] ist die Frequenz der maximalen Empfindlichkeit (Wirkungsmaximum) für bestimmte physiologische
Wirkungen dargestellt. Schaap et al. untersuchte das Auftreten vorübergehender Symptome
bei 361 Mitarbeitern in 14 Klinik- und Forschungseinrichtungen [27]. Die Scanner-Stärke reichte von 0,5 bis 11,7T. In dieser Studie zeigte sich, dass
in 16–39% der Arbeitsschichten definierte Symptome (Vertigo (Schwindel), Übelkeit,
Tinnitus/ Kopfklingeln, Magnetophosphene und metallischer Geschmack), deren Auftreten
in Zusammenhang mit der Exposition gegenüber statischen Magnetfeldern gebracht werden,
auftraten. Die Symptome korrelierten positiv mit zunehmender magnetischer Flussdichte.
Bei 6% der Mitarbeiter wurde das Auftreten von Vertigo beobachtet, welches ein Sicherheitsrisiko
darstellen kann [27]. 2015 veröffentlichten Schaap et al. eine Studie zur Exposition von MRT-Mitarbeitern*innen
gegenüber magnetischen Feldern und dem Auftreten von Vertigo [28]. In dieser Studie wurden die Expositionen nicht geschätzt, sondern mit tragbaren
Magnetfeld-Dosimetern ermittelt. Der deutlichste Zusammenhang zwischen Schwindel und
Exposition ergab sich bei bewegungsinduzierten zeitvariablen Magnetfeldern [28]. Es gibt aber auch Studien, die gezeigt haben, dass Probanden auch ohne Bewegung
im MRT-Gerät Schwindel empfinden [29]
[30], welcher durch die Ionenströme in der Endolymphe in den Bogengängen verursacht wird
[3]
[26]
[30]
[31]. Vor allem wenn die Anwesenheit eines Mitarbeiters während eines medizinischen Eingriffes
nötig ist, können Episoden von Vertigo für den Mitarbeiter, aber auch für den zu behandelnden
Patienten, ein Risiko darstellen [3]
[32]. Im Hinblick auf die immer weiter zunehmenden magnetischen Flussdichten der MRT-Systeme
ist auch eine Zunahme der in diesem Zusammenhang untersuchten Symptome zu erwarten
[27].
Tab. 5 Frequenz der maximalen Empfindlichkeit für bestimmte physiologische Wirkungen im Niederfrequenzbereich
(modifiziert nach FB 400-D).
Frequenz der max. Empfindlichkeit
|
Physiologische Wirkung
|
Wechselwirkungsort
|
˂˂ 1 Hz
|
Auftreten von metallischer Geschmackempfindungen
|
Geschmacksrezeptoren der Zunge (Veränderungen von Ionengradienten)
|
˂ 0,1–2 Hz
|
|
Innenohr (Vestibularapparat)
Reizung von Nerven und Muskeln (Störung der autonomen Herzaktion)
|
~ 20 Hz
|
Magnetophosphene
|
Retina
|
~ 50 Hz
|
-
Taktile und schmerzhafte Empfindungen
-
Verlust der Muskelkontrolle
-
Störung der autonomen Herzaktion
|
Periphere Nerven
Periphere Nerven, Muskeln
Herz
|
Die oben genannten Wirkungen werden als sensorische Wirkungen zusammengefasst. Sie
können beim Arbeitnehmer Störungen der Sinnesorgane und minimale Änderungen der Hirnfunktion
hervorrufen. Im Allgemeinen werden sie jedoch als harmlos angesehen, da sie meist
nur von kurzer Dauer sind. Zu den gesundheitlichen Wirkungen werden die Stimulation
von Nerven- und Muskelgewebe bei höheren Feldstärken gezählt. Die Frequenz der maximalen
Empfindlichkeit für periphere Nerven- und Muskelstimulation liegt bei ungefähr 50
Hz. Der internationale Basisgrenzwert legt bei einer Frequenz von 50 Hz eine elektrische
Feldstärke von 20 mV/m fest [25]. Ab einer Wirkschwelle von 50 mV/m kommt es zur Auslösung von Phosphenen und ab
elektrischen Feldstärken von 4000–6000 mV/m zur Reizung peripherer Nerven- und Muskelzellen
[25]. Ab etwa 12000 mV/m kann es dann zu einer Störung der Herzfunktion (zusätzliche
Kontraktionen bis hin zu Kammerflimmern) kommen [33].
Akute Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Kognition und Verhalten
In [Tab. 6] sind die akuten Wirkungen elektromagnetischer Felder auf die Kognition und das Verhalten
zusammengestellt. Während in der ersten Studie von De Vocht et al. die Auge-Hand-Präzision
beeinflusst war [34], wurde in der zweiten Studie die Koordinationsgeschwindigkeit reduziert [35]. Diese Unterschiede könnten durch Expositionsunterschiede oder auch durch eine relativ
kleine Versuchsgruppengröße mit beeinflusst sein. Auch diese Studie legte nahe, dass
es Expositions-Wirkungsbeziehungen für das visuelle und das auditive Arbeitsgedächtnis,
die Auge-Hand-Koordinationsgeschwindigkeit und visuelle Tracking-Aufgaben gibt. Ungeklärt
blieb hier, ob die neurologischen Verhaltenseffekte mehrheitlich durch das statische
Magnetfeld oder die Bewegungsgeschwindigkeit innerhalb des Streufeldes ausgelöst wurden
[36]. Eine Studie von Chakeres et al., konnte hingegen keinen Zusammenhang zwischen einer
Exposition gegenüber statischen Magnetfeldern von 0,05T und 8T und der kognitiven
Leistungsfähigkeit finden [37]. Nicht nur Mitarbeiter im Bereich der MRT, sondern auch Beschäftigte, die an der
Herstellung solcher Geräte beteiligt sind, sind hohen Expositionen gegenüber den beschriebenen
elektromagnetischen Feldern ausgesetzt. De Vocht et al. konnte bei einer Studie an
Probanden aus dem Bereich der Herstellung und Montage von MRT-Systemen zeigen, dass
Schwindel, Konzentrationsprobleme, metallischer Geschmack und Kopfklingeln signifikant
erhöht, jedoch kognitive Leistungsfähigkeiten nicht beeinträchtigt waren [38]. Da die kognitiven Tests unmittelbar vor und nach einer Schicht durchgeführt wurden,
schlussfolgern De Vocht et al., dass kognitive Beeinträchtigungen nur von akuter und
vorübergehender Natur sind und relativ schnell im Anschluss an die Exposition verschwinden
[38]. Eine weitere Studie von Vocht et al. zeigte bei Testpersonen in unmittelbarer Nähe
zum MRT-System leichte Effekte auf die visuellsensorische Domäne sowie die Auge-Hand-Koordination,
jedoch ohne Signifikanz zur Kontrollgruppe [39]. Die Studien von Van Nierop et al. zeigten im Wesentlichen, dass sich Bewegung im
statischen Magnetfeld negativ auf die Konzentration, Gedächtnisleistung, Aufmerksamkeit,
sowie die Sehschärfe auswirkt [40]
[41].
Tab. 6 Akute Wirkungen elektromagnetischer Felder auf Kognition und Verhalten.
Feldstärke
|
Literaturquelle
|
Beeinflusste Kognition
|
0,7T
Statisches Magnetfeld mit und ohne Bewegung Proband
|
De Vocht et al.
[37]
|
|
Streufeld von 0,6 – 1T bei 1,5- und 3T MRT
|
De Vocht et al.
[38]
|
Negative Expositions-Wirkungs-Beziehungen für visuelles und auditives Arbeitsgedächtnis
(Auge-Hand-Koordinationsgeschwindigkeit und visuelle Trackingaufgaben)
|
statisches Magnetfeld von 0,05T und 8T
(ohne Bewegungen)
|
Chakeres et al.
[42]
|
Keinen Zusammenhang zwischen der Exposition des statischen Magnetfeldes und der kognitiven
Leistungsfähigkeit
|
variabel
|
De Vocht et al.
[35]
|
-
Schwindel, Konzentrationsprobleme, metallischer Geschmack und Kopfklingeln signifikant
häufiger in der exponierten Gruppe
-
Anzahl der definierten Symptome signifikant höher mit der Dauer der Exposition, der
magnetischen Flussdichte und der Geschwindigkeit der Bewegungsabläufe
-
Keine signifikanten Beeinträchtigungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, wie motorische
Reaktion
|
1600 mT, 800 mT und 0 mT
(statischer und induzierter, zeitvariabler Magnetfelder)
|
De Vocht et al.
[36]
|
Leichte, nicht signifikante Effekte auf die visuell-sensorische Domäne sowie die Auge-Hand-Koordination
|
Kopfbewegung im Streufeld eines 7T-Gerätes bei 0,5T und 1T bzw. ohne Exposition bei
0T
|
Van Nierop et al.
[43]
|
-
Negative Beeinflussung bei Konzentration und Aufmerksamkeit, sowie Beeinträchtigung
der visuell-räumlichen Orientierung
-
Auswirkung auf Aufmerksamkeit und Konzentration besonders bei hoher Arbeitsgedächtnisleistung
|
Kopfbewegung im Streufeld eines 7T-Gerätes
(1T vor der Bohrung eines 7T-Gerätes mit bzw. ohne 2,4 T/s bewegungsinduzierter Exposition)
|
van Nierop et al.
[44]
|
-
Statische Magnetfelder in Kombination mit bewegungsinduzierten, zeitvariablen Magnetfeldern,
beeinflussen die verbale Gedächtnisleistung sowie die Sehschärfe signifikant
-
Aufmerksamkeit und Konzentration negativ beeinflusst.
-
Alleinige Exposition gegenüber dem statischen Magnetfeld zeigte keine signifikanten
Effekte
|
Wirkungen durch Langzeit-Exposition gegenüber statischen und niederfrequenten Feldern
Es gibt nur sehr wenige Studien oder Daten zu Langzeitwirkungen der beruflichen Exposition
gegenüber starken statischen Magnetfeldern [45]. Bei Betrachtung der zu beobachtenden akuten Auswirkungen in Bezug auf Neurokognition,
Neuroverhalten und sensorische Effekte stellt sich die Frage, ob regelmäßig auftretende
Reaktionen zu langfristigen Beeinträchtigungen führen könnten [46]. Bongers et al. untersuchten in einer retrospektiven Kohortenstudie den Einfluss
einer beruflichen Exposition gegenüber starken statischen Magnetfeldern in einer Produktionsanlage
für MRT-Geräte [46]. In dieser Arbeit sollte der Zusammenhang zwischen Expositionen gegenüber starken
statischen Magnetfeldern und dem Unfallrisiko der Arbeitnehmer untersucht werden.
Es zeigte sich ein Zusammenhang zwischen der Exposition gegenüber statischen Magnetfeldern
und einem erhöhten Risiko von Unfällen. Zusätzlich war das Auftreten von Unfällen
bzw. Beinaheunfällen auf dem Weg zur Arbeit (weniger aber auf dem Nach-Hause-Weg)
ebenfalls von der Exposition im Berufsleben und der kürzlichen Exposition gegenüber
statischen Magnetfeldern abhängig. Huss et al. bestätige diese Beobachtung bei Radiologieassistent*innen
[47]. In dieser Studie zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Wegeunfälle, wenn die Studienteilnehmer
im Jahr vor dem Unfall häufiger an oder in der Nähe eines MRT-Gerätes gearbeitet hatten.
Das Risiko erhöhte sich auch mit Zunahme der Expositionstage pro Jahr. Zudem ließ
eine höhere magnetische Flussdichte das Risiko ansteigen. Als limitierender Faktor
dieser Studie war unter anderem die niedrige Rücklaufrate der Fragebögen (~ 30%) genannt
und die Möglichkeit, dass Personen Unfälle in der Zeitspanne vor dem Untersuchungszeitraum
hatten, aber in dieser Studie als unfallfrei gewertet werden.
Huss et al. zeigt nach Auswertung der Schlafqualität, dass diese unter anderen Faktoren
eine Begründung für das zuvor beobachtete höhere Unfallrisiko sein könnte [48]. Mitarbeiter, die sich während der Bildaufnahmen im Scannerraum befanden, berichteten
ebenfalls häufiger über Schlafstörungen.
Schwangere Mitarbeiterinnen in der klinischen MRT
Es gibt eine Vielzahl von Studien, die sich mit der Risiko-Nutzen-Abwägung einer MRT-Untersuchung
bei schwangeren Patientinnen beschäftigen [3]
[49]
[50]
[51].
In Bezug auf Langzeitwirkungen und die Sicherheit von schwangeren Mitarbeiterinnen
im Bereich der MRT wird jedoch sehr häufig nur die Arbeit von Kanal et al. aus dem
Jahre 1993 zitiert [42]
[43]. In dieser Studie wurden in einer Umfrage unter Mitarbeiterinnen von MRT-Einrichtungen
verschiedenste Parameter wie Schwangerschaftsdauer, Frühgeburten, Fehlgeburten, Geburtsgewichte,
Zyklusdauer usw. aufgenommen [42]. In diese Studie wurden 1915 Fragebögen einbezogen, in denen 1421 Schwangerschaften
(bei 770 Frauen) registriert wurden. Von den 1421 registrierten Schwangerschaften
betrafen 280 Schwangerschaften Mitarbeiterinnen, die zur Zeit der Schwangerschaften
im MRT tätig waren. Insgesamt kommen Kanal et al. zu dem Schluss, dass es zu keinen
besonderen Abweichungen bezüglich der Schwangerschaftsparameter kommt, also kein erhöhtes
Risiko für schwangere Mitarbeiterinnen und das ungeborene Kind besteht [42]. Diese Studie wird häufig im Zusammenhang mit Risiken im Bereich der MRT und schwangeren
Mitarbeiterinnen [44]
[51]
[52], sowie in nationalen und internationalen Regelwerken zitiert [21]
[53]. In diesen Regelwerken wird eine Anwesenheit der Schwangeren im Scannerraum nicht
empfohlen, eine Tätigkeit im Schaltraum sei jedoch nicht ausgeschlossen, so wird auch
die Strahlenschutzkommission in ihrem Bericht 2003 zitiert [54]
[55]. Mühlenweg et al. weisen darauf hin, dass die fehlenden Grenzwerte dazu führen,
dass es schwangeren Mitarbeiterinnen aufgrund der Empfehlung der Norm IEC 60601–2-33:2010/A2
in vielen Kliniken und Praxen freigestellt wird, den Magnetraum außerhalb der Messungen
zu betreten [54]. In den USA ist laut dem Standardregelwerk „ACR Guidance Document on MR Safe Practices: 2013“ von Kanal et al. den schwangeren Mitarbeiterinnen der Einsatz in der gesamten Schwangerschaft
im Scannerraum und auch während der Messungen erlaubt [53].
Epidemiologische Studien
Für den Bereich der klinischen MRT liegen keine expliziten epidemiologischen Daten
vor. Dies wurde auch von Bongers et al. in einer retrospektiven Studie aus dem Jahr
2014, die sich mit den gesundheitlichen Folgen durch eine langfristige Exposition
gegenüber statischen Magnetfeldern befassen, explizit angemerkt [56]. Feychting et al. erklärten 2005 die Notwendigkeit von Studien zu langfristigen
Effekten einer Exposition gegenüber statischen Magnetfeldern [45]. Ebenso wurden von anderen Organisationen epidemiologische Studien bezüglich der
chronischen Exposition gegenüber statischen Magnetfeldern gefordert [16]
[57]
[58]. Niederfrequente Felder werden auch immer wieder in Zusammenhang mit neurodegenerativen
Erkrankungen (amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Alzheimer, Parkinson) gebracht, die
Ergebnisse sind jedoch nicht eindeutig [59]
[60]
[61]
[62]
[63]. Niederfrequente Magnetfelder wurden weiterhin vom internationalen Krebsforschungszentrum
(IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund der Ergebnisse aus epidemiologischen
Studien, die ein erhöhtes Risiko für Kinderleukämie bei magnetischen Flussdichten
von über 0,3–0,4 µT in die Klasse 2B „möglicherweise krebserregend“ eingestuft [64]
[65]. Allerdings ist bis jetzt kein Wirkungsmechanismus bekannt und in Tierversuchen
konnten die Ergebnisse nicht bestätigt werden [64]
[65].
Zusammenfassung
Allgemein können magnetische Felder zu sensorischen und kognitiven Störungen führen,
die jedoch in der Regel schnell reversibel sind. Als Langzeitwirkungen konnte eine
mögliche Prädisposition für Bluthochdruck, sowie Schlafstörungen gezeigt werden. Bei
schwangeren Mitarbeiterinnen konnte gezeigt werden, dass die Schwangerschaftsparameter
nicht von der Norm abweichen. Jedoch liegen sowohl bei den Langzeitwirkungen als auch
bei der Untersuchung schwangerer Mitarbeiterinnen nur sehr wenige Publikationen vor.
Somit besteht hier noch ein großer Forschungsbedarf.