Abschluss der parlamentarischen Beratungen des Medizinforschungsgesetzes
Der Deutsche Bundestag hat am 4. Juli in 2. und 3. Lesung mit den Stimmen von SPD,
Grünen und FDP das Medizinforschungsgesetz verabschiedet hat, um Deutschland als Standort
für die medizinische Forschung und die Entwicklung von Arzneimitteln und Medizinprodukten
zu stärken. Es zielt darauf ab, die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Pharma- und
Forschungsstandorts zu erhöhen und gleichzeitig eine zuverlässige Arzneimittelversorgung
sicherzustellen. Das Gesetz beinhaltet umfassende Maßnahmen zur Vereinfachung und
Beschleunigung von Verfahren sowie zum Bürokratieabbau. In den parlamentarischen Beratungen
wurden bedeutende Änderungen erzielt, darunter:
Verbesserungen in der klinischen Forschung:
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Einführung verbindlicher Standardvertragsklauseln für klinische Prüfungen. Spezialisierung
von Ethik
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Kommissionen für Kinder und Jugendliche sowie bei Strahlenanwendungen.
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Transparente Berufung der Mitglieder der Spezialisierten Ethik-Kommissionen im Einvernehmen
mit den Ländern.
Erweiterung auf Medizinprodukte:
Förderung akademischer Studien:
Optimierung der Vertraulichkeitsregelung:
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Möglichkeit zur Vereinbarung von Vertraulichkeit für Erstattungsbeträge von neuen
patentgeschützten Medikamenten.
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Bedingungen: Nachweis von Arzneimittelforschungsaktivitäten in Deutschland und Preisabschlag
von 9%.
Anreize für Forschung und Entwicklung:
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Streichung der "AMNOG-Leitplanken" für Arzneimittel mit einem relevanten Anteil klinischer
Prüfungen in Deutschland.
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Potenziell höhere Erstattungsbeträge für innovative Medikamente über einen Zeitraum
von drei Jahren, wenn Nachweis von Forschungsaktivitäten erbracht wird.
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Einführung eines "Forschungsbonus" zur Förderung von arzneimittelbezogener Forschung
und Entwicklung in Deutschland.
Die angenommenen Änderungen betreffen hauptsächlich die Flexibilität der Ethik-Kommissionen
für spezialisierte Bedürfnisse, einschließlich Minderjähriger. Die Reduzierung der
Erstattungsbetrags-Vertraulichkeit zeigt politische Berücksichtigung. Die Grünen zeigen
sich erfreut darüber, dass die vertraulichen Erstattungsbeträge nun in gesetzliche
Regelungen eingebunden sind, die die pharmazeutische Forschung unterstützen und fördern.
Die Öffnung der "Leitplanken" unterstreicht die industrielle Einflussnahme. Die Förderung
von AMNOG-relevanten Studien in Deutschland wird durch Anreize für klinische Prüfungen
unterstützt.
Kabinettsentwurf zum Apothekenreform-Gesetz
Die wesentlichen Reformpunkte sind trotz Verbändeanhörung und Protest aus der Apothekerschaft
erhalten geblieben. Änderungen im Vergleich zum Referentenentwurf gibt es bei folgenden
Punkten:
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▪ Es bleibt bei der geplanten Honorarumverteilung. Neu ist, dass auch die prozentuale
Marge mit verhandelt werden soll, statt wie bisher geplant nur das Fixum.
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▪ Auch die Wiederfreigabe der Skonti bleibt erhalten. Die Formulierung wurde jedoch
durch die Ergänzung von § 2 Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nachgeschärft:
„Abweichend von Satz 1 zweiter Halbsatz ist die Gewährung von handelsüblichen Skonti
zulässig.“
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▪ Zusätzlich geregelt wurde, dass Apotheken, falls ein Vertrag für die Heimversorgung
vorliegt, Absprachen mit Ärzt:innen treffen können, die das Sammeln und direkte Weiterleiten
von Verschreibungen, auch Verschreibungen in elektronischer Form oder elektronische
Zugangsdaten zu Verschreibungen in elektronischer Form, für die Bewohner des Heimes
an seine Apotheke umfassen.
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▪ Die Regelungen zur PTA-Vertretung (Apotheke light) bleiben ebenfalls erhalten, wurden
jedoch ergänzt, um Konkretisierungen zur Abgabe von Betäubungsmitteln durch einen
Apotheker oder Pharmazieingenieur in angemessener Zeit sowie durch die Klarstellung,
dass im Notdienst die Anwesenheit eines Apothekers erforderlich ist.
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▪ Bezüglich der Zweigapotheken wurde ergänzt, dass diese auch zur Übernahme von Notdiensten
verpflichtet sind. Die Entfernungsregelung zwischen Haupt-, Filial- und Zweiapotheke
wurde ebenfalls leicht angepasst: „Die von ihm zu betreibende Apotheke und die von
ihm zu betreibenden Filial- oder Zweigapotheken in einer Entfernung zueinander liegen,
die ihm innerhalb einer angemessenen Zeitspanne die Wahrnehmung seiner persönlichen
Verantwortung als Betreiber erlaubt.“
Der Kabinettsentwurf sollte eigentlich bereits im Kabinett besprochen werden, wurde
jedoch von der Tagesordnung genommen. Die Besprechung des Apothekenreform-Gesetzes
ist wegen „offener Fragen“ erneut vertagt worden.
Telemedizin Blutspende-Verordnung
Der Arbeitskreis (AK) Blut empfiehlt dem Gesetzgeber, keine von der Richtlinie Hämotherapie
abweichende Verordnung zum Einsatz telemedizinischer Verfahren bei der Blut- und Plasmaspende
(Telemedizin-BlutspendeV) zu erlassen. Er ist der Auffassung, dass die in der Richtlinie
Hämotherapie formulierten Regelungen zum Einsatz von Telemedizin in der Spende als
Stand von Wissenschaft und Technik ausreichend sind. Sollte der Gesetzgeber jedoch
an dem Vorhaben festhalten, müssten nach Einschätzung des AK Blut mindestens Modifikationen
hinsichtlich der Verantwortung bzw. Haftung der telemedizinisch tätigen ärztlichen
Person erfolgen.
Erweiterung der Dokumentationspflichten im Deutschen Hämophilieregister (DHR)
Der Vorstand des BDDH hatte wiederholt vor zunehmenden Dokumentationspflichten im
Deutschen Hämophilieregister (DHR) gewarnt. Zuletzt haben wir hierzu Beschwerden von
BDDH-Mitgliedern erhalten, wobei harsche Kritik an der Ausweitung der Dokumentationspflichten
im DHR geübt wird: Es wird festgestellt, dass eine unentgeltliche Dokumentation auch
milder Faktorenmängel schlicht und einfach nicht möglich sei. Hierfür würden Mitarbeiter
und finanzielle Mittel fehlen. Auch wird kritisiert, dass weiterhin keine Daten aus
dem DHR publiziert wurden. Inzwischen werden von einzelnen Mitgliedern ein Boykott
des DHR und Anwendung von Rechtsmitteln ins Spiel gebracht.
Passend hierzu erreichte die meldepflichtigen Einrichtungen im September 2024 ein
Schreiben des DHR, in dem eine nochmalige Erweiterung der Meldepflichten mitgeteilt
wird: Hierbei handelt es sich um Meldepflichten für Hämophilie-Patienten, die sich
einer Gentherapie unterziehen. Es wird ausgeführt, dass „die meisten neuen Datenfelder“
zur Datenabfrage „nur Patienten die entweder eine Gentherapie erhalten oder in der
Kontrollgruppe sind“ berühren würden. Allerdings wird sofort auch angefügt, dass „einige
wenige Datenfelder“ sich für alle Patienten geändert hätten, wobei es sich „überwiegend“
um freiwillige Angaben handeln würde. Konkret werden folgende Aspekte genannt:
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Teilnahme an AbD: ja/nein
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Gelenkscores: Spezifizierung verwendeter Scores; Score Gesamtgangbild (freiwillig)
aufgenommen.
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Blutung: Frage nach Spezifizierung des (Ziel)-Gelenks
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Körpergewicht und Körpergröße: Pflichtfeld (oder Angabe „unbekannt“)
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AAV-Status: freiwillige Angaben
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Leberstatus: freiwillige Angaben zu Lebererkrankungen, HBV und HCV
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Sonstige relevante Ereignisse: Auswahl spezifiziert (ICD-10 Codierung), Frage nach
schweren Konsequenzen (freiwillig)
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Bereich weitere Erkrankungen: entfällt (integriert in sonstige relevante Ereignisse)
Ausführliche Informationen über die Gentherapie und die AbD, die Änderungen im Datensatz
bei Patienten der Interventions- und Kontrollgruppe sowie den kompletten Datensatz
des DHR (link auf Datensatz der HP), sind über die Homepage des DHR einsehbar (https://www.pei.de/dhr).
Der Vorstand des BDDH hatte wiederholt vor einer weiteren Ausuferung der Dokumentationspflichten
im DHR gewarnt. Wir hatten an das DHR appeliert, mit uns in Kontakt zu treten, um
eventuelle Änderungen und Erweiterungen der Dokumentationspflichten zu diskutieren,
gerade unter Berücksichtigung fehlender personeller Ressourcen in medizinischen Einrichtungen
für diese unentgeltliche Tätigkeit. Leider ist das DHR nach einer einmaligen Besprechung
nicht mehr mit uns in Kontakt getreten und die nochmalige Erweiterung der Dokumentationspflichten
wurde uns ohne jegliche Option zur Diskussion mitgeteilt. Wieder einmal stellt uns
das DHR vor vollendete Tatsachen und sucht nicht die Kommunikation mit den Ärzten
und medizinischen Einrichtungen, die unentgeltlich zu immer mehr Dokumentationen im
DHR gezwungen werden. Die Entscheidungen werden wie so oft, etwa bei der Digitalisierung
um Gesundheitswesen, ohne Einbeziehung der Ärzte getroffen. Man kann aus unserer Sicht
somit gut die zunehmende Unverständnis über die Politik des DHR, die von Mitgliedern
an uns herangetragen wird, nachvollziehen. Hier rufen wir als Vorstand die Mitglieder
auf, sich zu positionieren und sich direkt an den Vorstand zu wenden.
Wir haben versucht, die Kommunikation mit dem DHR zu verbessern; leider scheinen seitens
des DHR Kritik und Sorgen des Ärzte nicht ernst genommen zu werden. Wir müssen daher
gemeinsam überlegen, mit welchen Maßnahmen wir uns Gehör verschaffen können. So kann
es zumindest nicht weitergehen.
Für den Vorstand des BDDH:
Dr. Günther Kappert
PD Dr. Jürgen Koscielny
PD Dr. Christoph Sucker