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DOI: 10.1055/a-2318-4573
GPM – Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.
Gerade in den Sommermonaten ist das Sommerekzem bei Vielen Teil der täglichen Praxis. Lesen Sie den aktuellen Stand der Wissenschaft sowie neue Entwicklungen zu diesem Krankheitsbild.
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Update zum Sommerekzem
Ätiologie und klinische Symptomatik
Das Sommerekzem ist die häufigste allergische Hauterkrankung des Pferdes. Es zählt zu den Typ-I-Sensitivitätsreaktionen. Entsprechend der Flugzeiten der auslösenden Insekten kommt es zur Bläschenbildung mit zunehmendem Juckreiz und Scheuern von Frühjahr bis Herbst. Typische Lokalisationen sind Mähne, Schweif und Unterbauch durch bevorzugte Anflugstellen der auslösenden Stechinsekten am Körper. Hauptauslöser sind Gnitzen und Kriebelmücken. Bei zunehmender Symptomatik sind häufig weitere Hautareale wie Kopf inklusive der Ohren sowie Gliedmaßen betroffen. Die Manifestation des Krankheitsbilds bedarf in der Regel einiger Jahre. Im weiteren Verlauf ist das Risiko einer fortschreitenden Co-Sensibilisierung erhöht.
Veränderte klimatische Bedingungen führen zu längeren Flugzeiten der Stechinsekten und verkürzen so die Erholungsphase für betroffene Tiere.
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Diagnose und Differenzialdiagnosen
Für die Diagnosestellung ist kein spezifischer Test verfügbar. Initial ist die klinische Verdachtsdiagnose „Sommerekzem“ aufgrund der Saisonalität und der typischen Symptomatik leicht zu erheben. Doch gerade bei langjähriger Erkrankungsdauer, die häufig mit dem Verlust des saisonalen Verlaufs einhergeht, müssen alle Hautkrankheiten mit dem Leitsymptom Pruritus differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen und abgearbeitet werden. Denn häufig kommt es an den wundgescheuerten und offenen Stellen zu Sekundärinfektionen, die durch die Störung des Hautmikrobioms weiter begünstigt werden und das Abklingen der initial allergischen Dermatitis verhindern. Hier sind unter anderem Ektoparasiten, Endoparasiten sowie bakterielle Infektionen und Hautpilzerkrankungen zu nennen. Auch immunvermittelte Hauterkrankungen können eine ähnliche Symptomatik aufweisen.
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Allergietests
Die bislang verfügbaren Bluttests bestimmen Rezeptoranteile des frei zirkulierenden Immunglobulin E (IgE) und weisen für das Pferd im Gegensatz zu Hund und Katze eine eher niedrige Spezifität auf.
Der Intradermaltest gilt weiterhin als Goldstandard unter den Veterinärdermatologen. Er ist ein funktioneller Test, der die Mastzelldegranulation im Zielorgan Haut durch Pustelbildung darstellt. Seine Durchführung erfordert allerdings ein standardisiertes Vorgehen und spezifisches Equipment sowie Erfahrung in der Auswertung. Mithilfe der Ergebnisse des Intradermaltests kann bei einer Reaktion auf Umweltantigene eine Hyposensibilisierungstherapie geplant und durchgeführt werden.
Neuartig ist der kommerziell verfügbare Pax-Test (Pet Allergy Explorer-Test) der Firma Nextmune. Er basiert auf der Verwendung molekularer Allergenkomponenten und ermittelt so deutlich spezifischer IgE-Sensibilisierungen im Blut.
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Therapieansätze und Management
Generell gilt, dass bei ersten Anzeichen von Juckreiz umgehend gehandelt werden sollte. Dies verbessert den Therapieerfolg und reduziert den Leidensdruck der Patienten. Weitere Komplikationen wie Co-Sensibilisierung, Sekundärinfektionen sowie eine Verschiebung der Immunantwort von einer Typ-I-Hypersensitivität hin zu einer Typ-4-Hypersensitivität können so unter Umständen vermieden werden.
Ein wichtiger Faktor ist die Reduktion des Expositionsrisikos. Betroffene Pferde sollten nicht in unmittelbarer Nähe stehender oder fließender Gewässer gehalten werden. Auch kann natürliche oder durch Ventilation geschaffene Zugluft die Flugverhältnisse für die auslösenden Stechinsekten so verschlechtern, dass sich die klinische Symptomatik bessert. Auslauf während der Dämmerung sollte aufgrund erhöhter Aktivität der Stechinsekten vermieden werden. Auch Schutzdecken und der regelmäßige Gebrauch von Repellentien oder Spot-Ons sind wichtige Therapiesäulen.
Bei der Fütterung kann auf eine Omega-3-Supplementation geachtet werden, da diese als antiinflammatorische Fettsäure gilt. Auch Niacin, z. B. in Bierhefe enthalten, kann membranstabilisierend und somit unterstützend wirken.
Eine Hyposensibilisierung bei Sommerekzem ist aufgrund geringer Reinheit der verfügbaren Allergene derzeit nicht erfolgversprechend. Eine Schweizer Arbeitsgruppe forscht derzeit an einer Interleukin-5(IL-5)-basierten Immuntherapie, um eine Modulation der Allergieantwort auszulösen.
Im akuten Fall kann mit rückfettenden Shampoos die Hautbarriere gestärkt und der Juckreiz gelindert werden. Topische oder im Einzelfall systemische Kortisontherapien werden bei starkem Juckreiz und damit verbundenem Leiden der Tiere erforderlich. Diagnostizierte Sekundärinfektionen bedürfen einer spezifischen Therapie je nach Laborergebnis.
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Keine Erbkrankheit
Eine rassespezifische Häufung, etwa bei Islandpferden, gilt als allgemein anerkannt. In Deutschland sind 10 – 20% der Isländer betroffen. Aus Island importierte Tiere entwickeln mit einer Wahrscheinlichkeit von etwa 70% in den Folgejahren ein Sommerekzem. Die genetische Disposition sollte von der Definition als Erbkrankheit allerdings abgegrenzt werden. Weitere Umweltfaktoren sind nötig, um die Erkrankung zu entwickeln.
Um das Sommerekzem und das Gerichtsurteil zum Sommerekzem geht es auch in der aktuellen Folge des GPM-Podcasts. Überall, wo es Podcasts gibt und auf gpm-vet.de/service/podcast.
Gerichtsurteil
Sommerekzem: Ist die genetische Disposition allein schon ein Sachmangel?
In einem rechtskräftigen Urteil hat das Landgericht München I festgestellt „…, dass es beim Pferdekauf für die Bewertung der Mangelhaftigkeit des Tieres nicht allein auf die genetische Disposition, sondern auf den Ausbruch des Krankheitsbilds ankomme. Ein Tier sei unabhängig von den genetischen Anlagen so lange im juristischen Sinne als gesund anzusehen, bis sich erste Krankheitssymptome zeigten.“ In dem verhandelten Fall geht es um Kaufreue nach Ausbruch einer Sommerekzem-Symptomatik.
Den Link zur Pressemitteilung des Gerichts finden Sie auf der GPM-Homepage.
Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.
Hahnstr. 70
60 528 Frankfurt a. M.
Deutschland
Tel.: 0 69/25 49 69 00-0
Fax: 0 69/25 49 69 00-69
Mitgliederservice: Herr Yves Colombel
info@gpm-vet.de
www.gpm-vet.de
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Publication History
Article published online:
12 September 2024
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Georg Thieme Verlag KG
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