CC BY-NC-ND 4.0 · Laryngorhinootologie 2024; 103(09): 663-664
DOI: 10.1055/a-2318-6877
Der interessante Fall

Schwindel und Hörminderung nach Valsalva-Manöver

Dizziness and hearing loss after Valsalva maneuver
1   Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck Department Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde und Hör- Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck, Austria (Ringgold ID: RIN417779)
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1   Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck Department Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde und Hör- Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck, Austria (Ringgold ID: RIN417779)
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Philipp Zelger
1   Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck Department Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde und Hör- Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck, Austria (Ringgold ID: RIN417779)
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Gerlig Widmann
1   Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck Department Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde und Hör- Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck, Austria (Ringgold ID: RIN417779)
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Joachim Schmutzhard
1   Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck Department Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde und Hör- Stimm- und Sprachstörungen, Innsbruck, Austria (Ringgold ID: RIN417779)
› Author Affiliations
 

Anamnese

Eine 21-jährige Patientin stellte sich mit plötzlich auftretendem Schwindel, einem verminderten Höreindruck auf der rechten Seite und Schmerzen im Bereich ihres Cochlea-Implantats rechts in der Notaufnahme vor. Der Schwindel war insbesondere beim Aufstehen und beim Aufsitzen vorhanden. Die Symptome begannen unmittelbar nach einem forcierten Valsalva-Manöver, welches sie wegen eines Druckgefühls auf dem rechten Ohr durchgeführt habe.

Die Patientin erlitt im Alter von 16 Jahren einen Hörsturz unklarer Genese auf der rechten Seite, welcher sie dort ertauben ließ. Vier Jahre nach dem Hörsturz entschied sie sich schließlich für ein Cochlea-Implantat der rechten Seite, welches ihr 5 Monate vor dem Schwindelereignis implantiert wurde.


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Befund

Die körperliche Untersuchung zeigte einen ohrmikroskopisch unauffälligen Befund mit beidseits intakten Trommelfellen. Es fanden sich keine Hinweise für eine Infektion. Weder ein Spontan- noch ein Provokationsnystagmus lag vor. Auch während des Valsalva-Manövers zeigte sich kein Nystagmus. Die durchgeführte thermische Prüfung der Vestibularorgane ergab eine seitengleiche Erregbarkeit dieser.

In der Reintonaudiometrie lag ein zu den Vorbefunden unverändertes Hörvermögen vor, während die Telemetriedaten des Cochlea-Implantats eine im Vergleich zu vorherigen Messungen um den Faktor 2 erhöhte Impedanz der basalen Kanäle 1–4 sowie eine Erhöhung um den Faktor 4 bei Kanal 5 aufwiesen. Der zeitliche Verlauf der Impedanzen ist in [Abb. 1] dargestellt. Zur Beurteilung des Cochlea-Implantats und zur Bewertung des vestibulocochleären Komplexes wurde eine Computertomografie der Felsenbeine durchgeführt. Neben der regelrechten Lage des Cochlea-Implantats zeigten sich Lufteinschlüsse entlang der basalen und mittleren Windung der Scala tympani rechts ([Abb. 2]).

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Abb. 1 Zeitverlauf der Elektrodenimpedanzen mit entsprechender Erhöhung 110 Tage nach der Erstaktivierung.
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Abb. 2 Lufteinschlüsse (Pfeil) um die einliegende CI-Elektrode in der basalen und mittleren Windung der rechten Cochlea.

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Diagnose

Pneumolabyrinth rechts nach Valsalva-Manöver


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Therapie

Aufgrund der insgesamt geringen Symptomatik wurde ein konservativer Behandlungsansatz gewählt. Der Patientin wurde geraten, weitere Valsalva-Manöver und körperliche Anstrengungen zu vermeiden.

In Zusammenarbeit mit den Audiologen wurden die Einstellungen des Cochlea-Implantats entsprechend angepasst, um die Stimulationsparameter zu optimieren. Es wurden engmaschige Nachuntersuchungen vereinbart, um die Entwicklung der Symptomatik zu überwachen und bei Bedarf weitere Anpassungen bzw. Therapieänderungen vorzunehmen. Die Patientin berichtete über ein rasches Sistieren der Symptomatik, sodass bereits eine Woche nach dem Schwindelereignis im Freiburger Sprachtest wieder die entsprechenden Ausgangswerte mit dem Implantat erreicht werden konnten. Auch in der Telemetrie zeigten die Elektroden wieder ihre Ausgangsimpedanzen ([Abb. 1]).


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Diskussion

Das Pneumolabyrinth ist eine seltene Erkrankung, welche sich durch Luft im Labyrinth des Innenohrs auszeichnet. Der Begriff des Pneumolabyrinths wurde erstmals 1984 von Mafee et al. im Rahmen einer Fraktur der Stapesfußplatte beschrieben [Mafee et al. American Journal Otolaryngology 1984 Jul; 5(05): 374–375]. Das Phänomen einer Innenohrschädigung durch Luftperfusion ist hingegen schon länger bekannt [Kobayashi et al. Acta Oto-Laryngologica 1993; 113: 725–730]. Mittlerweile sind in der Literatur mehrere Fallberichte zum Pneumolabyrinth zu finden. Beschrieben werden Pneumolabyrinthe z.B. nach Mittelohroperationen, Cochlea-Implantat-Operationen, Felsenbeinfrakturen, Schädel-Hirn-Traumata und Barotraumata. Nach entsprechender Verletzung kann Luft in alle Bereiche des Labyrinths eindringen. Am häufigsten ist dies im Vestibulum der Fall, gefolgt von der Cochlea und den Bogengängen [Botti et al. European Archives of Oto-Rhino-Laryngology 2021; 278: 4619–4632].

In Abhängigkeit des Ausmaßes des Pneumolabyrinths treten typische Symptome wie Hörverlust, Tinnitus und Schwindel auf. Luft in der Scala tympani oder der Scala vestibuli führt zu einer Verringerung der cochleären Potenziale, wobei die Scala vestibuli empfindlicher auf die Luft reagiert als die Scala tympani [Kobayashi et al. Acta Oto-Laryngologica 1993; 113: 725–730].

Bisher gibt es keine einheitliche Therapieempfehlung. Je nach Ausmaß der Symptomatik kann eine konservative oder operative Therapie erfolgen. Die konservative Therapie besteht aus körperlicher Schonung und der Vermeidung des Valsalva-Manövers. Zusätzlich kann eine prophylaktische Antibiotikatherapie oder eine Steroidtherapie verabreicht werden. Aufgrund der insgesamt geringen Symptomatik und fehlender Entzündungszeichen wurde bei dieser Patientin hierauf verzichtet. Insbesondere bei anhaltender vestibulärer Symptomatik oder fortschreitendem Hörverlust kann eine explorative Tympanoskopie erfolgen. Im Rahmen dieser Operation soll die Fistelbildung zwischen dem Innenohr und dem luftgefüllten Mittelohr verschlossen werden [Botti et al. European Archives of Oto-Rhino-Laryngology 2021; 278: 4619–4632; Prisman et al. The Laryngoscope 2011; 121: 856–859].

Während die vestibulären Problematiken meist vollständig reversibel sind, scheinen die Hörminderungen, unabhängig von der Therapie, meist zu persistieren [Botti et al. European Archives of Oto-Rhino-Laryngology 2021; 278: 4619–4632].


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Einhaltung ethischer Richtlinien

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Korrespondenzadresse

Andrea Tröger
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Medizinische Universität Innsbruck Department Hals- Nasen- und Ohrenheilkunde und Hör- Stimm- und Sprachstörungen
Innsbruck
Austria   

Publication History

Received: 05 March 2024

Accepted after revision: 29 April 2024

Article published online:
24 June 2024

© 2024. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

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Abb. 1 Zeitverlauf der Elektrodenimpedanzen mit entsprechender Erhöhung 110 Tage nach der Erstaktivierung.
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Abb. 2 Lufteinschlüsse (Pfeil) um die einliegende CI-Elektrode in der basalen und mittleren Windung der rechten Cochlea.