Anamnese
Eine 21-jährige Patientin stellte sich mit plötzlich auftretendem Schwindel, einem
verminderten Höreindruck auf der rechten Seite und Schmerzen im Bereich ihres Cochlea-Implantats
rechts in der Notaufnahme vor. Der Schwindel war insbesondere beim Aufstehen und beim
Aufsitzen vorhanden. Die Symptome begannen unmittelbar nach einem forcierten Valsalva-Manöver,
welches sie wegen eines Druckgefühls auf dem rechten Ohr durchgeführt habe.
Die Patientin erlitt im Alter von 16 Jahren einen Hörsturz unklarer Genese auf der
rechten Seite, welcher sie dort ertauben ließ. Vier Jahre nach dem Hörsturz entschied
sie sich schließlich für ein Cochlea-Implantat der rechten Seite, welches ihr 5 Monate
vor dem Schwindelereignis implantiert wurde.
Befund
Die körperliche Untersuchung zeigte einen ohrmikroskopisch unauffälligen Befund mit
beidseits intakten Trommelfellen. Es fanden sich keine Hinweise für eine Infektion.
Weder ein Spontan- noch ein Provokationsnystagmus lag vor. Auch während des Valsalva-Manövers
zeigte sich kein Nystagmus. Die durchgeführte thermische Prüfung der Vestibularorgane
ergab eine seitengleiche Erregbarkeit dieser.
In der Reintonaudiometrie lag ein zu den Vorbefunden unverändertes Hörvermögen vor,
während die Telemetriedaten des Cochlea-Implantats eine im Vergleich zu vorherigen
Messungen um den Faktor 2 erhöhte Impedanz der basalen Kanäle 1–4 sowie eine Erhöhung
um den Faktor 4 bei Kanal 5 aufwiesen. Der zeitliche Verlauf der Impedanzen ist in
[Abb. 1 ] dargestellt. Zur Beurteilung des Cochlea-Implantats und zur Bewertung des vestibulocochleären
Komplexes wurde eine Computertomografie der Felsenbeine durchgeführt. Neben der regelrechten
Lage des Cochlea-Implantats zeigten sich Lufteinschlüsse entlang der basalen und mittleren
Windung der Scala tympani rechts ([Abb. 2 ]).
Abb. 1 Zeitverlauf der Elektrodenimpedanzen mit entsprechender Erhöhung 110 Tage nach der
Erstaktivierung.
Abb. 2 Lufteinschlüsse (Pfeil) um die einliegende CI-Elektrode in der basalen und mittleren
Windung der rechten Cochlea.
Diagnose
Pneumolabyrinth rechts nach Valsalva-Manöver
Therapie
Aufgrund der insgesamt geringen Symptomatik wurde ein konservativer Behandlungsansatz
gewählt. Der Patientin wurde geraten, weitere Valsalva-Manöver und körperliche Anstrengungen
zu vermeiden.
In Zusammenarbeit mit den Audiologen wurden die Einstellungen des Cochlea-Implantats
entsprechend angepasst, um die Stimulationsparameter zu optimieren. Es wurden engmaschige
Nachuntersuchungen vereinbart, um die Entwicklung der Symptomatik zu überwachen und
bei Bedarf weitere Anpassungen bzw. Therapieänderungen vorzunehmen. Die Patientin
berichtete über ein rasches Sistieren der Symptomatik, sodass bereits eine Woche nach
dem Schwindelereignis im Freiburger Sprachtest wieder die entsprechenden Ausgangswerte
mit dem Implantat erreicht werden konnten. Auch in der Telemetrie zeigten die Elektroden
wieder ihre Ausgangsimpedanzen ([Abb. 1 ]).
Diskussion
Das Pneumolabyrinth ist eine seltene Erkrankung, welche sich durch Luft im Labyrinth
des Innenohrs auszeichnet. Der Begriff des Pneumolabyrinths wurde erstmals 1984 von
Mafee et al. im Rahmen einer Fraktur der Stapesfußplatte beschrieben [Mafee et al.
American Journal Otolaryngology 1984 Jul; 5(05): 374–375]. Das Phänomen einer Innenohrschädigung
durch Luftperfusion ist hingegen schon länger bekannt [Kobayashi et al. Acta Oto-Laryngologica
1993; 113: 725–730]. Mittlerweile sind in der Literatur mehrere Fallberichte zum Pneumolabyrinth
zu finden. Beschrieben werden Pneumolabyrinthe z.B. nach Mittelohroperationen, Cochlea-Implantat-Operationen,
Felsenbeinfrakturen, Schädel-Hirn-Traumata und Barotraumata. Nach entsprechender Verletzung
kann Luft in alle Bereiche des Labyrinths eindringen. Am häufigsten ist dies im Vestibulum
der Fall, gefolgt von der Cochlea und den Bogengängen [Botti et al. European Archives
of Oto-Rhino-Laryngology 2021; 278: 4619–4632].
In Abhängigkeit des Ausmaßes des Pneumolabyrinths treten typische Symptome wie Hörverlust,
Tinnitus und Schwindel auf. Luft in der Scala tympani oder der Scala vestibuli führt
zu einer Verringerung der cochleären Potenziale, wobei die Scala vestibuli empfindlicher
auf die Luft reagiert als die Scala tympani [Kobayashi et al. Acta Oto-Laryngologica
1993; 113: 725–730].
Bisher gibt es keine einheitliche Therapieempfehlung. Je nach Ausmaß der Symptomatik
kann eine konservative oder operative Therapie erfolgen. Die konservative Therapie
besteht aus körperlicher Schonung und der Vermeidung des Valsalva-Manövers. Zusätzlich
kann eine prophylaktische Antibiotikatherapie oder eine Steroidtherapie verabreicht
werden. Aufgrund der insgesamt geringen Symptomatik und fehlender Entzündungszeichen
wurde bei dieser Patientin hierauf verzichtet. Insbesondere bei anhaltender vestibulärer
Symptomatik oder fortschreitendem Hörverlust kann eine explorative Tympanoskopie erfolgen.
Im Rahmen dieser Operation soll die Fistelbildung zwischen dem Innenohr und dem luftgefüllten
Mittelohr verschlossen werden [Botti et al. European Archives of Oto-Rhino-Laryngology
2021; 278: 4619–4632; Prisman et al. The Laryngoscope 2011; 121: 856–859].
Während die vestibulären Problematiken meist vollständig reversibel sind, scheinen
die Hörminderungen, unabhängig von der Therapie, meist zu persistieren [Botti et al.
European Archives of Oto-Rhino-Laryngology 2021; 278: 4619–4632].
Einhaltung ethischer Richtlinien
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Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.