Laryngorhinootologie 2024; 103(09): 628-629
DOI: 10.1055/a-2325-3135
Referiert und Diskutiert

Kommentar zu „Virtual-Reality-Technik in der chirurgischen Ausbildung“

Contributor(s):
Manuel Lasch

***/****Eine gute klinische Ausbildung von Studierenden der Medizin sowie Assistenzärztinnen und Assistenzärzten ist für das Fachgebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde von größter Bedeutung. Dabei besteht insbesondere in der chirurgischen Ausbildung die Aufgabe, den jungen Kolleginnen und Kollegen sowohl die Anatomie des zu operierenden Bereichs als auch die chirurgischen Fertigkeiten zu vermitteln. In den letzten Jahren wurde die Vermittlung der chirurgischen Fertigkeiten, bezogen auf die Ohrchirurgie und im speziellen die Mastoidektomie, durch die Verwendung von 3D-gedruckten Modellen deutlich erleichtert. Die korrekte Orientierung und 3D-Vorstellung der anatomischen Verhältnisse und Lagebeziehungen des Felsenbeins und Mastoids während der Mastoidektomie stellen jedoch für unerfahrene Ohroperateure nach wie vor eine große Herausforderung dar. Gängige Lehr- und Lernmethoden dieser anatomischen Verhältnisse greifen auf Lehrbücher mit verschiedenen Schnittabbildungen des Felsenbeins zurück, wobei hier jeweils immer nur eine 2D-Orientierung und nicht, wie während der Operation notwendig, eine 3D-Orientierung möglich ist. Seit wenigen Jahren existieren „Virtual Reality“ (VR)-Brillen, die eine 3D-Darstellung und Orientierung von Objekten und somit auch anatomischen Strukturen wie dem Felsenbein ermöglichen.

Ob sich die Verwendung solcher VR-Brillen für das Training von jungen Kolleginnen und Kollegen in Bezug auf die Vorbereitung zur Durchführung einer Mastoidektomie eignet und vielleicht sogar der aktuell gängigen Vorbereitung mittels Anatomie- und Fachbücher überlegen ist, hat die Studie: „Impact of virtual reality training on mastoidectomy performance: a prospective randomised study“ von Tapiala et al. untersucht. Die neue VR-Trainingsmethode wurde von den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern dabei als signifikant besser bewertet und es waren während der Präparation am Felsenbeinmodell signifikant weniger Hilfestellungen im Vergleich zur Kontrollgruppe nötig. In den wichtigen Betrachtungspunkten wie Verletzungsauftreten, Operationszeit und Operationsergebnis zeigte sich jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen, sodass in Bezug auf diese Punkte im Rahmen dieser Studie keine Überlegenheit der VR-Trainingsmethode nachgewiesen werden konnte. Die gefürchtete Komplikation einer Verletzung des Nervus facialis trat erstaunlicherweise in der VR-Gruppe, die zuvor die Möglichkeit einer dreidimensionalen Darstellung des Nervenverlaufs über die VR-Brille hatte, drei Mal auf, während es in der Kontrollgruppe zu keiner Nervenverletzung kam. Bei den Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern handelte es sich um Medizinstudierende im vierten bis sechsten Studienjahr mit wenig Erfahrung in Bezug auf eine Mastoidektomie oder mikroskopische Chirurgie. Es bleibt jedoch unklar, wie die allgemeine HNO-Vorerfahrung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer war und ob das Fachgebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde im Rahmen des Studiums bereits erfolgreich absolviert wurde. Dies könnte die anatomischen Kenntnisse der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer und die Ergebnisse dieser Studie beeinflussen. Zusätzlich wäre es sinnvoll, das Studienmodell durch eine Prüfung des dreidimensionalen anatomischen Verständnisses der betreffenden Strukturen in den zu vergleichenden Studiengruppen, vor und nach Lehreinheit, zu ergänzen. Außerdem sollte die Teilnehmerzahl des Studienkollektivs erweitert werden, um hier repräsentativere Ergebnisse zu erzielen.

Generell erscheint eine optimale dreidimensionale Vorbereitung auf die anatomischen Verhältnisse, insbesondere bei engen Lagebeziehungen wie im Felsenbein, unter Verwendung aller technisch vorhandenen Möglichkeiten sinnvoll, wenn auch keine signifikante Verbesserung nach Absolvierung des VR-Trainings in Bezug auf Operationsergebnis, Operationszeit oder Komplikationen in dieser Studie nachgewiesen werden konnte. Interessant wäre im Fachgebiet der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde auch eine Studie mit Anfängerinnen und Anfängern in der HNO-Facharztausbildung, nicht nur für die Mastoidektomie, sondern auch für die Nasennebenhöhlenchirurgie, bei der ein exaktes dreidimensionales Verständnis ebenfalls von hoher Relevanz ist.



Publication History

Article published online:
02 September 2024

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