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DOI: 10.1055/a-2338-1070
Gemeinsame Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) und des Deutschen Berufsverbandes der HNO-Ärzte (BVHNO) für ärztliches Personal in der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde/Kopf- und Hals-Chirurgie zum Arbeiten in der Schwangerschaft und Stillzeit
- Zusammenfassung
- Abstract
- Präambel für die folgenden Positivlisten – Vorrausetzungen für klinische Tätigkeiten
- Allgemeine Positivliste
- Positivliste operativer Tätigkeiten
Zusammenfassung
Das Arbeiten in der Schwangerschaft und Stillzeit stellt eine besondere Situation für die Arbeitnehmer als auch für den Arbeitgeber bzw. den Dienstvorgesetzten dar. Die novellierte Form des Mutterschutzgesetzes (MuSchG), die am 01.01.2018 in Kraft getreten ist, schützt die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeits-, Ausbildungs- und Studienplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit. Frauen sollen ihre Beschäftigung oder sonstige Tätigkeit in dieser Zeit ohne Gefährdung ihrer Gesundheit oder der ihres Kindes fortsetzen können. Hierdurch sollen Benachteiligungen während dieser Zeit vermieden werden. Um möglichst optimale und sichere Rahmenbedingungen für die Beschäftigung während der Schwangerschaft und Stillzeit zu schaffen, möchten die DGHNO-KHC und der BVHNO im Rahmen dieser Stellungnahme eine „allgemeine Positivliste“ sowie eine „Positivliste für operative Tätigkeiten“ vorstellen, die allen Beteiligten als Orientierungshilfe dienen soll. Diese konsentierte Positivliste soll es schwangeren und stillenden Ärztinnen ermöglichen, patientennahe Tätigkeiten sowie kopf- und halschirurgische Eingriffe in Einklang mit dem MuSchG von 2018 durchführen zu können. Hierdurch sollen schwangere Kolleginnen unterstützt werden und Möglichkeiten geboten werden, weiter selbstbestimmt zu arbeiten.
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Abstract
Working during pregnancy and breastfeeding is a special situation for both the employee and the employer/supervisor. The amended version of the Maternity Protection Act (MuSchG), which came into force on January 1st, 2018, protects the health of women and their children while working, training or studying during pregnancy, after giving birth and while breastfeeding. Women should be able to continue their employment or related activities during this time without jeopardising their health or that of their child. This law was furthermore reformed to prevent discrimination against the working mother during this time. In order to create the best and safest possible framework conditions for employment during pregnancy and breastfeeding, the DGHNO-KHC and the BVHNO would like to present a “general positive list” and a “positive list for surgical activities” as part of this statement, which should serve as a guideline for all relevant parties. This agreed positive list is intended to enable pregnant and breastfeeding doctors to carry out patient-related activities as well as head and neck surgeries in accordance with the MuSchG of 2018. Hereby, affected colleagues should have the opportunity to continue working self-determined.
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Schlüsselwörter
Mutterschutzgesetz - MuSchG - Mutterschutz - Schangerschaft - Stillzeit - Positivliste - Operationen - gemeinsame Stellungnahme - DGHNO-KHC - BVHNOKeywords
Maternity Protection Act - MuSchG - maternity protection - pregnancy - breastfeeding - surgery - positive list - joint statement - guideline - DGHNO-KHC - BVHNODas Arbeiten in der Schwangerschaft und Stillzeit stellt eine besondere Situation sowohl für die Arbeitnehmerin als auch für den Arbeitgeber bzw. den Dienstvorgesetzten dar und ist häufig mit fachlichen und juristischen Unsicherheiten der Beteiligten verbunden. Um rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen bzw. zu präzisieren, wurde am 23.05.2017 das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzgesetzes vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossen und ist am 01.01.2018 als MuSchG (Mutterschutzgesetz, Gesetz zum Schutz von Müttern bei der Arbeit, in der Ausbildung und im Studium) in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, die Gesundheit der Frau und ihres Kindes am Arbeitsplatz während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit zu schützen und die Arbeitsbedingungen einer schwangeren und stillenden Frau zu regeln.
Bereits vor Bekanntgabe einer Schwangerschaft muss in einer allgemeinen, anlassunabhängigen Gefährdungsbeurteilung eine Schwangerschaft berücksichtigt werden. Diese anlassunabhängige mutterschutzrechtliche Gefährdungsbeurteilung nach § 10 Abs. 1 MuSchG zielt auf eine grundsätzliche Beurteilung jeder Tätigkeit und aller Arbeitsplätze in jedem Fall ab.
Nach Bekanntgabe einer Schwangerschaft unterliegt die Ausgestaltung der Tätigkeiten innerhalb eines Arbeitsverhältnisses daher dem MuSchG in seiner zuletzt novellierten Fassung von 2019. Dies impliziert eine individuelle Gefährdungsbeurteilung des Arbeitsplatzes, aus der dann gemäß § 13 des MuSchG Schutzmaßnahmen, Umstrukturierungsmaßnahmen des Arbeitsplatzes oder auch ein Beschäftigungsverbot resultieren können. Für die Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sind der jeweilige Arbeitgeber, aber auch die schwangere/stillende Mitarbeiterin verantwortlich. Verstöße gegen das MuSchG sind bußgeld- und strafbewehrt.
Hierdurch erklärt sich mitunter ein präventives, pauschales, allgemeinbetriebliches Beschäftigungsverbot ab der Bekanntmachung der Schwangerschaft vieler Ärztinnen, ohne dass dies in einer Vielzahl der Fälle begründet werden kann. Abzugrenzen ist hiervon natürlich ein ärztliches Beschäftigungsverbot aufgrund einer medizinischen Indikation, welches nach § 16 MuSchG geregelt ist. Der Arbeitgeber darf selbstverständlich eine schwangere Ärztin nicht beschäftigen, wenn nach einem ärztlichen Zeugnis ihre Gesundheit oder die ihres Kindes bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.
Ein betriebliches Beschäftigungsverbot für werdende Mütter tritt hingegen dann in Kraft, wenn Schutzmaßnahmen nicht erfüllbar sind. Hierzu zählen: 1. eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen, 2. der Einsatz an einem anderen Arbeitsplatz.
Insgesamt sollte klar sein, dass ein unbegründetes betriebliches Beschäftigungsverbot nicht nur Auswirkung auf die evtl. Weiterbildungszeit der schwangeren Ärztin hat, sondern auch die fachärztliche Kompetenz, operative Ausbildung und ggf. Karriereplanung maßgeblich und ggf. gegen den Wunsch der Schwangeren beeinflusst.
Um möglichst optimale und sichere Rahmenbedingungen für die Beschäftigung während der Schwangerschaft und Stillzeit zu schaffen, möchten die DGHNO-KHC und der BVHNO im Rahmen dieser Stellungnahme eine „allgemeine Positivliste“ sowie eine „Positivliste für operative Tätigkeiten“ vorstellen, die allen Beteiligten als Orientierungshilfe dienen soll, welche Tätigkeiten für die Beschäftigung einer Schwangeren infrage kommen. Diese konsentierte „Positivliste“ soll es schwangeren und stillenden Ärztinnen ermöglichen, patientennahe Tätigkeiten sowie kopf- und halschirurgische Eingriffe in Einklang mit dem Mutterschutzgesetz von 2017 durchführen zu können. Hierdurch sollen schwangere Kolleginnen unterstützt werden und Möglichkeiten geboten werden, weiter selbstbestimmt zu arbeiten.
Präambel für die folgenden Positivlisten – Vorrausetzungen für klinische Tätigkeiten
Das MuSchG schließt eine patientennahe Tätigkeit inklusive der Durchführung von Untersuchungen sowie eine Fortführung operativer Tätigkeiten in der Schwangerschaft nicht aus. Unter Einhalten von persönlichen Schutzmaßnahmen wie beispielsweise Tragen der persönlichen Schutzausrüstung (PSA wie Handschuhe, Schutzkleidung, Schutzbrille, geeignete Atemschutzmaske) sind eine Vielzahl von Tätigkeiten weiterhin möglich. Dringend abgeraten werden muss von der Versorgung von Notfallpatient*innen, potenziell infektiösen Patient*innen, der Zubereitung und Anwendung von Zytostatika sowie der Tätigkeit mit Rauchgasen (z.B. Laserbehandlung) oder starker Aerosolentwicklung (hochtouriger Bohrer) ohne adäquate Absaugung und Lüftung und Möglichkeit des Tragens einer FFP-Maske. Die Voraussetzungen für eine patientennahe sowie operative Tätigkeit in der Schwangerschaft sind: keine ununterbrochenen stehenden Tätigkeiten über 4 Stunden nach Ablauf des 5. Schwangerschaftsmonats, die Bereitstellung einer Sitzgelegenheit und Ermöglichung einer kurzen Arbeitsunterbrechung unter geeigneten Bedingungen, die Vermeidung von Lasten von mehr als 5kg öfter als 2-mal stündlich bzw. von 10kg mehr als 1-stündlich sowie ein ärztlicher Back-up im Bedarfsfall. Als unzulässige Tätigkeiten und Arbeitsbedingungen zählen die unter § 11 des MuSchG genannten Tätigkeiten.
Weiterhin muss eine Anpassung der Narkoseführung bei schwangeren Mitarbeiterinnen im OP-Saal erfolgen. Hierbei ist eine totale intravenöse Anästhesie (TIVA) für die Anwesenheit im OP-Saal und operative Tätigkeit von schwangeren Frauen zugelassen. Zudem muss eine Infektionsprophylaxe gegeben sein (z.B. bekannter Immunitätsstatus der Schwangeren, Tragen von PSA, präoperatives Patient*innenscreening für HBV/HCV und HIV).
Auf Basis dieser Grundvoraussetzungen werden daher folgende Tätigkeiten durch die DGHNO/KHC und den BVHNO konsentiert empfohlen:
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Allgemeine Positivliste
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Patientenaufnahme, Anamneseerhebung
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körperliche Untersuchung[1]
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Sonografie
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Patientengespräche, Aufklärungsgespräche, Angehörigengespräche
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tägliche Visite1
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Verabreichen von Medikamenten/Infusionen über den liegenden ZVK oder liegenden peripheren Zugang1
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Abstrichentnahmen1
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Blutzuckermessung1
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Durchführung von Allergietests (Prick-, Scratch-, Intrakutantest) und Hyposensibilisierungen (auch subkutane Injektion)1
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Durchführung von neurootologischen Untersuchungen1
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administrative Tätigkeiten: Dokumentation, diagnostische Anforderungen, Therapiepläne erstellen, Erstellung von Arztbriefen, Assistenz bei DRG/OPS-Codierung
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Verordnung von Medikamenten
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Telefon- oder Telemedizinsprechstunden
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Sichtung von diagnostischen Ergebnissen (Histologie, Labor, mikrobiologische Befunde etc.)
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Teambesprechungen, externe Kommunikation
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Tumorkonferenzen
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Einarbeitung von neuen Kolleg*innen in die Tätigkeiten der Positivlisten
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Ausbildung und Lehre im Rahmen der Positivlisten
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Erstellen und/oder Aktualisieren von SOPs
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Gutachten
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Vorträge i.R.v. Fachkonferenzen
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wissenschaftliche Tätigkeiten, Erstellen von Publikationen, Labortätigkeiten nach gesonderter Einschätzung
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Studienkoordination
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Positivliste operativer Tätigkeiten
Eingriffe an Nase, Nasennebenhöhlen und Orbita
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Nase (Nasenbeinaufrichtung, Septumplastik, Septumabszess und -hämatomentlastung, Septumperforationsverschluss, Septorhinoplastik, Rhinoplastik, Nasenmuscheleingriffe, Fremdkörperentfernung, Behandlung kongenitaler Nasenfisteln und Nasenzysten)
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Nasennebenhöhlen (endonasal-endoskopische Nasennebenhöhlenchirurgie, transfaziale Stirnhöhlenoperation, laterale Rhinotomie, Midfacial Degloving)
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endoskopische und transfaziale Orbitadekompression
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Reposition einer Orbitaboden- und Jochbeinfraktur
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endonasale Dakryozystorhinostomie
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endonasale Chirurgie bei Choanalatresie
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Eingriffe an Nasopharynx, Mundhöhle und Oropharynx
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Adenotomie
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Tonsillotomie, Tonsillektomie
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Uvulopalatopharyngoplastik
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Radiofrequenzablation[2]
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Resektion von Tumoren der Mundhöhle und des Oropharynx
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kombiniert transorale, transzervikale Oropharynxteilresektion (zzgl. Rekonstruktion mittels mikrovaskulär anastomosierter freier Lappenplastik)
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Eingriffe an Larynx, Hypopharynx und Trachea
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Mikrolaryngoskopien und Panendoskopien
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transorale lasermikrochirurgische endolaryngeale und hypopharyngeale Eingriffe2
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(mikroskopische) erweiternde und rekonstruktive Chirurgie von Larynx und Trachea (zzgl. Stimmlippenmedialisierung von innen und von außen, Glottiserweiterung, Behandlung einer spasmodischen Dysphonie oder einer Trachealstenose)
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elektive Tracheostomie, Tracheostomaverschluss
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transorale und transzervikale Zenker-Divertikeloperation
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transzervikale Larynxteilresektion, Laryngektomie
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kombiniert transorale, transzervikale Hypopharynxteilresektion (zzgl. Rekonstruktion auch mittels mikrovaskulär anastomosierter freier Lappenplastik)
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Eingriffe an Hals und Ösophagus
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Lymphknotenexstirpation
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transzervikale Exstirpation von Halszysten/-fisteln, äußeren Laryngozelen
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Neck Dissection
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Schilddrüsenchirurgie
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Eingriffe an Speicheldrüsen
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Sialendoskopie
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Biopsie der großen und kleinen Speicheldrüsen
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Gangschlitzung, Marsupialisation, Steinextraktion Wharton-Gang
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Submandibulektomie
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Parotidektomie
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Eingriffe am Ohr
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Parazentese/Paukendrainage
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Ohrmuscheloperationen/Gehörgangsoperationen
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Operationen von Aurikularanhängen, Fistelchirurgie
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Mittelohrchirurgie/Tympanoplastiken
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Mastoidektomie (außer bei akuter Mastoiditis)
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implantierbare Hörsysteme inkl. Cochlea-Implantaten
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Otobasischirurgie
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Funktionell-ästhetische Eingriffe an Gesicht und Haut
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Hauttumorresektion
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plastische Rekonstruktion von Hautdefekten
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Reanimation des gelähmten Gesichtes (statisch, dynamisch, freie Lappenplastik zzgl. Oberlidgewichtimplantation, Faden-Facelift, Nervenrekonstruktionen)
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Interessenkonflikt
Frau Dr. Sharma gibt an: Advisory Board Merck Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
1 Bei diesen Tätigkeiten müssen die übliche PSA, wie in der Präambel zu entnehmen, Anwendung finden.
2 Unter Berücksichtigung der in Ziff. 8.1.2 der TRGS 525 und TRBA 250 (Ziff. 4.2.10 i.V.m. Anhang 7) genannten Schutzmaßnahmen (z.B. suffiziente Absaugvorrichtung, Tragen von FFP2- oder FFP3-Masken).
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Article published online:
16 July 2024
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