retten! 2024; 13(04): 209
DOI: 10.1055/a-2338-4797
Editorial

„Bringt mir die Patienten, solange sie noch bluten!“

Karlheinz Pfaff

Dieses Zitat stammt von einem Traumachirurgen und Notarzt aus der Rhein-Neckar-Region, der schon vor 25 Jahren, anlässlich rettungsdienstlicher Fortbildungsveranstaltungen, seine erheblichen Zweifel an der in Deutschland lange vorherrschenden Strategie des „Stay & Play“ bei Traumapatienten artikulierte. Tatsächlich warten noch heute Einsatzkräfte angesichts kritischer Traumapatienten das Eintreffen des Notarztes an der Einsatzstelle ab, da Kliniken die Schockraumaktivierung ohne begleitenden Notarzt verweigern – willkommen im Jahr 2024.

Blut ist nicht einfach eine Körperflüssigkeit, sondern ein komplexes Organ, das als Bindeglied zu allen anderen Organen deren Funktionsfähigkeit sicherstellt und erhält. Genau wie auch alle anderen Organe nicht ohne Weiteres ersetzt werden können, bleibt bis heute der Erhalt des eigenen Blutes für den Patienten die günstigste Lösung. Weder kann das Blut bisher durch künstliche Sauerstoffträgerlösungen ersetzt werden, noch ist die frühzeitige und großzügige Transfusion von Erythrozytenkonzentraten derzeit eine probate Möglichkeit, da sie mit unterschiedlichen, erheblichen Problemen behaftet ist.

Einmal mehr stellt sich die Frage, warum wir über die Vorhaltung von Erythrozytenkonzentraten diskutieren, bevor wir effektive und angepasste Blutstillung inkl. Hämostyptika, moderne und evidenzbasierte Einsatzstrategien (z.B. Damage Control Resuscitation) und möglichst rasche Zuführung blutender Patienten an den nächsten geeigneten Schockraum flächendeckend etablieren – im Zweifel auch ohne Notarzt. Das Dogma „Kein Schockraum ohne Notarzt“ ist kontraproduktiv! Das Tourniquet, der „neue Fetisch des Rettungsdienstes“, ist lediglich eine Möglichkeit der effektiven Blutstillung, als letzte Möglichkeit, wenn potenziell weniger schädigende Maßnahmen nicht zum Ziel führen.

Wir freuen uns sehr, dass wir in dieser Ausgabe für das Thema der kritischen inneren und äußeren Blutungen ein überaus kompetentes Autorenteam gewinnen konnten, das dieses Feld in 2 hochinformativen Beiträgen beleuchtet. Hierzu, wie auch zu allen anderen Beiträgen dieser Ausgabe, wünschen wir unseren Lesern eine spannende und lehrreiche Lektüre.

Ihr Karlheinz Pfaff



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Article published online:
13 September 2024

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