Schlüsselwörter ADHS - administrative Prävalenz - epidemiologische Prävalenz - klinische Diagnostik - Data-Linkage
Keywords ADHD - administrative prevalence - epidemiological prevalence - clinical diagnostics - data linkage
Hintergrund
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist die am häufigsten
diagnostizierte psychische Störung bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland und
weltweit [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]. Sie ist mit zum Teil erheblichen
individuellen, familiären, sozialen und gesundheitsökonomischen Konsequenzen
verbunden [7 ] und damit von hoher
gesellschaftlicher und gesundheitspolitischer Relevanz. Für eine bedarfsgerechte
Versorgung sowie zur Vermeidung von Fehlsteuerungen der Ressourcenallokation ist
präzises Wissen über die Prävalenz, Validität der Diagnosestellung, Determinanten
der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen ADHS-Betroffener sowie zur Qualität
und Zufriedenheit im Kontext der Inanspruchnahme von Leistungen des
Gesundheitssystems und nicht zuletzt über die mit der ADHS verbundenen
Gesundheitskosten erforderlich. Eine Schätzung auf Grundlage von Daten aus dem Jahr
2003 weist jährliche Aufwendungen für direkte Kosten in Höhe von 260 Millionen Euro
für die gesetzliche Krankenversicherung aus [8 ].
Wesentliche Datenquellen für bevölkerungsbezogene Häufigkeiten der ADHS bei Kindern
und Jugendlichen in Deutschland sind einerseits Veröffentlichungen aus den
Routinedaten gesetzlicher Krankenkassen [9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ] oder der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung [13 ]
[14 ]
[15 ], andererseits aus der
epidemiologischen Langzeitstudie KiGGS im Rahmen des bundesweiten
Gesundheitsmonitorings am Robert Koch-Institut [3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ] sowie dessen Vertiefungsmodul zur
psychischen Gesundheit, BELLA-Studie [16 ]. Die Prävalenzahlen aus den verschiedenen Datenquellen verhalten sich
aber nicht widerspruchsfrei zueinander. So vermeldeten etwa die „Arztreporte“ der
Barmer-GEK eine Zunahme der administrativen Prävalenz von ADHS-Diagnosen um 49% (von
2,9% auf 4,1%) zwischen 2006 und 2011 [9 ]
[10 ]. Die
elternberichteten Diagnosehäufigkeiten in der bundesweiten epidemiologischen
KiGGS-Studie blieben dagegen im gleichen Zeitraum konstant bei ca. 5% [3 ]. In der KiGGS Welle 2
(Erhebungszeitraum 2014–2017) war die elternberichtete ADHS-Diagnosehäufigkeit sogar
um 0,9 Prozentpunkte, von 5,3 auf 4,4% oder um ca. 17%, rückläufig im Vergleich zur
KiGGS-Basiserhebung (2003–2006) [5 ]
[17 ]. Auch wenn für die
jüngere Zeit in den Routinedaten je nach Geschlecht oder bestimmten Altersgruppen
rückläufige oder zumindest konstante Diagnoseprävalenzen beobachtet werden [18 ], lassen sich die Zahlen aufgrund
ihrer unterschiedlichen Datengrundlagen oftmals nur schwer vergleichen. Unterschiede
bestehen unter anderem hinsichtlich der Erhebungszwecke, der Bezugspopulationen, der
zur Anwendung gebrachten Falldefinitionen, unterschiedlicher Ein- und
Ausschlusskriterien sowie unterschiedlicher Zeitbezüge (z. B. Jahres- vs.
Lebenszeitprävalenzen). So fallen beispielsweise Routinedaten primär zu
Abrechnungszwecken an und bilden in der Regel das Versorgungsgeschehen einer
kassenspezifischen Versichertenpopulation ab. Diese ist nicht notwendigerweise
repräsentativ für die Gesamtbevölkerung. Routinedaten entstehen zudem, wenn im
Gesundheitssystem eine Leistung erbracht oder eine Diagnose dokumentiert wurde und
beziehen sich in der Regel auf ein Versicherungsjahr. Nichtdiagnostizierte
Erkrankungen, Personen ohne Versorgungskontakt oder Risikofaktoren werden nicht
erfasst. Epidemiologische Surveys beruhen dagegen auf bevölkerungsrepräsentativen
Stichproben. Anders als in Routinedaten bleiben Personen in Einrichtungen (z. B.
Heime, Krankenhäuser) in der Regel unberücksichtigt, was zu einer
Morbiditätsunterschätzung führen kann. In epidemiologischen Surveys wird oft keine
klinische Diagnostik durchgeführt, insbesondere bei klinisch aufwändiger
Diagnosestellung wie bei der ADHS. Diagnoseprävalenzen aus Surveys fußen daher
häufig auf der Erfassung ärztlicher Diagnosen, die die Teilnehmenden in der
Befragung angeben, meist als Lebenszeit-, 12-Monats- oder Punktprävalenzen. Die aus
der KiGGS-Studie berichteten ADHS-Diagnoseprävalenzen beruhen beispielsweise auf der
von den Eltern berichteten, jemals ärztlich oder psychologisch diagnostizierten ADHS
ihres teilnehmenden Kindes [3 ]
[4 ]
[5 ]. Bei dieser Art der Erfassung können
die Teilnehmenden jedoch nur die Diagnosen angegeben, die ihnen mitgeteilt wurden
und an die sie sich erinnern (möglicher Recall-Bias) oder die sie in diesem Kontext
mitteilen wollen. Soziale Erwünschtheit (Social Desirability) kann hier zu einem
Underreporting führen, etwa wenn die Diagnose als stigmatisierend empfunden wird.
Die Teilnahme an Surveys ist zudem freiwillig, was zu selektiven Nichtteilnahmen
führen kann (Nonresponse-Bias). Weder für administrative noch für epidemiologisch
berichtete ADHS-Diagnosen ist bekannt, ob diese leitlinienkonform gestellt wurden
beziehungsweise ob sie klinisch valide sind.
In der Fach- und allgemeinen Öffentlichkeit wird das ADHS-Diagnosegeschehen bei
Kindern und Jugendlichen oft kontrovers diskutiert, insbesondere mit Blick auf
mögliche Über-, Unter- oder Fehlversorgung. So war im Gutachten des
Sachverständigenrats von 2009 vor dem Hintergrund steigender
ADHS-Diagnoseprävalenzen bei Kindern und Jugendlichen und steigender
Verordnungsprävalenzen von ADHS-Medikation, insbesondere von Methylphenidat, von
ADHS als „Modediagnose“ die Rede [19 ].
Aufgrund dessen sowie aufgrund der Diskrepanzen zwischen den verschiedenen
Datenquellen wurden Data-Linkage-Studien zum direkten Vergleich administrativer und
epidemiologischer Diagnosedaten, zu deren klinischer Validität sowie zur
Versorgungsqualität im Kontext der ADHS wiederholt eingefordert [20 ]. Im Konsortium INTEGRATE-ADHD haben
sich sechs Partner, das Robert Koch-Institut, das Universitätsklinikum Würzburg, die
Universität Würzburg, das Universitätsklinkum Hamburg-Eppendorf, die Vandage GmbH
und die DAK-Gesundheit zusammengeschlossen, um diese Fragen zu beantworten. Mehrere
an INTEGRATE-ADHD beteiligte Konsortialpartner sind zugleich Stakeholder im Sinne
einer Beteiligung an den Versorgungstrukturen für Kinder und Jugendliche mit ADHS im
deutschen Gesundheitswesen, entweder als Versorgungseinrichtung oder als gesetzliche
Krankenkasse.
Ziele und Fragestellungen
Ziele und Fragestellungen
Ziel von INTEGRATE-ADHD ist es, durch die Analyse konjunkter administrativer,
epidemiologischer und klinischer Daten
die Validität administrativ dokumentierter und epidemiologisch berichteter
ADHS-Diagnosen durch klinische Erhebungen zu überprüfen und damit die
Grundlagen für valide Prävalenzschätzungen der ADHS bei Kindern und
Jugendlichen in Deutschland zu generieren,
objektivierbare Aussagen über eine potenzielle Über- oder
Fehldiagnostizierung der ADHS zu treffen,
Angemessenheit, Zufriedenheit sowie mögliche Defizite der Versorgung von
ADHS-Betroffenen zu identifizieren sowie
die Inanspruchnahme- und Versorgungskosten von ADHS-Betroffenen zu
ermitteln.
Daraus werden Schlussfolgerungen für die Regelpraxis der Versorgung ADHS-Betroffener
abgeleitet und Handlungsfelder für relevante Entscheidungsträger und Stakeholder
hinsichtlich einer Verbesserung der Versorgung ADHS-Betroffener und der
Ressourcensteuerung im Gesundheitswesen identifiziert. Dabei werden unter anderem
folgende Fragestellungen untersucht:
Für wie viele Teilnehmende wird die administrativ dokumentierte ADHS-Diagnose
in der epidemiologischen Befragung berichtet? Wie unterscheiden sich
Personen mit und ohne ADHS-Diagnosebericht bezüglich individueller,
familiärer, soziodemografischer und inanspruchnahmespezifischer
Charakteristika?
Wie valide sind administrativ dokumentierte und epidemiologisch berichtete
ADHS-Diagnosen gemessen an einer klinischen Diagnostik nach
S3-Leitlinien-Standard? Wie unterscheidet sich die Validität administrativ
dokumentierter und epidemiologisch berichteter ADHS-Diagnosen nach Alter,
Geschlecht, Schweregrad der Symptomausprägung und Inanspruchnahme
verschiedener fachärztlicher Versorgungsangebote?
Welche Versorgungsangebote nehmen Kinder und Jugendliche mit administrativer
ADHS-Diagnose wahr? Wie zufrieden sind die Eltern mit den genutzten
Versorgungsleistungen und welche Inanspruchnahmebarrieren treten auf? Wie
hängt die gesundheitsbezogene Lebensqualität mit verschiedenen
versorgungsassoziierten Faktoren zusammen?
Welche GKV-attributablen direkten Folgekosten ergeben sich aus
administrativen Daten auf Grundlage der Sekundärdatenanalyse der
Routinedaten? Inwiefern unterscheiden sich Kinder und Jugendliche, deren
ADHS-Diagnose epidemiologisch und/oder klinisch validiert wurde,
hinsichtlich der GKV-attributablen direkten Folgekosten?
Studiendurchführung/Methoden
Studiendurchführung/Methoden
Zielpersonen der Studie waren sämtliche Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 17
Jahren, die bei der drittgrößten bundesweit tätigen gesetzlichen Krankenkasse
DAK-Gesundheit im Jahr 2020 versichert waren, in mindestens einem Quartal des
Versicherungsjahres 2020 (sog. M1Q-Kriterium) eine als gesichert gekennzeichnete
administrative ADHS-Diagnose (ICD-10 F90.0-9) aufwiesen und die Krankenkasse im Jahr
2020 nicht gewechselt hatten. Befragungspersonen waren die Eltern. Diese wurden mit
adaptierten epidemiologischen Fragebögen der KiGGS- und BELLA-Studie zur
ADHS-Diagnose und ADHS-Symptomatik ihrer Kinder sowie der Eltern selbst, zu
komorbider Psychopathologie, Inanspruchnahme von Leistungen des Gesundheitssystems,
Versorgungsqualität und Versorgungszufriedenheit, Risiko- und psychosozialen
Schutzfaktoren, gesundheitsbezogener Lebensqualität, Gesundheitskompetenz,
Soziodemografie sowie Migrationsgeschichte von Oktober 2021 bis August 2022 online
befragt. Dabei kamen international anerkannte und validierte Erhebungsinstrumente
wie der Fremdbeurteilungsbogen Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen
(FBB-ADHS) [21 ]
[22 ], die Skala Rastlos/Impulsiv der
Connors-Skalen [23 ], der Strengths and
Difficulties Questionnaire (SDQ) [24 ],
die Skala Externalisierendes Verhalten aus der Child Behaviour Checklist (CBCL)
[25 ], die Kurzform der
Symptomcheckliste von Derogatis (SCL-K9) [26 ], der KIDSCREEN-27 [27 ],
die Skala Familiärer Zusammenhalt aus den Familienklimaskalen von Schneewind [28 ], eine modifizierte Version der
Social Support Scale von Donald und Ware [29 ], HLS-EU [30 ] sowie
bewährte Items aus der KiGGS- und BELLA-Studie zum Einsatz. Eine mit einem
Zufallsverfahren ausgewählte Untergruppe von insgesamt 202 Kindern und Jugendlichen
wurden mit einer leitliniengerechten ADHS-Diagnostik gemäß AWMF-S3-Leitlinie ADHS
[31 ] klinisch untersucht.
Für die Stichprobenziehung wurden aus den insgesamt 848 110 im Jahr 2020 bei der
DAK-Gesundheit versicherten Kinder und Jugendlichen zunächst alle diejenigen
ausgewählt, die die oben genannten Einschlusskriterien erfüllten. Dies waren 30 101
Personen. Von diesen wurden 25 000 Personen zufällig ausgewählt. Für 120 Kinder und
Jugendliche waren zum Einladungszeitpunkt keine Kontaktinformationen mehr verfügbar,
somit betrug die Anzahl der Kinder und Jugendlichen in der Bruttostichprobe
n=24 880. Das Ziehen dieser Reduktionsstichprobe war notwendig geworden, weil sich
die Zahl der bei der DAK-Gesundheit versicherten Kinder und Jugendlichen durch eine
Datenbankmigration im Zeitraum zwischen Studienantrag und Studienbewilligung um ca.
200 000 Personen vergrößert hatte, und in der Studienfinanzierung nur eine
Bruttostichprobe von n=25 000 kalkuliert gewesen war. Die Eltern der 24 880
Zielpersonen wurden angeschrieben und zur Studienteilnahme eingeladen. Von diesen
nahmen insgesamt 5919 Personen an der Online-Befragung teil. Nach Ausschluss von 458
Befragungspersonen im Zuge der Datenqualitätssicherung resultierte eine
Nettostichprobe von 5461 Studienteilnehmenden.
Die Aussendung der Studieneinladungen erfolgten in vier Wellen im Oktober 2021 und im
Januar, April und Juni 2022. Jeweils sechs Wochen nach Studieneinladung wurden aus
der Gruppe der Kinder und Jugendlichen, deren Eltern bei der Online-Befragung
teilgenommen und die ihre Bereitschaft zur Teilnahme an der klinischen Diagnostik
bekundet hatten, die Teilnehmenden an der klinischen Untersuchung mit einem
Zufallsverfahren ausgewählt. Insgesamt wurden 202 Kinder und Jugendliche klinisch
untersucht.
Die Studienteilnehmenden wurden über die Ziele und Inhalte der Studie sowie über den
Datenschutz informiert, die Einwilligung zur Studienteilnahme einschließlich der
Einwilligung zum Data Linkage wurde von den Eltern eingeholt, Kinder und Jugendliche
ab 14 Jahren erteilten zusätzlich ihr Einverständnis, dass ihre Eltern in der
Online-Befragung Angaben über sie machen durften. Für die klinische Untersuchung
gaben die Eltern sowie ab 8 Jahren auch die Kinder selbst ihren schriftlichen
Informed Consent. Alle Befragten, ab 14 Jahren auch die Zielpersonen selbst,
willigten in das Daten-Linkage ihrer Befragungs- und Routinedaten ein. Vor Beginn
der Befragungen und Untersuchungen wurde ein Ethik-Votum bei der Ethikkommission der
Universität Würzburg eingeholt (249/20). Das Projekt ist beim Deutschen Register für
Klinische Studien (DRKS) registriert (DRKS00028866).
Im Rahmen der Studiendurchführung übernehmen die Konsortialpartner folgende
Projektaufgaben ([Abb. 1 ]):
Abb. 1 Projektpartner, Aufgaben, Studienablauf und Studienpopulation
im Konsortialprojekt INTEGRATE-ADHD. Legende: TP=Teilprojekt
a Alle im Jahr 2020 bei der DAK-Gesundheit versicherten Kinder und
Jugendliche von 0 bis 17 Jahren b Kinder und Jugendlichen im
Alter von 0 bis 17 Jahren mit einer als gesichert gekennzeichneten
ADHS-Diagnose (ICD-10 F90.0-9) in mindestens einem Quartal des Jahres 2020
c Bruttostichprobe der Online-Befragung; Erläuterung siehe
Text d Nettostichprobe der Onlinebefragung
e Nettostichprobe der klinischen Untersuchung
Robert Koch-Institut, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring
(Teilprojekt #1). Aufgaben im Projekt: Konsortialführung,
Durchführung der Online-Datenerhebung, Aufbereitung und Zurverfügungstellen
des Onlinedatensatzes, Analyse und Vergleich epidemiologischer und
administrativer Daten.
Zentrum für Psychische Gesundheit, Klinik und Poliklinik für Kinder- und
Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum
Würzburg (Teilprojekt #2). Aufgaben im Projekt: Durchführung der
klinischen Diagnostik gemäß der aktuellen AWMF-S3-Leitlinie
„Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) im Kindes-, Jugend-
und Erwachsenenalter“. Die Diagnostik umfasst eine umfassende
standardisierte Anamnese, klinisch-diagnostische Interviews mit dem Kind und
den Eltern, Fragebogenverfahren von Kind, Eltern und Lehrerin/Lehrer,
Erzieherin/Erzieher, eine standardisierte klinische Verhaltensbeobachtung
und testpsychologische Diagnostik. Analyse der klinischen Daten.
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychotherapie und –psychosomatik,
Forschungssektion „Child Public Health“ am Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf (Teilprojekt #3). Aufgaben im Projekt:
Feldbegleitende Datenprüfung der Online-Datenerhebung, Analyse der
Versorgungsqualität und -zufriedenheit bei Familien mit ADHS-betroffenen
Kindern und Jugendlichen (PROMs und PREMs, insbesondere psychisches
Wohlbefinden und Lebensqualität von Kindern und Jugendlichen mit ADHS sowie
Behandlungszufriedenheit).
Vandage GmbH (Teilprojekt #4). Aufgaben im Projekt: Aufbereitung des
administrativen Datensatzes, Nonresponder-Analysen, Durchführung der
gesundheitsökonomischen Analysen.
Institut für Klinische Epidemiologie und Biometrie, Universität Würzburg
(Teilprojekt #5). Aufgaben im Projekt: Erarbeitung des statistischen
Analyseplans, Aufbereitung und Auswertung des klinischen Datensatzes,
methodische Gesamtverantwortung für das Projekt.
Gesetzliche Krankenkasse DAK-Gesundheit (Teilprojekt #6). Aufgaben im
Projekt: Bereitstellung und Ziehung der Bruttostichprobe, Zugang zu
den Studienteilnehmenden (Studieninformation, Einladungsversand),
Bereitstellung der pseudonymisierten Schlüssel zur Verknüpfung der
verschiedenen Datensätze (administrativ, epidemiologisch, klinisch),
Bereitstellung der administrativen Daten.
Die Veröffentlichung erster Ergebnisse erfolgt im Lauf des Jahres 2024.
Diskussion/Schlussfolgerungen
Diskussion/Schlussfolgerungen
INTEGRATE-ADHD wird ermöglicht durch die hohe Expertise der Konsortialpartner in
epidemiologischen, klinischen, gesundheitsökonomischen, sekundärdatenanalytischen
und biometrischen Fragestellungen sowie langjährigen Erfahrungen in der Durchführung
von klinischen Studien, epidemiologischen Surveys sowie von Studien mit
Versichertenpopulationen. Die verschiedenen Teilprojekte im Rahmen des Konsortiums
verfolgen sowohl eigene inhaltliche Schwerpunkte, Aufgaben- und Fragestellungen,
arbeiten dabei jedoch eng verzahnt an übergeordneten, integrativen Fragestellungen.
Der konjunkte, also auf Individualebene verknüpfte Datensatz mit administrativen,
epidemiologischen und klinischen ADHS-Diagnosedaten sowie Befragungsdaten ist
bislang einzigartig und stellt einen besonders innovativen Aspekt dieses Projekts im
Sinne eines Alleinstellungsmerkmals dar. In INTEGRATE-ADHD werden aber auch
innovative Wege in der klinischen ADHS-Diagnostik beschritten. So wurde
pandemiebedingt die gesamte Diagnostik digital aufgesetzt, woraus sich wertvolle
Schlussfolgerungen für den Einsatz digitaler Optionen (eMental Health) in der
Regelversorgung von ADHS-betroffenen Kindern und Jugendlichen ableiten lassen.
Beispielsweise für ländlich geprägte, eher strukturschwache Regionen, die zukünftig
verstärkt auf digitale Lösungen im Gesundheitswesen setzen müssen, sind diese
Erfahrungen von hohem Interesse.
Mit INTEGRATE-ADHD werden erstmalig für Deutschland Informationen über die Diagnostik
und Therapie der ADHS aus den drei relevanten Blickwinkeln: administrativer,
epidemiologischer und klinischer Perspektive zur Verfügung stehen. Im Zusammenspiel
dieser Perspektiven lässt sich das tatsächliche Versorgungsgeschehen bei einer
ADHS-Diagnose weitaus präziser abbilden als dies bisher möglich war. Die bislang
bekannten Diskrepanzen in den bisherigen Datenquellen lassen erhebliche Hürden und
Defizite in der Umsetzung einer leitlinienkonformen Versorgung erwarten, sowohl in
Bezug auf nicht zu bestätigende ADHS-Diagnosen (Über- und Fehldiagnostik) als auch
in Bezug auf Fehlversorgung (zum Beispiel im Fall von vorliegender Verordnung von
ADHS-Medikation bei klinisch nicht bestätigter Diagnose). Das Projekt kann diese
Hürden und Defizite, die bislang rein hypothetisch bleiben, benennen und daraus
Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen für eine optimierte und
bedarfsangemessene Versorgung ADHS-betroffener Kinder und Jugendlicher generieren.
Angesichts der hohen nationalen und internationalen Prävalenzschätzungen, der
beträchtlichen direkten und indirekten Kosten und der lebenslangen psychosozialen
Folgen der ADHS für die Betroffenen, ihre Familien und für die sozialen
Sicherungssysteme ist zu erwarten, dass eine optimierte Versorgung ADHS-Betroffener
sowohl erhebliche und langfristig positive klinische als auch positive ökonomische
Effekte generieren wird.
Durch die bislang einzigartige Verknüpfung der administrativen, epidemiologischen und
klinischen Perspektiven trägt INTEGRATE-ADHD zu einem vollständigeren,
ganzheitlicheren Bild des ADHS-Diagnose- und Versorgungsgeschehens bei Kinder und
Jugendlichen in Deutschland bei und somit zu einer valideren Datengrundlage für die
Versorgungsplanung. Durch den Einbezug von Versorgungsqualität und
Versorgungszufriedenheit unter Verwendung validierter patient-reported outcome
measures (PROMS) und patient-reported experience measures (PREMS) lassen sich
Verbesserungen in der Diagnostik und Versorgung der ADHS erreichen, was den
translationalen Charakter des Projekts unterstreicht. Mithilfe der
gesundheitsökonomischen Analysen lassen sich die Kosten der Inanspruchnahme
einschlägiger Versorgungsangebote der ADHS quantifizieren und planungsrelevante
Schlussfolgerungen für die Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung im deutschen
Gesundheitswesen ableiten. Das Projekt beantwortet eine Vielzahl bislang offener
Fragen und generiert neue, weiterführende Fragestellungen und Hypothesen, die in
Folgeprojekten untersucht werden können.
Funding Information
Innovationsfond — 01VSF19014