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DOI: 10.1055/a-2357-4899
Wirksamkeit des PACAP Liganden-Antikörpers Lu AG09222 in der Migräneprävention
***** Ashina M, Phul R, Khodaie M, et al. A Monoclonal Antibody to PACAP for Migraine Prevention. N Engl J Med 2024; 391(9): 800–809. doi: 10.1056/NEJMoa2314577
Hintergrund
Verfügbare Möglichkeiten der oralen pharmakologischen Prävention der Migräne (z. B. Topiramat) weisen erhebliche Limitationen hinsichtlich der Verträglichkeit auf und sind diesbezüglich monoklonalen Antikörpern (mAb) gegen Calcitonin-Gene-Related-Peptide (CGRP) bzw. dessen Rezeptor im direkten bzw. indirekten Vergleich unterlegen. Hinsichtlich der Wirksamkeit sind CGRP mAbs überzeugend, jedoch wird ein zufriedenstellender Effekt nicht immer erreicht. Es ergibt sich daher nach wie vor ein Bedarf an neuen Therapien zur Migräneprävention. PACAP (Pituitary Adenylate Cyclase-Activating Polypeptide) ist ein Neuropeptid, das als möglicher Mediator der Migränepathophysiologie identifiziert wurde. In dieser Phase-II-Studie wird ein PACAP mAb hinsichtlich der Wirksamkeit untersucht.
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Zusammenfassung
In der Phase-II-Studie erhielten 97 Teilnehmer 750 mg Lu AG09222, 46 Teilnehmer 100 mg und 94 Teilnehmer ein Placebo. Der primäre Endpunkt zeigte eine signifikante Reduktion der Migränetage in der 750-mg-Gruppe um 6,2 Tage pro Monat, verglichen mit 4,2 Tagen in der Placebogruppe (Differenz: −2,0 Tage; 95 % CI: −3,8 bis −0,3; p = 0,02). Die 100-mg-Gruppe erreichte eine Reduktion von 5,6 Tagen, jedoch ohne signifikanten Unterschied zu Placebo.
Bei den sekundären Endpunkten war die Reduktion der Kopfschmerztage in der 750-mg-Gruppe um 5,8 Tage im Vergleich zu 4,1 Tagen in der Placebogruppe ebenfalls signifikant (Differenz: −1,7 Tage; 95 % CI: −3,5 bis 0,0; p = 0,05). Die Reduktion der Migräneattacken betrug in der 750-mg-Gruppe 4,7 Attacken gegenüber 3,1 Attacken in der Placebogruppe (Differenz: −1,7 Attacken; 95 % CI: −2,9 bis −0,4; p = 0,01). Auch der Einsatz von Akutmedikamenten nahm in der 750-mg-Gruppe signifikant um 5,1 Tage ab, verglichen mit 3,4 Tagen in der Placebogruppe (Differenz: −1,7 Tage; 95 % CI: −3,0 bis −0,3; p = 0,02). Die 100-mg-Gruppe zeigte bei den sekundären Endpunkten keine signifikanten Unterschiede zu Placebo. Die Behandlung mit Lu AG09222 wurde gut vertragen, wobei die häufigsten Nebenwirkungen eine COVID-19-Infektion (7 % in der 750-mg-Gruppe vs. 3 % in der Placebogruppe), Nasopharyngitis (7 % vs. 4 %) und Müdigkeit (5 % vs. 1 %) waren. Schwere Nebenwirkungen waren selten, und es traten keine behandlungsbedingten Therapieabbrüche auf.
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Kommentar
Die vorliegende Studie zeigt, dass die Hemmung von PACAP durch Lu AG09222 eine wirksame neue Option zur Migräneprävention sein könnte, besonders für Patienten, bei denen andere Therapien versagt haben. Im Vergleich zu CGRP-Antikörpern könnte dieser Ansatz eine breitere Wirkung haben, da PACAP an mehrere Rezeptoren (PAC1, VPAC1, VPAC2 und den Mastzell-Rezeptor Mrg) bindet. Zukünftige Studien sollten die Langzeitwirksamkeit und -sicherheit untersuchen, da die bisherigen Daten nur auf 12 Wochen beschränkt sind.
Die erhöhte Rate an COVID-19-Infektionen in der 750-mg-Gruppe könnte laut den Autoren zufällig sein, da keine biologisch plausible Verbindung zwischen PACAP-Hemmung und erhöhtem Infektionsrisiko gesehen wird. Es wird spekuliert, dass die erhöhte Inzidenz von externen Faktoren oder dem allgemeinen Infektionsgeschehen während der Studie beeinflusst wurde.
Robert Fleischmann, Greifswald
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Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet |
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Gute experimentelle oder klinische Studie |
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Gute Studie mit allerdings etwas geringerem Innovationscharakter |
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Studie von geringerem klinischen oder experimentellen Interesse und leichteren methodischen Mängeln |
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Studie oder Übersicht mit deutlichen methodischen oder inhaltlichen Mängeln |
Die Kopfschmerz-News werden betreut von der Jungen DMKG, vertreten durch Dr. Robert Fleischmann, Greifswald, Dr. Katharina Kamm, München (Bereich Trigemino-autonomer Kopfschmerz & Clusterkopfschmerz), Dr. Laura Zaranek, Dresden (Bereich Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen) und Dr. Thomas Dresler, Tübingen (Bereich Psychologie und Kopfschmerz).
Ansprechpartner ist Dr. Robert Fleischmann, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Unimedizin Greifswald, Ferdinand-Sauerbruch-Str. 1, 17475 Greifswald, Tel. 03834/86-6815, robert.fleischmann@uni-greifswald.de
Die Besprechungen und Bewertungen der Artikel stellen die Einschätzung des jeweiligen Autors dar, nicht eine offizielle Bewertung durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
15. November 2024
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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany