Schlüsselwörter Pandemiebereitschaft - Capacity Building - Krisenmanagement - Forschungsinfrastruktur - Versorgungsforschung
Keywords Pandemic Preparedness - Capacity Building - Epidemic Response Plan - Crisis Management - Health Services Research - Scientific Research Infrastructure
Einleitung
Die Bewältigung einer neuen, unsicheren und komplexen Situation wie einer Epidemie
oder einer Pandemie stellt die Gesellschaft als Ganzes, insbesondere aber die
komplexen Systeme der Gesundheitsforschung und der medizinischen Versorgung vor
große Herausforderungen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Institutionen und
Akteuren aus verschiedenen Sektoren, wie Gesundheitsbehörden,
Gesundheitseinrichtungen, politischen Entscheidungsträgern, Experten und anderen
Interessengruppen, ist entscheidend für eine gezielte, rechtzeitige, effektive und
effiziente Reaktion auf die entstehenden Herausforderungen. Obwohl Deutschland die
SARS-CoV-2-Pandemie im Hinblick auf eine koordinierte und strukturierte Versorgung
relativ gut bewältigt hat, wurden zahlreiche Mängel sowohl bei der Vorbereitung als
auch beim Krisenmanagement festgestellt. Es fehlten zentrale Säulen für eine
koordinierte trans- und interdisziplinäre Forschung auf nationaler Ebene. Zu den
Komponenten der erforderlichen, aber nicht vorhandenen Forschungsinfrastruktur
gehören ein Rahmen für die Festlegung von Forschungsprioritäten, ein rechtzeitiger
Zugang zu zuverlässigen Gesundheitsdaten, Ergebnis- und Expositionsdaten,
Kerndatensätzen, eine koordinierte und konsistente Strategie für die Generierung und
Synthese hochwertiger Erkenntnisse sowie eine konsistente und ausgewogene
Kommunikation zwischen der Forschungsgemeinschaft und den gesundheitspolitischen
Entscheidungsträgern. Nicht nur unter deutschen Experten [1 ] besteht Konsens darüber, dass die
Ressourcen nicht rechtzeitig, effizient, ausgewogen und koordiniert eingesetzt
wurden. Der Deutsche Sachverständigenrat für Gesundheit und Pflege stellte fest:
„Unser Gesundheitssystem ist (…) ein nicht sehr reaktionsschnelles, wenig
anpassungsfähiges „Schönwettersystem“, das nicht nur im Krisenfall unzureichend
koordiniert und im Ergebnis häufig schlechter ist, als angesichts des hohen
Mitteleinsatzes zu erwarten wäre“
[2 ].
In Krisenzeiten erwarten Gesellschaft, Politik und Leistungserbringer im
Gesundheitswesen von Universitätskliniken nicht nur eine hervorragende medizinische
Versorgung, sondern auch, dass sie ihre Forschungskapazitäten nutzen, um eine
zentrale Rolle bei der rechtzeitigen und koordinierten Bereitstellung von
evidenzbasierten, konsensorientierten Erklärungen, Prognosen und
Handlungsempfehlungen zu spielen [3 ]. Um
diesen Erwartungen gerecht zu werden, müssen die Ziele der Pandemiebekämpfung klar
definiert werden, die Stakeholder flexibel und agil reagieren können und sich in
zweckmäßigen Strukturen koordinieren. Dies bedeutet, dass klare, etablierte Formen
der Zusammenarbeit und Kommunikation mit den verschiedenen Akteuren erforderlich
sind. Derzeit gibt es weder eine Allianz der nationalen Universitätskliniken für
eine bessere Pandemic Preparedness noch ein internationales Konzept für einen
solchen Ansatz und die zu erreichenden Ziele.
In Deutschland wurde trotz des Vorhandenseins eines nationalen
(Influenza-)Pandemieplans, eines öffentlichen Gesundheitsdienstes und des
Bundesinstituts für Seuchenbekämpfung und -prävention (Robert-Koch-Institut, RKI)
nicht auf die besondere Rolle und Bedeutung der Universitätskliniken eingegangen.
Die existierenden Pläne und Strukturen haben sich in relevanten Aspekten als zu
unflexibel oder ungeeignet erwiesen, wie z. B. in Bezug auf die Übertragbarkeit auf
andere Pathogene oder die Koordinierung mit anderen Gesundheitsdienstleistern [4 ]
[5 ]. Es ist wichtig festzustellen, dass die Resilienz von
Gesundheitssystemen und medizinischen Forschungssystemen eng miteinander verknüpft
sind. Unklare Erkenntnisse mit hoher Unsicherheit und gemischte Botschaften aus der
Forschungsgemeinschaft können den wissenschaftlichen Diskurs und den Fortschritt
vorantreiben, aber auch die Einhaltung und Akzeptanz gesellschaftlicher Maßnahmen
zur Pandemiebekämpfung, wie Kontaktbeschränkungen und Impfprogramme, erschweren.
Daher ist eine geeignete Infrastruktur für die Pandemievorsorge und -bekämpfung mit
besonderem Schwerpunkt auf interdisziplinärer Forschung, Transfer und Umsetzung für
das Funktionieren der Gesellschaft von größter Bedeutung.
Das vorliegende Positionspapier schlägt ein Konzept für eine umfassende
wissenschaftliche Forschungsinfrastruktur für eine koordinierte Response vor, die in
dem Projekt „PREparedness and PAndemic REsponse in Deutschland (PREPARED)“
entwickelt wurde. Das Projekt läuft seit 2022 und wurde vom Netzwerk
Universitätsmedizin (NUM)[1 ] initiiert
und finanziert. Das NUM wurde 2020 gegründet, um die Forschungsaktivitäten zu
COVID-19 in der Universitätsmedizin auf nationaler Ebene zu koordinieren und besteht
aus allen 36 Universitätskliniken in Deutschland [6 ]. Gefördert wird es vom Bundesministerium
für Bildung und Forschung (BMBF), welches, wie auch die Bundesregierung bereits
frühzeitig erkannt hat [7 ], dass das Thema
Pandemic Preparedness schnellstmöglich bearbeitet werden muss. Aus diesem
Grund wurde ein weitsichtiges Förderprogramm mit dem Ziel entwickelt, eine
entsprechende Infrastruktur zu schaffen und dauerhaft zu implementieren. Die
vorgeschlagene Infrastruktur basiert auf den Vorarbeiten von drei früheren
NUM-Projekten, die 2021 ausliefen (B-FAST[2 ], CEOsys[3 ], egePan[4 ]).
Das Infrastrukturkonzept besteht aus vier Kern- und drei
Unterstützungsfunktionalitäten, die ihrerseits in vier Handlungsfeldern subsumiert
sind, um den genannten Herausforderungen zu begegnen. PREPARED verfolgt das zentrale
Ziel des NUM, Deutschland so gut wie möglich auf die nächste Pandemie oder andere
Krisen des Gesundheitssystems vorzubereiten. Das Gesamtkonzept von PREPARED basiert
auf dem konzeptionellen Rahmen des „Capacity Buildings“ [8 ]
[9 ] und soll eine zentrale Säule der zukünftigen Pandemic Preparedness in
Deutschland werden.
Nicht nur das Gesundheitssystem, sondern auch das Gesundheitsforschungssystem muss
über ein hohes Maß an Resilienz verfügen, um in kritischen Situationen
medizinisch-empirische Erkenntnisse und wissenschaftliche Evidenz sicher, schnell
und effizient in die Gesundheitsversorgung und in Entscheidungssysteme einbeziehen
zu können. Die Auswirkungen der Forschung auf die Gesellschaft sind seit den 1990er
Jahren umfassend untersucht worden. Der Schwerpunkt lag dabei jedoch eher auf
wirtschaftlichen als auf gesellschaftlichen Aspekten [10 ]. Während der SARS-CoV-2-Pandemie wurde
sehr früh deutlich, dass das Ausmaß, in dem Institutionen, Gesellschaften oder
Staaten auf neue und herausfordernde Situationen im Gesundheitswesen vorbereitet
waren, nicht nur erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft und das
Gesundheitssystem, sondern auch auf andere Bereiche der Gesellschaft hatte. Die
Vorbereitung war angesichts der vielen daraus resultierenden Herausforderungen
entscheidend für deren Resilienz [11 ]
[12 ]
[13 ], einschließlich des Managements der Beschäftigten im
Gesundheitswesen, der Versorgungsketten für Schutzausrüstungen und der
wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Folgen der Unterbrechung wichtiger
Prozesse des öffentlichen Lebens. Um sich dem Begriff „Pandemic Preparedness“ zu
nähern, wurde eine selektive Literaturrecherche durchgeführt, bei der
wissenschaftliche Literatur, nationale Pandemiepläne und Empfehlungen für Pandemien
berücksichtigt wurden. Die leitende Forschungsfrage bezog sich auf Definitionen und
Anforderungen für die Erreichung eines Zustands der Pandemic Preparedness.
Die Ergebnisse zeigen, dass der Begriff „Pandemic Preparedness“ in erster Linie eine
Sammlung von Prozessen, Zielen und Bedingungen ist, die der Vorbereitung und der
Reaktion auf potenzielle und tatsächliche pandemische Krisen dienen. Dazu gehören
Aktivitäten, die das Krisenmanagement während einer Krise, aber auch im Vorfeld
einer Krise erleichtern und verbessern. Pandemic Preparedness beschreibt demnach die
Vorbereitung einer Gesellschaft als Ganzes auf den Ausbruch einer Pandemie, die laut
WHO nur erreicht werden kann, wenn alle gesellschaftlichen Teilsysteme
(Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Forschung, Gesundheitswesen, Politik) gemeinsam
betrachtet werden [14 ]. Ziel ist es immer,
die negativen Auswirkungen einer epidemiologischen Krise durch eine schnelle,
gezielte, effektive und effiziente Reaktion zu vermeiden bzw. zu minimieren. Akteure
können alle Organisationseinheiten sein, z. B. Behörden, Unternehmen, soziale
und/oder gesundheitliche Einrichtungen über verschiedene Subsysteme hinweg.
Darüber hinaus wird Pandemic Preparedness auf verschiedenen Ebenen betrachtet, je
nach Institutionen, Akteuren und Umfang. Es werden demnach verschiedene Dimensionen
angesprochen, die auf der Mikroebene (z. B. einzelne Arbeitnehmer), auf der
Mesoebene (z. B. die Organisationsstruktur von Gesundheitseinrichtungen wie
Krankenhäusern) oder auf der Makroebene (z. B. nationale Pläne oder Protokolle)
liegen können. Bei der Umsetzung in die jeweilige Policy, z. B. in Form nationaler
Pandemiepläne, können die Ziele von Pandemic Preparedness unterschiedlich sein. Der
Großteil der gesichteten Literatur zu Pandemic Preparedness bezieht sich auf
Empfehlungen, Beobachtungen und Analysen auf nationaler Ebene. Der Fokus liegt in
der Regel darauf, wie sich politische Bereiche (Regionen, Staaten oder die
internationale Gemeinschaft) besser auf eine Pandemie vorbereiten können. Weitere
Publikationen befassen sich speziell mit Pandemic Preparedness für Krankenhäuser
(seltener für andere Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens) und geben
teilweise konkrete Handlungsempfehlungen [11 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ].
Die zahlreichen in der wissenschaftlichen Literatur identifizierten Ziele, Aufgaben,
Prozesse und Maßnahmen lassen sich in vier Handlungsfelder systematisieren: (a)
Monitoring und Surveillance, (b) Synthese und Transfer, (c) Koordination und
Organisation sowie (d) Kapazitäten und Ressourcen. Diese Handlungsbereiche dienen
als Grundlage für die sieben Funktionalitäten einer wissenschaftlichen
Forschungsinfrastruktur für Pandemic Preparedness und werden im Folgenden
veranschaulicht ([Abb. 1 ]) und
erläutert.
Abb. 1 Handlungsfelder, Kern- und Unterstützungsfunktionalitäten der
vorgeschlagenen wissenschaftlichen PREPARED-Forschungsinfrastruktur für
Pandemic Preparedness.
Im ersten Handlungsfeld, Monitoring und Surveillance , werden Parameter aus
verschiedenen relevanten Bereichen zusammengeführt, um die geeignetsten und
ausgewogensten Empfehlungen für eine Entscheidungsfindung zu definieren. Dazu
gehören eine repräsentative Infektionssurveillance, z. B. nosokomiale Fälle und
Ausbrüche durch einen neuen Erreger und die Entwicklung geeigneter Monitoringsysteme
für die Infektionsprävention (IPC) [15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ]
[20 ] mit Fokus auf Übertragungsnetzwerke,
nosokomiale Infektionen, einschließlich Ausbrüche und Einweisungen,
Risikofaktorenanalysen und Sentinelerhebungen, z. B. zu IPC-Maßnahmen auf
institutioneller Ebene. Darüber hinaus wird eine Expertengruppe eingerichtet, die
die nächsten Pandemieviren antizipieren, die Resilienz von Laboren definieren und
ein Konzept für eine diagnostische Skalierbarkeit entwickeln soll [4 ].
Im zweiten Bereich, Synthese und Transfer , gewährleistet die Klassifizierung
und Verbreitung evidenzbasierter Empfehlungen an politische Entscheidungsträger, die
allgemeine Bevölkerung und Fachgremien [21 ] fundierte Entscheidungen der Leistungserbringer im Gesundheitswesen
und eine solide Beratung der politischen Entscheidungsträger [21 ]
[22 ]
[23 ]
[24 ] und stärkt das öffentliche Bewusstsein
[23 ] mit dem Ziel, Vertrauen in der
Bevölkerung aufzubauen [22 ]. Darüber
hinaus muss die zügige und vertrauenswürdige Evaluation wissenschaftlicher
Erkenntnisse in die Weiterqualifizierung vorhandener Mitarbeitender und in die
Schulung und Qualifizierung neu eingestellter oder nicht-fachkundiger Mitarbeiter
einfließen. Die Entwicklung von Konzepten für den Schutz und die Förderung der
körperlichen und psychischen Gesundheit des Gesundheitspersonals, die Sicherung von
Fachkräften und die Qualifizierung neuer Arbeitskräfte sowie der direkte Einbezug in
Krisen [15 ]
[22 ]
[25 ], Übungen, Simulationen und die Schulung in Krisenplänen [15 ]
[16 ]
[23 ] stärkt die Resilienz
und führt zu einer höheren Kompetenz des Gesundheitspersonals [22 ]
[23 ].
Das dritte Handlungsfeld, Koordination und Organisation , umfasst die
Festlegung der Organisationsstrukturen „des stationären Sektors“, um z.B. im
Krisenfall designierte Kliniken benennen zu können [15 ] sowie die sektorenübergreifende und
multidisziplinäre Zusammenarbeit für die Pandemievorsorge und -bewältigung und den
Einbezug aller relevanten Akteure [19 ]
[23 ]
[26 ] in allen pandemischen Phasen [23 ] zu gewährleisten.
Für die erfolgreiche Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen und Prozesse sind
angemessene und flexible Kapazitäten und Ressourcen (Handlungsfeld 4)
erforderlich. Zu den relevanten Ressourcen gehören die Infrastruktur des
Gesundheitswesens (Personal, Krankenhausbetten, einschließlich Reservekapazitäten
für Krisen, Sicherstellung der Skalierbarkeit [16 ]
[27 ] – wie z. B. globale
Versorgungsketten für Verbrauchsmaterialien [19 ]
[22 ] oder Impfstoffe und
Medikamente [26 ] – sowie die Verfügbarkeit
und Transparenz von Monitoring- und Routinedaten [16 ]
[21 ]
[27 ]), die digitale
Infrastruktur des Wissenschaftssystems [21 ]
[27 ] und flexible bzw. agile
Kapazitäten der Forschungsfinanzierung [21 ].
Auf Grundlage dieser vier Handlungsfelder wurden sieben miteinander verknüpfte
Funktionalitäten für die Entwicklung der PREPARED-Forschungsinfrastruktur
konzipiert. Vier davon werden als Kernfunktionalitäten kategorisiert, während drei
unterstützende Funktionalitäten sind. Diese Kategorisierung besagt nichts über ihre
Auswirkungen auf das Ziel der Pandemic Preparedness ([Abb. 1 ])[5 ].
Monitoring and Surveillance-Einheit (MuSE)
Monitoring and Surveillance-Einheit (MuSE)
Das übergreifende Ziel der MuSE als Kernfunktionalität ist die kontinuierliche
Verbesserung der Abbildung steuerungsrelevanter Parameter aus der
Infektionssurveillance und ein umfassendes Versorgungsmonitoring. Dies
berücksichtigt die Analyse von Risikofaktoren sowie ein Qualitäts- und
Risikomanagement innerhalb des NUM zur Optimierung von wissenschaftlicher
Vorbereitung und Management für zukünftige Pandemien oder anderen Krisen. Hauptziel
ist es, einen umfassenden und aktuellen Überblick über die derzeitigen Entwicklungen
in den verschiedenen Bereichen der Infektionsprävention und -kontrolle
(IPC)/Hygiene, Infektiologie, Epidemiologie, Qualität der Gesundheitsversorgung und
Ressourcenmonitoring, einschließlich der Personalressourcen, zu geben. Als Novum
werden in der Funktionalität MuSE Parameter und Indikatoren aus diesen verschiedenen
Dimensionen und Fachbereichen zu einem umfassenden (Krisen-)Lagebild
zusammengeführt. Dieses dient als Grundlage für die Beschreibung, Prädiktion,
Modellierung, Evidenzgenerierung, Ableitung von Empfehlungen und Prozessen zur
Überprüfung von Implementierungsmaßnahmen und damit für ein lernendes System. Die
Hauptaufgaben von MuSE sind 1) die Analyse des vergangenen und aktuellen Verlaufs
von Epidemien und Pandemien im Vergleich zu Normalsituationen inkl. Saisonalität
(deskriptiv), 2) die Vorhersage des zukünftigen Verlaufs (Modellierung), 3) die
Durchführung von explorativen und hypothesengeleiteten Analysen, 4) die Überwachung
der Umsetzung geeigneter Maßnahmen, auf deren Grundlage die Beratung von
Entscheidungsträgern im Sinne bestmöglicher Entscheidungen durchgeführt werden
kann.
MuSE wird verschiedene Universitätskliniken als Sentinel für die Erhebung und
Bereitstellung von Schlüsselparametern zur Charakterisierung der Ausbruchs- bzw.
Krisensituation und -reaktion einrichten. Diese umfassende und aktuelle empirische
Quelle ermöglicht es PREPARED, bestmögliche evidenzbasierte und ausgewogene
Entscheidungen zu treffen und Handlungsempfehlungen auszusprechen. Um das Ausmaß der
direkten und indirekten pandemiebedingten Gesundheitsrisiken für die
Allgemeinbevölkerung bzw. bestimmte Subgruppen zu definieren und um Risikofaktoren
zügig zu erkennen und einzudämmen, ist eine standardisierte Datenerhebung in
Kooperation aller 36 deutschen Universitätskliniken und unter Einbezug verschiedener
Fachdisziplinen vor Krisensituationen und unmittelbar zu Beginn einer Pandemie
entscheidend. MuSE arbeitet mit Daten aus: 1) anderen Infrastrukturkomponenten des
NUM, einschließlich der Datenintegrationszentren der Universitätskliniken, 2) Daten,
die von kooperierenden Partnerinstitutionen zur Verfügung gestellt werden, z. B. dem
Nationalen Referenzzentrum für Surveillance nosokomialer Infektionen (NRZ) und
Partner-Krankenkassen, 3) PREPARED/MuSE-eigenen Datensammlungen und 4) öffentlich
verfügbaren Daten. Darüber hinaus müssen die während der SARS-CoV-2-Pandemie
entwickelten Datensätze und Modelle (z. B. der Standarddatensatz für das
Qualitätsmanagement [28 ], Definitionen für
nosokomiale Infektionen und Aufnahmen mit/wegen SARS-CoV-2-Infektion) integriert
werden. Beispiele für erfolgreiche Monitoring- und Surveillance-Prozesse, wie das
Projekt „Dresdner Informationsprognosetool für die Bettenbelegung in Sachsen
(DISPENSE)“ [29 ] und Arbeiten zur
Verbesserung der Qualität von Indikatoren während einer Pandemie [30 ] sowie die Evaluation von Indikatoren
über die Sektoren des Gesundheitswesens hinweg [31 ], können nützliche Erfahrungen für die Implementierung von MuSE
liefern. Als Verlinkung zur wissenschaftlichen Community können Quick Surveys diese
Prozesse und Ressourcen sinnvoll ergänzen. Da die Skalierbarkeit ein wesentliches
Element der PREPARED-Infrastruktur ist, sind die relevanten Daten je nach Setting
vordefiniert, in Nicht-Krisenzeiten erhoben, trainiert und getestet und werden, je
nach Vorhandensein und Art einer akuten Krise, in angemessener Häufigkeit und Tiefe
erhoben sowie überwacht.
Pathogenkompetenz-Plattform (PakoP)
Pathogenkompetenz-Plattform (PakoP)
Für eine effektive Planung von Reaktionskapazitäten im Kernprogramm des NUM wird eine
pathogenbezogene Fachautorität benötigt, die im Pandemiefall zu aktivierende
Kapazitäten vorhält, um eine schnelle, agile und (erreger-)spezifische
Pandemieabwehr zu ermöglichen. Zudem stellt diese eine zentrale Anlaufstelle für
politische Entscheidungsträger sowie für Forscher anderer Disziplinen dar und bildet
die Schnittstelle zwischen Pathogenforschung und praktischer Umsetzung. Diese
Fachautorität muss strukturell verankert und langfristig implementiert werden, um
eine starke und breite Basis für die Bereitschaft und Reaktion auf zukünftige
Pandemien zu schaffen. Der Bedarf besteht vor allem für die Virologie, aber auch für
andere mikrobiologische Aspekte in ausgewählten Bereichen.
Die vorgeschlagene Pathogenkompetenz-Plattform (PakoP) sollte aus einem Hauptgremium
mit ca. 10–15 Mitgliedern bestehen, der sich in interpandemischen Phasen regelmäßig
trifft und für die Dauer einer Pandemiesituation/Krise eine erregerspezifische Task
Force gemäß der Weltgesundheitsorganisation und der PREPARED-Governance einberuft.
Die Zusammensetzung dieser Task Force richtet sich nach der aktuellen
epidemiologischen Situation, den im Rahmen von PREPARED vertretenen Perspektiven und
der an den verschiedenen Standorten verfügbaren Infrastrukturen und ihren Ressourcen
(z. B. erregerspezifische Expertise, Bio-Sicherheitslabore, Tierversuchsanlagen,
Spezialuntersuchungen, Diagnostik, Prävention, Hygiene). Abhängig von letzteren
Faktoren registrieren sich Arbeitsgruppen als Standby-Option für „ihren“ Erreger. Im
Pandemiefall bearbeiten das Hauptgremium und die einberufene Task Force definierte
und zeitkritische Aufgaben und Ad-hoc-Fragen mit agilen Methoden. PakoP und die Task
Force können als Gutachter für die Vergabe von schnellen Forschungsmitteln für
pandemierelevante Forschung und klinische Studien fungieren.
Evidenzsynthesen und vertrauenswürdige Empfehlungen (ESVE)
Evidenzsynthesen und vertrauenswürdige Empfehlungen (ESVE)
Neben dem Monitoring und der Surveillance umfassender Informationen zur primären
Evidenzgenerierung spielt die Ableitung evidenzbasierter und vertrauenswürdiger
Handlungsempfehlungen durch Evidenzsynthesen eine wesentliche Rolle für sowohl
klinische Fragestellungen als auch Fragestellungen der öffentlichen Gesundheit und
der politischen Gesundheitsberatung und Entscheidungsfindung [1 ]. Das Hauptziel der
ESVE-Kernfunktionalität ist es, in einem mehrstufigen Prozess (ultra-)schnelle,
qualitativ hochwertige, interdisziplinäre, evidenzbasierte und vertrauenswürdige
Empfehlungen zu entwickeln. Während der SARS-CoV-2-Pandemie wurde deutlich, dass
Entscheidungen, wie die Einführung der Maskenpflicht oder Ausgangssperren, nicht
adäquat durch klassische Methoden der evidenzbasierten Medizin (EbM) gestützt werden
konnten, da solche Ansätze eine inhärente Zeitverzögerung aufweisen [32 ]. Daher werden „ultraschnelle“
Evidenzsynthesen eingesetzt, um innerhalb eines sehr kurzen Zeitraumes (z. B. einer
Woche) einen vorläufigen Überblick über die aktuelle Situation zu gewinnen.
Anschließend wird die zu beantwortende Fragestellung mit größerer Genauigkeit
bearbeitet, z. B. durch ausführlichere Evidenzsynthesen, mathematische
Modellierungen oder durch Aktivierung zugehöriger Funktionalitäten, wie
Primärdatenanalysen in der MuSE oder das geplante NUM-Studiennetzwerk.
Evidenzsynthesen und Handlungsempfehlungen werden den Grundsätzen der Transparenz,
Multidisziplinarität und angemessenen methodischen Standards entsprechen und müssen
an die Verfügbarkeit sowie an die Art und die Qualität der Studien zu verschiedenen
Zeitpunkten während der Pandemie angepasst werden können. Sie sind zudem als ein
dynamischer, iterativer Prozess zu verstehen, an dem ein multidisziplinäres
Empfehlungspanel maßgeblich beteiligt ist und Verbindungen zu relevanten
Leitliniengruppen und Organisationen, wie der Arbeitsgemeinschaft der
Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Deutschland (AWMF) hält.
Regionale Vernetzung und Implementierung (ReVI)
Regionale Vernetzung und Implementierung (ReVI)
Die Erfahrungen aus der SARS-CoV-2-Pandemie haben gezeigt, dass sich Infektionen
regional sehr unterschiedlich ausbreiten können und dass deren Eindämmung vor allem
eine lokale Aufgabe ist. Die Vernetzung mit regionalen Akteuren ist unerlässlich, um
die Ausbreitungsdynamik innerhalb einer Region zu bestimmen, Risikofaktoren zügig zu
erkennen und abzuschwächen bzw. zu beseitigen. Diese Aufgabe wird von der
Kernfunktionalität ReVI wahrgenommen. Die ReVI erstellt Prototypen für
multiprofessionelle und multiperspektivische Netzwerke in Versorgungsgebieten
(Cluster) und fungiert als direkte Verbindung zwischen MuSE und ESVE. Der Transfer
von Empfehlungen aus den anderen PREPARED-Funktionalitäten (insbesondere MuSE, ESVE,
HRM und StraKo) in die jeweiligen Regionen ist von hoher Bedeutung, um auf regionale
Entwicklungen eingehen zu können. In einer bidirektionalen Kommunikation werden
aufkommende Fragestellungen aus regionalen Clustern an die jeweiligen
Funktionalitäten der PREPARED-Infrastruktur kommuniziert, woraus sich Empfehlungen
zu regionalen Themen und Herausforderungen ableiten lassen. Die ReVI agiert demnach
auf der Mesoebene zwischen den regionalen Partnern innerhalb eines Clusters
(Mikroebene) und der PREPARED-Infrastruktur (Makroebene) und konzentriert sich auf
die Etablierung einer bidirektionalen Verbindung des Informations- und
Datenaustausches zwischen den jeweiligen regionalen Clustern und der
PREPARED-Infrastruktur, um ein Netzwerk als Kommunikationsplattform aufzubauen. Um
diese Aufgaben zu erfüllen, benötigt ReVI lokal geeignete Netzwerke, um den
zielgerichteten Informationsaustausch zwischen den relevanten regionalen Partnern zu
realisieren.
Strategische Kommunikationseinheit (StraKo)
Strategische Kommunikationseinheit (StraKo)
Im Falle einer zukünftigen Pandemie oder Krisensituation, in der mit Auswirkungen auf
die Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung zu rechnen ist, ist eine
einheitliche, transparente und zielgruppengerechte Kommunikation des NUM und aller
im NUM beteiligter sprechender Akteure von entscheidender Bedeutung. Damit kann den
Gefahren der Informationsüberflutung, einschließlich falscher oder irreführender
Informationen („Infodemie“ [33 ]) und
gemischter Botschaften an die Öffentlichkeit begegnet werden. Die Hauptaufgabe der
Unterstützungsfunktionalität StraKo besteht darin, Aussagen aus Gesundheits- und
Versorgungsforschung so zusammenzufassen, dass Wissenschaftlicher nicht nur als
Einzelpersonen, sondern auch als Vertreter für und im Namen von PREPARED innerhalb
des NUM sprechen. Weitere Aufgaben der StraKo umfassen die Sammlung und Bündelung
von Anfragen aus Politik, Gesellschaft und Medien und deren Weiterleitung an die in
PREPARED integrierten Forschungsnetzwerke. Die StraKo hat zudem die Aufgabe,
Anfragen zu priorisieren, wissenschaftliche Erkenntnisse insbesondere für Politik
und Medien zielgruppengerecht aufzubereiten, Kommunikatoren zu schulen und
regelmäßig Positionspapiere zu erstellen. Die Mitglieder der StraKo werden auch für
die Erarbeitung eines Verhaltenskodex (Code-of-conduct) verantwortlich sein, der das
grundsätzliche kommunikative Handeln (im Sinne der externen Kommunikation) des NUM
festlegt und für alle im NUM beteiligten Akteure verbindlich ist. Ein wesentlicher
Bestandteil des Verhaltenskodexes besteht in der Darlegung, ob eine in der
Öffentlichkeit abgegebene Erklärung als ein offizieller Standpunkt von PREPARED gilt
oder nicht. Trotz der Implementierung der StraKo wird niemandem die
(wissenschaftliche) Freiheit abgesprochen, seine persönliche Position in den Medien
oder anderweitig zu äußern.
Human Resource Management (HRM)
Human Resource Management (HRM)
Während der SARS-CoV-2-Pandemie waren die Einschränkungen im Human Resource
Management bedeutende Faktoren, die eine angemessene Reaktion der Gesundheitssysteme
beeinträchtigten [2 ]
[34 ]
[35 ]
[36 ]
[37 ]
[38 ]
[39 ]
[40 ]
[41 ]
[42 ]
[43 ]
[44 ]
[45 ]
[46 ]
[47 ]
[48 ]
[49 ]. Schon vor der Pandemie war eine
adäquate Personalausstattung mit qualifizierten Fachkräften im Gesundheitswesen eine
Herausforderung für das deutsche Gesundheitssystem. Diese Situation besteht fort,
wie auch im aktuellen Jahresgutachten des Sachverständigenrates Gesundheit und
Pflege beschrieben wird [42 ]. Zur
Förderung der Resilienz des Gesundheitssystems und der crisis
preparedness
[2 ] haben sich drei
Aspekte im Krisenfall als bedeutsam erwiesen: 1) Schutz und Förderung der
körperlichen Gesundheit des Gesundheitspersonals, 2) Erhalt und Förderung der
psychischen Gesundheit des Gesundheitspersonals und 3) Sicherung von Fachkräften und
Qualifizierung neuer Arbeitskräfte. Diese Aspekte werden in der Einheit der
Unterstützungsfunktionalität Human Resource Management (HRM) im Rahmen der
vorgeschlagenen PREPARED-Infrastruktur adressiert.
Zum Schutz und zur Förderung der körperlichen Gesundheit der Beschäftigten im
Gesundheitswesen werden in HRM Experten aus den Bereichen Infektionsprävention und
-kontrolle, Krankenhaushygiene, Arbeitsmedizin, Medizinische Psychologie, Virologie
und Mikrobiologie zusammenarbeiten. Es werden Schulungsmaterialien und
Implementierungskonzepte bereitgestellt, um den Herausforderungen durch neu
auftretende Krankheitserreger und andere krisenhafte Bedrohungen auf agile Weise zu
begegnen [46 ]. HRM wird mit MuSE, ESVE,
PakoP und ReVI zusammenarbeiten, um die aktuellsten Lagebilder und Evidenz zu
berücksichtigen sowie Handlungsempfehlungen auszusprechen und entsprechende Teams zu
schulen.
Für den Erhalt und die Förderung der psychischen Gesundheit der Beschäftigten im
Gesundheitswesen werden von HRM Experten aus den Bereichen Psychiatrie und
Psychotherapie, Psychosomatische Medizin, Medizinische Psychologie und
Arbeitsmedizin im Rahmen zusammenarbeiten. Gemeinsam mit MuSE und ReVI wird HRM auf
der Grundlage der datengestützten regionalen Surveillance (z. B. durch Kombination
von Indikatoren psychischer Gesundheit, intention to leave und Personalausstattung)
regionale Bedarfe und Belastungen ermitteln. Auf Grundlage der neuen S3-Leitlinie
„Psychische Gesundheit von Gesundheitspersonal in anhaltenden Krisenlagen“ [50 ] und ihrer Orientierungshilfe in den
Bereichen Verhältnis- und Verhaltensprävention und Gesundheitswissen wird HRM die
Leitlinie an neue Herausforderungen anpassen, diese kontinuierlich aktualisieren,
Implementierungs- und Schulungsmaterialien entwickeln, Beratungen für regional
zusammenarbeitende Teams anbieten und die Implementierung unterstützen und
monitoren.
Zur Fachkräftesicherung und Qualifizierung neuer Mitarbeitender werden Experten aus
den Bereichen Intensivmedizin, Notfallmedizin, Anästhesiologie, Infektionsprävention
und -kontrolle und weiteren betroffenen Disziplinen zusammenarbeiten, um die
Evidenzgrundlagen und Materialien (z. B. in einer aktuellen Schulungsbibliothek) für
evidenzbasierte Programme zur Weiterqualifizierung des bestehenden Personals und zur
Schulung und Qualifizierung neu eingestellter oder nicht-fachkundiger Mitarbeiter
für neu auftretende Herausforderungen bereitzustellen. Die S1-Leitlinie
„Empfehlungen zu Schulungen von Mitarbeitenden im Gesundheitswesen bei Einsatz
während der COVID-19-Pandemie“ [51 ] ist
hierfür ein Beispiel. Gemeinsam mit MuSE wird HRM die Personalausstattung und den
Bedarf an qualifizierten Beschäftigten im Gesundheitswesen überwachen. Darüber
hinaus wird HRM die Beratung der Teams für Infektionsprävention und -kontrolle
erleichtern („consult the consultants“).
Rapid Reaction- and Response-Cockpit (R3 -Cockpit)
Rapid Reaction- and Response-Cockpit (R3 -Cockpit)
Ziel des R3 -Cockpits ist es, dass alle Prozesse und Maßnahmen innerhalb
der PREPARED-Infrastruktur und zwischen den einzelnen Funktionalitäten konsistent,
übergreifend und möglichst redundanzfrei zusammenwirken. Um dies zu erreichen,
werden im R3 -Cockpit sowohl administrative als auch wissenschaftliche
Prozesse überwacht, gebündelt und strukturiert. Zentrale Aufgaben der
wissenschaftlichen Koordination sind die systematische Zusammenstellung
von transferrelevanten Erkenntnissen und entsprechenden Handlungsempfehlungen aus
den Kernfunktionalitäten MuSE, PakoP und ESVE sowie die Einbindung
wissenschaftlicher Netzwerke und der entsprechenden Ressourcen. Die
administrative Koordination umfasst das Management von Verträgen und
Vereinbarungen, von Kontakten und Netzwerken zu den relevanten Akteuren und
Institutionen sowie die technische, redaktionelle und inhaltliche Pflege des
R
3
-Hub s. Der Hub ist die virtuelle Manifestation
eines Teils des R3 -Cockpits, dessen Kernfunktion die semantisch sinnvoll
verknüpfte Bündelung, Aktualisierung und Zurverfügungstellung aller im Rahmen von
PREPARED generierten Informationen (Netzwerke, Datenzugänge, Literatur, Vernetzung
von Experten etc.) für alle beteiligten Stakeholder auf einer entsprechenden
Plattform (bzw. Dashboard) ist. Darüber hinaus werden im R3 -Cockpit
grundlegende Werkzeuge bereitgestellt. Dazu gehören z. B. strategische Verknüpfungen
zu Netzwerken, wie dem Modellierungsnetzwerk MONID oder Quick-Survey-Tools, mit
denen die Expertise relevanter Stakeholder in standardisierter, strukturierter und
systematischer Weise in Quick Surveys zu aktuell drängenden Fragen eingeholt werden
soll. Darüber hinaus stellt das R3 -Cockpit Toolboxen zur Verfügung, die
innerhalb der Funktionalitäten von PREPARED kontinuierlich weiterentwickelt werden.
Zu diesen gehören systematische Zusammenstellungen konkreter Methoden,
standardisierte Arbeitsanweisungen (SOPs), Vorlagen, Flussdiagramme, Handbücher
etc., die den forschenden Akteuren Werkzeuge für eine schnelle Erhebung und vor
allem Synthese und Integration wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie
vertrauenswürdige Handlungsempfehlungen in akuten Situationen bereitstellen. Durch
eine entsprechende technische Umsetzung sollte gewährleistet werden, dass alle
Akteure zügig und barrierearm auf diese Werkzeuge zugreifen und diese nutzen
können.
Governance
Studien während der SARS-CoV-2-Pandemie haben gezeigt, dass sich eine unterstützende
Führung unabhängig vom spezifischen Führungsstil positiv auf das Gesundheitssystem,
die Beschäftigten im Gesundheitswesen und die damit verbundenen Prozesse auswirken
kann [18 ]
[52 ]
[53 ]
[54 ]. Auf übergeordneter
Ebene wird das deutsche Gesundheitssystem durch eine gemeinsame Selbstverwaltung
gesteuert. Auf der Ebene der großen Leistungserbringer, wie den
Universitätskliniken, wird diese Selbstverwaltung durch eine hierarchische Steuerung
umgesetzt. Während der SARS-CoV-2-Pandemie wurde jedoch deutlich, dass sich
Top-Down-(hierarchische) Governance-Systeme negativ auf die Reaktionsfähigkeit
auswirkten, insbesondere unter unsicheren und sich ständig ändernden Bedingungen
[55 ]
[56 ]
[57 ].
Dies weist auf die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels bei der Steuerung zumindest
des Gesundheitsforschungssystems hin, bei dem die Klarheit eines
Top-Down-Führungsstils (Leadership) mit der Bottom-up-Methode der Mitbestimmung und
gemeinsamen Entscheidungsfindung (Partizipation) kombiniert wird [55 ]. Ziel der PREPARED-Governance ist es
daher, eine zeitgemäße Governance für Pandemic Preparedness und die
Pandemie-response zu erforschen und insbesondere zu untersuchen, ob Leadership in
Krisensituationen schneller, innovativer und resilienter sein kann, indem agile
Methoden angewandt und die Resilienz durch eine Kombination aus Top-down-Leadership
und Bottom-up-Partizipation gestärkt werden kann. Um diese Frage zu untersuchen und
einen kombinierten Ansatz von Leadership und Partizipation zu gewährleisten,
entwickelt PREPARED potenziell geeignete agile Methoden, integriert diese in seine
Governance und Organisation und evaluiert diese Maßnahmen fortlaufend. Die
Governance von PREPARED basiert auf einer klaren, hierarchischen Struktur und einer
uneingeschränkten Verpflichtung zur Kooperation zwischen allen relevanten Akteuren.
In interpandemischen Phasen werden agile Methoden zu Schulungszwecken eingesetzt, um
die demokratisch legitimierten Partner und das System für den Fall einer künftigen
Pandemie oder einer anderen Krise flexibel und in hohem Maße anpassungsfähig zu
halten. Darüber hinaus werden in interpandemischen Phasen agile Methoden trainiert
und zur Organisationsentwicklung eingesetzt. In Krisenzeiten können agile Methoden
aktiv eingesetzt werden, um die zentralen Ziele von PREPARED zu erreichen.
Alle Funktionalitäten wurden im Rahmen der Konzeptentwicklung ethisch bewertet und
evaluiert. Aus Sicht des NUM und im Hinblick auf bereits bestehenden Komponenten
ergänzt die PREPARED-Infrastruktur eine fehlende Komponente, die als Surveillance
and Rapid Reaction- and Response-Platform beschrieben werden kann, die 1)
die Resilienz des Forschungs- und Gesundheitssystems in Krisensituationen erhöhen
wird, indem sie auf die Bedürfnisse eingeht, die aus kontinuierlichen und saisonalen
Herausforderungen erwachsen, 2) Punkt 1) nutzen wird, um alle Funktionalitäten und
Kooperationen zu trainieren, und somit 3) die Leistung im Rahmen von
Krisensituationen auf der Grundlage von 1)+3) sowie durch Stresstests zu erhöhen und
somit die Resilienz zu verbessern.
Fazit und Ausblick
Während der SARS-CoV-2-Pandemie war die Organisation der wissenschaftlichen Forschung
und der gesundheitspolitischen Beratung durch langsame und ineffiziente Prozesse in
der Umsetzung herkömmlicher Methoden der evidenzbasierten Medizin sowie durch
mangelhafte Koordination der Kommunikation von Evidenz gekennzeichnet. Ausgehend von
dieser Problematik zielt das PREPARED-Forschungsinfrastrukturkonzept für eine
Pandemic Preparedness in Deutschland auf eine kooperative, zügige, effiziente und
nachhaltige Reaktion auf krisenhafte Bedrohungen für Gesellschaft und
Gesundheitsversorgung. Das Konzept geht auf die Herausforderungen ein, denen sich
das universitäre Gesundheitsforschungssystem während der SARS-CoV-2-Pandemie stellen
musste. Die vorgeschlagene PREPARED-Forschungsinfrastruktur wird den Rahmen und die
Basis für eine effiziente Zusammenarbeit sowie eine zielgerichtete Kooperation und
Kommunikation sowohl in interpandemischen als auch pandemischen Phasen bilden. Mit
ihren vier Kern- und drei Unterstützungsfunktionalitäten deckt die Infrastruktur
alle relevanten Handlungsfelder zur Erhöhung der Resilienz eines
Gesundheitsforschungssystems ab. Im nächsten Schritt wird die Infrastruktur eine
Proof-of-Concept-Phase durchlaufen, in der zwei hypothetische, aber realistische
Anwendungsfälle getestet werden (A: Antimikrobielle Resistenz aufgrund einer
plötzlichen Zunahme von Carbapenemase-produzierenden Bakterien - eine „langsame,
aber akzentuierte Pandemie“; B: (Klassische Verlaufs-)Pandemie mit einem neuartigen
zoonotischen Influenza-A-Virus (respiratorische Übertragung), das Europa erreicht).
Nach einer umfassenden wissenschaftlichen Evaluation wird die PREPARED-Infrastruktur
unter Berücksichtigung dieser Ergebnisse dauerhaft eingeführt. Das
PREPARED-Forschungsinfrastrukturkonzept ergänzt nach erfolgreicher Implementierung
als kollaborative nationale Infrastruktur das Pandemiekonzept des RKI, um die
Pandemic Preparedness des deutschen Gesundheitsforschungssystems für zukünftige
Krisen zu erhalten und damit seine Resilienz zu erhöhen.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Einhaltung ethischer Richtlinien
Bei der Erstellung dieses Manuskripts haben sich die Autoren an die neueste Fassung
der „Deklaration von Helsinki des Weltärztebundes – Ethische Grundsätze für die
medizinische Forschung am Menschen“ gehalten.
Funding Information
Bundesministerium für Bildung und Forschung —
http://dx.doi.org/10.13039/501100002347; 01KX2121