Einleitung
Der spezifische Rückenschmerz ist ein häufiges Krankheitsbild. In der Radiologie ist er diagnostisch als auch therapeutisch von Bedeutung.
Der spezifische Rückenschmerz kann eingeteilt werden in den radikulären Schmerz, der in Abhängigkeit von der bedrängten Nervenwurzel zu einem entsprechend definiertem Muster im Dermatom, Myotom und Kennmuskel(n) führt ([Tab. 1]). Der nocizeptive Schmerz ist der durch eine akute oder chronische Reizung verursachte Schmerz, sowohl in Facettengelenken wie auch im Bereich von Wirbelkörperendplatten und im Bereich der Iliosakralgelenke. Der nocizeptive Schmerz wird verstärkt lokal empfunden, kann teilweise aber auch pseudoradikulär ausstrahlen ([Tab. 2]). Diese Schmerzarten sind definiert als ein morphologisch begründeter Rückenschmerz.
Tab. 1 Klinisch häufig betroffene Nervenwurzeln mit entsprechenden Dermatomen und zugeordneten Bewegungssegmenten.
Nervenwurzel
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Dermatom
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Bewegungssegment
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C4
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Schulter
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Schulterelevation
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C5
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Laterale Schulter, Musculus deltoideus
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Ellenbogenbeugung
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C6
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Ober- und Unterarm radialseitig, Daumen
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Handgelenksstreckung
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C7
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Finger II bis IV, Streckseite Hand und Unterarm
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Ellenbogenstreckung
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C8
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Kleinfinger, Unterarm ulnarseitig
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Handmuskulatur
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Th1
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Mediale Seite Ellenbogenregion
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Handmuskulatur
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L1
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Leiste
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Hüftbeugung
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L2
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Leiste, proximaler ventraler Oberschenkel
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Hüftbeugung
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L3
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Ventraler Oberschenkel, mittleres Drittel bis distales Drittel
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Kniestreckung, Adduktion
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L4
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Oberschenkel lateral, Patella, Unterschenkel medial
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Kniestreckung, Hüftbeugung
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L5
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Streckseitiger Unterschenkel, streckseitiger Fuß, Großzehe
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Großzehenhebung, Fußhebung
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S1
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Dorsaler Oberschenkel, dorsaler Unterschenkel, lateraler Fuß, Ferse
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Fußsenkung, Oberschenkelstreckung, Oberschenkelaußenrotation
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Tab. 2 Facettengelenksdegeneration: Lokalisation und typische Klinik.
Lokalisation
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Klinik
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Cervikal
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Schmerzen cervikal, insbesondere bei Rotation und/oder Reklination, teilweise aufsteigender Kopfschmerz.
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Thorakal
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Schmerzen thorakal bei Rotation und/oder Beugung, teilweise in die Rippen ausstrahlend, eingeschränkte Mobilität.
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Lumbal
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Tiefsitzende Schmerzen führend nach längerer Belastung, morgendlicher „Anlaufschmerz“. Ausstrahlend in die Leiste, Hüfte und lateralen Oberschenkel.
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Beachtet werden muss beim spezifischen Rückenschmerz, dass auch eine nociplastische Schmerzkomponente überlagernd mit vorliegen kann, d.h. der im Rücken entstehende Schmerz wird zentral moduliert [1]
[2]. In Abhängigkeit vom Muster der degenerativen oder auch traumatischen Veränderungen an der Wirbelsäule können sich radikulärer und nocizeptiver Schmerz auch überlagern.
Die enorme Bedeutung des Rückenschmerzes als medizinischer Brennpunkt zeigt sich an mehreren Kennzahlen. 60% der Patienten mit spezifischem Rückenschmerz haben kontinuierliche oder rezidivierende Rückenschmerzen ein Jahr nach Stellung der Diagnose. 15–40% der Patienten mit einer gesicherten symptomatischen Radikulopathie entwickeln ein chronisches Schmerzsyndrom oder erleiden regelmäßige Rezidive [3]. Zudem nimmt die Prävalenz des spezifischen Rückenschmerzes mit dem Alter zu [4].
Der spezifische Rückenschmerz muss klar abgegrenzt werden vom unspezifischen Rückenschmerz. Beim unspezifischen Rückenschmerz besteht keine morphologische Grundlage für den geklagten Schmerz. Beim unspezifischen Rückenschmerz ist primär keine Bildgebung indiziert [5]
[6].
Im folgenden narrativen Review sollen die häufigsten degenerativen Ursachen für spezifischen Rückenschmerz im Bereich von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule beim Erwachsenen erläutert werden. Zudem sollen die diagnostischen Möglichkeiten und abschließend die therapeutischen Möglichkeiten und ihre Limitationen betrachtet werden.
Methode
Es erfolgte eine ausführliche Literaturrecherche zum Thema spezifischer Rückenschmerz, radiologische Interventionen und Bildgebung beim spezifischen Rückenschmerz. Ein weiterer Fokus der Recherche wurde auf die entsprechenden deutschen Leitlinien zum Thema Rückenschmerz gelegt, gleichzeitig die europäischen und amerikanischen Leitlinien beachtet und um Rahmen der erweiterten Recherche auch komplementäre Bereiche, wie die chirurgische/orthopädische Therapie, Verhaltenstherapie und Physiotherapie einbezogen ([Abb. 1]). Bei der Auswahl der Artikel wurde die Plausibilität der Ergebnisse und Durchführbarkeit der Empfehlungen für die praktische Anwendung am Patienten unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Ressourcen im deutschen Gesundheitssystem mit einbezogen, so dass das Review praxisnahe und patientenzentrierte Aussagen treffen kann.
Abb. 1 Zusammenstellung und Auswahl der benutzten Literatur.
Ergebnisse
Ursachen für spezifischen Rückenschmerz
Diskus intervertebralis: Der Diskus intervertebralis liegt als pufferndes Element zwischen den Wirbelkörpern. Bei einer Vorwölbung oder Herniation nach dorsal resultiert eine Einengung des Spinalkanals, gegebenenfalls – je nach Morphologie des Schadens – auch eine kombinierte oder isolierte Einengung einer oder beider Neuroforamina oder der Recessus.
Facettengelenke: Als gelenkige Verbindung zwischen den Wirbelkörpern können Facettengelenke arthrotische Veränderungen aufweisen, über die Zeit kombiniert mit einer Hypertrophie und je nach Art der Belastung kombiniert mit einer entzündlichen Affektion. Ebenso kann es zu einer schnell voranschreitenden und ausgeprägten Facettengelenksarthrose kommen, wenn eine Spondylolisthesis vorliegt.
Entsprechend kann es zu einer neuroforaminalen Einengung mit intraforaminaler Nervenwurzelaffektion, zu einer spinalen Einengung mit intraspinaler oder recessaler Nervenwurzelaffektion kommen oder einzeln beziehungsweise auch kombiniert unabhängig auftretend zu einer lokalen entzündlich bedingten Schmerzsymptomatik.
Spinalkanal: Einengung des Spinalkanals durch Diskusherniation, durch Spondylarthrose, durch Lipomatose oder durch ligamentäre Hypertrophie oder durch Kombinationen aus den zuvor genannten Veränderungen. Daraus resultiert eine Nervenaffektion intraspinal oder im Recessus.
Wirbelkörper: Endplatten Degenerationen und nicht traumatische Mikrofrakturierungen führen zu einer lokalen Schmerzsymptomatik auf Höhe der Veränderungen.
ZNS: In der Zusammenschau des spezifischen Rückenschmerzes muss – wie auch beim unspezifischen Rückenschmerz – das Zentrale Nervensystem mit in Betracht gezogen werden. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass bei vielen Menschen erhebliche morphologische Veränderungen vorliegen, die keinerlei Beschwerden verursachen. Bei anderen wiederum führen leichte morphologische Veränderungen der Wirbelsäule zu stärksten immobilisierenden Schmerzen. Insofern muss eine über das zentrale Nervensystem bedingte Schmerzmodulation und Schmerzwahrnehmung berücksichtigt werden [4]
[7]
[8].
Patienteninformation
Die Bildgebung muss immer in Abhängigkeit von der Klinik erfolgen. Eine Studie weist darauf hin, dass Patienten sich aufgrund der mitgeteilten Befunde in der MRT Untersuchung unter Umständen kränker fühlen, als ohne Kenntnis der Untersuchungsbefunde [9]. Eine andere Untersuchung zeigt, dass gerade Patienten bei denen die MRT Untersuchung keine Pathologie im Bereich des Rückens ergab, stärkere und länger anhaltende Beschwerden aufweisen, als solche Patienten bei denen im MRT eine Nervenaffektion als Ursache nachgewiesen werden konnte [10].
Es ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass es große Unterschiede in der Kommunikation der Befunde innerhalb der Radiologie gibt. Einige Kollegen vermeiden die direkte Befundmitteilung oder erläutern und bewerten die Befunde gegenüber den Patienten in für den medizinischen Laien unverständlicher Sprache. Je nachdem, welches Vorgehen gewählt wird, reagiert der Patient, möglicherweise auch im Hinblick auf den weiteren Verlauf und Prognose seiner Erkrankung ganz individuell [11]
[12]
[13].
Aufgrund dessen ist es gerade bei einer so häufig vorkommenden Erkrankung wie dem Rückenschmerz wichtig, den Patienten richtig durch seine Erkrankungsphasen zu begleiten. Es muss klar und auch für den Patienten verständlich sein, dass nur dann eine zielgerichtete Behandlung erfolgen kann, wenn der in der Bildgebung festgestellte Befund zu den Beschwerden passend ist, es sich also um einen spezifischen Rückenschmerz handelt und eben nicht um Rückenschmerzen, bei denen begleitende, im Moment keine Beschwerden verursachenden Pathologien vorliegen, handelt, die zufälliger Weise durch die aktuelle Bildgebung miterfasst worden sind. In dieser Kausalkette ist gerade der Radiologe als erster Überbringer der Diagnose gefordert und kann unter Umständen den weiteren Heilungsprozess positiv beeinflussen [12].
Die Leitlinie „Lumbale Radikulopathie“ als auch die Leitlinie „Spezifischer Kreuzschmerz“ definieren klar den spezifischen Rückenschmerz und zeigen, dass die klinische und körperliche Untersuchung wichtige Hinweise auf die Ätiologie des Rückenschmerzes liefert. Über Klinik und Untersuchung kann somit relativ sicher der spezifische vom unspezifischen Rückenschmerz differenziert werden. Es kann vorkommen, dass in der täglichen Praxis nicht die Möglichkeit besteht, ausreichend gründlich zu untersuchen, so dass eine Bildgebung unter Umständen zu früh oder nicht spezifisch genug veranlasst wird.
Die oben genannten Leitlinien sehen vor, dass die Schnittbildgebung in der Regel als MRT, ggf. ergänzt durch ein Röntgen in zwei Ebenen im Stehen als Methode der Wahl anzusehen ist.
Auch die Durchführung einer CT – Untersuchung, falls Kontraindikationen für eine MRT Untersuchung vorliegen, ist vorgesehen.
Die Leitlinien verweisen kritisch darauf, dass unter Umständen durch eine nicht indizierte Bildgebung und eine falsche Befundkommunikation die Beschwerden des Patienten aggraviert werden können [5]
[6]. Die einzige zu diesem Themenbereich aufgeführte Literaturstelle ist aus dem Jahre 2005 [9]. Neuere Arbeiten zeigen, dass bei jüngeren Patienten unter 50 Jahren eine Assoziation zwischen Rückenschmerz und im MRT gefundenen Pathologien besteht, ohne eine eindeutige Kausalität nachweisen zu können [7]. Auch für Patientengruppen bei denen ein stark ausgeprägter Rückenschmerz besteht, konnte eine Korrelation zwischen MRT Befunden und Klinik der Patienten nachgewiesen werden [14].
Auf der anderen Seite gibt es den natürlichen Verschleiß, der mit dem Alter auch für die Wirbelsäule zunimmt und nachweisbar ist. Wenn man nur die asymptomatischen Patienten betrachtet, zeigen diese sowohl Bandscheibenherniationen wie auch Spondylarthrosen in unterschiedlichem Ausmaß. Allerdings fokussieren sich viele Untersuchungen an sogenannten asymptomatischen Patienten nicht auf den Verlauf, sondern untersuchen lediglich einen Zeitpunkt in der Krankengeschichte. Da aber sowohl Degenerationen der Wirbelgelenke wie auch Bandscheibenherniation als bildmorphologischer Befund über die Beschwerdesymptomatik hinaus Bestand haben – wenn sie nicht einer operativen Intervention zugeführt worden sind – ist die Methode vieler Arbeiten zumindest im Hinblick auf die Hypothese bildmorphologischer Befunde bei asymptomatischen Patienten kritisch zu hinterfragen. Zudem fällt auf, dass viele der auch in aktuellen Reviews zitierten Untersuchungen mit einem errechneten durchschnittlich zurückliegendem Publikationsdatum von 9,8 Jahren relativ alt sind [7]
[15]
[16].
Aus der Betrachtung anderer Arbeiten ergibt sich wiederum, dass bestimmte degenerative, deformierende Veränderungen der Wirbelsäule sehr wohl signifikant mit Beschwerden verknüpft sind [4]
[17].
Ebenso gibt es einige Arbeiten, die zeigen konnten, dass auch bei älteren Menschen eine Korrelation zwischen MRT Befund und Schmerzsymptomatik besteht. Diese ist umso größer ausgeprägt, je besser die Indikation zum MRT gestellt wurde. Somit wird das Prinzip der Leitlinien „Spezifischer Kreuzschmerz“ und „Lumbale Radikulopathie“ bestätigt: erst klinisch untersuchen, dann eine zielgerichtete Bildgebung veranlassen [4]
[5]
[6]
[18].
Unser Meinung nach muss damit einhergehend die Radiologie eine Schlüsselrolle übernehmen. Natürlich soll der Radiologie nicht den klinisch arbeitenden und zuweisenden Arzt ersetzen, aber wenn eine Überweisung zum MRT der gesamten Wirbelsäule mit der Verdachtsdiagnose „Akute Dorsalgie“ auftritt, dann bedarf es eines kurzen Gespräches mit dem Patienten. Dieses kann oder muss ggf. mit einer kurzen zielführenden klinischen Untersuchung kombiniert werden. Es gilt zielgerichtet eine wahrscheinliche Verdachts-Diagnose zu stellen und ebenso zielgerichtet zu untersuchen. Damit eröffnet sich für den Patienten die Möglichkeit einer schnellen und richtigen Diagnose sowie einer schnellen Therapie, dies führt auch zu einer Schonung von Ressourcen.
Die Leitlinien geben hier sehr gute Anhaltspunkte, um zielgerichtet die richtige Untersuchung indizieren zu können [5]
[6] ([Tab. 1], [Tab. 2]).
Radiologische Untersuchung
Radiologische Untersuchung
Als Methode der Wahl, insbesondere im Hinblick auf eine schnelle und zielgerichtete Diagnose, ist bei Rückenschmerz die Ätiologie des Rückenschmerzes zu beachten.
Beim unspezifischen Rückenschmerz sollte in den ersten 6 Wochen nach erstmaligem Auftreten der Beschwerden keine Bildgebung erfolgen. Ausnahmen sind die sogenannten „red flags“, also Umstände, die auf eine akute Gefahr hindeuten, wie Lähmung, Bewegungseinschränkung, eine eindeutige radikuläre Symptomatik u.a. [5]
[6]. Wenn man in Betracht zieht, dass auch in Deutschland und vielen anderen Ländern erhebliche Wartezeiten entstehen, bis man sich bei einem Arzt oder Facharzt vorstellen kann, muss diese Vorgabe wirklich im Sinne der Leitlinie „Nicht spezifischer Kreuzschmerz“ verstanden werden [19]. Nicht 6 Wochen nach dem ersten Arztbesuch soll eine Bildgebung erfolgen, sondern 6 Wochen nach Auftreten der Beschwerden bei Beschwerdepersistenz.
Eine aktuelle Untersuchung zum Thema Rückenschmerz konnte zeigen, dass im Patientenkollektiv der Studie der Patient von 65 Jahren und älter durchschnittlich erst 10 Wochen nach Auftreten der Beschwerden zum Arzt geht und der Patient unter 65 Jahren durchschnittlich erst nach 17 Wochen nach dem ersten Auftreten der Beschwerden Kontakt zum behandelnden Arzt aufgenommen hat [4].
Vor allem hinsichtlich der konventionellen Röntgendiagnostik in der Abklärung des Rückenschmerzes besteht kein einheitliches Meinungsbild. Über die Indikation und den sinnvollen Einsatz wird zunehmend – insbesondere im Hinblick auf die Strahlenhygiene – kritisch diskutiert [20]
[21]
[22].
Besteht von der Klinik und nach der körperlichen Untersuchung der Verdacht auf eine durch Fehlhaltung oder Fehlanlage bedingte symptomatische Pathologie, also Skoliose oder Listhesis ist ein konventionelles Röntgen der Wirbelsäule im Stehen in zwei Ebenen indiziert [23]
[24]
[25].
Von einem konventionellen Röntgen der Wirbelsäule in zwei Ebenen bei Verdacht auf spezifischen, nicht traumatischen Rückenschmerz ist aufgrund der eingeschränkten Aussagekraft abzuraten. Ungeachtet dessen ist dies dennoch nach den Leitlinien zulässig [5]
[6]
[22].
Die Aussagekraft des konventionellen Röntgen ist beschränkt, insbesondere wenn eine spinale oder neuroforaminale Nervenwurzelaffektion vermutet wird, kann ein konventionelles Röntgen maximal Anhaltspunkte liefern, um eine weitere Schnittbilduntersuchung zu indizieren. Dennoch schließt auch ein unauffälliges Röntgen der Wirbelsäule eine Nervenwurzelaffektion spinal oder neuroforaminal keinesfalls aus.
Sollte von der klinischen Symptomatik der Verdacht auf eine radikuläre oder pseudoradikuläre Symptomatik bestehen, ist eine MRT Untersuchung der entsprechenden Region indiziert. Hiermit können eindeutig eine Einengung des Spinalkanals als auch der Neuroforamina beurteilt werden. Zudem liefert die MRT Untersuchung nicht nur eine Aussage über eine begleitende Spondylarthrose, sondern zeigt auch eine mögliche entzündlich aktivierte Spondylarthrose an, die bei einer entsprechenden Beschwerdesymptomatik behandelt werden kann. Kontrastmittel muss letztlich zu diesem Zweck nicht injiziert werden. Es gibt zahlreiche Arbeiten, die zeigen, dass über fettsupprimierte T2 Wichtungen ein Knochenmarköden und/oder eine begleitende Flüssigkeitsansammlung im Gelenk einen eindeutigen Hinweis auf eine aktivierte Spondylarthrose liefert [26]
[27].
Die in den Leitlinien vorgeschlagene Meinung eine probatorische Infiltration der Facettengelenke als Beweis der Diagnose durchzuführen, wird nicht von allen uneingeschränkt geteilt [28]. Zudem sollte kritisch hinterfragt werden, wie sich das Medikamentengemisch tatsächlich verteilt, welches eigentlich im Facettengelenk appliziert werden sollte. Allein aufgrund des anatomisch sehr engen Gelenkspaltes werden immer Anteile des Medikamentes auch außerhalb des Facettengelenkes lokalisiert sein und dort eine Wirkung entfalten. Durch die unmittelbare Nachbarschaft zum Neuroforamen bedeutet dies auch, dass eine Wirkung auf den austretenden Nerv ausgeübt wird und damit möglicherweise die auslösende Patho-Anatomie falsch oder nicht vollständig richtig eingeschätzt wird, beispielsweise wenn neben einer aktivierten Spondylarthrose auch noch eine neuroforaminale Einengung vorliegt [4].
Die MRT Untersuchung ermöglicht es in solchen unklaren Fällen über eine genaue Analyse der beteiligten Strukturen das zugrunde liegende Krankheitsbild besser zu verstehen. So weisen Ödeme im Bereich der Gelenke, der Nervenwurzel und der Wirbelkörperendplatten auf eine akute Pathologie hin. Der direkte Nachweis des Ödems erfolgt mittels fettsupprimierter T2 Sequenz. Auch die Kontrastmittelaufnahme im Facettengelenk als auch als perineural weist auf eine zugrunde liegende akute Pathologie hin.
Auf die Kontrastmittelapplikation kann in den meisten Fällen verzichtet werden, da schon die nachweisbare Schwellung des Nerven und das Ödem ausreichende Hinweise auf die zugrunde liegende Pathologie sind [29]
[30]
[31]
[32]
[33].
Damit imponiert die MRT Untersuchung als die aussagekräftigste der zur Verfügung stehenden Untersuchungen. Des Weiteren ist sie strahlungsfrei. Sie ermöglicht sowohl die biomorphologische Zuordnung von radikulären oder pseudoradikulären Symptomatiken als auch das Diagnostizieren von eindeutig degenerativen Veränderungen der Wirbelkörperendplatten sowie der Facettengelenke. Als Zusatz bietet diese Methode noch eine Aussage darüber, ob die Degenerationen zum Zeitpunkt der Untersuchung akut entzündlich verändert sind. Damit ist eine Diagnose sicherzustellen oder auszuschließen und erspart dem Patienten eine unnötige probatorische Behandlung.
Eine aktuelle MRT Untersuchung wird sowohl von der neurologischen Leitlinie „Lumbale Radkulopathie“ als auch von der orthopädischen Leitlinie „Leitlinie zur konservativen, operativen und rehabilitativen Versorgung bei Bandscheibenvorfällen mit radikulärer Symptomatik“ empfohlen mit dem klaren Verweis darauf zu achten, dass die Klinik des Patienten und der erhobene Befund zueinander passen müssen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass eine Überinterpretation der MRT Befunde zu vermeiden sei, um einer Patientenverunsicherung vorzubeugen [6]
[34]. Dies ist aus unserer Sicht vor allem zu betonen, da die MRT Untersuchung über die oben genannten morphologischen Kriterien ganz klar erlaubt festzustellen, ob eine Nervenwurzelaffektion vorliegt oder nicht. Aus diesem Grund sollte zumindest eine fettsupprimierte T2 Sequenz ins MRT Protokoll integriert werden ([Tab. 3]).
Tab. 3 Beispielhafte MRT Protokolle.
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HWS
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BWS
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LWS
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Spule
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Kopf-Halsspule, Wirbelsäulenspule
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Wirbelsäulenspule
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Wirbelsäulenspule
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Untersuchungsvolumen
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kraniozervikaler Übergang bis Deckplatte BWK 1
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Grundplatte HWK7 bis Deckplatte LWK 1
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Brustwirbelkörper 12 bis Os sakrum
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Schichtdicke 2D
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≤ 3mm
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≤ 3mm
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≤ 3mm
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Schichtdicke 3D
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≤ 1,5mm
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≤ 1,5mm
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≤ 1,5mm
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Sequenzen
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T1, T2, T2 fettgesättigt; sagittal, transversal, ggf. koronar
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T1, T2, T2 fettgesättigt; sagittal, transversal, ggf. koronar
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T1, T2, T2 fettgesättigt; sagittal, transversal, ggf. koronar
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Radiologische Therapiemöglichkeiten
Radiologische Therapiemöglichkeiten
Der Radiologe spielt auch in der multidisziplinären Schmerztherapie eine entscheidende Rolle. Wenn ein spezifischer Rückenschmerz gesichert ist und klinisch und bildmorphologisch ein eindeutiger Ursprung zu diagnostizieren ist, kann bildgestützt minimal invasiv behandelt werden. Wichtig ist, punktgenau und nicht unnötig mehrere Segmente zu behandeln. Demnach soll so wenig wie nötig und an so wenigen Orten wie nötig behandelt werden. Die relative Zielgenauigkeit ist ebenso entscheidend, wie ein genau definiertes Ziel. Stichwort: Bild und Klinik.
Als radiologische Behandlungsmethoden kommen die MRT oder CT gesteuerte epidurale/neuroforaminale Injektionstechnik oder die Facettengelenksinfiltration/Facettengelenksdenervation oder Kombinationen der Verfahren in Frage. Ein weiteres Therapiefeld für die radiologische interventionelle Schmerztherapie ist die Therapie von raumfordernden Synovialiszysten.
Je nach Art der Bedrängung des Nerven durch Discus und/oder knöcherne Degenerationen und/oder Synovialiszyste sollte der therapeutische Zugangsweg gewählt werden.
Ziel ist durch die gezielte bildgesteuerte Medikamentenapplikation an den Ort der Schmerzentstehung das lokale Entzündungsgeschehen einzudämmen und somit die Beschwerdesymptomatik zu bessern oder im besten Falle beenden zu können.
Sollte der klinischen Symptomatik eine Nervenwurzelaffektion durch eine Bandscheibenherniation oder knöcherne neuroforaminale Einengung zugrunde liegen, ist die periradikuläre Therapie als ein Erfolg versprechendes Verfahren in Betracht zu ziehen.
Interventionell werden der transforaminale anterolaterale Zugang, der transforaminale laterale Zugang, der transforaminale posterlaterale Zugang, der interlaminäre dorsale Zugang im Rahmen der epi- und periduralen Infiltrationstherapie benutzt [35]
[36]
[37].
Bei den transforaminalen Interventionen wird unter CT- oder MRT-Kontrolle ein Trokar in unmittelbare Nähe zum Neuroforamen eingebracht ([Abb. 2]). Die Trokarlage wird bis zu einer optimalen Position in unmittelbarer Nachbarschaft zum Punkt der Schmerzentstehung kontrolliert und bei korrekter Lage das Medikament appliziert. Das Medikament verteilt sich in aller Regel epidural entlang der austretenden Nervenwurzel und lässt sich anteilig bis nach intraspinal epidural verfolgen. Ebenfalls lassen sich Anteile des Medikaments perineural und in Teilen auch im anliegenden Fett- und Weichteilgewebe nachweisen [38].
Abb. 2 Verschiedene Zugangswege der radiologischen minimal invasiven Schmerztherapie.
Als Alternative kann ein epiduraler translaminärer Zugangsweg gewählt werden, bei dem der Zugang zwischen den dorsalen Anteilen der Wirbelbögen gewählt wird und nach Verifizierung der korrekten epiduralen Lage das Medikament injiziert wird [39].
Die Komplikationsrate der verschiedenen Zugangswege ist vergleichbar niedrig [40].
Bei einer aktivierte Facettengelenksarthrose als Grund für die Beschwerdesymptomatik wird der Trokar unmittelbar in das oder unmittelbar an das Facettengelenk positioniert und dort das Medikament injiziert. In diesem Fall zeigen sich wenige Anteile des Medikaments unmittelbar im Gelenkspalt, weite Anteile zeigen sich periartikulär.
Bei der Facettengelenksinfiltration wird zudem von manchen Autoren technisch die Nervenblockade des Medialastes des Ramus dorsalis der Facettengelenke unterschieden. Diese Blockade dient dazu, die die Gelenkkapsel und das Facettengelenk innervierenden Äste zu behandeln [41]
[42]. Auch eine Kombination aus transforaminalem Zugang mit begleitender Facettengelenkstherapie ist bei einer entsprechenden klinisch und bildmorphologisch passender Ätiologie der Beschwerden problemlos und sicher möglich.
Die Facettengelenksdenervation als radiologisches Verfahren arbeitet mit einer physikalischen Ablation des Medialastes des Ramus dorsalis oder der Gelenkkapsel des Facettengelenkes. Radiofrequenzablationen in verschiedenen technischen Modifikationen wie die gekühlte, gepulste, chemische oder thermische Radiofrequenzablation können unter bildgebender Kontrolle durchgeführt werden [43]
[44]
[45].
Im Rahmen der Facettengelenksdegeneration sind als Begleiterscheinung Synovialiszysten zu beobachten, manche von ihnen zeigen über den zeitlichen Verlauf eine Größenprogredienz. Diese flüssigkeitsgefüllten Hohlräume mit Kapsel sind periartikulär lokalisiert und können, je nach Lokalisation das Neuroforamen, den Spinalkanal oder beide Räume einengen. Die daraus resultierende Nervenaffektion kann durch eine mechanische Sprengung der Synovialiszyste aufgelöst werden. Im Rahmen dieser Interventionen werden die Zysten sondiert und mittels Injektion gesprengt. Unterschiedliche Arbeitsgruppen verwenden sowohl unterschiedliche Substanzen als auch Mengen. In vielen Fällen wird auf Cortisonzubereitungen zurückgegriffen, teilweise erfolgt die Sprengung zunächst mit physiologischer Kochsalzlösung und anschließend erfolgt die Gabe von Cortison. Die Interventionen sind sowohl unter Durchleuchtungskontrolle wie auch unter Schnittbildkontrolle beschrieben [46]
[47]
[48]
[49].
Das anatomisch zur Verfügung stehende Verteilungsvolumen für die applizierten Medikamente ist insgesamt sehr klein. Der anterolaterale epidurale Raum im Segment L5/S1 wird in einer Untersuchung an anatomischen Präparaten mit durchschnittlich 1,1ml angegeben, an chirurgischen Präparaten mit 0,9ml [50]. Der intraartikuläre Raum im Facettengelenk beträgt nach experimentellen Berechnungen wenige µl und ist unter physiologischen Bedingungen nicht mit bildmorphologisch detektierbaren Flüssigkeitsmengen gefüllt [51]. Lediglich im Rahmen einer Degeneration oder im Rahmen einer akuten entzündlichen oder traumatischen Veränderung kann der intraartikuläre Raum des Facettengelenkes mit Flüssigkeit angefüllt sein. Auch dann ist das Verteilungsvolumen als sehr gering anzusehen.
Dosierung
In vielen Untersuchungen und auch in den deutschen Leitlinien zum Themenkomplex spezifischer Rückenschmerz wird Triamcinolon als Medikament der Wahl beschrieben. Bezüglich der optimalen Dosis des Triamcinolon wird eine Dosis von 10mg pro Injektion empfohlen [6]
[19]
[34]
[52]
[53]. Die Literatur berichtet gleichwohl über Einzeldosen von bis zu 80mg [52]. Grundlage für diese auch in den Leitlinien übernommenen Empfehlung von Dosierungen im Bereich von 10mg ist die Tatsache, dass eine höhere Dosierung keinen statistisch signifikanten Nutzen bzgl. Beschwerdefreiheit und Patientenzufriedenheit zeigen konnte und das gleichzeitig eine niedrige Dosierung wünschenswert ist, um ernsthafte Nebenwirkungen des Triamcinolon wie Schlaflosigkeit, eine flush-Symptomatik des Gesichtes, Übelkeit, Fieber, unter seltenen Umständen Dysfunktion der Hypothalamus-Hypophysen-Achse zu vermeiden. Ebenso als Nebenwirkung beschrieben sind Hypertonie, Ödeme sowie Menstruations-Störungen. Zu bedenken ist, dass bei Risikopatienten wie etwa Diabetikern oder Patienten, die an einer Osteoporose leiden, auch schon geringe Dosen ernsthafte Nebenwirkungen bedingen können [53]. Da eine Dosis Nebenwirkungsbeziehung besteht, sollte die Dosis so gering wie eben möglich gehalten werden [6]
[53]
[54].
Therapiedurchführung
Bezüglich der Dosierung, der zeitlichen Abstände der Behandlung und der Anzahl der insgesamt durchgeführten Behandlungen gibt es große Unterschiede. Einzelne Untersuchungen berichten von nur einer durchgeführten Behandlung [55]. Viele führen Behandlungsserien durch, wobei hier die Anzahl zwischen 1 bis zu 8 Injektionen variiert.
Auch in der Literatur besteht kein Konsens über die absolute Anzahl der epiduralen Injektionen, die pro Jahr durchgeführt werden können. Zudem werden unterschiedliche Medikamente zur Injektion benutzt. Das Spektrum reicht von iosotonischer Kochsalzlösung über homöopathische Arzneimittel bis zu Lokalanästhetika und Glucocortikoiden sowie unter experimentellen Bedingungen zu Zytokinantagonisten. Häufig wird eine Kombination aus Glucocortikoid und Lokalanästhetikum verabreicht, hier gibt es die meisten berichteten Ergebnisse [52]
[53]
[56]
[57].
Um möglichen Nebenwirkungen und Komplikationen vorzubeugen ist nach jeder durchgeführten Behandlung abzuwägen, ob noch eine weitere erfolgen sollte. Insbesondere wenn sich nach der ersten Behandlung keine Besserung einstellt – hier sollte der Patient zuvor im Aufklärungsgespräch darüber informiert worden sein, dass die Besserung unter Umständen erst nach einigen Tagen in Erscheinung tritt – wird immer noch kontrovers diskutiert, ob die Verabreichung weiterer Injektionen – nach Versagen der ersten Behandlung – gerechtfertigt ist [58].
Als Richtlinie kann gelten, dass zwei Therapieversuche an der gleichen Lokalisation gerechtfertigt sind, wenn eine eindeutige Korrelation zwischen Beschwerden des Patienten und bildmorphologischem Korrelat besteht. Sofern eine multilokuläre Symptomatik vorliegt, die ebenfalls zur Bildgebung passend ist, sollte vor der Applikation von cortikoidhaltigen Präparaten eine probatorische Infiltration durchgeführt werden, um die im Vordergrund stehende Pathologie genau lokalisieren zu können, zumal Untersuchungen zeigen, dass eine hohe Variabilität der durchgeführten Nervenblockade sowohl in Größe des ansprechenden Areals als auch in Ausdehnung und Ansprechen besteht. Damit kann man in ausgewählten Fällen das entscheidende Segment vorselektieren ohne unnötig ein Glucocorticoid zu applizieren. Insbesondere wichtig ist ein derartiges Vorgehen bei Diabetikern, die oftmals durch die Applikation des Glucocortikoids epidural mit erheblichen Stoffwechselentgleisungen zu kämpfen haben [58]
[59]
[60].
Bei der Facettengelenksinfiltration gibt es eine noch eindeutigere Befundkonstellation: Die Beschwerden und das entzündliche alterierte Segment müssen eindeutig zusammen passen. Im Zweifelsfalle läßt sich durch eine Schmerzpunktmarkierung in Kombination mit einer unmittelbar vor der Intervention durchgeführten fettsupprimierten T2 Wichtung, z.B. STIR, das Segment überprüfen. Der segmentale Schmerz sollte nach der Infiltration, in diesem Falle ist die Kombination aus Glucocorticoid und Lokalanästhetikum zu empfehlen, eine deutliche Beschwerdereduktion zeigen. Stellt sich diese nicht ein, muss die Trokarlage und die Verteilung des Medikamentengemisches kritisch überprüft werden, sollten sich diesen beiden Faktoren als korrekt herausstellen, ist die Indikation zu überprüfen und ggf. das Segment oder die Art der Therapie anzupassen [61] ([Abb. 3], [Abb. 4]).
Abb. 3 Handlungsskizze: Sinnvolle radiologische Diagnostik und Therapie bei Rückenschmerzen.
Abb. 4 Handlungsskizze: Ablauf der radiologischen Schmerzintervention.
Outcome
Die initiale Beschwerdebesserung nach interventionell radiologischer Therapie des spezifischen Rückenschmerzes wird generell als gut und reproduzierbar beurteilt. Es gibt nur wenige Langzeituntersuchungen nach durchgeführter radiologisch interventioneller Schmerztherapie [38]
[58]
[62]
[63]. Aus einer Untersuchung geht hervor, dass von 90 beobachteten Patienten 15% nach fünf bis sieben Jahren komplett beschwerdefrei waren, etwa 50% von einer guten Beschwerdebesserung berichteten aber gleichzeitig angaben, sich mehr als einmal in der Zwischenzeit erneut haben therapieren lassen müssen. 25% der Patienten hatten sich in der Zwischenzeit einer Operation unterzogen. Insgesamt zeigte sich in der gesamten betrachteten Gruppe eine Reduktion des Schmerzscores von 6,7 vor der Therapie auf 3,7 in der Nachbefragung nach 5 bis 7 Jahren. Die Untersuchung arbeitete ohne eine Kontrollgruppe, die Interviews im follow-up erfolgten als Telefongespräche [64].
Eine andere Untersuchung berichtet im Verlauf bis 54 Wochen nach Intervention von einer Verbesserung des Schmerzscore für PRT Patienten von 7,3 vor der Intervention auf 4,0 im Verlauf und für Patienten mit einem Zustand nach Facettengelenksinfiltration von einer Verbesserung von 6,9 auf 4,5 nach der Intervention [65].
Wiederum eine andere Arbeit berichtet in einem follow-up nach 3 Monaten von einer Verbesserung der Schmerzsymptomatik in 75% der behandelten Patienten, die jeweils eine Schmerzreduktion von 50% oder mehr angaben. In diesem Patientenkollektiv gab es 25%, die keinerlei positiven Effekt nach 3 Monaten anführten [55].
Eine andere Arbeit berichtet eine mäßige bis gute Schmerzreduktion in 95% der behandelten Patienten und berichtet gleichzeitig, dass der Behandlungserfolg durchschnittlich 9 Monate anhaltend war [66].
Die Facettengelenkstherapie zeigt ebenfalls sowohl im Rahmen einer energetischen Ablationstherapie als auch als Injektion von Glucocortikoiden oder anderen Medikamenten eine initial gute Beschwerdebesserung. Wobei bei den elektro-ablativen als auch bei dem chemisch-ablativen Verfahren der neuropathische Schmerz als Komplikation zu beachten ist. Im Rahmen der Facettengelenkstherapie zeigt die Infiltrationstherapie mit Glucocorticoiden in der Regel zunächst ein besseres Ansprechen und eine bessere Schmerzreduktion als die ablativen Verfahren. Im weiteren Verlauf zeigen die ablativen Verfahren eine länger anhaltende Schmerzreduktion, die aber über die Zeit – je nach Untersuchung 6 bis 24 Monate – nachlässt [43]
[44]
[45]
[67]. Damit zeigen auch die ablativen Verfahren nur eine begrenzte Wirkdauer [68]
[69]. Generell ist nach interventioneller Schmerztherapie innerhalb weniger Tage ein positives Ansprechen zu erwarten [38]
[43]
[44]
[45]
[67].
Die Literatur zeigt keine signifikanten Unterschiede der Wirksamkeit der minimal invasiven radiologischen Schmerztherapie in Abhängigkeit von der Behandlungshöhe, die meisten Studien fokussieren sich auf Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule, Untersuchungen die die Brustwirbelsäule betreffen sind seltener [70].
Die Ergebnisse nach schnittbildgesteuerter Zystenruptur zeigen Erfolgsraten von bis zu 82% bei einer zufriedenstellenden bis guten Beschwerdebesserung für die Patienten über einen Nachbeobachtungszeitraum von bis zu 2 Jahren. Interessanter Weise zeigt sich, dass sollte die Sprengung der Zyste beim ersten Therapieversuch nicht erfolgreich gewesen sein, die weiteren Versuche in der Regel ebenfalls erfolglos bleiben [46]
[47]
[48]
[49].
Im Falle eines unzureichenden Ansprechen der Schmerz Symptomatik auf die Therapie kann mittels wiederholten Injektionen behandelt werden [65]
[70]
[71].
Es sollte auch im Rahmen der radiologischen Schmerztherapie, die oft multifaktorielle Genese des Rückenschmerzes bedacht werden und andere therapeutische Maßnahmen mit in die Behandlung – idealerweise in einem multidisziplinären/multimodalen Konzept – mit eingebracht werden.
Die radiologische Schmerzintervention stellt oftmals den Zugang zu einer zielgerichteten dauerhaft anhaltenden Schmerztherapie dar, da der Patient durch die schnell eintretende Schmerzreduktion wieder in die Lage versetzt wird sich aktiv zu mobilisieren. Diese wieder gewonnene Mobilität kann und sollte genutzt werden, um zielgerichtet, ggf. unter Anleitung zu trainieren, aber auch um wieder am Leben teilzuhaben. Diese aktive Teilnahme am Leben vermeidet eine Depression, die als häufiger Begleitumstand des Rückenschmerzes mit negativem Outcome korreliert ist und häufig in eine Chronifizierung mündet [72]
[73]
[74].
Umso wichtiger ist es, bei fehlendem Therapieansprechen, die Indikation und die Symptomatik erneut zu evaluieren und im Falle eines Therapieversagens auch frühzeitig die Therapie abzubrechen, um dem Patienten mögliche Therapie induzierte Nebenwirkungen zu ersparen und ihn in ein alternatives Therapieregime zu überführen [53]
[60]
[75].
Medikamente
Die injizierten Medikamente sind in vielen Untersuchungen Glucocortikoide als Entzündungshemmer mit Langzeiteffekt. In der Regel werden diese mit einem geeigneten Lokalanästhetikum verabreicht. Es gibt aber auch Untersuchungen, die nur Lokalanästhetika verabreichen und zumindest in der Initialphase eine gute Beschwerdebesserung erreichen, die länger dokumentiert werden konnte, als es der Pharmakokinetik zuzuschreiben wäre [76]. Verschiedene pharmakologische Subgruppen von Glucocortikoiden und Lokalanästhetika werden ebenfalls benutzt und in manchen Untersuchungen auch verglichen [77]. Auch physiologische Kochsalzlösung wird in verschiedenen Studien appliziert. Interessanter Weise diskutiert eine Untersuchung ob man physiologische Kochsalzlösung überhaupt als Placebo betrachten könne, oder ob eine Wirkkomponente zu beachten sei [78].
Geschlecht und Alter als Faktor
Aktuelle Untersuchungen legen nahe, dass Schmerzempfinden eine geschlechts-spezifische Abhängigkeit zeigt. Diese ist interessanter Weise sowohl abhängig von dem Geschlecht, welchem man sich zugehörig fühlt, als auch vom genetisch definierten Geschlecht. Die zugrunde liegenden Mechanismen sind nur unzureichend verstanden. Es ist eine multifaktorielle Genese anzunehmen, da sowohl hormonelle Faktoren, physiologische Faktoren als auch Faktoren im zentralen Nervensystem bezüglich des Schmerzempfindens und der Schmerzwahrnehmung angeführt werden.
Die Schmerzwahrnehmung als auch der Umgang mit Schmerzen differiert bei Mann und Frau, sowohl im Hinblick auf das genetische Geschlecht wie auch im Hinblick auf die empfundene Geschlechtszugehörigkeit. Zusätzlich nehmen auch kulturelle und sozioökonomischen Faktoren Einfluß auf das Schmerzerleben, die Schmerzäußerung und die Schmerzwahrnehmung [79]
[80]
[81]. Es gibt eine Tendenz zu einem gehäuften Auftreten von Beschwerden im Alter, wobei zu bedenken ist, dass das gehäufte Auftreten von Rückenschmerz im Alter nicht korreliert mit den im Alter zu beobachtenden Degenerationen. Der Rücken des alten Menschen zeigt verglichen mit dem jungen Menschen mehr Pathologien, die Schmerz erzeugen können, aber oftmals führen diese altersphysiologischen Veränderungen nicht automatisch auch zu Schmerz [4]
[82].
Nicht radiologische Therapie Optionen
Nicht radiologische Therapie Optionen
Der Focus wird im Folgenden auf die häufigsten evaluierten Therapie Optionen des spezifischen Rückenschmerzes gelegt. Aufgrund des breiten Spektrums können im Rahmen dieser primär radiologischen Übersichtsarbeit nicht alle Aspekte der möglichen Therapie Optionen dargestellt werden.
Operative Therapie
In den letzten Jahren konnte gerade für den englischsprachigen Raum eine Fokussierung auf operative Interventionen bei spezifischem Rückenschmerz gezeigt werden. Sowohl die Bandscheibenersatz-Therapie, als auch die Therapie mit oder ohne Spondylose nach Erweiterung des Spinalkanals zeigen in der Regel eine schnelle Beschwerdefreiheit, weisen im Verlauf über 1 bis 2 Jahre keinen signifikanten Vorteil gegenüber der konservativen Therapie auf [83]
[84].
Bei hochgradigen Spinalkanalstenosen zeigt die Literatur einen Vorteil der operativen Therapie gegenüber konservativen Verfahren [85]. Die NICE Leitlinie empfiehlt in 2016 eine operative Intervention für die Patienten mit nachgewiesener spinaler Stenose bei konkordantem Befund zwischen Klinik und radiologischem Befund, wenn die konservativen Therapiemaßnahmen ausgeschöpft und keine nachhaltige Besserung gebracht haben [86].
Im Verlauf zeigen operierte Patienten in 10–40% ein Rezidiv der Schmerzsymptomatik in Form von Rückenschmerz oder einer radikulären Symptomatik unter Umständen eine Kombination von beidem. Als Gründe werden genannt: Verwachsungen, Nervenverletzungen infolge Operation, Arachnoiditis, spinale Instabilität [87]
[88].
Verhaltenstherapie, Patientenschulung und physikalische Therapie
Die Behandlung von spezifischem Rückenschmerz ist schwierig, da neben der bildmorphologisch nachgewiesenen Ursache häufig eine psychologische Überlagerung stattfindet. Eine tragende Rolle spielt die negative Erwartungshaltung, schmerzbedingte Angst und verschiedene daraus resultierende Vermeidungsverhalten [89]. Die Empfehlungen gehen dahin, Bettruhe und Inaktivität zu vermeiden. Aktivitäten wie Yoga, Tai chi oder gezielte Bewegungsübungen zeigen positive nebenwirkungsfreie Effekte [90]
[91]
[92].
Untersuchungen zur Nutzung der kognitiven Verhaltenstherapie konnten zeigen, dass sich die Umstrukturierung der negativen Wahrnehmung des Patienten in eine realistische Einschätzung der Schmerzsituation und der Perspektive auf Besserung positiv nutzen lässt. Auch die bewusste Nutzung der Achtsamkeit als therapeutisches Instrument kann die Schmerz Symptomatik verbessern [93]. Auch das gezielte Nutzen der Arzt-Patienten-Interaktion kann sich positiv auf den Verlauf des spezifischen Rückenschmerzes auswirken. Mehrere Untersuchungen zeigen, dass eine patientenzentrierte, emphatische Vorgehensweise die Symptomatik des Patienten signifikant verbessert [12]
[94].
Es gibt Hinweise darauf, dass die gezielte Patientenschulung egal ob als Einzeltherapie oder als Gruppentherapie zu einer schnelleren Schmerzreduktion und zu einer besseren Lebenszufriedenheit führen [95]
[96]. Wichtig ist bei all diesen Therapieformen zu bedenken, dass sie in aller Regel vollkommen frei von Nebenwirkungen sind und deswegen, wenn der Patient zugänglich ist, immer als ergänzende und unterstützende Therapieform zu empfehlen sind.
Nebenwirkungen
Die Applikation von Glucocortikoid-Derivaten intraartikulär, epidural und peridural ist ein übliches Vorgehen in der Therapie von Rückenschmerz. Durch die Applikation besteht das Risiko einer Störung des Blutzuckerstoffwechels und auch ein Störung der Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenachse.
Eine prospektive Untersuchung an 6 Diabetikern und 12 nicht-Diabetikern, bei denen eine epidurale Injektionen 8mg Dexamethason mit anschließender Kontrolle des Blutzuckerstoffwechsels und der Corticotrophen Hormonachse vorgenommen wurde, zeigte, dass am Tag eins nach der Intervention der Nüchernglucose Spiegel in beiden Gruppen angehoben war und auch, dass das adrenocorticotrophe Hormon und der Serum Cortisol Level signifikant reduziert waren. Die post-prandialen Glucose Werte und alle Werte im Verlauf zeigten keine signifikante Abweichung, damit zeigt sich in dieser Untersuchung zwar ein messbares aber klinisch nicht relevante Nebenwirkungsprofil sowohl für Diabetiker als auch für nicht Diabetiker [97].
Eine ältere Untersuchung bei der 250mg Prednisonäquivalent über 3 Tage appliziert wurde – in dieser Untersuchung wurde neben der epiduralen Injektion auch die intraartikuläre Injektion in die Schulter betrachtet- zeigte vergleichbare Ergebnisse bezogen auf Tag 1 nach der Intervention. Im weiteren Verlauf zeigten die Diabetiker eine Erhöhung des postprandialen Blutglucose Spiegels an Tag 1 und Tag 7 [98]. Eine weitere Untersuchung vergleicht 14 Typ II Diabetiker mit 15 Nicht-Diabetikern im Hinblick auf die einmalige Applikation von 40mg Triamcinolon entweder in das Schultergelenk oder als lumbale epidurale Injektion. Bei allen behandelten Patienten konnte ein erhöhter Nüchtern-Glucosewert einen Tag nach der Behandlung festgestellt werden sowie supprimierte Cortison Werte einen und sieben Tage nach der Behandlung.
Die Diabetiker, die eine epidurale Applikation von 40 mg Triamcinolon erhalten hatten, zeigten nach 21 Tagen noch keine vollkommene Normalisierung der Serum Cortisol Werte [99].
Insgesamt bewertet die Literatur die Gabe von Glucocortocoiden auch bei Diabetikern als unproblematisch durchführbar. Es besteht die Empfehlung so wenig wie möglich an Glucocorticoid Derivaten zu applizieren und bei Wiederholung der Therapie die Intervalle so lange wie möglich zu gestalten. Zudem soll der Patient eine intensivierte Kontrolle seines Blutzuckers durchführen und im besten Falle bei erhöhten Blutglucose Werten korrigierend Insulin zuführen, falls eine primäre Insulinabhängigkeit schon vor der Behandlung bestanden hat [53]
[97]
[98]
[99].
Limitationen
Wie aus den oben genannten Punkten zu entnehmen, ist das Bild des spezifischen, radiologisch zu behandelnden Rückenschmerzes vielfältig und multifaktoriell sowohl in Hinblick auf die Ätiologie des spezifischen Rückenschmerzes als auch in Bezug auf die Behandlungsmöglichkeiten und die möglichen Kombinationen der Behandlungsmöglichkeiten.
Erschwerend für die Langzeitbeurteilung der radiologischen schmerzinterventionellen Verfahren als auch für alle anderen operativen und nicht operativen Verfahren kommt hinzu, dass auch die zentrale Wahrnehmung und Schmerzbewertung eine essenzielle Rolle einnimmt. Die zentrale Schmerzverarbeitung wiederum kann durch Medikamente, Lebensumstände aber auch psychologisches Training modifiziert werden, so dass in eine Langzeitbeobachtung eine Vielzahl von Faktoren einfließen, die letztlich nicht umfassend erfasst und bewertet werden können. Von daher sollte unserer Meinung nach der behandelnde Radiologe entweder in einem Schmerzteam agieren, so dass möglichst viele Faktoren durch unterschiedliche Fachgruppen zielführend behandelt werden können oder der Radiologe informiert den Patienten vor der Behandlung klar über Möglichkeiten der radiologischen interventionellen Schmerztherapie und zeigt dem Patienten sinnvolle weitere therapiebegleitende Optionen auf, z.B. Sport, positive belegte gesellschaftliche Aktivitäten, Wiederaufnahme von Hobbys, Wiedereinstieg in der Beruf, etc.
Zusammenfassung
Beim spezifischen Rückenschmerz kann die Radiologie durch eine gezielte Diagnostik in Kombination mit der gezielten Anamnese und körperlichen Untersuchung genau entscheiden, ob ein morphologisches Korrelat für die geklagten Beschwerden vorliegt. Sofern dies der Fall ist, kann die Radiologie mittels gezielter interventioneller Schmerztherapie schnell und nebenwirkungsarm eine Beschwerdebesserung herbeiführen. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die Indikation und die eingeleitete Behandlung bereits zu Beginn kritisch überprüft und daraufhin ggf. modifiziert oder bei Ausbleiben des Erfolges diese frühzeitig beendet wird. Ebenso sollte die Behandlung in ein erweitertes multimodales Konzept eingebettet werden, um einem Schmerzrezidiv und sich möglicherweise entwickelnden Komorbiditäten vorzubeugen.