pferde spiegel 2024; 27(04): 198-199
DOI: 10.1055/a-2378-0356
GPM – Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.

GPM – Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.

 

Der bpt hat das GVP-Siegel neu aufgelegt. Es gibt jetzt eine Unterscheidung in 3 Stufen: Bronze, Silber und Gold. Das Siegel spricht alle Praxisformen an. Von der reinen Pferdepraxis mit wenigen Mitarbeitern bis hin zu großen Kliniken können alle davon profitieren, die bereit sind, sich einmal für einige Zeit intensiv mit der eigenen Arbeitsweise und internen Abläufen auseinanderzusetzen. Am Ende einer solchen Anstrengung steht das Ziel, dass vieles im Arbeitsalltag anschließend für alle Beteiligten – Mitarbeitende wie Kunden – einfacher abläuft.


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Dokumentation ist kein Selbstzweck! Der Nutzen von Qualitätsmanagement in der Pferdepraxis.

Qualitätsmanagement – ein Begriff, den jeder schon mal gehört hat. Aber nicht unbedingt ist auch klar, was eigentlich dahintersteht. Es klingt erstmal nach Bürokratie und etwas, das man „irgendwann mal angeht, wenn mal Zeit dafür ist“. Denn es läuft ja auch meistens so ganz gut und sowieso sind die Tage von Tierärzt*innen auch ohne eine weitere Baustelle immer zu kurz, um alles zu schaffen. Hier lohnt sich allerdings der Versuch, eine andere Perspektive auf das Thema einzunehmen: Was wäre, wenn Qualitätsmanagement dazu beitragen kann, dass die Arbeit leichter wird, schneller zu erledigen ist und auch Ausfälle durch Krankheit oder Urlaub nicht jedes Mal bedeuten, dass für alle anderen plötzlich noch unerwartete Aufgaben hinzukommen?

Was bedeutet eigentlich Qualitätsmanagement/Qualitätssicherung?

Qualitätsmanagement (QM) bezeichnet die Planung, Steuerung und Optimierung von Prozessen innerhalb der tierärztlichen Praxis oder Klinik anhand vorab definierter Anforderungen, damit die Qualität der Dienstleistung gleichbleibend und kein Zufall ist. Soll heißen, egal, ob gerade ein hoher Krankenstand ist, ob es viel zu heiß ist oder die Chefin schlechte Laune hat: die Qualität der Leistung ist immer gleich gut (und bewegt sich jederzeit innerhalb gesetzlicher Anforderungen) – nur manchmal dauert es ggf. etwas länger. Das funktioniert, wenn jeder weiß, oder zumindest einfach nachlesen kann, wie etwas organisatorisch umzusetzen ist, auch wenn es nicht den eigenen regulären Arbeitsbereich betrifft, sondern mal für jemand anderen in Vertretung gearbeitet werden muss. Das schafft nicht nur Zufriedenheit und Vertrauen bei der Kundschaft, sondern vor allem auch unter den Mitarbeitenden. Gut durchdachtes und vor allem gelebtes QM reduziert die Praxiskosten, optimiert die Abläufe innerhalb der tierärztlichen Praxen und führt zu einer höheren Zufriedenheit der Mitarbeitenden. Gerade in der heutigen Zeit des Fachkräftemangels ist dies ein sehr attraktiver Bonuspunkt, den Praxen und Kliniken ihren Mitarbeitenden bieten können.


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Was heißt das konkret für Praxen und Kliniken?

QM klingt erstmal sperrig und geht mit der Angst einher, dass man sich noch mehr Bürokratie aufhalst als sowieso nötig. Das Ziel soll aber gerade sein, die gesetzlich vorgeschrieben Bürokratie sinnvoll und rechtskonform umzusetzen und somit die Arbeit langfristig zu erleichtern. Ganz konkret heißt das für die Pferdepraxis zum Beispiel: Wie wird überprüft und dokumentiert, ob es sich um Schlacht-Equiden handelt? Wie stellen wir sicher, dass diese Pferde nur die zulässigen Medikamente bekommen? Wie kann das Erstellen der AuA-Belege möglichst in einem Zuge mit der Behandlung geschehen und wenig Zeit in Anspruch nehmen?

Prozessabläufe

Zunächst werden dafür innerhalb der Praxen und Kliniken die Abläufe als Prozesse betrachtet, die miteinander verbunden sind. Was heißt das nun im Einzelnen? Betrachtet man z. B. den Prozess der Terminvergabe, konzentriert man sich auf wesentliche Bestandteile: Die Eingabe in den Prozess (Kundenanfrage durch Anruf/online/persönlich etc.), die Verarbeitung (Erstbesuch/Folgebesuch, Grund und Länge des Termins, Personal zur Entgegenahme, Tool zur Terminvergabe/Kalender/Auftragsbuch) und die Ausgabe (Termin steht fest). Denn erst wenn sich alle der Prozesse bewusst sind, können hier Schwachpunkte ermittelt und Verbesserungen gezielt eingesetzt werden. In einzelnen Teilschritten können dann notwendige Arbeitsanweisungen oder sog. SOP (Standard Operating Procedure) für alle verbindlich erstellt werden. Dies kann z. B. eine SOP für die Vergabe von OP-Terminen, eine SOP für die Bedienung der Telefonanlage usw. sein. Jedoch kann jede Praxis selbst bestimmen, wie detailliert sie solche Prozesse beschreibt und ablegt. Auch die Form ist der Praxis selbst überlassen, die SOP soll als Tool für die tägliche Arbeit gesehen und verstanden werden und z. B. zur Einarbeitung von neuen Mitarbeitern im täglichen Leben helfen und nicht zu sperrig sein.


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Verantwortlichkeiten

Wichtig ist hierbei, dass für alle klar definiert ist, wer für was zuständig ist. Demzufolge ist ein weiterer wichtiger Schritt die Benennung der Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten sowie die Vertreterregelung. Erst wenn diese allen in der Praxis bewusst sind, können die Prozesse auch so gelebt und angewendet werden, Fehler schneller erkannt und abgeschafft werden. Und wer weiß eigentlich genau, welche gesetzlich geforderten Verantwortlichkeiten es gibt? Dabei ist das kein Dschungel, wie viele befürchten, sondern einfach umzusetzen und sehr sinnvoll. Für die Auszubildende oder eher zurückhaltende Kolleg*innen ist es auch angenehm, wenn sie vorab sehen können, wer für ihre aktuelle Frage zuständig ist und an wen sie sich wenden können.


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Dokumentation

Und dann ist da noch die sehr verhasste Dokumentation. Wir sollten uns aber nicht fragen, was wir dokumentieren, sondern warum! Denn Dokumentation darf kein Selbstzweck sein, um des Dokumentierens willen.

Wir müssen zum einem dokumentieren, was gesetzlich gefordert ist (z. B. Arbeitszeiten, Strahlenexposition, Temperaturen in den Apotheken, Arbeitssicherheitsunterweisungen) und vor allem das, was der Praxis nützt und der gesunde Menschenverstand fordert (z. B. tierärztliche Leistung in der Kundendatei, Termine, Urlaube der Kolleg*innen, Fortbildungsnachweise). Eine zentrale Rolle bei der Strukturierung stellt das Praxis-Handbuch dar. Dies ist eine Plattform, auf der man alle Prozesse, Dokumente etc. ablegt. Das heißt, die Mitarbeitenden wissen genau, wo sie etwas finden bzw. wo sie danach suchen müssen. Diese Plattform ist jeweils mit der aktuellen Version der Dokumente versorgt, daher sollte auch die Problematik „Welches ist denn jetzt die aktuelle Version?“ ein Ende haben.


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Kontinuierliche Verbesserung

Ein sehr effektiver Bestandteil des QM sind die kontinuierlichen Verbesserungsprozesse (KVP), denn eine Optimierung lässt sich meist nicht vermeiden. Was bedeutet das genau? KVP sorgt dafür, dass man innerhalb der Praxis/Klinik gezielt und terminiert aussortiert, unnötige Aktivitäten vermeidet (die Ressourcen verschwenden), eine Ordnung etabliert, ein sauberes Arbeitsumfeld aufrechterhält, Arbeitsabläufe standardisiert und vereinfacht. Klare Strukturen des KVP sind: interne Audits (regelmäßige Überprüfung von IST- und SOLL-Zustand), Feedbackbearbeitung, Schulungen usw. QM fördert eine Kultur der ständigen Verbesserung in allen Bereichen des Unternehmens und das fördert spürbar die Zufriedenheit des Teams.

Merke

Gutes Qualitätsmanagement schafft ein Umfeld, das die Mitarbeiter motiviert und die Qualität der Arbeit fördert.


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Welche Normen und Standards gibt es für Tierarztpraxen und Kliniken?

Vielen bekannt oder zumindest schon mal davon gehört ist die DIN ISO 9001. Sie ist eine Norm für Qualitätsmanagementsysteme, die branchenunabhängig gilt. So kann ein Frisör genauso DIN ISO zertifiziert sein wie ein Baumarkt oder eine Tierarztpraxis.

In Anlehnung an die DIN ISO wurde vor vielen Jahren erfolgreich der Kodex GVP (Gute Veterinärmedizinische Praxis) von Tierärzt*innen für Tierärzt*innen geschaffen mit dem Ziel, einen praxisnahen Standard zu erarbeiten, der alle gesetzlichen Forderungen mit einschließt. 2023 wurde die Zertifizierung nach GVP überarbeitet und bietet nun mit dem bpt-Qualitätsstandard in 3 Stufen ein Instrument für ein gezieltes Qualitätssicherungssystem auf freiwilliger Basis. Es ermöglicht jeder Praxis und Klinik den Einstieg, egal welche Größe, Spezialisierung, Mitarbeiterzahl etc. sie hat. Selbstverständlich kann jeder immer frei entscheiden, welche Stufe für die Praxis/Klinik gewählt wird. Auf der Webseite des bpt kann der Anforderungskatalog für die Zertifizierung in Silber und Gold heruntergeladen werden. Dieser hat die Anforderungen des Qualitätsstandards infragen formuliert, damit interessierte Praxen/Kliniken sich optimal vorbereiten können.

Ablauf eines Audits

Dann steht einer Zertifizierung nichts mehr im Weg, der Ablauf ist in etwa wie folgt: an einem normalen Arbeitstag kommt eine/r Auditor*in der unabhängigen Zertifizierungsstelle Acert in die Praxis/Klinik und audiert diese. Das heißt, dass die Umsetzung aller Anforderungen des Qualitätsstandards angeschaut werden. Das dauert in der Regel 4 – 6 Stunden. Wenn das Ergebnis dieses Besuchs positiv ausfällt, bekommt die Praxis/Klinik anschließend eine Zertifizierungsurkunde ausgestellt.


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Was setzt man die Einführung von Qualitätsmanagement um?

Idealerweise findet sich im Team jemand, der sich hauptverantwortlich für die Umsetzung und Einführung von QM einsetzt. Das Wichtigste ist, dass die Praxis-/Klinikleitung dieses Vorhaben zu 100% unterstützt und vielleicht sogar selbst mit im QM-Team ist. Eine große Herausforderung für die Leitung und den QM-Beauftragten stellt vor allem die Compliance der Mitarbeitenden dar. Veränderungsprozesse sind in jeder Firma schwer umzusetzen und bedürfen einer guten Vorbereitung und Begleitung durch die Führungsebene. Für die Umsetzung kann man sich mit Hilfe von GVP/QM-Berater*innen (die idealerweise selbst in der Tiermedizin zu Hause sind) dem Thema nähern und Struktur in die Umsetzung bringen. Bei der Umsetzung ist es wichtig, dass man das Team immer wieder mit einbindet, um die Umsetzung auch nachhaltig zu gestalten. Das heißt, dass man diesem Prozess auch Zeit im täglichen Ablauf der Praxis/Klinik einräumen muss, um erfolgreich und zufrieden durch diesen Veränderungsprozess zu gelangen.

von Dr. Magret Prasse – vetwerkstatt

Info

bpt-Qualitätsstandard Gold und Silber

Download des Anforderungskatalogs für die Zertifizierung in Silber und Gold: https://www.tieraerzteverband.de/bpt/bpt-fuer-sie/Inhaber/gvp/index-gvp.php

Kontakt

Gesellschaft für Pferdemedizin e. V.
Hahnstr. 70
60528 Frankfurt a. M.
Deutschland
Tel.: 0 69/25 49 69 00-0
Fax: 0 69/25 49 69 00-69
Mitgliederservice: Herr Yves Colombel
info@gpm-vet.de www.gpm-vet.de


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Publication History

Article published online:
11 December 2024

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