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DOI: 10.1055/a-2411-7146
Personalstruktur und Berufsperspektive von Notärzt*innen in ländlichen und städtischen Räumen – eine umfragebasierte Erhebung
Staffing and Career Prospects of Emergency Physicians in Rural and Urban Areas – a Survey-based Study- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion
- Limitationen
- Kernbotschaft
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund
Die prähospitale Notfallversorgung erfährt seit Jahren zunehmende Einsatzbelastungen. Der Einfluss des demografischen Wandels auf regionalspezifische Unterschiede von Notärzt*innen sowie deren Motivation zum Verbleib im aktiven Notarztdienst ist unklar.
Methode
Deutschlandweite Umfrage unter Notärzt*innen zu demografischen und weiteren, für den Notarztdienst relevanten Angaben.
Ergebnisse
Der Anteil an Notärzt*innen ≥ 60 Jahren (10,1 vs. 4,5% [städtisch], p < 0,001) sowie derer, die angaben, binnen 5 Jahren den Notarztdienst beenden zu wollen (19,8 vs. 14,7%, p = 0,006), war in ländlichen Rettungsdienstbereichen höher. Die multivariate Analyse ergab eine angemessene Vergütung (p = 0,002) und eine Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen (p < 0,001) als Motivatoren für einen längeren Verbleib als aktive Notärzt*innen.
Schlussfolgerungen
Unterschiede zwischen Notärzt*innen im ländlichen und städtischen Raum sind bei der Personalbindung zu berücksichtigen. Als mögliche Steuerungsinstrumente konnten Vergütung und Zufriedenheit mit den Berufsbedingungen identifiziert werden, um einem absehbaren Notarztmangel zu begegnen.
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Abstract
Background
Over recent decades, emergency medical services in Germany experience rising mission numbers. So far, effects on EMS physician staffing in urban and rural areas by demographic changes in Germany remain unclear.
Methods
Online survey among EMS physicians in Germany evaluating demographic and further parameters critical for EMS physician staffing.
Results
EMS physicians older than 59 years (10,1 vs. 4,5% [urban], p < 0,001) as well as such physicians who tend to quit service within 5 years (19,8 vs. 14,7%, p = 0,006), are more frequent in rural areas. A multivariate analysis revealed appropriate salaries (p = 0.002) as well as satisfaction with prehospital job settings (p < 0.001) to be associated with longer intended service time.
Conclusion
This study provides novel insights into demographic differences between EMS physicians in German urban and rural areas. Anticipating factors identified here such as appropriate job settings might improve staff retention.
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Einleitung
Entsprechend den Landesrettungsdienstgesetzen stellt die prähospitale Rettung von Menschen in medizinischen Notlagen eine wesentliche Säule der öffentlichen Daseinsfürsorge dar. Über die letzten Dekaden wurde eine zunehmende Arbeitsbelastung im Rettungsdienst mit Zuwachsraten um bis zu 5% p. a. verzeichnet [1] [2]. Eine Ursache dieses multifaktoriell bedingten Belastungszuwachses liegt in der demografischen Veränderung der deutschen Bevölkerung, die sich sowohl auf Patienten als auch auf medizinische Dienstleister auswirkt [3] [4] [5].
Neben der Versorgung von Notfallpatienten durch den Rettungsdienst entfällt die primärmedizinische Versorgung in Deutschland schwerpunktmäßig auf Hausärzt*innen. Jung und Kollegen konnten feststellen, dass die Hälfte der befragten Hausärzt*innen ihren Beruf nicht bis zum regulären Renteneintrittsalter ausüben möchten. Die Arbeitsbelastung und -zufriedenheit waren dabei wesentliche Einflussfaktoren auf das beabsichtigte Renteneintrittsalter. Im Falle einer verminderten hausärztlichen Versorgung von Akutpatienten ist mit einer weiteren Belastung des Rettungsdienstes zu rechnen. Im Kontext dessen sowie des sich abzeichnenden Gesamtärztemangels muss eine zunehmende Versorgungslücke im Notarztdienst antizipiert werden [6] [7] [8] [9].
Die Bundesärztekammer gab 2021 eine Gesamtzahl von 51531 Ärzten mit der Zusatzbezeichnung „Notfallmedizin“ an [10]. Dabei bleibt neben der Anzahl tatsächlich aktiver Notärzt*innen ebenso unklar, inwieweit die tatsächlich aktiven Kolleg*innen planen, in Zukunft die Tätigkeit weiter auszuüben.
Ziel der vorliegenden Umfrage „Demografie und Ausbildung aktiver Notärzt*innen in Deutschland“ (DEMAND) war die demografische Beschreibung von Notärzt*innen im ländlichen und städtischen Raum sowie des perspektivischen Verbleibs im Notarztdienst.
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Methoden
Fragebogen
Der Fragebogen bestand aus 27 Fragen zu „Demografie“, „Aus- und Weiterbildung“ und „Dienstgestaltung“. Die Fragen waren als Einfach- bzw. Mehrfachauswahl konzipiert oder nutzten 4‑stufige Likert-Skalen (1 sehr schlecht – 4 sehr gut). Vereinzelt waren Freitextantworten zulässig. Auf Grundlage der Vorgaben des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumplanung erfolgte eine Einordnung der Teilnehmenden nach ländlichem und städtischem Raum [11]. Als „regelmäßig in einem innerklinischen High-Care-Bereich tätig“ wurden die Angabe einer regelmäßigen Tätigkeit auf einer Intensivstation, einer Intermediate-Care-Station, in der Anästhesiologie oder der innerklinischen Notfallmedizin erachtet. Nach Einschätzung der Ethikkommission der Universität Ulm ist diese anonyme Befragung im Sinne § 15 der Berufsordnung für Ärzte nicht beratungspflichtig.
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Evaluationsablauf
Die Befragung vom 01.07.2022 bis 31.12.2022 mittels der Software „Unipark“ (Tivian, Deutschland) onlinebasiert (https://ww2.unipark.de/uc/demand) durchgeführt. Die Bewerbung der Umfrage erfolgte durch eine Einladung der notärztlichen Arbeitsgemeinschaften und der Ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD) per E-Mail. Zusätzlich erfolgte eine Bewerbung in Print- (NOTARZT, Thieme) und Onlinemedien (band-online.de, newspapers.eu, nerdfallmedizin.de) sowie auf Fachkongressen im Jahr 2022 (z. B. Jahrestagung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e. V.).
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Fallzahlplanung, Datenanalyse und Auswertung
Jacob und Kollegen [12] empfahlen Stichprobengrößen von mindestens 500 Personen für repräsentative Umfragen innerhalb einer homogenen Gruppe (z. B. Notärzt*innen) und von mindestens 1000 Personen für allgemeine Bevölkerungsbefragungen. Als Umfrageziel wurde eine Fallzahl von mindestens 1000 validen Teilnehmenden avisiert.
Datensätze wurden ausgeschlossen, wenn weniger als 2 ausgefüllte Fragen oder keine Zustimmung zur Datenverarbeitung vorlagen. Unplausible Angaben (z. B. Altersangabe ≤ 25 Jahre aufgrund der Ausbildungsdauer bis zur Notarzttätigkeit; invalide Postleitzahl) wurden im Rahmen der Auswertung als fehlende Daten erachtet.
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Statistik
Auswertungen wurden mittels SPSS 29.0.0.0 (IBM, USA) durchgeführt und Abbildungen mittels Prism 9.4.1 (Graphpad, USA) erstellt. Variablen wurden als absolute und relative Häufigkeiten (%) oder je nach Verteilung als Mittelwert (MW) ± Standardabweichung (SD) oder Median mit Interquartilsabstand (IQR) (Q1–Q3, nonparametrische Verteilung) dargestellt. Als Test auf Normalverteilung kam der Shapiro-Wilk-Test zum Einsatz. Gruppenunterschiede für kategoriale Parameter wurden mittels Pearson’s Chi-Quadrat- oder dem exakten Test nach Fisher berechnet. Für nonparametrische kontinuierliche Variablen erfolgte eine Analyse auf Gruppenunterschiede mittels Mann-Whitney-U-Test. Fälle mit fehlenden Variablen wurden für entsprechende Gruppenvergleiche von der Analyse ausgeschlossen. Ein logistisches Regressionsmodell wurde verwendet, um den Effekt verschiedener Motivatoren auf die prognostizierte Aktivität als Notärzt*innen in 5 Jahren abzuschätzen. Eine Wahrscheinlichkeit (Odds Ratio) > 1 deutet dabei auf eine Assoziation mit einem wahrscheinlicheren Ausstieg aus dem Notarztdienst hin. Ein p-Wert < 0,05 wurde als statistisch signifikant erachtet.
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Ergebnisse
Gemäß den Ein- und Ausschlusskriterien wurden 2080 Fragebogen mit einer mittleren Vollständigkeit der Daten von 91,5% in die Auswertung eingeschlossen ([Abb. 1]). Aufgrund des freien Onlinezugangs kann keine Aussage über die Rücklaufquote getroffen werden. Die eingeschlossenen Datensätze verteilten sich auf 1984 aktive (95,4%) und 96 inaktive Notärzt*innen (4,6%). Inaktive Notärzt*innen waren jünger (38 Jahre, Q1–Q3: 32–44 vs. 42 Jahre, Q1–3: 35–49; p = 0,039) und seltener männlich (59/91, 64,8% vs. 73,3%, p = 0,003).
Demografische Unterschiede aktiver Notärzt*innen nach Regionalstruktur
Im vorliegenden Kollektiv wurden 1244/1893 (65,7%) aktive Notärzt*innen mit Tätigkeit im städtischen und 649/1893 (34,3%) im ländlichen Raum erfasst. Notärzt*innen im städtischen Raum waren jünger (40 Jahre, Q1–3: 35–47 vs. 43 Jahre, Q1–3: 37–53; p < 0,001). Der Anteil an Notärzt*innen mit einem Alter von mindestens 60 Jahren war im ländlichen Raum höher als im städtischen Raum (10,1 vs. 4,5%; p < 0,001, [Abb. 2]). Notärzt*innen im ländlichen Raum verfügten eher über eine abgeschlossene Facharztausbildung (81,1 vs. 76,2%; p = 0,015), sind jedoch seltener regelmäßig in innerklinischen High-Care-Bereichen tätig (64,7 vs. 75%, p < 0,001). Der Anteil an Notärzt*innen, die teilweise oder vollständig freiberuflich/honorarärztlich am Notarztdienst teilnehmen, war im ländlichen Raum höher (75,6 vs. 62,6%, p < 0,001). In beiden Einsatzbereichen wurde das Bruttogehalt pro 12‑stündigem Notarztdienst selten als angemessen bewertet (28,2 vs. 32,0%, p = 0,106). [Tab. 1] fasst weitere Vergleiche nach Regionalstruktur zusammen.
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Berufsbedingungen
Unter den aktiven Notärzt*innen gaben 828/1853 (44,7%) an, mit den Berufsbedingungen im Notarztdienst zufrieden zu sein. Auffallend war, dass die Bewertung der Berufsbedingungen häufiger positiv war, wenn die Notarzttätigkeit im Rahmen der Hauptbeschäftigung erfolgte (50,3 vs. 41,9%, p < 0,001). Als führende Gründe für eine Unzufriedenheit mit den Berufsbedingungen wurden eine inadäquate Disposition des Notarztes bei unklarer Indikation und gleichzeitig hoher Einsatzbelastung (39,4%) und eine mangelnde Vergütung (31,0%) angegeben ([Tab. 2]).
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Perspektive im Notarztwesen und Einflussfaktoren
Aktive Notärzt*innen gaben im ländlichen Raum häufiger an, in 5 Jahren nicht mehr im Notarztwesen tätig sein zu wollen (19,8 vs. 14,7%, p = 0,006). [Abb. 3] zeigt führende Gründe zum Ausscheiden aus dem aktiven Notarztdienst sowie die Ursachen zum Ausscheiden bereits inaktiver Notärzt*innen.
Gemäß dem logistischen Regressionsmodell scheint eine angemessene Vergütung die Wahrscheinlichkeit zum Ausscheiden aus dem Notarztdienst (OR: 0,561, 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,391–0,803, p = 0,002, [Abb. 4]) zu halbieren. Als fördernd für den Verbleib im Notarztdienst zeigte sich eine Zufriedenheit mit den Berufsbedingungen (OR: 0,510, 95%-KI: 0,372–0,699, p < 0,001). Protektiv auf den Verbleib im Notarztdienst wirkt sich nach den Angaben der Befragten eine geringere monatliche Dienstbelastung aus (OR: 0,789, 95%-KI: 0,642–0,971, p = 0,025). Eine höhere Rate an Besetzungsproblemen am Notarztstandort (OR: 1,227, 95%-KI: 1,098–1,372, p < 0,001), eine anteilige oder vollständig freiberufliche/honorarnotärztliche Tätigkeit (OR: 1,721, 95%-KI: 1,164–2,542, p = 0,006) und ein höheres Lebensalter (OR: 1,048, 1,018–1,078, p = 0,001) waren mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zum Ausscheiden aus dem Notarztdienst assoziiert.
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Diskussion
Die vorliegende Studie analysiert demografische Unterschiede unter Notärzt*innen in ländlichen und städtischen Rettungsdienstbereichen sowie deren perspektivischen Verbleib im Notarztwesen. Die Umfrage konnte zeigen, dass die Notärzt*innen im ländlichen Raum älter und seltener innerklinisch mit High-Care-Patienten betraut sind. Die Faktoren „Zufriedenheit mit den Berufsbedingungen“, „Notarzttätigkeit als Dienstaufgabe“ und „angemessene Vergütung“ könnten mögliche Motivatoren sein, um Notärzt*innen im Berufsleben zu halten, während die avisierte Ausstiegsrate im ländlichen höher als im städtischen Bereich liegt.
Im Jahr 2012 beschrieben Ilper et al. [13] ein Kollektiv von 1991 Notärzt*innen in Deutschland. Obwohl diese deutschlandweite Befragung keine Aussage über die räumliche Verteilung der Teilnehmenden enthält, sind wesentliche demografische Angaben des historischen Notarztkollektivs (z. B. „Alter“ [42 ± 8 Jahre]; Anteil an Notärzt*innen mit abgeschlossener Facharztausbildung [75%]) mit den Ergebnissen der vorliegenden Studie vergleichbar. Ursache für ein ähnliches Alter zwischen der aktuellen Erhebung und der 10 Jahre alten Arbeit von Ilper et al. [13] könnte eine ausreichende Regenerationsquote an Notärzt*innen sein. Interessant an den Ergebnissen der DEMAND-Studie ist, dass die Befragten mit aktuell inaktiver Notarzttätigkeit eher wegen des Zeitaufwands und der Vergütung als aus Altersgründen nicht mehr am Notarztdienst teilnehmen. Hier haben sich möglicherweise die Motivatoren über die Zeit geändert. So könnte sich trotz einer vergleichbaren Altersstruktur der Befragten eine geringere Verfügbarkeit von Notärzt*innen für die aktive Tätigkeit ergeben haben.
Notärzt*innen im ländlichen Raum sind häufiger > 60 Jahre alt und versehen Dienste seltener als Dienstaufgabe im Rahmen einer Klinikabstellung. Ein beabsichtigter Ausstieg aus dem Notarztdienst wurde durch freiberuflich tätige und durch im ländlichen Raum tätige Notärzt*innen häufiger angegeben. Entsprechend könnte ein notärztliches Besetzungsproblem zunächst im ländlichen Bereich auftreten. Der hier dargestellte Einfluss demografischer Charakteristika von Notärzt*innen auf die notärztliche Versorgungsstruktur deckt sich dabei gut mit Berichten über Versorgungsprobleme in der ärztlichen Niederlassung in ländlichen Räumen [6] [8].
Der Erhalt praktischer Fertigkeiten im Notarztdienst ist Gegenstand kontroverser Diskussionen [14] [15] und in einem klinisch-akutmedizinischen Umfeld leichter zu gewährleisten als in ausschließlich prähospitaler Tätigkeit [16]. Für Notärzt*innen, die nicht regelmäßig in einem innerklinischen High-Care-Bereich tätig sind, stellt die regelmäßige Übung solcher Fertigkeiten ein Problem dar, welches mit theoriebasierten Fortbildungen und Simulationstrainings adressiert, aber nicht vollständig behoben werden kann. Im Kollektiv der DEMAND-Studie lag die Rate an Notärzt*innen ohne regelmäßige klinisch-akutmedizinische Tätigkeit bei 28,5%. Auch wenn die genaue Korrelation einer regelmäßigen innerklinischen High-Care-Tätigkeit mit einem besseren Behandlungserfolg unklar ist, scheinen die Ergebnisse der DEMAND-Analyse für mehr als ein Viertel der Notärzt*innen einen erhöhten Trainingsbedarf für Maßnahmen, die ohne regelmäßige Tätigkeit in einem akutmedizinischen Bereich selten ausgeführt werden, nahezulegen. Dem folgend könnte diskutiert werden, ob etwa ein jährlicher Nachweis durchgeführter Maßnahmen oder eine Fortbildungspflicht etabliert werden sollte. Solche Vorgaben werden bereits durch einzelne Landesärztekammern (z. B. in Bayern und Schleswig-Holstein) gefordert [17] [18] [19]. Intensivierte Anforderungen für den Notarztdienst könnten die Kompetenzen von Notärzt*innen steigern, erhöhen aber gleichzeitig die Einstiegshürden durch den damit verbundenen Kosten- und Zeitaufwand.
Ohne fundierte Zahlen über die Ausbildung notärztlichen Nachwuchses lassen die Ergebnisse der vorliegenden Studie einen zunehmenden Notarztmangel in Deutschland befürchten. Obwohl der aktuellen Erhebung folgend ein solcher Mangel zuerst in ländlichen Gebieten erwartet werden sollte, sind auch in städtischen Gebieten notärztliche Personalprobleme vorhanden. Entsprechend betrachtet die hier vorgestellte multivariate Analyse Einflussfaktoren auf den Verbleib von Kolleg*innen im aktiven Notarztdienst ungeachtet der jeweiligen Raumstruktur. Den vorliegenden Ergebnissen folgend scheinen die Vergütung, die Zufriedenheit mit den Berufsbedingungen und eine engere Indikationsstellung Einfluss auf den Verbleib im Notarztdienst zu nehmen. Die Bewertung der Vergütung als angemessen ist naturgemäß eine subjektive Einschätzung. Nichtsdestotrotz weisen die Einflussfaktoren auf ein potenzielles Ausscheiden hin und können als Surrogatparameter für die Wahrscheinlichkeit zum Ausstieg herangezogen werden. Dies könnte bei Vor-Ort-Analysen der jeweiligen Notarztstandorte, vor allem derer mit einem hohen Anteil nebenberuflich tätiger Kolleg*innen, hilfreich sein.
Während das primäre Ziel dieser Arbeit die Analyse demografischer Unterschiede in Abhängigkeit der Raumstruktur unter Notärzt*innen war, wurden parallel Kritikpunkte an der aktuellen Gestaltung des Notarztdienstes erfragt. Hierzu erhielten Teilnehmende, die den aktiven Notarztdienst bereits verlassen haben, und solche, die einen Ausstieg anstreben, sowie Teilnehmende, die angaben, mit den Berufsbedingungen unzufrieden zu sein, im Rahmen von Freitextantworten die Möglichkeit, die jeweiligen Gründe zu spezifizieren. Auch wenn die hieraus resultierenden Daten nicht das gesamte Studienkollektiv umfassen, liefert die Betrachtung dieser Gründe mögliche Stellschrauben bezüglich der Gestaltung des Notarztdienstes. Wie bereits angesprochen, scheint der Ruhestand basierend auf einer limitierten Untergruppe der Teilnehmenden mit stattgehabten wie auch mit beabsichtigtem Ausstieg keine führende Ursache darzustellen. Weiterhin geben aktive Notärzt*innen mit avisierter Aufgabe der Tätigkeit unter anderem eine Unzufriedenheit mit den Berufsbedingungen an ([Abb. 3]). Entsprechend kann vermutet werden, dass eine Anpassung von Rahmenbedingungen zu einer verbesserten Personalbindung beitragen kann. So weist die vorliegende Untersuchung zumindest für einen Anteil der Teilnehmenden als Ursache für eine Unzufriedenheit mit den Berufsbedingungen neben einer subjektiv als inadäquat empfundenen Vergütung auf die kontinuierlich steigende Einsatzbelastung, einen hohen Anteil als inadäquat disponiert aufgefasster Einsätze sowie eine heterogene Aus- und Fortbildungslandschaft hin.
Unbestreitbar sind diese Eindrücke eine Momentaufnahme der deutschen Notfallmedizin. Es darf hierbei nicht vergessen werden, dass das Gesundheitswesen in einem Wandel begriffen ist und vielerorts bereits unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung der prähospitalen Notfallmedizin im Allgemeinen oder des Notarztdienstes im Speziellen vorgenommen wurden. Die vorliegende Studie liefert Hinweise, dass eine inadäquate Disposition von Notärzt*innen in Kombination mit den steigenden Einsatzzahlen nachteilig für die Berufszufriedenheit ist. Prause et al. legen für das österreichische Rettungswesen nahe, dass in einem Großteil aller untersuchten Rettungsdiensteinsätze vor Ort keine spezielle notärztliche Intervention notwendig ist [20]. Bis dato kann über die Häufigkeit von Notarzteinsätzen ohne benefizielle notärztliche Intervention keine abschließende Aussage getroffen werden. Angesichts der kontinuierlich steigenden Einsatzzahlen scheint jedoch die Telenotfallmedizin, die mancherorts bereits fest implementiert, anderenorts projektiert ist, ein Entlastungspotenzial zur Reduktion von Vor-Ort-Einsätzen für Notärzt*innen zu bieten [21] [22]. Obendrein könnte das inzwischen deutlich erweiterte Kompetenzprofil von Notfallsanitäter*innen zu einer reduzierten Disposition von Notärzt*innen zu Patient*innen ohne kritisches Erkrankungsbild beitragen [23].
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Limitationen
Die vorliegende Arbeit stellt eine Beschreibung des aktuellen Zustandes des Notarztwesens in Deutschland auf Basis der subjektiven Einschätzung von notärztlich ausgebildeten Kolleg*innen aus dem gesamten Bundesgebiet dar. Folglich stellen die präsentierten Ergebnisse eine Näherung und keine absolute Darstellung des Status quo dar. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl gehen wir bezüglich der demografischen Erhebung sowie der multivariaten Analyse jedoch von einer zufriedenstellenden Repräsentanz aus. Die Gründe für einen stattgehabten oder avisierten Ausstieg sowie für eine mögliche Unzufriedenheit mit den Berufsbedingungen sind aufgrund der reduzierten Anzahl an Freitextantworten jedoch nur eingeschränkt zu bewerten und dienen vor allem als Anhaltspunkte für künftige Arbeiten zu möglichen Strukturanpassungen im Notarztdienst.
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Kernbotschaft
Zwischen Notärzt*innen in städtischen und ländlichen Räumen bestehen relevante demografische Unterschiede, die bei der Personalplanung beachtet werden sollten. Der hohe Anteil an Notärzt*innen ohne regelmäßige innerklinische High-Care-Tätigkeit sollte bei der Fort- und Weiterbildung von Notärzt*innen bedacht werden. In Anbetracht des aktuellen Wandels im Gesundheitswesen und der prähospitalen Notfallmedizin sowie der teilweise spärlichen Datenlage erscheinen Änderungen von Rahmenbedingungen für eine Steigerung der Berufszufriedenheit womöglich vielversprechend. Auch wenn die vorliegende Arbeit gewisse Problemfelder wie etwa die Dispositionsqualität nahelegt, sind zur genaueren Beschreibung von Angriffspunkten weitere Arbeiten notwendig.
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Interessenkonflikt
BH ist Vorsitzender der abgn e.V. FR ist Vorsitzender der BAND e.V. sowie der AGNN e.V.
Danksagung
Die Autoren bedanken sich bei allen Umfrageteilnehmenden sowie bei der BAND e.V. für die Unterstützung bei der Durchführung. Des Weiteren bedanken sich die Autoren bei Dr. P. Gotthard von Nerdfallmedizin für die Unterstützung bei der Bewerbung der Umfrage und letztlich bei Dr. A. Schneider, Universität Ulm, für die Bereitstellung der Umfragesoftware.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 15 February 2024
Accepted after revision: 07 September 2024
Article published online:
30 September 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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