CC BY-NC-ND 4.0 · Fortschr Neurol Psychiatr
DOI: 10.1055/a-2415-8477
Originalarbeit

Versorgung von Patient*innen der Außerklinischen Intensivpflege in ärztlich geleiteten Einrichtungen – eine Querschnitterhebung der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung

Physician-led healthcare structures for patients in out-of-hospital intensive care nursing: a cross-sectional survey by the German Society for Out-of-Hospital Ventilation
Donatha Hornemann
1   Sankt Rochus Klinken Bad Schönborn, Bad Schönborn, Germany
,
Bernd Schucher
2   Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., Bovenden-Lenglern, Germany
3   LungenClinic Großhansdorf, Großhansdorf, Germany
,
Hakim Bayarassou
2   Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., Bovenden-Lenglern, Germany
4   ZAB – Zentrum für Außerklinische Beatmung, Köln, Germany
,
Christoph Jaschke
2   Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., Bovenden-Lenglern, Germany
,
Georg Fabritius
2   Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., Bovenden-Lenglern, Germany
,
Thomas Platz
5   AG Neurorehabilitation, Universität Greifswald, Greifswald, Germany (Ringgold ID: RIN26552)
6   Institut für Neurorehabilitation und Evidenzbasierung, An-Institut der Universität Greifswald, BDH-Klinik Greifswald gGmbH, Greifswald, Germany (Ringgold ID: RIN222714)
,
Tobias Schmidt-Wilcke
7   Bezirkslinikum Mainkofen, Deggendorf, Germany (Ringgold ID: RIN167528)
,
Marcus Pohl
8   VAMED Klinik Schloss Pulsnitz, Pulsnitz, Germany
,
2   Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V., Bovenden-Lenglern, Germany
9   Oldenburger Forschungsnetzwerk Notfall- und Intensivmedizin (OFNI), Carl von Ossietzky Universitat Oldenburg, Oldenburg, Germany (Ringgold ID: RIN11233)
10   MEDIAN Klinik Bad Tennstedt, Bad Tennstedt, Germany (Ringgold ID: RIN84511)
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Patient*innen der Außerklinischen Intensivpflege (AKI) sind meist mit einer Trachealkanüle versorgt und häufig invasiv beatmet. Seltener sind sie nichtinvasiv beatmet. Ab 01. Januar 2025 muss bei ihnen halbjährlich das Beatmungsentwöhnungs- und Dekanülierungspotential erhoben werden. Liegt Potential vor, soll die Einweisung in eine spezialisierte Einrichtung erfolgen.

Ziel: Ärztlich geleitete Einrichtungen, die das Dekanülierungs- und Beatmungsentwöhnungspotential erheben und dessen Umsetzung gewährleisten können, sollten charakterisiert werden.

Methode Unter Schirmherrschaft der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V. und mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation fand eine Online-Querschnitterhebung statt.

Ergebnisse Zertifizierungen nach DGAI, DGP, DGNR oder DGMP besaßen n=11 (61,1%) von 18 teilnehmenden Einrichtungen. Am häufigsten war der leitende Arzt Facharzt für Neurologie, gefolgt von Innere Medizin und Pneumologie, Anästhesiologie und Pädiatrie. Viele Berufsgruppen und Qualifikationen sowie diagnostischen und therapeutischen Methoden wurden vorgehalten. Insgesamt sahen n=10 (55,6%) regional keine ausreichenden Möglichkeiten zur stationären Aufnahme von Patient*innen der AKI zur Beatmungsentwöhnung oder Dekanülierung. Ca. ein Drittel der Einrichtungen bot Televisiten an.

Diskussion Patient*innen der AKI benötigen aufgrund medizinischer Komplexität und eingeschränkter Teilhabe eine interdisziplinäre, intersektoral organisierte Versorgung. Zwar wurden Interdisziplinarität und eine Vielzahl diagnostischer und therapeutischer Methoden von den teilnehmenden Einrichtungen vorgehalten, jedoch waren ihre Strukturmerkmale uneinheitlich.

Schlussfolgerung Für Zentren, die ein Dekanülierungs- und Beatmungsentwöhnungspotential erheben sowie bei Feststellung umsetzen, sollten Qualitätskriterien etabliert werden. Es besteht Forschungsbedarf bezüglich 1. der Präzisierung dieser Kriterien, 2. der Kapazitäten der Einrichtungen, die die Beatmungs- und Trachealkanülenentwöhnung durchführen, 3. der ambulanten Beatmungs- und Trachealkanülenentwöhnung und 4. der telemedizinischen Strukturen für Patient*innen der AKI.


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Abstract

Background Patients in out-of-hospital intensive care are usually provided with a tracheal cannula and often additionally receive mechanical ventilation. Less frequently, they receive non-invasive ventilation. Their potential to be weaned from the ventilator and to have their tracheostomy tubes removed must be evaluated twice per year from January 1, 2025 on. If there is a potential for weaning from mechanical ventilation or removal of the tracheostomy tube, referral to a specialized facility is required.

Objective The study aimed at characterizing the specialized institutions which can evaluate the potential of patients to be weaned from the ventilator and to have their tracheostomy tubes removed, and which can perform these tasks as well.

Methods Under the auspices of the German Interdisciplinary Society for Out-of-Hospital Ventilation (DIGAB) and with support from the Working group early neurological-neurosurgical rehabilitation (ENNR) a crosssectional online survey took place.

Results Of 18 participating institutions, 11 (61.1%) were certified by professional societies representing neurorehabilitation, respiratory medicine, anaesthesiology and intensive care or paraplegiology. Most leading physicians were specialists in neurology, followed by pulmonology, anaesthesiology and paediatrics. Many professions with a variety of qualifications worked in these institutions. According to n=10 (55.6%) of the participating instituions, regional treatment capacities for patients from out-of-hospital intensive care, who need hospital admission for weaning from mechanical ventilation or a tracheal cannula, were not sufficient. About one third of the institutions offered televisits.

Discussion Patients in out-of-hospital intensive care need interdisciplinary care, interconnecting out- and inpatient care structures due to medical complexity and participation restrictions. While interdisciplinary teams and a wide spectrum of diagnostic and therapeutic methods were provided in the participating institutions, their structure differed considerably.

Conclusion Quality criteria should be established for centres evaluating the patientsʼ potential to be weaned from the ventilator and to have their tracheostomy tubes removed and performing weaning from mechanical ventilation and tracheal cannulas. Further research is needed to specify those criteria, to quantify inpatient treatment capacities for patients from out-of-hospital intensive care to be weaned from mechanical ventilation or tracheal cannulas,to evaluate the feasibility of weaning from mechanical ventilation and tracheal cannulas in an out-of-hospital setting and to understand the role of telemedicine in the treatment of patients in out-of-hospital intensive care.


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Einführung

Anspruch auf eine außerklinische Intensivpflege haben gemäß SGB V, §37c, (1) Versicherte, bei denen „die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist.“ Zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit können in diesem Zusammenhang bestimmte ärztliche Tätigkeiten an die entsprechenden Fachkräfte delegiert werden, welche besondere Qualifikationen nachweisen müssen (Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie/AKI-RL, 2021). Die Versorgung von Menschen in der außerklinischen Intensivpflege ist meist mit dem Vorhandensein einer Trachealkanüle, einer invasiven Beatmung oder einer – durch den Patient*innen nicht selbst anwendbaren – nichtinvasiven Beatmung verbunden. Die Versorgung kann an unterschiedlichen Orten – z. B. zu Hause, in einer „Intensivpflege-Wohngemeinschaft (Intensiv-WG)“ oder in einer stationären Pflegeeinrichtung – stattfinden, wobei berechtigten Wünschen des Versicherten zu entsprechen ist. Je nach Versorgungsform sind die finanziellen und personellen Aufwendungen sehr unterschiedliche, was zu politischen und öffentlichen Diskussionen führt. Nicht zuletzt aufgrund des bestehenden Fachkräftemangels in den Pflegeberufen (Kohrs, 2019) werden die finanziellen Anreize und personellen Ressourcenbindung stetig debattiert [1].

Im Jahre 2020 wurden seitens der gesetzlichen Krankenkassen 20590 Leistungsfälle in der außerklinischen Intensivpflege angegeben. Die Versorgung fand überwiegend in Intensivpflege-Wohngemeinschaften statt [2]. Die Zahl der Leistungsfälle der privaten Krankenkasse in Bezug auf außerklinische Intensivpflege (AKI) ist nicht bekannt, lässt sich aber anhand des Verhältnisses von privat zu gesetzlich Versicherten in Deutschland auf ca. 2500 schätzen. Wahrscheinlich leiden mehr als 80% der Patient*innen in der AKI an neurologischen Erkrankungen, welche Folgezustände schwerer Hirnschädigung, neurodegenerative und neuromuskuläre Erkrankungen sowie Querschnittlähmungen umfassen [3]. Das Alter der Patient*innen der Außerklinischen Intensivpflege umfasst grundsätzlich die gesamte Lebensspanne [2]. Um die Behandlungsqualität dieser hoch vulnerablen und häufig multimorbiden Patientenklientel zu gewährleisten, müssen vorhandene Versorgungsstrukturen stetig evaluiert und ggf. angepasst werden [1].

Um bei Patient*innen der Außerklinischen Intensivpflege das Potential zur Beatmungs- oder Trachealkanülierung zu erkennen, hat die Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie (AKI-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) einen Prozess definiert, der ab dem 31.12.2024 die Voraussetzung für die Verordnung von AKI darstellt. Alle sechs Monate muss durch speziell qualifizierte Ärzt*innen eine Erhebung des Potentials bezüglich Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung durchgeführt werden, welche einmal jährlich telemedizinisch erfolgen kann. Für den Fall, dass ein Potential zur Entwöhnung von Beatmung und Trachealkanüle festgestellt wird, ist die Einweisung in eine auf Beatmungsentwöhnung oder auf Dysphagie und Trachealkanülenmanagement spezialisierte stationäre Einrichtung vorgesehen. Kann ein Potential zur Entwöhnung von Beatmung und Trachealkanüle perspektivisch vorliegen, werden Maßnahmen festgelegt, die dazu dienen, dass dieses Potential schließlich erreicht wird. Wenn allerdings die Prognose in Bezug auf das Potential zur Entwöhnung von Beatmung und Trachealkanüle aussichtslos ist, ist die Erhebung nur noch alle 12 Monate notwendig. Wenn über einen Zeitraum von mindestens 2 Jahren zweimal in Folge im Rahmen einer persönlichen Erhebung festgestellt wird, dass kein Potential vorliegt, entfällt die Verpflichtung zur erneuten Erhebung.

Zentren, welche Beatmungsentwöhnung durchführen, müssen transparente Qualitätskriterien erfüllen, um eine fachgerechte Versorgung zu gewährleisten. Diesbezügliche Zertifizierungen sind durch die Deutsche Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR), die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) und die Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP) etabliert worden. Zudem werden Patient*innen mit Langzeitbeatmung in Neuromuskulären Zentren, die von der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) zertifiziert werden, sowie in Schlaflaboren, die von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) akkreditiert werden, behandelt [4] [5]. Erhebungen von Dekanülierungsraten wurden zwar von Einrichtungen der neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation durchgeführt, in denen die Behandlung des insuffizienten Speichelmanagements bzw. der neurogenen Dysphagie und, darauf aufbauend, das Trachealkanülenmanagement mit dem Ziel der Dekanülierung schwerpunktmäßig stattfindet [6]. Es gibt jedoch keine Qualitätskriterien, keine Zertifizierungsverfahren und keine transparente Erfassung für die in der AKI-RL erwähnten, auf Dysphagie spezialisierten Einrichtungen.


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Ziel der Studie

Hauptintention dieser wissenschaftlichen Onlinebefragung war es, das Verständnis über ärztlich geleitete Einrichtungen zu verbessern, die derzeit schon die Erhebung eines Dekanülierungs- und Beatmungsentwöhnungspotentials wie auch evtl. die Entwöhnung von Beatmung oder Trachealkanüle – in der Regel im Rahmen eines stationären Aufenthalts – durchführen oder dies zukünftig tun können. Im Besonderen sollten die personellen Qualifikationen, die Ausstattung, das Methodenspektrum, die behandelte Erkrankungsbilder und die Möglichkeiten sowie die Bereitschaft, an der Umsetzung der AKI-RL mitzuarbeiten, beschrieben werden. Zielgruppe dieser Befragung waren daher Institutionen, die unter ärztlicher Leitung bereits regelmäßige Kontrollen außerklinisch intensivpflegerisch versorgter Menschen vornehmen oder erwägen, zukünftig an der Umsetzung der „Richtlinie über die Verordnung von außerklinische Intensivpflege (AKI-RL)“ des G-BA mitzuwirken.


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Methoden

Die Umfrage fand unter der Schirmherrschaft der Deutsche interdisziplinäre Gesellschaft für außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V. statt, welche sich für die Belange der außerklinischen Beatmung einsetzt. Sie wurde des Weiteren durch die Arbeitsgemeinschaft Neurologisch-neurochirurgische Frührehabilitation (AG NNF) unterstützt, einem deutschlandweit organisierten, informellen Arbeitskreis zwanzig leitender Ärzt*innen aus der NNF zum fachlichen Austausch und zur Qualitätsförderung in der NNF. Zur Datenerhebung wurde von der DIGAB mit Unterstützung der AG NNF unter Einbezug von Expert*innen aus Weaningzentren (DGP), Zentren für Beatmungsentwöhnung in der Neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation (DGNR) und Querschnittgelähmtenzentren (DMGP) ein Fragebogen entwickelt. Erfragt wurden Angaben zu Lokalisation und Art der Institution, zu strukturellen Merkmalen inkl. der Qualifikationen der Mitarbeitenden, vorhandenen apparativen und diagnostischen Mitteln und zur Patientenklientel.

Die Erhebung der Daten fand mittels digitalem Erhebungsfragebogen durch das Fragebogentool SoSci Survey statt. Der Befragungszeitraum war von 10.01.2023 bis 31.03.2023. Zur Rekrutierung wurde der Fragebogen über die Verteiler der DIGAB sowie der AG NNF versandt. Der Link zur Befragung war für alle Adressaten identisch.

Der Fragebogen enthielt 35 Fragen. Fragen zu Bundesland, Region, Behandlung von Kindern sowie Qualifikationsvoraussetzungen und Planungen in Bezug auf Potientialerhebungen und Verordnungen von außerklinischer Intensivpflege waren als Einfachauswahl konzipiert, alle übrigen Fragen als Mehrfachauswahl. Mittels Freitexteingaben und numerischen Eingaben konnten die Teilnehmer einige Items detaillierter beschreiben wie zum Beispiel Qualifikationen oder methodenbezogene Fallzahlen. Für den vorliegenden Artikel wurden 27 Fragen ausgewertet. Nicht in die Auswertung eingeschlossen wurden 7 Fragen zu telemedizinischen Angeboten und eine Frage zu klinischen Visiten/Kontrollterminen, da diese lediglich als Grundlage für die Planung einer Folgebefragung vorgesehen waren. In Supplement 1 sind die Fragen, die in die Auswertung eingingen, und die Antwortmöglichkeiten zusammengestellt und Filterfragen gekennzeichnet.

In die Auswertung wurden nur diejenigen Teilnehmer eingeschlossen, die den Fragebogen bis zur letzten Seite bearbeitet hatten. Eingeschlossen wurden auch Fragebögen, bei denen Fragen ausgelassen wurden.

Die Erhebung der Daten unterlag den gesetzlichen Regelungen, wie dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO, GDPR). Die medizinische Ethikkommission der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg schätzte die Befragung als nicht beratungspflichtig ein, da es sich um die Auswertung anonymer Daten handelt, die sich nicht einer bestimmten Person zuordnen lassen (Waiver 2024–035).


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Ergebnisse

Der Versand des Fragebogens erfolgte an mehr als 600 ärztliche und nichtärztliche Mitglieder der DIGAB sowie alle 20 Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Neurologisch-Neurochirurgische Frührehabilitation. Insgesamt 18 Teilnehmer machten Angaben zu den ärztlich geleiteten Einrichtungen und bearbeiteten den Fragebogen bis zur letzten Seite. Fünf unvollständige Datensätze wurden durch Vergleich mit den übrigen Datensätzen als doppelte Erfassung identifiziert und in der Auswertung nicht berücksichtigt. Alle Fragen wurden von den 18 Teilnehmern vollständig beantwortet, wenn nicht anders im Text oder in den Tabellen vermerkt.

Allgemeine Charakteristika

[Tab. 1] stellt die regionale Verteilung der Einrichtungen dar. Aus sechs Bundesländern waren keine Teilnehmer zu verzeichnen. Acht (44,4%) Teilnehmer gaben die Art ihrer Einrichtung als ambulant, einer (5,6%) als tagesklinisch, sechzehn (88,9%) als stationär und zwei (11,1%) als sonstige Einrichtung an. Mehrfachantworten waren hier möglich. Fünf Einrichtungen (27,8%) verfügten über eine Zertifizierung als Zentrum für Beatmungsentwöhnung in der Neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation durch die DGNR, drei (16,7%) waren durch die DGP als Weaningzentrum zertifiziert, von denen wiederum zwei (11,1%) als Schlaflabor akkreditiert waren, zwei (11,1%) verfügten über das Zertifikat Entwöhnung von der Beatmung der DGAI und eine Einrichtung (5,6%) war durch die DMGP als Querschnittgelähmtenzentrum zertifiziert. Drei (16,7%) Einrichtungen waren Teil eines durch die DGM zertifizierten neuromuskulären Zentrums.

Tab. 1 Regionale Verteilung der Einrichtungen.

Bundesland

n

%

Baden-Württemberg

2

11,1

Bayern

4

22,2

Berlin

1

5,6

Brandenburg

1

5,6

Bremen

0

0

Hamburg

0

0

Hessen

2

11,1

Mecklenburg-Vorpommern

0

0

Niedersachen

2

11,1

Nordrhein-Westfalen

3

16,7

Rheinland-Pfalz

1

5,6

Saarland

0

0

Sachsen-Anhalt

0

0

Sachsen

1

5,6

Schleswig-Holstein

1

5,6

Thüringen

0

0

Region

n

%

Ballungsraum (>250 000 Einwohner)

7

38,9

Großstadt (>100 000 Einwohner)

5

27,7

Mittelstadt (>20 000 Einwohner)

0

0

Ländliche Region

6

33,3


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Personal und Qualifikation, diagnostische und therapeutische Methoden

Einen Überblick über die bei den leitenden Ärzt*innen und in den gesamten Ärzteteams der Einrichtungen vorhandenen Qualifikationen gibt [Tab. 2]. Elf (61,1%) der leitenden Ärzt*innen hatten im Median 20 (IQR 13–25) Jahre Erfahrung in der Beatmungsentwöhnung und zehn (55,6%) der leitenden Ärzt*innen hatten im Median 20 (IQR 12–22) Jahre Erfahrung in der NNF. [Tab. 3] gibt einen Überblick über die nichtärztlichen Berufsgruppen in den Teams der Einrichtungen und deren Qualifikationen. [Tab. 4] stellt die in den Einrichtungen verfügbaren Behandlungsverfahren und diagnostischen Methoden dar.

Tab. 2 Bei den leitenden Ärzt*innen und im gesamten Ärzteteam (inklusive leitendem Arzt) vorhandene Qualifikationen in Bezug auf die Zahl der Einrichtungen.

Leitender Arzt*

Gesamtes Ärzteteam

Gebiet

n

%

n

%

Neurologie

8

44,4

13

72,2

Innere Medizin und Pneumologie

4

22,2

8

44,4

Anästhesiologie und Intensivmedizin

2

11,1

10

55,6

Pädiatrie

2

11,1

5

27,8

Physikalische Medizin und Rehabilitation

1

5,6

4

22,2

Innere Medizin

1

5,6

4

22,2

Neurochirurgie

1

5,6

2

11,1

Orthopädie, Orthopädie und Unfallchirurgie

0

0

2

11,1

Allgemeinchirurgie

0

0

2

11,1

Zusatzqualifikation

n

%

n

%

Zusatzbezeichnung Intensivmedizin

7

38,9

14

77,8

Zusatzbezeichnung Palliativmedizin

3

16,7

13

72,2

Zusatzbezeichnung Notfallmedizin

3

16,7

7

38,9

Zusatzbezeichnung Rehabilitationswesen

3

16,7

3

16,7

Zusatzbezeichnung Schlafmedizin

2

11,1

5

27,8

Zusatzbezeichnung Ärztliches Qualitätsmanagement

1

5,6

1

5,6

Zusatzbezeichnung Sozialmedizin

1

5,6

1

5,6

Schwerpunkt Neuropädiatrie

1

5,6

2

11,1

FEES-Zertifikat

5

27,8

13

72,2

*Das n beträgt 19 aufgrund der doppelten Facharztqualifikation eines Leitenden Arztes.

Tab. 3 Nichtärztliche Berufsgruppen und Qualifikationen.

Nichtärztliche Disziplinen im Team*

n

%

Physiotherapie

17

94,4

Krankenpflege

16

88,9

Ergotherapie

16

88,9

Logopädie

16

88,9

Sozialdienst

15

83,3

(Neuro-)Psychologie

13

72,2

Atmungstherapie

12

66,7

Physikalische Therapie

12

66,7

Musiktherapie

8

44,4

Qualifikationen im pflegerischen Team

n

%

Anästhesie und Intensivpflege

13

72,2

Palliative Care

10

55,6

Pain Nurse

7

38,9

Pflege in der NNFR

5

27,8

Pflegefachkraft für außerklinische Beatmung

4

22,2

Pflegeexperte für außerklinische Beatmung

2

11,1

Fachpflege Paraplegiologie

1

5,6

Pflegefachkraft für außerklin. pädiatrische Beatmung

0

0

Qualifikationen im therapeutischen Team

n

%

FEES

13

72,2

F.O.T.T

10

55,6

Unterstütze Kommunikation

10

55,6

Manuelle Therapie

11

61,1

Bobath/Vojta

13

72,2

Basale Stimulation

12

66,7

Affolter

7

38,9

Fachtherapeut für außerklinische Intensivversorgung

2

11,1

*Im Freitext wurden weiterhin genannt: Kunsttherapie, Klangschalentherapie, Tiergestützte Therapie, Seelsorge, Case Management, Heilpädagogik, Ernährungsberatung und Krankenhausschule.

Tab. 4 Behandlungsverfahren und diagnostische Methoden.

Außerklinische Beatmung und Hustenunterstützung

n

%

Anpassung Heimbeatmungsgeräte

15

83,3

Auslesemöglichkeit Heimbeatmungsgeräte

11

61,1

Anpassung mechanischer Insufflator-Exsufflator

16

88,9

Auslesemöglichkeit mechanischer Insufflator-Exsufflator

11

61,1

Elektrorollstühle und Unterstützte Kommunikation

n

%

Anpassung Elektrorollstühle

13

72,2

Anpassung Unterstützte Kommunikation

12

66,7

Diagnostik allgemein

n

%

BGA

17

94,4

Labor/POCT

17

94,4

EKG

16

88,9

Respiratorische Diagnostik

n

%

Spirometrie

13

72,2

Bodyplethysmographie

8

44,4

Polygraphie

9

50,0

Polysomnographie

5

27,8

Transkutane Kapnometrie

8

44,4

Endoskopie

n

%

Bronchoskopie

16

88,9

Gastroskopie/PEG-Anlage

16

88,9

FEES

15

83,3

Bildgebung

n

%

Sonographie

16

88,9

Röntgen

16

88,9

CT

15

83,3

MRT

8

44,4

Neurophysiologie

n

%

EEG

14

77,8

EMG

14

77,8


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Behandlungsspektrum in Bezug auf Erkrankungsbilder

[Tab. 5] zeigt, wie viele der Eirichtungen Patient*innen mit bestimmten Diagnosen behandelten. Sechs (33,3%) Einrichtungen behandelten neben Erwachsenen auch Kinder, und eine (5,6%) Einrichtung behandelte ausschließlich Kinder. Zu den häufigsten Diagnosen der behandelten Kinder machten sechs dieser sieben Einrichtungen Angaben. Benannt wurden neuromuskuläre Erkrankungen, Spinale Muskelatrophie, Muskeldystrophie Typ Duchenne und Becker, angeborene Hirnschädigungen, genetische und syndromale Erkrankungen, hypoxische, ischämische, traumatische und entzündliche Enzephalopathien, hohe Querschnittlähmung, bronchopulmonale Dysplasie, laryngotracheale Spalten sowie Zwerchfellhernie mit Lungenhypoplasie.

Tab. 5 Zahl der Einrichtungen, welche die jeweilige Diagnose behandeln.

Diagnose

n

%

COPD

14

77,8

Weaningversagen

14

77,8

Thorakal-restriktive Erkrankungen

12

66,7

Obesitas-Hypoventilationssyndrom

11

61,1

Amyotrophe Lateralsklerose

13

72,2

CIP/CIM/ICU-AW1

15

83,3

Muskeldystrophie Typ Duchenne

14

77,8

Sonstige neuromuskuläre Erkrankungen

16

88,9

Intrazerebrale Blutung/Subarachnoidalblutung

16

88,9

Zerebrale Ischämie

15

83,3

Schädel-Hirn-Trauma

14

77,8

Hypoxische Enzephalopathie

14

77,8

Infantile Zerebralparese

9

50,0

Multiple Sklerose

12

66,7

Morbus Parkinson

11

61,1

1Critical Illness Polyneuropathy/Critical illnesss Myopathy/Intensive Care Unit Acquired Weakness


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Beatmungsformen und Zahl behandelter beatmeter und tracheotomierter Patient*innen

In den letzten 12 Monate vor Beantwortung des Fragebogens hatten 13 (73,3%) Einrichtungen Patient*innen mit nichtinvasiver Beatmung (NIV), 11 (61,1%) Einrichtungen Patient*innen mit lebenserhaltender NIV (>16 h tgl.), 16 (88,9%) Einrichtungen Patient*innen mit invasiver Beatmung und 16 (88,9%) Einrichtungen Patient*innen mit absaugpflichtiger Trachealkanüle ohne Beatmung behandelt. Bezogen auf die Einrichtungen, die über das jeweilige Behandlungsangebot auch verfügten, betrug der Median der ambulant oder stationär behandelten Patient*innen mit NIV 65 (IQR 28–100), mit lebenserhaltender NIV 20 (IQR 4–31), mit invasiver Beatmung 93 (IQR 44–146) und mit absaugpflichtiger Trachealkanüle, aber ohne Beatmung 75 (IQR 20–186).


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Stationäre Behandlung von Patient*innen aus der AKI und Umsetzung der AKI-Richtlinie

Siebzehn Einrichtungen machten Angaben bezüglich stattgehabter stationärer Aufnahmen von Patient*innen aus der AKI zur Entwöhnung von Beatmung oder Trachealkanüle. Elf dieser 17 Einrichtungen (64,7%) hatten in den letzten zwölf Monaten vor dem Zeitpunkt der Befragung Patient*innen aus der AKI sowohl zur Entwöhnung von Beatmung als auch zur Entwöhnung von der Trachealkanüle aufgenommen. Eine der 17 Einrichtungen (5,9%) hatte Patient*innen aus der AKI nur zur Entwöhnung von der Trachealkanüle aufgenommen. Die übrigen 5 der 17 Einrichtungen (29,4%) nahmen Patient*innen aus der AKI weder zur Beatmungsentwöhnung noch zur Trachealkanülenentwöhnung auf. Bezogen auf die Einrichtungen, die über das jeweilige Behandlungsangebot auch verfügten, betrugen der Median der aus der AKI zur Beatmungsentwöhnung aufgenommenen Patient*innen 50 (IQR 5–74) und der Median der aus der AKI zur Trachealkanülenentwöhnung aufgenommenen Patient*innen 10 (IQR 5–51). Weitere Angaben zur Umsetzung der AKI-Richtlinie sind [Tab. 6] zu entnehmen.

Tab. 6 Umsetzung der AKI-Richtlinie in Bezug auf die Zahl der Einrichtungen.

Entwöhnung von der Beatmung

n (*)

%

Qualifikation für die Erhebung des Beatmungsentwöhnungspotentials vorhanden

14 (17)

82,4

Erhebung des Beatmungsentwöhnungspotentials geplant

13 (16)

81,3

Stationäre Aufnahme von Patient*innen aus der AKI zur Beatmungsentwöhnung in den 12 Monaten vor der Befragung durchgeführt

12(17)

70,6

Angebot der Koordination der strukturierten ambulanten Beatmungsentwöhnung vorhanden

7(17)

41,2

Regional ausreichende Kapazitäten in spezialisierten stationären Einrichtungen für die stationäre Aufnahme zur Beatmungsentwöhnung vorhanden

7(17)

41,2

Entwöhnung von der Trachealkanüle

n (*)

%

Qualifikation für die Erhebung des Dekanülierungspotentials vorhanden

14 (17)

82,4

Erhebung des Dekanülierungspotentials geplant

13(16)

81,3

Stationäre Aufnahme von Patient*innen aus der AKI zur Trachealkanülenentwöhnung in den 12 Monaten vor der Befragung durchgeführt

12(17)

70,6

Angebot der Koordination der strukturierten ambulanten Trachealkanülenentwöhnung vorhanden

7(17)

41,2

Regional ausreichende Kapazitäten in spezialisierten stationären Einrichtungen für die stationäre Aufnahme zur Trachealkanülenentwöhnung vorhanden

5(17)

29,4

Verordnung der Außerklinischen Intensivpflege

n (*)

%

Qualifikationsvoraussetzungen für die Verordnung von AKI vorhanden

17(17)

100

Verordnung von AKI geplant

13(17)

76

*Zahl der Teilnehmer, die die Frage beantwortet hatten.


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Televisiten

Ein beschriebener Prozess für Televisiten existierte an nur zwei (11,8%) von 17 Einrichtungen, die hierzu Angaben machten. Zur Frequenz der Televisiten machten alle 18 Einrichtungen Angaben: Zwei (11,1%) Einrichtungen boten in regelmäßigen Abständen, eine (5,6%) in unregelmäßigen Abständen und drei (16,7%) auf Anfrage Televisiten an, zwölf hingegen gar nicht (66,7%).


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Palliativversorgung

Angaben zur Palliativversorgung tracheotomierter und lebenserhaltend beatmeter machten Teilnehmer aus 17 Einrichtungen. Die Palliativversorgung wird durch 11 Einrichtungen (64,7%) selbst durchgeführt, bei 12 Einrichtungen sind interne oder externe Kooperationspartner (z. B. andere Fachabteilung des Krankenhauses, SAPV) vorhanden. Eine Mehrfachauswahl war hier möglich. Mindestens eine dieser beiden Möglichkeiten der Palliativversorgung stand an allen Einrichtungen zur Verfügung.


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Diskussion

Angesichts der zum 31.12.2024 anstehenden Umsetzung des Prozesses der Potentialerhebung zur Beatmungs- oder Trachealkanülierung bei Patient*innen der Außerklinischen Intensivpflege als Voraussetzung für die Verordnung von Außerklinischer Intensivpflege (AKI) besteht dringender Bedarf eines besseren Verständnisses der Einrichtungen, die Patient*innen mit absaugpflichtiger TK, invasiver Beatmung oder lebenserhaltender nichtinvasiver Beatmung versorgen. Über die Befragung gelang es Einrichtungen, die als spezialisierte Einrichtung derzeit oder zukünftig einerseits die Erhebung eines Dekanülierungs- und Beatmungsentwöhnungspotential durchführen können, wie auch dessen Umsetzung gewährleisten können, zu charakterisieren. Dies ist ein erster wichtiger Schritt zur Beantwortung der Frage, welche Einrichtungen zukünftig in noch zu etablierenden Netzwerken für diese von der AKI-RL bereits vorgesehenen Leistungen integriert werden können und sollten.

An der Befragung nahmen spezialisierte Organisationen aus dem ambulanten und stationären Bereich mit unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten wie Neurologie (mit und ohne neuromuskulären Schwerpunkt), Innere Medizin und Pneumologie (mit oder ohne Schlaflabor), Paraplegiologie und Pädiatrie teil. Dies spiegelte sich in einem breiten Spektrum an Zertifizierungen bzw. Akkreditierungen nach DGP, DGNR, DGAI, DGSM, DGM und DGMP sowie in den breit gefächerten fachärztlichen Qualifikationen beim ärztlichen Personal der Einrichtungen wider. Eine Zertifizierung im pädiatrischen Fachbereich existiert zwar bisher nicht, aber Zentren, die pädiatrische Erkrankungen behandeln, nahmen ebenfalls an der Befragung teil. Die Versorgung von Patient*innen der AKI mit Erhebung eines Beatmungsentwöhnungs- und Dekanülierungspotentials und dessen Umsetzung trifft in Deutschland also auf hoch diversifizierte Versorgungsstrukturen, im Vergleich zu beispielsweise den Niederlanden, in denen die Versorgung heimbeatmeter Patient*innen um 4 spezialisierte Zentren organisiert ist. Deren Behandlungsschwerpunkt ist allerdings die nichtinvasive Beatmung, was die Vergleichbarkeit mit den Versorgungsstrukturen in Deutschland erheblich einschränkt [7].

In den Einrichtungen ist eine große Zahl ärztlicher und nichtärztlicher Disziplinen tätig, und die leitenden Ärzt*innen wiederum entstammen einem breiten Spektrum an Fachgebieten, nämlich der Neurologie, Inneren Medizin und Pneumologie, Anästhesiologie und Intensivmedizin, Neurochirurgie, Pädiatrie und Physikalische Medizin und Rehabilitation. Die leitenden Ärzt*innen verfügten außerdem über ein breites Spektrum an Zusatzqualifikationen, insbesondere die Zusatzbezeichnungen Intensivmedizin, Notfallmedizin, Rehabilitationswesen und Schlafmedizin sowie das FEES-Zertifikat der DGN. Zieht man das gesamte ärztliche Team der Einrichtungen in Betracht, ist im Bereich der meisten der untersuchten Facharztgebiete und Zusatzqualifikationen die Durchdringung noch wesentlich höher. Am häufigsten arbeiteten in den Teams der Einrichtungen folgende nichtärztlichen Disziplinen mit: Gesundheits- und Krankenpflege, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Sozialdienst, Psychologie und Atmungstherapie, allerdings waren die Atmungstherapeut*innen unter den genannten mit 66,7% am wenigsten häufig in den Teams vertreten. Angesichts der klinischen Probleme der Patient*innen der AKI in den Bereichen Atmung, Husten und Sekret ist die Atmungstherapie allerdings konzeptuell in deren Versorgung unabdingbar, und Atmungstherapeut*innen werden daher zunehmend in die Teams integriert. Das Spektrum an Zusatzqualifikationen bei den Pflegekräften und Therapeut*innen der Einrichtungen war ebenfalls sehr breit.

In den befragten Einrichtungen wurde eine Vielzahl an diagnostischen Methoden mit hoher Durchdringung angeboten. Auffällig war allerdings, dass zur Umsetzung der Leitlinie „Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz“ erforderliche Methoden wie zum Beispiel die Spirometrie, die Polygraphie und die transkutane Kapnometrie nicht durchgängig vorhanden waren [8]. Dies galt auch für die Möglichkeiten, die in Beatmungsgeräten für die außerklinische Beatmung und mechanischer In- und Exsufflatoren gespeicherten Daten auszulesen. Auch war die Durchdringung beim Behandlungsangebot der lebenserhaltenden NIV inkomplett. Alle in diesem Absatz genannten Methoden dienen der optimalen Einstellung und Kontrolle der außerklinischen Beatmung, so dass sowohl Maßnahmen mit dem Ziel einer verbesserten Durchdringung als auch die Etablierung von Zuweisungskriterien für Kategorien von Einrichtungen, die jeweils bestimmte Charakteristika teilen (z. B. NIV-Einstellung oder kombiniertes Dysphagie- und Trachealkanülenmanagement; bzw. Erkrankungsschwerpunkt, z. B. Pneumologie oder Neurologie) erforderlich sind.

Jeweils mehr als die Hälfte der Einrichtungen gab an, Patient*innen mit COPD, Amyotropher Lateralsklerose, Muskeldystrophie Typ Duchenne, Critical-illness-Polyneuropathie/-Myopathie, anderen neuromuskulären Erkrankungen, Intrazerebrale Blutungen (ICB)/Subarachnoidalblutung (SAB), zerebralen Ischämien, Schädelhirntrauma (SHT) und hypoxischer Enzephalopathie zu versorgen. Damit ist das Spektrum schwerer Erkrankungen, welches von den Einrichtungen versorgt wird, sehr breit. Außerdem besteht ein hoher Bedarf an komplexen Hilfsmitteln, was sich darin widerspiegelt, dass in den meisten Einrichtungen die Anpassung von Elektrorollstühlen und Unterstützter Kommunikation angeboten wurde.

Die Behandlung trachealkanülierter oder invasiv beatmeter Patient*innen wurde von jeweils 88,9% der Einrichtungen angeboten. Typischerweise schwer dekanülierbar sind Patient*innen mit Speichelaspiration und Husteninsuffizienz aufgrund von neurologischer Erkrankung, so dass diese Besonderheit am ehesten durch die Teilnahme von Einrichtungen der Neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation an der Befragung erklärt wird. Die Zahlen der in den Einrichtungen in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung behandelten Patient*innen dokumentierten das hohe Ausmaß an Routine, welches die teilnehmenden Einrichtungen mit diesen Methoden haben.

Die überwiegende Zahl an Einrichtungen verfügte gemäß AKI-RL über die ärztlichen Qualifikationsvoraussetzungen für die Erhebung des Beatmungsentwöhnungspotentials und des Dekanülierungspotentials. Ebenso plante die überwiegende Zahl der Einrichtungen die Durchführung dieser Erhebungen. Für die Durchführung der Beatmungs- oder Trachealkanülenentwöhnung wären gemäß der AKI-RL auch stationäre Behandlungskapazitäten erforderlich. Stationäre Aufnahmen von Patient*innen aus der AKI zur Beatmungs- oder Trachealkanülentwöhnung waren bereits in der Mehrzahl der an der Befragung teilnehmenden Einrichtungen möglich, auch koordinierten einige schon die strukturierte ambulante Beatmungs- sowie Trachealkanülenentwöhnung. Regional ausreichend Kapazitäten für die stationäre Aufnahme von Patient*innen der AKI zur Beatmungsentwöhnung gaben allerdings nur 41,2% und zur Trachealkanülenentwöhnung nur 29,4% an. Dies legt nahe, dass – selbst wenn ausreichend Ärzt*innen für die Potentialerhebungen zur Verfügung stünden – die sich direkt aus den Potentialerhebungen ergebenden Indikationen zur Behandlung nicht flächendeckend umgesetzt werden können.

Televisiten könnten im Bereich der Versorgung von Patient*innen in der AKI zu verschiedenen Zwecken genutzt werden, beispielsweise zur Erhebung des Potentials zur Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung, zur Koordination der ambulanten Entwöhnung von Beatmung und Trachealkanüle oder zur Durchführung von Beatmungskontrollen. Allerdings war die Durchdringung bezüglich des Angebots von Televisiten bei den Teilnehmern dieser Befragung gering. Eine Spezifizierung der Rolle der Telemedizin für die Behandlung von Patient*innen der AKI setzt weitere Forschung mit dem Ziel eines umfassenden Verständnisses der in Deutschland bereits bestehenden telemedizinischen Strukturen voraus.

Angesichts diverser Faktoren – wie Alter, Multimorbidität, hoher Symptomlast, komplexer neurologischer Symptome, Kommunikationsstörungen und fehlender Entscheidungsfähigkeit – besteht schließlich bei vielen Patient*innen der AKI ein Bedarf an Palliativversorgung. Dementsprechend war eine Palliativversorgung an allen Einrichtungen verfügbar, und in 72,2% der Einrichtungen verfügte ein Mitglied des ärztlichen Teams über die Zusatzbezeichnung Palliativmedizin.


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Limitationen

Die wichtigste Limitation dieser Studie ist, dass nicht klar ist, ob die Ergebnisse für die Versorgungslandschaft in Deutschland repräsentativ sind. Dies hat mehrere Gründe: Erstens ist die Zahl von 18 Teilnehmenden gering. Zweitens konnte keine Rückläuferquote ermittelt werden, da der Versand an zwei verschiedene Verteiler (DIGAB und AG NFR) erfolgte, die erfassten Daten aber keinen Rückschluss auf die Zugehörigkeit zu einem dieser Verteiler zuließen, und da nicht bekannt ist, wie viele Mitglieder der DIGAB in einer ärztlich geleiteten Einrichtung im Sinne der aktuellen Befragung tätig sind. Drittens könnten die Einrichtungen, die Mitglied in der AG NNF sind, über andere Strukturmerkmale verfügen als die übrigen Einrichtungen der NNF. In einer Folgebefragung mit Unterstützung von DGNR, DGP, DGAI, DMGP, DGM und Deutscher Gesellschaft für Physikalische und Rehabilitative Medizin (DGPRM) könnten deutlich mehr Teilnehmende rekrutiert werden. Beispielsweise wurde von 68 Zentren berichtet, die Beatmungsentwöhnung in der NNF anbieten [9], und auf der Internetpräsenz der DGP sind 64 Weaningzentren aufgeführt [10]. Hinzu kämen die Träger des Zertifikats „Entwöhnung von der Beatmung“ der DGAI, Querschnittgelähmtenzentren pädiatrische Einrichtungen und Einrichtungen der fachübergreifenden Frührehabilitation.


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Schlussfolgerungen

Das breite Spektrum wichtiger Charakteristika wie Alter, Diagnosen und Symptomatik der Patient*innen der AKI erfordert spezialisierte diagnostische und therapeutische Methoden, qualifiziertes ärztliches und nichtärztliches Personals sowie eine interdisziplinäre Arbeitsweise in Einrichtungen, die in die Erhebung eines Dekanülierungs- und Beatmungsentwöhnungspotential und dessen Umsetzung einbezogen sind oder sein werden. In Teilbereichen wie einerseits der für die Einstellung und Kontrolle der außerklinischen Beatmung bzw. andererseits der Dysphagietherapie und des Trachealkanülenmanagements erforderlichen diagnostischen und therapeutischen Methoden besteht jeweils eine unvollständige Durchdringung. Zur Stärkung von Transparenz und Versorgungssicherheit sollten einheitliche Qualitätskriterien für Zentren, die in die Erhebung des Potentials zur Entwöhnung von Beatmung und Trachealkanüle und dessen Umsetzung einbezogen sind, etabliert werden. Dabei können auch Einrichtungskategorien mit spezifischen Zuweisungsmerkmalen definiert werden. Eine Folgestudie mit einer größeren Teilnehmerzahl und Analyse von Untergruppen – zum Beispiel bezogen auf die jeweils zertifizierende Fachgesellschaft – würde eine präzisere Identifikation solcher Qualitätskriterien ermöglichen. Zudem ist eine detaillierte Erhebung der in Deutschland bestehenden telemedizinischen Strukturen für Patient*innen der AKI erforderlich.

Die vorliegende Studie fand außerdem Hinweise auf fehlende Behandlungskapazitäten in spezialisierten Einrichtungen, die eine Beatmungs- oder Trachealkanülenentwöhnung bei Patient*innen der AKI durchführen können und wollen. In diesem Fall wäre die AKI-RL in wesentlichen Punkten nicht umsetzbar und die adäquate Patientenversorgung nicht gesichert. Also ist Forschung auch bezüglich der Behandlungskapazitäten der Einrichtungen, die die Beatmungs- und Trachealkanülenentwöhnung durchführen, sowie bezüglich der ambulanten Beatmungs- und Trachealkanülenentwöhnung erforderlich.


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Fazit für die Praxis

  1. Patient*innen der außerklinischen Intensivpflege können in Einrichtungen der Neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation, in durch die DGP zertifizierten Weaningzentren, in von der DGAI mit dem Zertifikat „Entwöhnung von der Beatmung“ versehenen Einrichtungen, in Querschnittgelähmtenzentren und in spezialisierten pädiatrischen Einrichtungen zur Entwöhnung von Beatmung und Trachealkanüle aufgenommen werden.

  2. Diese Einrichtungen verfügen über spezialisierte diagnostische und therapeutische Methoden, qualifiziertes ärztliches und nichtärztliches Personal, eine interdisziplinäre Arbeitsweise sowie in einigen Fällen über ambulante Behandlungsangebote. Die vorhandenen Strukturmerkmale reichen jedoch nicht in allen Einrichtungen für die fachgerechte Behandlung von Patient*innen der AKI aus.

  3. Einheitliche Qualitätskriterien für Einrichtungen, die Patient*innen der AKI ambulant oder stationär behandeln, sollten daher erarbeitet werden bzw. klientelbezogen differenzierte Zuweisungskriterien.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Zusätzliches Material


Korrespondenzadresse

Dr. Martin Groß
Deutsche Interdisziplinäre Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) e.V.
Bovenden-Lenglern
Germany   

Publication History

Received: 18 March 2024

Accepted after revision: 02 August 2024

Article published online:
22 October 2024

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