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DOI: 10.1055/a-2416-1080
Akzeptanz und Anwendbarkeit eines Augmented Reality basierten Navigationssystems mit optischem Tracking für perkutane Eingriffe in der Interventionellen Radiologie – eine simulationsbasierte Phantomstudie
Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch- Zusammenfassung
- Einleitung
- Material und Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion
- Klinische Relevanz
- References
Zusammenfassung
Ziel
Augmented Reality (AR) projiziert bei Eingriffen zusätzliche Informationen ins Sichtfeld des Anwenders. Ziel war es, die Akzeptanz und klinische Anwendbarkeit eines AR-Systems zu evaluieren sowie Anwender verschiedener Erfahrungsstufen zu vergleichen. Untersucht wurde ein System, das ein CT-erzeugtes 3D-Modell eines Phantoms mithilfe einer HoloLens 2 ins Sichtfeld projiziert, wobei die getrackte Nadel angezeigt und live navigiert wird. Ein projiziertes Ultraschallbild dient zur Live-Kontrolle der Nadelpositionierung. Dadurch soll Strahlenexposition minimiert und Orientierung verbessert werden.
Material und Methoden
Die Akzeptanz und Anwendbarkeit des AR-Navigationssystems wurde von 10 Ärzten und Medizinstudenten mit unterschiedlichem Erfahrungsstand evaluiert, indem sie Punktionen mit dem System in einem Phantom durchführten. Anschließend wurde die benötigte Zeit verglichen und ein Fragebogen zur Bewertung der klinischen Anwendbarkeit und Akzeptanz ausgefüllt. Zur statistischen Auswertung wurden Häufigkeiten für qualitative Merkmale, Lage- und Streuungsmaße für quantitative Merkmale sowie die Spearman-Rangkorrelationen für Zusammenhänge berechnet.
Ergebnisse
9 von 10 Probanden trafen alle 5 Zielregionen im ersten Versuch und benötigten durchschnittlich 29:39 Minuten für alle Punktionen. Es bestand ein signifikanter Zusammenhang zwischen Vorerfahrung in interventioneller Radiologie, Berufsjahren und der benötigten Zeit. Insgesamt variierte die Zeit von durchschnittlich 43:00 min. bei Medizinstudenten bis 15:00 min. bei Chefärzten. Alle Probanden zeigten hohe Akzeptanz des Systems und bewerteten besonders die potenzielle klinische Anwendbarkeit, die Vereinfachung der Punktion und die Bildqualität positiv. Die Mehrheit benötigt jedoch weiteres Training für ausreichende Sicherheit in der Anwendung.
Schlussfolgerung
Das System bietet deutliche Vorteile bei Navigation und Orientierung, erleichtert während der Ausbildung perkutane Eingriffe und ermöglicht beruflich erfahrenen Ärzten kurze Eingriffszeiten. Darüber hinaus verbessert das System die Ergonomie während des Eingriffs, indem wichtige Informationen immer direkt im Sichtfeld verfügbar sind, und hat das Potenzial, insbesondere die Strahlenexposition des Personals durch Kombination von AR und Sonografie und damit verbundener Verkürzung von CT-Fluoroskopiezeiten zu reduzieren.
Kernaussagen
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AR-Navigation bietet Vorteile für die Orientierung bei perkutanen radiologischen Interventionen.
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Die Probanden möchten das AR-System im klinischen Alltag am Patienten verwenden.
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AR verbessert die Ergonomie, indem wichtige Informationen direkt im Sichtfeld verfügbar sind.
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Kombination von AR und Sonografie kann die Strahlenexposition des Personals deutlich reduzieren.
Zitierweise
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Rohmer K, Becker M, Georgiades M et al. Acceptance and feasibility of an augmented reality-based navigation system with optical tracking for percutaneous procedures in interventional radiology - a simulation-based phantom study. Fortschr Röntgenstr 2024; DOI 10.1055/a-2416-1080
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Einleitung
Augmented Reality (AR) ermöglicht es, zusätzliche Informationen in die Realität einzublenden, die viele Vorteile, nicht nur in der Interventionellen Radiologie, bieten. So können zum Beispiel CT- oder MRT-Bilder während einer Intervention direkt im Sichtfeld zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören auch dreidimensionale Hologramme von Organen des Patienten oder 3D-Navigationsdaten einer Punktionsnadel. Ein weitverbreitetes Equipment zum Anzeigen solcher AR-Bilder stellen sogenannte Head Mounted Displays (HMD) dar. Ein solches HMD ist die Microsoft HoloLens 2. Der mögliche Einsatz von AR in der Medizin wurde bereits in anderen Studien für viele Fachbereiche gezeigt. So zum Beispiel in der Chirurgie [1], Orthopädie [2], Schilddrüsenchirurgie [3], Urologie [4] und Gefäßchirurgie [5].
Die momentan für komplexe Punktionen verwendete CT-Fluoroskopie ist ein anspruchsvolles Verfahren, welches hohe Anforderungen an das räumliche Vorstellungsvermögen des Interventionalisten stellt. Die Position der Nadel im dreidimensionalen Körper muss anhand zweidimensionaler axialer CT-Bilder abstrahiert und kann durch multiplanare Rekonstruktionen nur bedingt unterstützt werden. Um diese Orientierung zu vereinfachen, könnte Augmented Reality ein geeignetes Verfahren darstellen. Durch die Darstellung von 3D-Projektionen und damit verbundener Tiefenwahrnehmung kann eine bessere Übertragbarkeit auf den Körper des Patienten gegeben sein [5]. Dies vereinfacht die Punktion mit alternativen Zugangswegen, was das Risiko von Verletzungen kritischer Strukturen minimieren und somit die Patientensicherheit erhöhen könnte.
Studien aus dem Bereich der Urologie haben bereits gezeigt, dass mit Augmented Reality die Verfahrenszeiten deutlich minimiert werden konnten und qualitativ bessere Ergebnisse erzielt wurden [4]. Kürzere Verfahrenszeiten könnten helfen, die zunehmende Arbeitsbelastung mit Punktionen zu kompensieren.
AR bietet viele zusätzliche Vorteile. So können Daten (3D-Modelle, Livebilder etc.) direkt in das Sichtfeld des Anwenders projiziert werden. Es ist beispielsweise möglich, Fusionsbilder aus CT und anderen Modalitäten mit 3D-Hologrammen der Organe des Patienten zu kombinieren. In Vorbereitung auf Biopsien bietet es die Möglichkeit, Punktionswege an dreidimensionalen Modellen zu planen und während der Intervention anzuzeigen. In Kombination mit einem Live-Tracking von Nadeln und anderen Instrumenten kann so ein neuartiges und kostengünstiges Navigationssystem für minimalinvasive Verfahren realisiert werden. Besonders wichtig ist hierbei, dass die Informationen nicht auf einem zusätzlichen Bildschirm angezeigt werden müssen, sondern direkt auf das HMD, in die Sicht des Anwenders, projiziert werden können. Dies führt zu einer verbesserten Ergonomie während der Intervention und zu einer Fokussierung auf die wesentlichen Inhalte [6]. Durch den Wegfall zusätzlicher Bildschirme, welche häufig an ungünstigen Stellen positioniert werden müssen, können damit verbundene Probleme, wie Rücken-, Schulter- und Nackenschmerzen [7], aber auch ein sonst erhöhtes Risiko für iatrogene Verletzungen durch eine gestörte visuell motorische Achse [8] minimiert werden.
Ein HMD kann unter sterilen Bedingungen getragen werden [3]. Dies bietet die Möglichkeit, das Navigationssystem während einer Intervention zu nutzen, wodurch die Frequenz und Dauer der CT-Fluoroskopie potenziell verringert und damit die Strahlenexposition, vor allem für das medizinische Personal, gesenkt wird.
Hauptziel dieser Studie war es, die Akzeptanz eines auf der HoloLens 2 basierenden AR-Systems für minimalinvasive CT-gestützte interventionsradiologische Verfahren zu erfassen und dessen klinische Anwendbarkeit zu überprüfen. Sekundäres Ziel bildete die Auswertung der Lernkurven verschiedener Erfahrungsstufen von Probanden.
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Material und Methoden
Hardware
Eine Übersicht des verwendeten Materials ist in [Abb. 1] zu sehen.


Als AR-System wurde eine HoloLens 2 (Version: 20348.1542, Microsoft Corporation, Redmond, USA) verwendet. Diese lässt sich vollständig durch Handgesten steuern, um die Bedienung unter sterilen Bedingungen zu ermöglichen. Die Displays der HoloLens 2 haben eine 2K-Auflösung im 3:2-Format, was einer Auflösung von >2500 Pixel pro Radiant entspricht [9]. Die HoloLens wurde über ein 5 GHz W-LAN mit der Workstation verbunden.
Für das optische Tracking kam eine Stereokamera (MicronTracker 3 Hx40, ClaroNav Inc., Toronto, Canada) zum Einsatz.
Die Punktionen erfolgten an einem Phantom (CIRS triple modality 3D abdominal phantom, Model 057A, Sun Nuclear Corporation, Melbourne, USA) mit internen Strukturen (Rippen, Wirbelsäule, Nieren, Leber, Lebervene, Lunge), welches sowohl Ultraschall- als auch CT-Bildgebung erlaubt ([Abb. 2]). Für die Punktionssimulation wurden Nadeln mit einer Arbeitslänge von 150 mm verwendet (17G, 1,4 × 180 mm, KLS Martin SE & Co. KG, Tuttlingen, Deutschland).


Für das optische Tracking wurden an dem Phantom sechs optische Tracker angebracht, welche im optischen Zentrum eine kleine Metallkugel haben. Diese Kugel ist im CT detektierbar, wodurch die CT-Daten später mit den optischen Bildern der Kamera fusioniert werden können. Für das Tracken der Nadel wurden ebenfalls spezielle optische Marker verwendet (Holo4Med S.A., Białystok, Polen). Als Ultraschall kam ein Curved Array Schallkopf (3–11 MHz) (S40, SonoScape Medical Corp., Shenzhen, China) bzw. C5–2 Schallkopf (2–5 MHz) (ACUSON Freestyle, Siemens Healthineers AG, Forchheim, Deutschland) zum Einsatz.
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Software und Anwendung
Als Software kam eine Anwendung namens HoloMIAI (Holo4Med S.A., Białystok, Polen) zum Einsatz. Die DICOM-Dateien des Phantoms wurden von der Software in ein 3D-Modell mit segmentierten inneren Strukturen umgerechnet. In diesem Modell lassen sich durch Definition des Einstich- und Zielpunktes Stichpfade planen. In der HoloLens 2 wird den Probanden das 3D-Modell des Phantoms inklusive der geplanten Nadelwege angezeigt. Hierbei wird eine Linie zwischen geplantem Einstich- und Zielpunkt angezeigt, welche zur besseren Orientierung aus dem Phantom heraus verlängert ist. Während der Punktion wird dann zusätzlich die Punktionsnadel in dieses 3D-Modell projiziert, welche zur korrekten Punktion der Zielstruktur mit der verlängerten Stichlinie des 3D-Modells überlappt werden muss. Außerdem verfärbt sich der Zielpunkt von rot auf grün, sobald die verlängerte Nadelspitze auf ihn gerichtet ist ([Abb. 3] und [Abb. 4]). Zusätzlich steht den Probanden ein weiteres Tool namens „Aim-Panel“ zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um eine Zielhilfe, bestehend aus einem roten und einem blauen Ring, sowie einem weißen Punkt. Zur korrekten Punktion müssen dabei beide Ringe über den weißen Punkt gebracht werden. Der blaue Ring beschreibt den Abstand der Nadelspitze zum Einstichpunkt und der rote Ring zeigt die korrekte Ausrichtung der Nadelspitze auf das Ziel. Zusätzlich wird durch eine, sich bei Annäherung an das Ziel füllenden Leiste, der Abstand zur Zielstruktur angezeigt ([Abb. 3] und [Abb. 4]). Bei ca. 2 cm Abstand zum Ziel sollte der Ultraschall mitverwendet werden. Dieser wird ebenfalls in die Sicht des Anwenders, in die HoloLens 2 projiziert und dient während der finalen Punktion als live-bildgebende Modalität ([Abb. 4]). Alle drei Komponenten (3D-Modell, Aim-Panel und Ultraschall-Bild) lassen sich frei vom Nutzer mittels Handgesten nach eigenem Belieben im Raum platzieren, sowie ein- oder ausblenden.




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Studienablauf
Die Akzeptanz und Anwendbarkeit des AR-Systems wurden von Probanden, die sich hinsichtlich Erfahrungsstufen und Alter unterschieden, evaluiert (3 Medizinstudenten, 2 Assistenzärzte, 3 Fachärzte, 1 Oberarzt und 1 Chefarzt). Außerdem wurde die Berufserfahrung der Probanden in Form von Berufsjahren in der Radiologie erfasst und die Probanden wurden gebeten, die Anzahl an durchgeführten CT-Fluoroskopien, Ultraschalluntersuchungen und ultraschallgestützten Punktionen anzugeben. Zudem wurden bisherige Vorerfahrungen mit AR oder VR (Virtual Reality) dokumentiert. Alle Probanden erhielten zunächst eine Einführung in das AR-System und durchliefen das allgemeine Tutorial der HoloLens 2 von Microsoft, in welchem sie die allgemeine Bedienung kennenlernten. Zusätzlich wurde die HoloLens auf die Augen der Studienteilnehmer kalibriert. Anschließend erhielten die Probanden die Möglichkeit, sich mit der Punktionssoftware vertraut zu machen. Dafür bekamen sie zunächst eine Einführung in die verschiedenen Tools und Möglichkeiten des HoloMIAI-Systems und wie diese verwendet werden. Außerdem erhielten sie eine Einführung in die wichtigsten Sprachbefehle. Diese lagen auch während der Versuche als Liste aus. Nachdem die Probanden sich mit der Bedienung des Systems vertraut gemacht hatten, folgte eine Übungsphase von insgesamt 3 Punktionen: eine erste Übungspunktion unter standardisierter Anleitung in eine 6 cm tief liegende und ca. 8 mm im Durchmesser messende Zielstruktur und anschließend zwei weitere Punktionen mit unterschiedlichen Zugangswegen und Zielgrößen zu Übungszwecken ([Abb. 5]).


Nach der Trainingsphase sollten die Probanden fünf verschiedene Zielläsionen unterschiedlicher Größe und mit verschieden langem und anguliertem Zugangsweg unter Vermeidung der kritischen Strukturen des Modells (Lunge und Lebervene) punktieren. Die Durchmesser der Läsionen differierten dabei zwischen 7 mm–15 mm und die Länge des Nadelwegs zwischen 65 mm–143 mm.
Anschließend wurden die Nadelspitzenlagen mittels eines CT-Scans dokumentiert und ausgewertet. Die benötigte Zeit vom Ansetzten der Nadel zur ersten Punktion, bis der Proband den Abschluss der fünften Läsion deklarierte, wurde dokumentiert. Falls nicht alle Zielläsionen getroffen wurden, wurde ein erneuter Durchgang mit 5 Punktionen durchgeführt. Auftretende Probleme und deren Begründungen wurden ebenfalls dokumentiert.
Im Anschluss an die Punktion wurden die Probanden gebeten, einen Fragebogen zur klinischen Anwendbarkeit, Sicherheit und der Handhabung des Systems auszufüllen. Dabei mussten die Probanden Fragen ([Tab. 1]) auf einer Likert-Skala von „Stimme voll zu“ (5) bis „Stimme überhaupt nicht zu“ (1) bewerten.
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Statistische Analyse
Für die statistische Analyse verwendeten wir IBM SPSS Statistics 28.0 (IBM Corp., Armonk, NY, USA). Zunächst erfolgte eine deskriptive Erhebung der erfassten Merkmale. Für qualitative Merkmale wurden dabei Häufigkeiten berechnet und diese als absolute Zahlen und Prozentzahlen dargestellt. Für quantitative Merkmale wurden Lage- und Streuungsmaße bestimmt. Zur Untersuchung von Zusammenhängen zwischen den quantitativen Variablen wurden Rangkorrelationen nach Spearman verwendet. Deren Bewertung erfolgt gemäß der Interpretation nach Cohen (1988): |rs| = 0.10 – schwache Korrelation, |rs| = 0.30 – mittlere Korrelation, |rs| = 0.50 – starke Korrelation).
Alle Tests wurden zweiseitig durchgeführt, und ein p-Wert ≤0,05 wurde als statistisch signifikant angesehen.
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Ergebnisse
9 von 10 der Probanden waren in der Lage, alle 5 Zielstrukturen im ersten Versuch zu treffen. Lediglich ein Assistenzarzt benötigte einen zweiten Durchgang. Im Durchschnitt benötigten die Probanden 29:39 Minuten für 5 erfolgreiche Punktionen. Eine Untersuchung des Abstandes zur Läsionsmitte war nicht möglich, da bei teilweise lediglich 3,5 mm im Radius messenden Zielläsionen, selbst bei 1 mm CT-Schnitten, bei 1,4 mm dicken Nadeln und deutlichen Metallartefakten die Messungenauigkeit zu groß wäre. Daher erfolgte lediglich die für die Praxis relevante Einteilung in „getroffen“ oder „nicht getroffen“. Dabei zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl an Berufsjahren und der benötigten Zeit (rs=–0,787; p=0,007), sowie zwischen der benötigten Zeit und Vorerfahrungen mit CT-Fluoroskopie (rs=–0,755; p=0,012), Sonografie (rs=–0,632; p=0,050) und sonografisch gestützten Punktionen (rs=–0,745; p=0,013). Drei der Probanden gaben an, bereits jeweils einmal außerhalb eines medizinischen Kontextes Erfahrung mit VR oder AR gemacht zu haben. Dies hatte aber keinen nachweisbaren Zusammenhang mit einer schnelleren Punktionszeit.
Medizinstudenten benötigten durchschnittlich 43:00 min, Assistenzärzte 34:30 min, Fachärzte 22:10 min, Oberärzte 17:00 min und Chefärzte 15:00 min ([Abb. 6] und [Tab. 2]).


Bei der Befragung der Teilnehmer wurden im Wesentlichen positive und weitgehend zustimmende Stellungnahmen erhoben. Im Rahmen des Fragebogens mit einer Likert-Skala von 1 bis 5 Punkten wurde der Mittelwert (M) der gegebenen Antworten gebildet. Dabei gaben die Probanden an, dass sie sich einen Einsatz der HoloLens im klinischen Alltag vorstellen können (M=4,6), dass das System die Nadelnavigation vereinfachte (M=4,7), dass die Bildqualität für den vorgesehenen Zweck ausreichend war (M=4,7) und dass die Punktion außerhalb der CT-Gentry die Punktion vereinfachte (M=4,57). Die Benutzerfreundlichkeit und schnelle Gewöhnung an die Handhabung wurden mit M=3,9 bzw. M=3,8 bewertet. Die Frage danach, ob man während der Punktion ein sicheres Gefühl hatte, wurde mit M=3,6 bewertet. Mit einer Bewertung von M=4,2 stimmten die Probanden zu, dass sie das System zukünftig für perkutane Verfahren am Patienten einsetzen möchten. Ebenfalls mit M=4,2 wurde die Notwendigkeit von weiterem Training bewertet ([Tab. 1]). Bei den vergebenen Punktzahlen gab es in aller Regel keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen der Bewertung durch Medizinstudenten und erfahreneren Probanden. Einzig auffällig war, dass der befragte Chefarzt sich bereits so sicher mit dem System fühlte, dass er die Notwendigkeit von weiterem Training mit 1 bewertete und damit deutlich von der Bewertung der anderen Probanden (M=4,2) abwich.
Zu technischen Problemen kam es insgesamt selten. Bei zwei Probanden schaltete sich die HoloLens aufgrund von Überhitzung ab. Vermutlich war hier die zusätzliche Rechenbelastung durch die Livebild-Übertragung des HoloLens-Bildes im Rahmen der Studie auf einen PC die Ursache. Zweimal kam es kurzzeitig zu Übertragungsproblemen des W-LANs und bei einem Probanden knickte der Marker der Nadel leicht ab, wodurch es zu einem fehlerhaften Tracking der Nadel kam.
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Diskussion
Die Ergebnisse zeigen, dass das AR-System viele Vorteile für perkutane Verfahren in der Interventionellen Radiologie hat, beispielsweise eine verbesserte Orientierung während der Intervention, was vor allem Vorteile bei der Nadelnavigation bietet. Außerdem hat die Einbindung der Live-Bildgebung des Ultraschalls bei weiterhin bestehender Möglichkeit der CT-Fluoroskopie das Potenzial, die Strahlenexposition für das Personal drastisch zu reduzieren, ohne die Sicherheit der Nadelnavigation in den Patienten zu verringern.
Ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Berufserfahrung, der Vorerfahrung in Interventioneller Radiologie der Probanden und der für die Punktionen benötigten Zeit war zu erwarten und wurde hier bestätigt. Dennoch ist zu unterstreichen, dass alle Medizinstudenten, ohne jegliche Berufserfahrung, in der Lage waren, ebenfalls die Punktionen mit diesem System im ersten Versuch erfolgreich durchzuführen. Dieser Vorteil bei perkutanen Verfahren für gänzlich unerfahrene Medizinstudenten deckt sich mit Ergebnissen mit anderen AR-Systemen (ohne US) [10]. Hier zeigt sich das Potenzial, die Lernkurven für perkutane Eingriffe in der Interventionellen Radiologie abzuflachen und somit durch eine schnellere Ausbildung, die Ausbildung von mehr Interventionalisten zu ermöglichen.
Die Benutzungsakzeptanz des Systems ist sehr hoch ausgefallen und die Handhabung wurde als intuitiv empfunden. Darüber hinaus konnten sich alle befragten Probanden den Einsatz des Systems im klinischen Alltag gut vorstellen. Allerdings gaben 80% der Probanden an, weiteres Training mit dem System zu benötigen, was wahrscheinlich auch die im Verhältnis betrachtete niedrigere Bewertung des sicheren Gefühls während der Punktion erklärt.
Die Anwendbarkeit von durch Augmented Reality angezeigten 3D-Modellen für Punktionen wurde in anderen Studien bestätigt [10] [11] [12]. Studien haben ebenfalls bereits die Anwendbarkeit von Ultraschall während CT-gestützter perkutaner Eingriffe mit deutlicher Reduktion der Strahlenbelastung gezeigt [13].
Allerdings ist diese Studie eine der ersten, die ein System evaluiert, welches optisch gestütztes Nadeltracking mit AR-Projektion eines 3D-Modells, sowie in der Sicht des Anwenders angezeigten live-Ultraschall für perkutane Eingriffe kombiniert. Die Überlegenheit eines mittels AR angezeigten US-Bildes für perkutane Biopsien, insbesondere durch die verbesserte Ergonomie [6], angenehmeres Arbeiten [14] und eine verbesserte Präzision [15] wurde bereits in anderen Studien bestätigt. Auch die Möglichkeit der Kombination von US- und CT-Bildern für AR-gestützte Punktionen [16], sowie Instrumenten-Trackings und AR-projiziertem Ultraschall wurden bereits gezeigt [17]. Für Prostata-Punktionen wurde bereits die Anwendbarkeit eines ähnlichen Systems wie dem hier getesteten mit 3D-Navigation und Ultraschall gezeigt [18].
Die Punktionszeit mit durchschnittlich 5:56 min/Punktion mit dem hier getesteten AR/US-Verfahren in einem Phantom mit Lebervene und Lunge als wesentliche Risikostrukturen ist vergleichbar mit den Ergebnissen anderer Studien mit AR-basierten Punktionssystemen. Hier lagen die Punktionszeiten in einem Phantom ohne jegliche Risikostrukturen mit AR-Navigation in Kombination mit CT-Fluoroskopie bei 4:42 min/Punktion [10] bzw. 9:24min/Punktion bei rein AR-gestützten Punktionen in einem menschlichen Leichnam [11]. Zu bedenken ist, dass die hier verglichenen Systeme sich technisch deutlich unterscheiden, allerdings deutet sich eine Verlängerung der Punktionszeit mit Zunahme und Komplexität von Risikostrukturen an.
Eine Herausforderung stellt die gewohnte Verformung oder Biegung der Nadel im Phantom oder zukünftig im Patienten und die damit verbundene, nicht 100%-gerade Punktionsstrecke dar, da im Rahmen des optischen Trackings die Nadelspitze anhand einer geraden Linie vom Marker am Ende der Nadel abstrahiert wird. Daher bedarf es einer kontinuierlichen Kontrolle durch live-bildgebende Modalitäten wie Ultraschall, insbesondere bei den letzten 2–3 cm der Punktionsstrecke. Außerdem wäre eine Verbindung des Systems mit biegungssensitiven Nadeln denkbar [19].
Als weitere wichtige Limitation ist zu erwähnen, dass es sich hier um ein stationäres Phantom handelt, welches keine Atembewegung hat. Dieses Problem könnte durch Kombination mit einer Atembewegungsüberwachung minimiert werden [20]. Zudem ist denkbar, dass die durch die Atembewegung entstehenden Artefakte des optischen Trackings auch dadurch kompensiert werden, dass die finale Punktion unter Live-Bildgebung erfolgt.
Bei Patienten oder Zielstrukturen, bei denen eine Bildgebung durch Ultraschall nicht möglich ist, wäre auch eine Live-Bildgebung der finalen Endstrecke durch CT-Fluoroskopie vorstellbar [10].
In Kombination mit Ultraschall beschränkt sich die Anwendung des Systems auf schallbare Punktionsorte. Daher bietet es sich besonders für Punktionen im Abdomen, beispielsweise für Leber- oder Nierenpunktionen an. Wobei immer auch CT-Fluoroskopie zur Verfügung stehen sollte, falls kein adäquates Schallfenster gefunden werden sollte.
Aufgrund der vielversprechenden Eigenschaften haben wir bereits eine randomisierte klinische Studie initiiert (Prospektive Evaluation eines AR-basierten Verfahrens für perkutane Verfahren in der Interventionellen Radiologie).
Zusammenfassend weist das System ein hohes Potenzial in der praktischen Anwendung auf, insbesondere die potenzielle Reduktion der Strahlenexposition bei dennoch vorhandener Sicherheit durch Live-Bildgebung, sowie die mögliche Verbesserung der Ergonomie und Orientierung könnten eventuell zu einer effizienteren, benutzerfreundlicheren und sichereren Intervention führen.
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Klinische Relevanz
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Das AR-System ermöglicht eine verbesserte Orientierung und Navigation während bildgestützter Punktionen.
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Das System bietet Vorteile bei Punktionen für Anfänger und ermöglicht erfahrenen Interventionalisten kurze Verfahrenszeiten.
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Durch den Einsatz von Sonografie als live-bildgebende Modalität wird die Strahlenexposition des Personals reduziert.
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Die Ergonomie wird durch Informationen im direkten Blickfeld des Radiologen während der Intervention verbessert.
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Conflict of Interest
Holo4Med employees were only involved in the installation and calibration of the equipment, the training of the study supervisors in the use of the equipment before the start of the study, the technical support and the providing of technical details. The study itself was performed and analyzed exclusively by persons who work in the clinic and neither receive any payment from Holo4Med or have an employment relationship with Holo4Med.
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Correspondence
Publikationsverlauf
Eingereicht: 08. April 2024
Angenommen nach Revision: 05. September 2024
Artikel online veröffentlicht:
04. Oktober 2024
© 2024. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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References
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