Quelle: © S. Schaaf/ThiemeAnpassungsfähig wie ein Chamäleon – wer als Führungskraft
über diese Eigenschaft verfügt, ist bestens gerüstet für sich verändernde Regeln,
Arbeitsbedingungen und Ansprüche von Mitarbeitenden und Patient*innen.
Agile Führung im Gesundheitswesen ist entscheidend, um den komplexen und sich rasch
verändernden Anforderungen dieses Sektors gerecht zu werden. Sie ermöglicht eine schnelle
Anpassung an regulatorische Änderungen, technologische Fortschritte und Krisen wie
Pandemien, was die Versorgung von Klient*innen verbessert und die Effizienz steigert.
Agile Methoden fördern Klientenzentrierung, interdisziplinäre Zusammenarbeit und kontinuierliche
Weiterentwicklung. Dies führt zu innovativen Lösungen, die gemeinsam entwickelt werden,
und zu einem höheren Therapiestandard. Durch selbstorganisierte Teams, klare Kommunikation
und regelmäßige Feedback-Schleifen werden zusätzlich die Zufriedenheit der Mitarbeitenden
und ihre Bindung erhöht. Eine agile Führungsperson stellt die Mitarbeitenden in den
Mittelpunkt und ist bestrebt, sie in ihrer Selbstorganisation zu unterstützen. Das
kann die Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden fördern. Agile Führung stärkt zudem
die Resilienz und ermöglicht schnelle Entscheidungsfindung, zum Beispiel in Krisenzeiten.
Laut Hernstein Management Report 2020 setzen 6 von 10 Führungspersonen auf agile Führung
– Tendenz: steigend.
5 Kernmerkmale agiler Führung
Klientenorientierung
Das Herzstück agiler Führung in therapeutischen Einrichtungen ist, dass der Fokus
auf den Klient*innen und ihren Angehörigen liegt. Agile Führungskräfte stellen sicher,
dass das Team die Bedürfnisse und Wünsche der Klient*innen versteht und darauf reagiert.
Regelmäßiges Einholen und Implementieren von Feedback der Klient*innen ist essenziell,
um den Behandlungsprozess kontinuierlich zu optimieren und individuelle Lösungen anzubieten.
Diese Feedback-Schleifen ermöglichen es, schnell auf veränderte Erwartungen zu reagieren
und die Versorgungsqualität stetig zu verbessern. So lässt sich beispielsweise der
Anmeldeprozess erleichtern oder Therapieziele können durch Anpassung des Erstgesprächs
noch klarer formuliert werden. Andere Teams erarbeiteten individuelle Klientenprofile,
die die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Übergaben in Vertretungsfällen erleichterten.
Ich erinnere mich an ein Therapieteam, das sich gemeinsam ein Konzept überlegte, um
den Alltagstransfer zu erleichtern, sodass Therapieinhalte zuverlässig zu Hause umgesetzt
wurden.
Empowerment der Teams
Selbstorganisierende Teams sind ein weiteres zentrales Element agiler Führung. Die
Teammitglieder werden ermutigt, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und ihre Arbeit
eigenverantwortlich zu organisieren. Gerade bei der Implementierung von Selbstorganisation
brauchen manche Mitarbeitende ein wenig mehr Unterstützung. Führungskräfte übertragen
Verantwortung und beziehen Mitarbeitende noch mehr ein, was das Vertrauen in die Fähigkeiten
der Teammitglieder stärkt und deren Engagement erhöht. Durch diese Autonomie können
Teams flexibler und effizienter arbeiten, was letztendlich der Versorgung der Klient*innen
zugutekommt. Hierbei ist wichtig, dass die Rollen und Verantwortlichkeiten klar definiert
werden, um Rollenkonflikte zu vermeiden. Empowerment von Teams kann sich in Teamsitzungen
zeigen, wenn alle Teammitglieder etwas in die Sitzung mit einbringen. Zudem lautet
das Credo agiler Teams, dass nicht nur Probleme benannt, sondern zugleich Lösungsansätze
vorgetragen werden. Hierbei steht die Lösungsorientierung im Fokus.
„Wortmedizin – ungesunde Kommunikationsmuster durchbrechen und die mentale Gesundheit
stärken“ von Lisa Holtmeier erscheint im Februar 2025 im Beltz Verlag.
Transparenz & Kommunikation
Eine offene und transparente Kommunikationskultur ist unerlässlich für die erfolgreiche
Umsetzung agiler Prinzipien. Agile Führungskräfte fördern regelmäßige Meetings, wie
Stand-ups, Teamsitzungen und Retrospektiven, um den Fortschritt zu überprüfen und
notwendige Anpassungen vorzunehmen. Diese regelmäßigen Treffen ermöglichen es, Probleme
frühzeitig zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln, wodurch die Zusammenarbeit
im Team gestärkt wird. Die Teams verfolgen gemeinsam definierte Ziele und reflektieren
gemeinsam ihre Weiterentwicklung. Entscheidungen werden von allen Teammitgliedern
zusammen getroffen oder transparent durch die Führungsperson erläutert. Diese Form
der Transparenz führt zu mehr Verständnis, weil Mitarbeitende die Gedankengänge der
Führungspersonen besser verstehen.
Eine Kultur des beständigen Lernens motiviert das Team, stets nach dem bestmöglichen
Weg in der Versorgung der Klient*innen zu suchen.
Kontinuierliche Verbesserung
Das Kaizen-Prinzip, das ständige Streben nach Verbesserung, ist ein wesentlicher Bestandteil
agiler Führung. Kaizen ist ein japanisches Managementkonzept, das sich auf kontinuierliche
Verbesserung konzentriert. Der Begriff „Kaizen“ setzt sich aus den japanischen Wörtern
„Kai“ (Veränderung) und „Zen“ (zum Besseren) zusammen und bedeutet wörtlich „Veränderung
zum Besseren“. Durch die Förderung einer Kultur des beständigen Lernens und der beruflichen
Entwicklung werden Mitarbeitende motiviert, stets nach Wegen zu suchen, um Prozesse
und Ergebnisse zu optimieren. Diese Haltung führt zu innovativen Lösungen und einer
höheren Qualität der Klientenversorgung. In der Praxis bedeutet das unter anderem,
dass alle Mitarbeitenden individuelle Entwicklungsziele haben, indem sie beispielsweise
Bereiche definieren, in denen sie ihre Stärken einbringen möchten, und dass das Team
gemeinsame Teamziele definiert. Wichtig: Hierbei geht es nicht um toxische Selbstoptimierung,
sondern vielmehr um eine gesunde Stärkenorientierung, Wissbegierigkeit und individuelle
Weiterentwicklung. Hierzu zählt beispielsweise auch eine gesunde Fehlerkultur. Denn
Fehler werden als Helfer betrachtet.
Was agile Führung bedeutet
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Die Führungskraft stellt das Team in den Mittelpunkt.
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Es wird ein dynamisches Umfeld geschaffen.
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Gemeinsam werden kreative Lösungen erarbeitet.
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Es geht um kontinuierliche Weiterentwicklung.
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Alle Beteiligten sind offen für Neues.
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Kontinuierliches Feedback ist die Basis.
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Mitarbeitende organisieren sich selbst und eigenverantwortlich.
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Strategien werden flexibel angepasst.
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Entscheidungen werden größtenteils demokratisch getroffen.
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Agile Führungspersonen sind sehr kommunikationsstark.
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Für die Klient*innen verbessern sich die Abläufe.
Adaptivität und Flexibilität
Agile Führungskräfte zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, schnell auf Veränderungen
zu reagieren. Durch die Nutzung iterativer Prozesse können sie schrittweise Verbesserungen
vornehmen und sich, gemeinsam mit ihren Teams, flexibel an neue Herausforderungen
anpassen. Dazu kommen verschiedene agile Methoden zum Einsatz. Diese Adaptivität ermöglicht
es, in einem sich ständig wandelnden Umfeld erfolgreich zu agieren und lösungsorientiert
zu kommunizieren.
Agile Methoden
Um agile Führung in die Praxis umzusetzen, gibt es diverse Tools und agile Methoden,
die allen Beteiligten dabei behilflich sind, agil zu denken und zu handeln, darunter
Kanban und Design Thinking, die ich Ihnen hier rechts vorstellen möchte.
Packen Sie’s an!
Agil zu führen und agil zu arbeiten ist ein Prozess, der einen regelrechten Kulturwandel
braucht. Agilität kann in verschiedenen Facetten im Praxis- und Klinikalltag umgesetzt
werden. Sie fördert Flexibilität, kontinuierliche Verbesserung und enge Zusammenarbeit.
Trotz ihrer Vorteile kann agile Führung jedoch auch Herausforderungen wie erhöhte
Komplexität in der Kommunikation und die fehlende Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen
oder zu übertragen, mit sich bringen. Es braucht die Bereitschaft aller Beteiligten,
sich auf die Agilität einzulassen.
Lisa Holtmeier
● Quelle
Hernstein Management Report 2020. 1. Report 2020: Agilität und Hierarchie: Können
Führungskräfte beidhändig führen? Im Internet: t1p.de/uexkg; Stand: 04.12.2024
● Buchtipp
Daniel Walker. Design Thinking Hospital: Das patientengerechte Krankenhaus. Berlin:
Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2020
Der Design-Thinking-Prozess ist ein kreativer Ansatz zur Lösungsfindung komplexer
Probleme. Er ist besonders nützlich für die Entwicklung neuer Ansätze, Dienstleistungen
und Abläufe, bei denen die Klientenzentrierung entscheidend ist. Der Prozess umfasst
typischerweise die folgenden fünf Phasen.
Phase 1: Empathize (Empathie entwickeln)
Verstehen der Bedürfnisse, Wünsche und Herausforderungen der Klient*innen durch Interviews,
Beobachtungen und Feedbacks. Ziel ist es, sich in die Situation der Klient*innen zu
versetzen und deren Perspektive zu verstehen.
Phase 2: Define (Definieren)
Zusammenfassen und Analysieren der gesammelten Informationen, um eine klare und prägnante
Problemstellung zu formulieren. Diese Problemstellung sollte die wesentlichen Bedürfnisse
der Klient*innen widerspiegeln.
Phase 3: Ideate (Ideen entwickeln)
Generieren einer Vielzahl von Ideen und Lösungsansätzen, um das definierte Problem
zu lösen. Kreativität steht im Vordergrund, und es werden möglichst viele Ideen ohne
sofortige Bewertung oder Einschränkung gesammelt.
Phase 4: Prototype (Prototypen erstellen)
Entwicklung von einfachen, testbaren Modellen oder Prototypen, die die besten Ideen
konkretisieren. Im Gesundheitswesen können statt Prototypen Probeläufe genutzt werden.
Probieren Sie die Idee oder den neuen Ablauf eine Zeit lang aus und reflektieren Sie
stetig. Wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Team ein Konzept entwickeln, um den Alltagstransfer
zu erleichtern, gilt es hier verschiedene Ideen zu sammeln, wie das Konzept aussehen
kann. Ebenfalls wird geschaut, wie das Konzept gut etabliert werden kann. Dann geht
es auch schon in die erste Proberunde. Die ersten Klient*innen probieren das Konzept
aus.
Phase 5: Test (Testen)
Überprüfung und Evaluation der neuen Abläufe oder Ideen. Feedback wird gesammelt,
um zu verstehen, wie gut die Lösungen die Bedürfnisse der Klient*innen erfüllen und
um Verbesserungen vorzunehmen. Das Team holt sich Feedback von Klient*innen zum Konzept
ein: Was war gut? Was war herausfordernd? Was wünschen sich die Klient*innen noch?
Welche Ideen entwickeln die Therapeut*innen im Prozess? Das Konzept wird somit immer
weiter angepasst.
Diese Methode des visuellen Projektmanagements stammt ursprünglich aus der Produktionsplanung
und -steuerung in der japanischen Automobilindustrie, insbesondere von Toyota. Das
Wort „Kanban“ bedeutet auf Japanisch „Signal“ oder „Karte“. Die Kanban-Methode zielt
darauf ab, den Arbeitsfluss zu optimieren, Engpässe zu identifizieren und die Effizienz
zu steigern. Typisch hierfür ist das sogenannte Kanban-Board. Für dieses Board werden
Spalten definiert, um Prozesse und Aufgaben sichtbar zu machen und zu strukturieren.
Ganz klassisch bestehen die Spalten aus „to do“, „doing“, „done“.
Jede Aufgabe oder Arbeitseinheit wird auf einer Karte dargestellt und bewegt sich
von einer Spalte zur nächsten, bis sie abgeschlossen ist. Das Kanban-Board kann super
in Teamsitzungen genutzt werden, um Aufgaben und Verantwortlichkeiten zu visualisieren.
Das ermöglicht allen Beteiligten, einen Überblick zu behalten.