Liebe Leserinnen und Leser,
kürzlich wurde von der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und
Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) hinterfragt [1], ob
es im Interesse der Mitglieder ist, dass die Gesellschaft und damit jedes seiner
Mitglieder ebenfalls Mitglied in europäischen und internationalen Gesellschaften wie
der European Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery (ESPRAS) oder
der International Confederation of Plastic Surgery Societies (ICOPLAST) ist. Neben
einer Zusammenfassung der umfangreichen Leistungen für die Mitglieder im
Mitteilungsblatt [2]
[3] wurde auch eine Rechtfertigung der eingesetzten Mittel von derzeit
10.-€ pro ordentliches Mitglied per annum für jede der beiden Gesellschaften seitens
der jeweiligen Vertreter in der Mitgliederversammlung gefordert. Das Thema wurde im
Anschluss zur Abstimmung in der Mitgliederversammlung gestellt. Da mich diese
Thematik als Herausgeber dieser Zeitschrift, ehemaliger Präsident der DGPRÄC und
derzeitiger Präsident der ESPRAS natürlich besonders betrifft, soll es aus meiner
Perspektive hier noch einmal beleuchtet werden:
Grundsätzlich ist es natürlich wichtig und richtig, jeden Posten im Haushalt einer
Gesellschaft kritisch zu prüfen und unnötige Ausgaben zu vermeiden.
Bedauerlicherweise wird es derzeit in vielen Bereichen populärer, sich auf rein
nationale Interessen zu fokussieren und die Relevanz internationaler Vernetzungen in
Frage zu stellen. Man denke nur an die politischen Entwicklungen in vielen Ländern,
die mit zu lauter Stimme rein nationale Interessen fordern und teilweise auch schon
zu Isolationen mit dramatischen Konsequenzen, auch für die Wissenschaft, wie etwa
beim Brexit 2020, geführt haben.
Ich möchte hier aus meiner Perspektive eine Lanze für die internationalen
Vernetzungen und Zusammenarbeit brechen und nochmals nachdrücklich darauf hinweisen,
welche Innovationskraft sich hieraus in den letzten Jahrzehnten auch für die
Plastische Chirurgie entwickelt hat. Zahllose neue Behandlungstechniken und
Innovationen, internationale Tagungen, Webinare, wissenschaftliche
(Multicenter-)Studien, Konsensuspapiere, Register und Leitlinien wurden in
internationalen Foren entwickelt und dienen geradezu als Fundament der
Weiterentwicklung unseres Fachgebiets. Auch als Herausgeber dieser Zeitschrift seit
nunmehr fast 15 Jahren kann ich nur bestätigen, dass internationale Beiträge
insbesondere im Online-Bereich zu den am meisten beachteten und zitierten gehören.
Darüber hinaus veröffentlicht die ESPRAS [4]
[5]
[6] ihre
Positionspapiere und europäischen Übersichtsarbeiten genauso wie auch die
internationale Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Mikrochirurgie (DAM) ihre
Konsensuspapiere [7], die auch im Free Access frei
zugänglich sind, regelmäßig in der HaMiPla. Damit ist die HaMiPla ein erfolgreiches
und angesehenes internationales Forum, und das nicht nur im deutschsprachigen
Bereich.
Neben akademischen Interessen vertreten internationale Gesellschaften aber auch
handfeste berufspolitische Themen, die auch den Niedergelassenen zugutekommen:
beispielsweise das globale Problem des fachfremden Operierens durch Nicht-Plastische
Chirurgen, also selbsternannten „Schönheitschirurgen“ oder „Ästhetische Chirurgen“,
die oft nicht einmal eine chirurgische Weiterbildung erfolgreich absolviert haben.
Dieses Problem ist leider nicht allein national zu lösen. Gleichauf können
internationale Erfolge vielleicht auch auf Deutschland übertragen werden. Das Thema
ist ebenfalls ein gutes Beispiel, bei dem wir in Deutschland auch von Erfahrungen
aus anderen europäischen Ländern profitieren können, um hier etwa die Gesetzgebung
zu verbessern: So wurde vor wenigen Wochen in Spanien ein neues Gesetz („Ley Sara“)
zum Patientenschutz verabschiedet [8], nachdem ein
Herzchirurg im Rahmen einer Fettabsaugung den Darm einer Patientin mehrfach
verletzt, und dies zum Tode geführt hat [9]. Das
neue Gesetz erlaubt nunmehr nur dem Plastischen Chirurgen, plastisch-chirurgische
Operationen in allen Körperregionen durchzuführen. Es könnte als Vorbild auch für
die Gesetzgebung zum Patientenschutz in anderen Ländern dienen. Dies alles sind nur
kurz angerissene Ausschnitte der zahllosen Errungenschaften, die eine globalisierte
und digitalisierte Welt in der Plastischen Chirurgie hervorgebracht hat.
Internationale Vernetzungen und Kooperationen sind daher aus meiner Sicht das
unverzichtbare Fundament des medizinischen Fortschritts in der Plastischen
Chirurgie. Und natürlich müssen wir, die DGPRÄC, als größte europäische,
plastisch-chirurgische Fachgesellschaft mit über 2000 ordentlichen Mitgliedern auch
unserer internationalen Verantwortung gerecht werden, uns intensiv an
internationalen Vereinigungen beteiligen, um uns auch selbst in Deutschland weiter
zu stärken. Das Motto der ESPRAS in meiner Amtszeit „Gemeinsam stärker in Europa!“
veranschaulicht dies sehr deutlich. Die Alternative einer selbstgewählten Isolation
aus all dieser Vielfalt, um weniger als 1.-€ pro Monat pro ordentliches Mitglied
einzusparen, ist keine und würde unserem Fachgebiet nur massiv schaden. Dies zur
Wahl zu stellen, ist jedenfalls riskant, manche würde vielleicht sogar sagen
fahrlässig, wie man gut aus dem Brexit lernen konnte. Bei Unzufriedenheit mit den
Erfolgen auf internationaler Ebene bleibt daher nur eine Alternative, das
persönliche Engagement in den internationalen Gesellschaften, um deren Effektivität
für alle Mitglieder weiter zu optimieren.
Ich bin daher gleichzeitig erleichtert und auch dankbar, dass es in der
Mitgliederversammlung in Düsseldorf zu einem weit mehrheitlichen positiven Votum für
eine fortbestehende Mitgliedschaft, sowohl in der ESPRAS als auch in der ICOPLAST,
gekommen ist und damit die internationale Vernetzung für die nächsten Jahre auf ein
solides Fundament gestellt wurde, so dass diese nicht mehr so schnell in Frage
gestellt werden kann. Nur global vernetzt erhalten wir eine innovative und
fortschrittliche Plastische Chirurgie auch für Deutschland.
München, im Oktober 2024
Riccardo Giunta
Editor-in-Chief
Dear Readers,
Recently, the German Society for Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery
(DGPRÄC) raised the question [1] whether it
remains in the interest of its members that the society, and thus each of its
individual members, maintains membership in larger European and international
organizations, such as the European Society of Plastic, Reconstructive and Aesthetic
Surgery (ESPRAS) or the International Confederation of Plastic Surgery Societies
(ICOPLAST). In addition to a summary of the extensive services provided to members
in the society’s newsletter [2]
[3], the representatives at the general meeting were
also asked to justify the funds involved, currently set at € 10 per full member per
annum for each of the two societies. The issue was then put to a vote at the general
members assembly.
As the editor of this journal, former president of the DGPRÄC and current president
of the ESPRAS, this issue is naturally of particular concern to me and I would like
to offer a personal perspective on this matter.
In principle, it is of course important and necessary to scrutinise each item in a
society's budget and avoid unnecessary expenditures. Unfortunately, there is an
increasing trend in many areas to focus on purely national interests and to question
the relevance of international networks. Just think of the political developments in
many countries that demand purely national interests too loudly, which in certain
instances, have already led to isolations with dramatic consequences for scientific
progress, such as Brexit in 2020.
From my perspective, I would like to take up the cudgels for international networking
and emphasise once again the innovative power it has brought for Plastic Surgery
over recent decades. Countless new treatment techniques and innovations,
international conferences, webinars, scientific (multi-centre-) studies, consensus
papers, registries and guidelines have been developed in international forums and
serve as a strong foundation for ongoing advancements in our field. As the editor of
this journal for almost 15 years now, I can only confirm that international
contributions are among the most frequently viewed online and also among the high
cited. In addition, the European Society for Plastic, Reconstructive, and Aesthetic
Surgery (ESPRAS) [4]
[5]
[6] publishes its position papers and
European surveys in this journal, as does the international German-speaking Working
Group for Microsurgery (DAM) with its consensus papers [7], all of which are freely accessible. HaMiPla has thus established
itself as a successful international forum for professional exchange and
collaboration.
Beyond academic interests, international societies address tangible professional
policy issues that also benefit those in private practice, such as the global
problem of non-specialist surgery performed by non-plastic surgeons, i. e.
self-proclaimed cosmetic surgeons or aesthetic surgeons, many of whom have not even
completed a formal surgical training. Unfortunately, this problem cannot be resolved
solely nationally, and international successes may offer valuable insights
applicable in Germany. The topic is also a good example of how we in Germany can
benefit from experiences of other European countries in order to improve
legislation. For instance, a few weeks ago, a new law (‘Ley Sara’) on patient
protection was passed in Spain [8] after a heart
surgeon injured a patient’s bowel several times during a liposuction procedure,
resulting in her death [9]. The new law only
authorises certified plastic surgeons to carry out Plastic Surgery operations on any
part of the body. This law could serve as a model for improving patient protection
legislation in other countries, including Germany. This example is just a brief
outline of the countless achievements that global cooperation has brought to the
field of Plastic Surgery.
In my view, international networking and cooperation is therefore an indispensable
foundation for medical progress in Plastic Surgery. And of course, as the largest
specialist society with over 2000 members, the DGPRÄC must fulfil its responsibility
to actively engage with international societies, contribute to the global Plastic
Surgery community, and reinforce the collective strength of German Plastic Surgery.
The ESPRAS motto during my term of office in ESPRAS, ‘Stronger together in Europe!’,
illustrates this commitment very clearly. The alternative of self-selected isolation
from all this diversity in order to save less than €1 per month per ordinary member
is not an option. In any case, putting this up for election is risky, some might
even say negligent, as we have learnt from Brexit. If there is dissatisfaction with
the successes at international level, there is therefore only one alternative:
personal involvement in international societies in order to further optimise their
effectiveness for all members.
I am therefore both relieved and grateful that the majority of members at the general
assembly in Düsseldorf voted in favour of continuing our membership in both ESPRAS
and ICOPLAST, thereby solidifying the foundation for sustained international
collaboration and networking for the years ahead. Only through global networking can
we maintain innovative and progressive Plastic Surgery in Germany.
Munich, October 2024
Riccardo Giunta
Editor-in-Chief