Kinder- und Jugendmedizin 2025; 25(01): 3
DOI: 10.1055/a-2442-3838
Editorial

Kinder- und Jugendpsychiatrie- und psychotherapie

Georg von Polier

Liebe Leserinnen und Leser,

vielen Familien gelingt es heute besser, psychische Probleme anzusprechen oder deren Behandlung aufgeschlossen gegenüberzutreten. Das erste Gespräch führen betroffene Kinder, Jugendliche oder Eltern überwiegend in der pädiatrischen Praxis. Wirksame Behandlungsansätze sind verfügbar, die Ressourcen allerdings knapp. Nach wie vor kommen viele junge Patientinnen und Patienten erst spät in Behandlung – mit oft deutlichen Nachteilen für die Prognose. Kinder- und Jugendärzte leisten einen unschätzbaren Beitrag, eine frühzeitige und gezielte Behandlung zu initiieren und zu unterstützen. Die hier vorgelegten Beiträge möchten Ihren klinischen Blick schärfen und praktische Ansätze liefern, mit denen wir gemeinsam den vielfältigen psychischen Schwierigkeiten unserer Patientinnen und Patienten begegnen können.

Die Themen sind nach ihrem überwiegenden Auftreten chronologisch geordnet. Ein unterschätztes Thema, das alle Altersgruppen gefährdet, ist emotionale Misshandlung und Vernachlässigung. Frühzeitige Interventionen und die Schlüsselrolle der Kinderärzte bei der Erkennung gefährdeter Kinder werden behandelt. Im Beitrag zu frühkindlicher Fütterstörung stellen die Kolleginnen ein integratives fächerübergreifendes Behandlungskonzept vor. Selektiver Mutismus, eine Angsterkrankung mit situationsspezifischem Unvermögen zu sprechen, hat eine starke Tendenz zur Chronifizierung. Bei frühzeitiger Diagnostik und Behandlung – auch medikamentös – kann die Prognose gravierend verbessert werden.

Schulabsentismus tritt in allen Altersgruppen auf und kann sich u. a. bei unkritischer Krankschreibung leicht chronifizieren. Der Beitrag bietet ein praktisches Modell für Diagnostik und wirksame Interventionen. Psychosomatische Störungen gehen ebenfalls häufig mit hohen Schulfehlzeiten einher. Eine Diagnose zu stellen und zu vermitteln kann anspruchsvoll sein. Die gute Nachricht: Eine spezialisierte Behandlung ist häufig sehr erfolgreich. In dem Beitrag zeigen wir aktuelle Entwicklungen u. a. zu ressourcenschonender Diagnostik auf.

Digitalen Mediennutzungsstörungen treten seit der COVID-19-Pandemie verstärkt auf. Die Autorinnen analysieren manipulative Designelemente als Risikofaktoren für Suchtverhalten und diskutieren Präventionsstrategien. Im Zuge der Legalisierung von Cannabis blicken viele Ärzte besorgt auf dessen Konsum durch Jugendliche. Der Beitrag bietet Leitlinien für Diagnostik und Therapie von Cannabisabhängigkeit. Schließlich widmen wir uns der Borderline-Persönlichkeitsstörung – bekannt durch starke emotionale Schwankungen und selbstverletzendes Verhalten. Entsprechend der neuen Leitlinien sollte die Störung bereits im Jugendalter diagnostiziert werden – dann kann eine frühzeitige, spezifische Psychotherapie negative Langzeit-Folgen verhindern helfen.

Eine aufschlussreiche und inspirierende Lektüre wünscht Ihnen

Prof. Dr. med. Georg von Polier

Gastschriftleiter



Publication History

Article published online:
10 February 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany