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DOI: 10.1055/a-2445-3397
Antibiotikaanwendung 2012/13 bis 2021/22 in deutschen Akutkrankenhäusern
Antibiotic prescribing trends in German acute care hospitals from 2012/13 through 2021/22Supported by: Akademie für Infektionsmedizin
Zusammenfassung
Hintergrund
Eine wichtige Voraussetzung für die Sicherung einer rationalen Antibiotika-Verordnung ist die Verfügbarkeit und Prüfung von Verbrauchsdaten. Wir haben erstmals vor 10 Jahren solche Daten für Akutkrankenhäuser in Deutschland vorgestellt und möchten die Entwicklungen seither beschreiben.
Methode
Die jährlichen Antibiotika-Verordnungsmengen aus Akutkrankenhäusern wurden für den Zeitraum 2012/13 bis 2021/22 analysiert, dargestellt als Tagesdosen pro 100 Pflegetage, wobei die Tagesdosis-Definition speziell für den Krankenhausbereich adaptiert wurde („recommended daily dose“, RDD). Zusätzlich wurde eine Hochrechnung auf die Gesamtbevölkerung unter Verwendung der seitens der WHO definierten Tagesdosen („defined daily doses“, DDD) vorgenommen.
Ergebnisse
Die Antibiotika-Verbrauchsdichte in deutschen Akutkrankenhäusern ist im betrachteten 10-Jahres-Zeitraum nicht angestiegen. Sie betrug im Median im Jahre 2012/13 insgesamt 41,9 RDD/100 Pflegetage (n=169, Interquartilbereich 35–48 RDD/100) im Vergleich zu 42,1 RDD/100 im Jahre 2021/22 (n=329, Interquartilbereich 35–48 RDD/100). Auf die Bevölkerung bezogen lag der Verbrauch 2021/22 bei 1,85 DDD pro 1000 Bewohner und Tag. Die Verbrauchsdichte war in Universitätskliniken (54,0 RDD/100) signifikant höher als in den nicht universitären Krankenhäusern unterschiedlicher Größe, deren Verbrauchswerte sich nur wenig unterschieden (Mediane 39,8–44,0 RDD/100). Penicilline wurden zunehmend häufiger (Anstieg des Anteils an allen Wirkstoffen +63%), Fluorchinolone (– 54%) und Cephalosporine der ersten und zweiten Generation (– 41%) seltener eingesetzt. Auf Intensivstationen war die Verordnungsdichte rund doppelt so hoch wie auf den Normalstationen. Hohe Verordnungsdichten wurden auch in universitären hämatologisch-onkologischen Abteilungen (Median 96,8 RDD/100) und in Fachabteilungen für Urologie (Mediane 65,1–70,5 RDD/100) und HNO-Heilkunde (Mediane 49,1–60,9 RDD/100) beobachtet.
Schlussfolgerung
Bei gleichbleibender Antibiotika-Verordnungsdichte im Krankenhaus insgesamt gab es Verschiebungen im Spektrum der Wirkstoffgruppen, mit einer zunehmenden Bevorzugung von Penicillin-Derivaten. Auf die Bevölkerung hochgerechnet lag der Verbrauch leicht oberhalb des europäischen Durchschnitts.
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Abstract
Background
An important prerequisite for ascertaining rational antibiotic prescribing is the availability and evaluation of antibiotic use data. In this study we report evolving trends of antibiotic use in German hospitals during the last decade.
Methods
Using drug dispensing data from acute care hospital pharmacies, we calculated yearly antibiotic use density values for the period from 2012/13 through to 2021/22. Use density was expressed as daily doses per 100 patient days, using both hospital adapted doses of antibiotics („recommended daily dose“, RDD) as well as WHO-“defined daily doses” (DDD). The 2021/22 data were extrapolated to estimate the hospital consumption in DDD per 1000 population and day.
Results
The overall antibiotic use density remained stable during the observation period. It was 41.9 RDD/100 patient days (median, n=169 hospitals, interquartile range 35–48 RDD/100) in the year 2012/13 and 42.1 RDD/100 (median, n=329, interquartile range 35–48 RDD/100) in the year 2021/22, respectively. The estimated national use per population in 2021/22 was 1.85 DDD per 1000 inhabitants and day. The antibiotic use levels in university hospitals (54.0 RDD/100) were higher than in non-university hospitals that showed a similar use density across different hospital size categories (medians between 39.8 and 44.0 RDD/100). Overall, penicillin use increased over time (change in proportion +63%), while fluoroquinolones (– 54%) and first and second generation cephalosporins (– 41%) were prescribed less frequently. Antibiotic use density in intensive care units was approximately twice as high as in normal wards. High levels of antibiotic use were also observed in haematology-oncology divisions at teaching hospitals (median 96.8 RDD/100), in urology (medians between 65.1 and 70.5 RDD/100) and oto-rhino-laryngology (medians between 49.1 and 60.9 RDD/100) and urology divisions.
Conclusions
During the last decade, there was no increasing use of antibiotics in German acute care hospitals. We observed shifts in selected drug classes, in particular an increasing use of penicillins. The estimated hospital antibiotic consumption per population was slightly above the European average.
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Schlüsselwörter
Rationale Antibiotikaverordnung - Antibiotikaverbrauch in der Klinik - Antibiotikaresistenz - Pharmakoepidemiologie - QualitätssicherungKeywords
Antibiotic stewardship - hospital antibiotic consumption - antibacterial resistance - pharmacoepidemiology - quality improvementEinleitung
Aufgrund der problematischen Entwicklung bei antibakteriellen Resistenzen in der Human- und Veterinärmedizin wird seit mehreren Jahren in vielen Ländern eine Erfassung und Bewertung des Antibiotika-Verbrauchs empfohlen [1] [2]. Eine Erfassung von Verbrauchsmengen in Tagesdosen pro Kopf ist dabei für die ambulante Medizin vielerorts bereits zur Routine geworden und wird für Länder der EU regelmäßig veröffentlicht [3]. Für den Krankenhausbereich haben sich eine zuverlässige Erfassung und vergleichende Darstellung des Antibiotika-Verbrauchs bisher schwieriger gestaltet [3] [4] [5]. Die Definition, Verteilung und Versorgung von Akutkrankenhäusern versus Fachkrankenhäuser und stationäre Rehabilitationseinrichtungen und Pflegeheime sind uneinheitlich, Belegungsstatistiken werden unterschiedlich erstellt, und das System der versorgenden Krankenhaus-Apotheken unterscheidet sich nach Land – und oft auch nach Betreiber. Elektronische Verordnungsdaten auf Patientenebene sind in der Regel nicht für Surveillance-Zwecke verwendbar. Die seit einigen Jahren europaweit durchgeführten Punkt-Prävalenz-Erhebungen zu nosokomialen Infektionen schließen auch Daten zur Gabe von Antibiotika am Erhebungstag ein, welche jedoch für den tatsächlichen Jahresverbrauch in einer Klinik mit allen Fachabteilungen nicht ausreichend repräsentativ sind [6] [7] [8] [9]. Die Aussagekraft dieser Daten ist durch beschränkte Teilnehmerzahlen und Frequenz der Untersuchungen limitiert.
In Deutschland sind gemäß Infektionsschutzgesetz seit 2011 die Krankenhäuser verpflichtet, ihren Antibiotika-Verbrauch aufzuzeichnen und zu bewerten [10]. Seitens der deutschen Leitlinie zum Antibiotic Stewardship in Krankenhäusern wird die Teilnahme an einem nicht kommerziellen Surveillance-System empfohlen [11]. Als Beispiele seien das vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA) e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) getragene System „ADKA-if-DGI“ (https://www.antiinfektiva-surveillance.de) oder das Surveillance-Programm „AVS“ des Robert-Koch-Institutes (https://www.avs.rki.de), das eine sehr ähnliche Methodik verwendet, genannt [12] [13]. Eine Teilnahme an diesen Systemen ist freiwillig. Zusätzliche Angebote zur Antibiotika-Verbrauchserfassung umfassen auch kommerzielle Systeme. Daneben existieren klinikinterne und klinikkonzerninterne Erfassungs- und Auswertesysteme.
Wir haben erstmals vor rund 10 Jahren Daten zum Antibiotika-Verbrauch in deutschen Akutkrankenhäusern in dieser Zeitschrift vorgestellt [12] und möchten in der jetzigen Arbeit die Entwicklungen seither beschreiben. Wichtige Beobachtungen sind dabei die einerseits nahezu gleichbleibende Verordnungsdichte in den letzten Jahren, bei andererseits allerdings deutlichen Veränderungen der Verordnungsmuster bezüglich unterschiedlicher Wirkstoffgruppen.
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Methoden
Die Daten stammen aus Akutkliniken (Allgemeinkrankenhäuser), die am so genannten ADKA-if-DGI-Projekt teilnehmen. Quartalsweise Verbrauchsdaten, basierend auf den an die Kostenstellen abgegebenen Stückzahlen, werden zu allen systemischen Antiinfektiva (d.h. nach der ATC-Klassifikation [ATC: „anatomisch-therapeutisch-chemisch“] auf der ersten Ebene „J“) aus dem Materialwirtschaftssystem der Apotheken bzw. der teilnehmenden Kliniken kostenstellengenau erfasst. Die Daten werden nach eingehender Qualitäts- und Plausibilitätsprüfung (korrekte Bezeichnung, Packungsgrößen-Angaben, Kostenstellen-Planzuordnungen und -änderungen, starke Verbrauchsschwankungen gegenüber früheren Quartalen) zusammen mit den zugehörigen Belegungsdaten in eine Datenbank eingelesen und üblicherweise als Verbrauchsdichte (Tagesdosen pro 100 Pflegetage) auswertet. Als Tagesdosen werden primär krankenhausadaptierte, von uns in früheren Untersuchungen [14] [15] validierte Dosierungen verwendet („recommended daily doses“, RDD, Stand 9.8.2023), aber auch die von der WHO (Weltgesundheitsorganisation) im ATC-DDD-Index (https://atcddd.fhi.no/atc_ddd_methodology/who_collaborating_centre/; Stand 1.1.2023) vermerkten definierten Tagesdosen („defined daily doses“ DDD), die international üblich sind. Diese werden vor allem für vergleichende Analysen in der ambulanten Medizin als geeignet angesehen und verwendet.
Zum Analysezeitpunkt waren retrospektiv die Daten von 169 (2012/13) bis 329 (2021/22) Teilnehmerkliniken mit vollständigen Daten zu mindestens 4 aufeinanderfolgenden Quartalen in den Jahren 2012/13 bis 2021/22 (ohne Überlappungen zwischen den Jahren) für eine deskriptive Auswertung mit Median und Interquartilbereichen verfügbar. Es wurden dabei als Gesamtklinik alle Fachabteilungen (außer Psychosomatik/Psychiatrie und Pädiatrie) berücksichtigt und für bestimmte Fachabteilungen bzw. Abteilungsgruppen separate Analysen durchgeführt. Die Auswertungen wurden stratifiziert nach Klinikgröße (Bettenzahl) bzw. Status als Universitätsklinik. Trends über die Zeit der Gesamt-Verbrauchsdichte und die Relation zwischen Penicillin- und Cephalosporin-Tagesdosen wurden mit dem nicht parametrischen Mann-Kendall-Trendtest und Berechnung zweiseitiger p-Werte auf statistische Signifikanz (P<0,05) geprüft (XLSTAT). Unterschiede und Trends im Verbrauch von Wirkstoffklassen wurden ansonsten deskriptiv ausgewertet; als Sensitivitätsanalyse für die beobachteten Trends in der gesamten Stichprobe bei den Wirkstoffklassen wurden zusätzlich Daten von solchen Teilnehmerkliniken analysiert, bei denen die Datenlieferung komplett und ohne Unterbrechung erfolgt war (n=116 für den Zeitraum 2013–2019, n=279 für den Zeitraum 2019–2022).
Unterschiede in der Verbrauchsdichte nach Klinikgröße/Status im Zeitraum 2021/22 wurden mittels des Kruskal-Wallis-Tests und in anschließenden paarweisen Mehrfachvergleichen (Universitätskliniken versus nicht universitäre Krankenhäuser, nicht universitäre Krankenhäuser untereinander) mit dem Dunn’s-Test mit Bonferroni-Korrektur, mit Berechnung 2-seitiger p-Werte auf statistische Signifikanz (P<0,05) geprüft (GraphPad Prism). Die Daten zum Jahr 2021/22 wurden zudem unter Berücksichtigung der aktuellen deutschen Krankenhausstatistik (https://www.destatis.de) auf die Gesamtbevölkerung hochgerechnet, um eine bessere Vergleichsmöglichkeit mit anderen europäischen Ländern zu erlangen. Dabei wurden die Pflegetage der in der Krankenhausstatistik ausgewiesenen Allgemeinkrankenhäuser (in den entsprechenden Krankenhaus-Größenklassen) berücksichtigt und die Verbrauchsdaten der pädiatrischen Abteilungen hochgerechnet addiert. Das Ergebnis wurde ausgedrückt als (geschätzte) DDD pro 1000 Einwohner und Tag, und mit den ähnlich ermittelten Angaben seitens des ECDC für andere europäische Länder [3] und einer von uns früher vorgenommenen Schätzung [16] verglichen.
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Ergebnisse
Die Zahl der auswertbaren Teilnehmerkliniken stieg in der betrachteten 10-Jahres-Periode von 169 (2012/13) auf 329 (2021/22) an (Tabelle S1). Kleinere Kliniken (<400 Betten) waren im Vergleich zu den offiziellen Angaben zur Anzahl der Krankenhäuser für Deutschland in Abhängigkeit der Bettenzahl insgesamt (https://www.destatis.de) zu allen Zeitpunkten relativ unterrepräsentiert; größere Kliniken inkl. Universitätskliniken jedoch relativ überrepräsentiert. Die Teilnehmerkliniken waren 2021/22 überwiegend im Westen (39%) und im Süden (32%) Deutschlands lokalisiert – ähnlich wie bereits 2012/13. Die Zahl der Pflegetage für die jüngste Auswertung 2021/22 betrug insgesamt 28,8 Mio. (Tabelle S1) – entsprechend einem Anteil von 27% aller Pflegetage in Allgemeinkrankenhäusern im Jahr 2022 (gemäß Gesundheitsberichterstattung des Bundes; https://www.gbe-bund.de; Stand 10.02.2024).
Antibiotika-Gesamtverbrauch
Die mittlere Antibiotika-Verbrauchsdichte stieg zwischen 2012/13 und 2021/22 nicht an, sondern blieb im Bereich von 42 Tagesdosen pro 100 Pflegetage (RDD/100), mit einem Interquartilbereich von 35–48 RDD/100 ([Abb. 1]). Auch gemessen mit DDD (nach WHO/ATC) waren die mittleren Verbrauchsdichten im Zeitraum 2012/13 ähnlich wie 2021/22 (50,2 DDD/100 im Vergleich zu 52,2 DDD/100) (Tabelle S2). Auf die Bevölkerung bezogen lag der geschätzte Verbrauch 2021/22 bei 1,85 DDD pro 1000 Bewohner und Tag.
Die Verbrauchsdichte war in Universitätskliniken konsistent im gesamten Zeitraum deutlich höher als in den anderen Kliniken ([Tab. 1]). Nur geringe Unterschiede bestanden hingegen zwischen den nicht -universitären Krankenhäusern unterschiedlicher Größe ([Tab. 1]). Bei weiterer Stratifizierung der Krankenhäuser mit <400 Betten im Zeitraum 2021/22 ergaben sich statistisch signifikante Unterschiede in der Verbrauchsdichte (Kruskal-Wallis-Test, p<0,0001). Der Post-hoc-Vergleich der Werte für nicht universitäre Krankenhäuser nach Krankenhausgröße zeigte hier zwar, dass kleinere Krankenhäuser (<200 Betten) einen geringeren Verbrauch hatten als Krankenhäuser mittlerer Größe (200–399 Betten) (Median, 38,0 vs. 41,4 RDD/100) und als die sonstigen nicht universitären Kliniken ([Abb. 2]), die Unterschiede bei den paarweisen Vergleichen waren jedoch statistisch jeweils nicht signifikant (p≥0,05). Dagegen war der Verbrauch in den Universitätskliniken im Vergleich mit den nicht universitären Krankenhäusern der verschiedenen Größenklassen bis 800 Betten jeweils signifikant höher (p<0,01), nicht jedoch im Vergleich mit den nicht universitären Krankenhäusern >800 Betten (p=0,1501) ([Abb. 2]). Bei Berücksichtigung der Krankenhaus-Größenklassen wurden keine Unterschiede im Gesamtverbrauch 2021/22 zwischen den Regionen beobachtet (Daten hier nicht gezeigt).
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Klinikbereiche/Fachabteilungen
Wie erwartet wurden die Antibiotika in den verschiedenen Fachabteilungen mit unterschiedlicher Intensität eingesetzt ([Tab. 2]). Die Verbrauchsdichte war 2021/22 besonders hoch in universitären hämatologisch-onkologischen Abteilungen (Median, 96,8 RDD/100) sowie auf den Intensivstationen. Auf den Intensivstationen war sie rund doppelt so hoch (Innere Medizin je nach Klinikgröße/Universitätsklinikstatus 1,5-fach bis 2,5-fach; Chirurgie je nach Klinikgröße/Universitätsklinikstatus 1,5-fach bis 2,0-fach) wie auf den Normalstationen ([Tab. 2]). Dieses Muster war jedoch über den gesamten Untersuchungszeitraum ähnlich (Daten hier nicht gezeigt). Gewisse Unterschiede wurden zwischen internistischen, chirurgisch/anästhesiologischen und interdisziplinären Intensivstationen beobachtet. Diese waren jedoch stark von der Krankenhausgröße bzw. dem Status als Universitätsklinik beeinflusst ([Tab. 2]). Hohe Verordnungsdichten wurden auch in Fachabteilungen für Urologie (Mediane je nach Klinikgröße/Universitätsklinikstatus 65,1–70,5 RDD/100) und HNO-Heilkunde (Mediane je nach Klinikgröße/Universitätsklinikstatus 49,1–60,9 RDD/100) beobachtet ([Tab. 2]). Ein Vergleich der Gesamt-Verbrauchsdichten 2012/13 und 2021/22 in den verschiedenen Fachabteilungen bzw. für Intensivstationen und Normalstationen zeigte keine wesentlichen Unterschiede (Daten hier nicht gezeigt).
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Wirkstoffe/Wirkstoffklassen
Im Unterschied zu 2012/13 (mit Cephalosporinen der ersten und zweiten Generation sowie Fluorchinolonen als den beiden am häufigsten eingesetzten Wirkstoffklassen) waren im Zeitraum 2021/22 Penicillin-Derivate die am häufigsten verordneten Wirkstoffe, während Fluorchinolone deutlich seltener eingesetzt wurden ([Tab. 3]). Amoxicillin-Clavulansäure war 2021/22 der am häufigsten verordnete orale Wirkstoff, und Piperacillin-Tazobactam das am häufigsten verordnete Antibiotikum überhaupt ([Tab. 4]) – 2012/13 war es demgegenüber Cefuroxim. Insbesondere Piperacillin-Tazobactam und auch Carbapeneme, aber auch die meisten anderen Substanzen bzw. Substanzgruppen wurden aktuell deutlich häufiger in Universitätskliniken verwendet (Tabelle S3). Aminoglykoside und Tetrazykline (incl. Tigecyclin) wurden unabhängig von der Krankenhausgröße sehr wenig eingesetzt (<1 RDD/100), ebenso wie Glyko- bzw. Lipopeptid-Antibiotika (inkl. Daptomycin) an den nicht universitären Krankenhäusern (Tabelle S3).
Der Anstieg des Anteils der Penicillin-Derivate (von 25,2% auf 41,0%) an der Verbrauchsdichte im Beobachtungszeitraum war deutlich ([Abb. 1]), ebenso wie der Rückgang bei den Cephalosporinen der ersten und zweiten Generation (von 16,7% auf 9,8%; vor allem Cefuroxim) und Fluorchinolonen (von 16,4% auf 7,6%). Der Anstieg bei den Carbapenemen war mäßig (von 5,1% auf 7,4%), aber bemerkenswert. Auch die zusätzliche Analyse der Kliniken, die kontinuierlich über den Beobachtungszeitraum Daten lieferten, zeigte diese Trends – neben Anstiegen in der Verbrauchsdichte von Glykopeptiden und Linezolid (Abbildung S1). Der Anteil von Reserve-Antibiotika (nach der AWaRe-Klassifikation der WHO [17]) im Zeitraum 2021/22 betrug 5% (Universitätskliniken) oder weniger (sonstige Kliniken), (Tabelle S4). Die nach G-BA-Beschluss für Deutschland definierten Reserve-Antibiotika im Sinne der Freistellung von der Überprüfung eines Zusatznutzens [18] sind bezüglich ihres Einsatzes und der Verordnungsdichte in Tabelle S5 aufgelistet. Sie wurden mit einer Verordnungsdichte von zusammen deutlich <1 RDD/100 verordnet; am relativ häufigsten handelte es sich dabei um Ceftazidim/Avibactam in Universitätskliniken.
[Abb. 3] zeigt das Verhältnis des Verbrauchs von Penicillin-Derivaten zu Cephalosporinen (Verbrauch in RDD) im Längsschnitt bzw. nach Krankenhausgröße. Wie von den Verbrauchsdichte-Werten her zu erwarten, zeigt sich dabei, dass diese Relation im Beobachtungszeitraum deutlich und statistisch signifikant (von 49% auf 68% Penicillin-Anteil) angestiegen ist. Im Jahr 2021/22 war sie in allen Krankenhaus-Größenklassen als Median ähnlich hoch und statistisch (Kruskal-Wallis-Test, p≥0,05) nicht unterschiedlich ([Abb. 3]) – allerdings mit einer großen Spannweite von 14%–82% und einer Tendenz zu etwas höheren Werten bei den kleineren Kliniken (<200 Betten), (71,4% versus zwischen 63,5% und 69,6% bei den sonstigen Krankenhausgruppen).
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Diskussion
Die aktuelle Studie ergab keinen Hinweis auf einen Anstieg des Antibiotika-Gesamtverbrauchs an deutschen Akutkrankenhäusern in den letzten 10 Jahren – anders als bei unseren früheren Trendschätzungen für den Zeitraum zwischen 2004 und 2012/13 [13]. Auch die SARS-CoV-2-Pandemie hatte in dieser Stichprobe keinen messbaren Einfluss auf die Entwicklung der Gesamt-Verbrauchsdichte, wobei eine diskrete Zunahme (bei reduzierten Pflegetagen) nach 2019 in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden kann. Bei den Punkt-Prävalenz-Untersuchungen 2016 und 2022 in deutschen Kliniken kam es bei den 93 Krankenhäusern, die an beiden Erhebungen teilgenommen haben, ebenfalls nicht zu einem Anstieg der Verordnungsprävalenz am Erhebungstag [19]. Der auf die Gesamtbevölkerung mit den jüngsten Daten hochgerechnete Verbrauch (1,85 DDD pro 1000 Einwohner und Tag) liegt zwar etwas über dem europäischen Durchschnitt für 2021 (1,53) und 2022 (1,61) [3]. Der jetzt ermittelte Wert liegt jedoch nicht höher als ein früherer Schätzwert [16], sodass ein auf die Gesamtbevölkerung bezogener Anstieg ebenfalls wenig wahrscheinlich ist.
Während die Gesamt-Verbrauchsdichte in den letzten 10 Jahren stabil blieb, beobachteten wir jedoch deutliche und signifikante Änderungen im Verbrauch von bestimmten Wirkstoffklassen, vor allem einen zunehmenden Verbrauch von Penicillin-Derivaten, bei einem Rückgang des Verbrauchs von Fluorchinolonen und Cephalosporinen der ersten und zweiten Generation. Ähnliche Entwicklungen wurden sowohl in Deutschland im ambulanten Setting als auch international in einigen, aber nicht allen Ländern Europas im Krankenhaus-Setting beschrieben [3] [4] [20] [21] [22] [23] [24] [25] [26]. Der Verbrauchsrückgang der Fluorchinolone kann in erster Linie auf die wiederholt von den Behörden bzw. Zulassungsinhabern an das medizinische Fachpersonal kommunizierten Risiken unerwünschter Arzneimittelwirkungen zurückgeführt werden. Die geänderten Anwendungsdichten von Penicillinen versus Cephalosporinen beruhen vor allem auf den Empfehlungen für Penicilline als Mittel erster Wahl bei zahlreichen Indikationen – aufgrund des geringeren Risikos für eine Resistenzentwicklung und eine C. difficile-Superinfektion [27] [28].
Ähnlich wie der Gesamtverbrauch haben sich die Verbrauchsdichten der Fachabteilungen insgesamt kaum geändert. Auch in der jüngsten Auswertung sind es Intensivstationen, Abteilungen für Hämatologie-Onkologie, aber auch HNO-Kliniken und urologische Fachkliniken, die vergleichsweise hohe Verordnungsdichten zeigen. Berücksichtigt man die Zahl der Betten bzw. Fälle, dürfen jedoch die operativen und internistischen Normalstationen mit ihrem hohen Verordnungsvolumen im Bemühen um eine rationale Antibiotika-Verordnung nicht vernachlässigt werden.
Der Einsatz von Reservesubstanzen hat zugenommen, macht aber insgesamt nicht mehr als 5% des Gesamtverbrauchs aus. Hauptverbraucher sind, wie erwartet, die größeren Kliniken und Universitätskliniken. Ob sich die aggregierte Darstellung der Reservesubstanzen nach der neuen WHO-Klassifikation bewährt, bleibt abzuwarten. Die Zahl der dort definierten Reservesubstanzen ist überschaubar. Zudem kann es klinikinterne Gründe geben, weitere Substanzen lokal als „Reserve“ zu definieren. Eine Surveillance der entsprechenden Einzelwirkstoffe erscheint somit sinnvoller. Ein weiteres Monitoring und Antibiotic-Stewardship-Maßnahmen sind hier erforderlich, um einen inadäquaten empirischen (versus gezielten) Einsatz solcher Substanzen zu minimieren.
Die Gesamt-Verbrauchsdichte in deutschen Akutkrankenhäusern (in DDD/100) scheint im internationalen Vergleich eher niedrig (beispielsweise im Vergleich zu den Niederlanden, Dänemark oder Italien) oder in einer vergleichbaren Größenordnung (beispielsweise im Vergleich zur Schweiz und Frankreich) [21] [22] [23] [24] [25]. Für eine adäquate Beurteilung müssen hier jedoch die unterschiedlichen stationären versus ambulanten Kapazitäten und die unterschiedliche intersektorale Zusammenarbeit der Medizinsysteme berücksichtigt werden. Deutschland hat im internationalen Vergleich nach wie vor eine relativ hohe stationäre Behandlungskapazität, die sich auf längere Verweildauern auswirkt. Dies reduziert die Werte der Behandlungsdichte medikamentöser Akuttherapien, bei dennoch hohem Behandlungsvolumen insgesamt. Die Hochrechnung unserer Daten auf die Gesamtbevölkerung ist im europäischen Vergleich leicht überdurchschnittlich und dürfte zumindest teilweise den vergleichsweise niedrigen Verbrauch im ambulanten Bereich kompensieren. Unter der Perspektive eines weiteren Bettenabbaus in Deutschland ist ein Anstieg der stationären Antibiotika-Verordnungsdichte in den kommenden Jahren nicht unwahrscheinlich. Ein Monitoring mit alternativen Maßeinheiten, wie z.B. Verordnungsdichte je Krankenhausfall (zusätzlich zur Normalisierung auf Pflegetage), oder die Gesamt-Verordnungsmenge ambulant versus stationär pro Einwohner (wie bereits üblich in der europäischen Berichterstattung) wird somit in den nächsten Jahren benötigt, um diese Entwicklung besser bewerten zu können [5] [7] [29].
Eine Einschränkung der aktuellen Analyse besteht in der immer noch begrenzten Zahl der kontinuierlich über die Jahre teilnehmenden Kliniken – mit einer noch nicht ausreichenden Repräsentativität, auch für regionale Analysen. Eine weitere Limitation ist die fehlende Verbindung mit Patientenvariablen. Mit besserer Infrastruktur und Expertise in den einzelnen Kliniken sowie modernsten Schnittstellen und Unterstützung bei der Datenerfassung/-übertragung könnten solche Daten zukünftig kontinuierlich und in geeigneter, verlässlicher Form verfügbar sein und besser interpretierbar werden. Dies gilt sowohl für die übergeordnete nationale Surveillance als auch für die Rückmeldung mit fachbereichsorientiertem Benchmarking. Daraus können sich weitere wichtige Anstöße zur Optimierung des Antibiotika-Einsatzes und für die Planung und Beurteilung von Strategien zur Resistenzminimierung ergeben. Nicht zuletzt wären Incentives für die kontinuierliche Übertragung geprüfter Daten und eine Fusion der beiden nicht kommerziellen Surveillance-Systeme für eine zuverlässige und repräsentativere Auswertung sehr hilfreich. Auch werden nach wie vor von den meisten Kliniken Apotheken-Abgabemengen gemeldet und nicht die tatsächlich applizierten Mengen. Je mehr elektronische Patientenakten und Unit-Dose-Systeme Einzug halten, umso präziser werden zukünftig auch die Angaben zu Verbrauchsdichten.
Eine weitere Limitation dieser Arbeit ist die fehlende Berücksichtigung der Daten aus pädiatrischen Abteilungen bei der Darstellung der Tagesdosen pro Pflegetage. Grund hierfür sind die für pädiatrische Abteilungen ungeeigneten Tagesdosis-Definitionen und das häufige Fehlen separater Kinder- und Jugendmedizin-Abteilungen in kleineren Krankenhäusern. Nach unseren eigenen Untersuchungen sind es rund 1,6 Mio. Pflegetage in Kinderkliniken, die mit einer mittleren Verordnungsdichte von rund 27 DDD/100 ergänzt werden müssten [30]. Dies entspräche einer Änderung der Gesamt-Verordnungsdichte von rund 50 DDD/100 auf rund 49 DDD/100. Der Korrekturfaktor ist damit gering. Eine Berücksichtigung auch psychiatrischer und psychosomatischer Abteilungen würde die geschätzte Verordnungsdichte dagegen stärker verzerren – bei sehr geringer Verordnungsdichte, aber sehr hoher Menge an Pflegetagen in den entsprechenden Krankenhäusern.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Antibiotika-Verordnungsdichte in den letzten 10 Jahren in deutschen Krankenhäusern stabil geblieben ist, es jedoch Verschiebungen in der Art der bevorzugten Wirkstoffe gegeben hat. Vor allem Penicillin-Derivate werden in der jüngsten Zeit deutlich häufiger eingesetzt. Fluorchinolone hingegen wurden erheblich seltener verordnet. Reservesubstanzen blieben in der Größenordnung von nicht mehr als 5% des gesamten Tagesdosenvolumens je nach Krankenhausgröße.
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Die Antibiotika-Verbrauchsdichte in deutschen Akutkrankenhäusern im Jahr 2021/22 betrug 42,1 Tagesdosen (RDD) pro 100 Belegungstage und war in Universitätskrankenhäusern höher als in nicht universitären Kliniken – im Vergleich zu 2012/13 kam es nicht zu einem Anstieg der Verordnungsdichte.
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Hohe Verbrauchsdichten wurden in universitären hämatologisch-onkologischen Fachabteilungen und auf Intensivstationen beobachtet, aber auch in HNO- und urologischen Fachabteilungen.
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Penicilline wurden zunehmend häufiger als Cephalosporine eingesetzt. Die am häufigsten eingesetzte Einzelsubstanz war Piperacillin-Tazobactam. Der Fluorchinolon-Verbrauch ging deutlich zurück. Aminoglykoside und Tetrazyklin-Derivate werden kaum noch verwendet. Insgesamt machten Reservesubstanzen nicht mehr als 5% der gesamten Verordnungsmenge aus.
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Die Weiterführung einer solchen Erfassung und vergleichenden Auswertung von Antibiotika-Verbrauchsmustern in Akutkliniken mit Rückmeldung und fachbereichsorientiertem Benchmarking liefert wichtige Voraussetzungen für die Optimierung des Antibiotika-Einsatzes im stationären Setting sowie zur weiteren Planung und Beurteilung von Strategien zur Resistenzminimierung, zur Eindämmung von C.-difficile-Infektionen und zur Verbesserung der Patientensicherheit.
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Interessenkonflikt
W.V.K. erhielt Forschungsbeihilfen vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Vortragshonorare von Biomèrieux und Beraterhonoare von der Stiftung Warentest. Er ist ordentliches Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und aktuell Vorstand der Akademie für Infektionsmedizin e.V. F.D. erhielt Vortragshonorare von Lilly, Janssen und Gilead sowie Beraterhonorare von Lilly und Sandoz. Er war von 2018-2020 Präsident des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker e.V. (ADKA) und ist Mitglied der Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker. Die sonstigen Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte bestehen.
Danksagung
Die Untersuchung wäre ohne die freiwillige Teilnahme vieler deutscher Krankenhäuser nicht möglich gewesen, für die wir uns hiermit bedanken. Die Untersuchung wurde teilweise unterstützt durch das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), (Fördernummer TTU 08.801).
* Dr. Matthias Fellhauer war bis Mai 2022, und Jürgen Baumann ist seither Sprecher des Ausschusses für Antiinfektive Therapie des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker (ADKA). Dr. Dr. Katja de With ist derzeitige Sprecherin der Sektion Antibiotic Stewardship der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie (DGI) sowie stellvertretende Sprecherin der Kommission „Antibiotika, Resistenz und Therapie“ beim Robert Koch-Institut. Dr. Evelyn Kramme ist stellvertretende Sprecherin der DGI-Sektion Antibiotic Stewardship.
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29 November 2024
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