Nervenheilkunde 2025; 44(03): 177-178
DOI: 10.1055/a-2449-1417
Gesellschaftsnachrichten

Kopfschmerz News der DMKG

 

Kombinierte Ansätze zur Migräneprophylaxe: Mehr als die Summe der Teile

Pellesi L, Garcia-Azorin D, Rubio-Beltrán E, et al. Combining treatments for migraine prophylaxis: the state-of-the-art. J Headache Pain 2024; 25(1): 214. doi:10.1186/s10194–024–01925-w

Hintergrund

Die pharmakologische Prophylaxe der Migräne wird weitestgehend als Monotherapie betrachtet, sofern nicht Komorbiditäten mit der zusätzlichen Indikation potenziell prophylaktisch wirksamer Substanzen vorliegen (z. B. Antidepressiva) [1]. Neuere Therapien wie monoklonale Antikörper, die den CGRP-Signalweg blockieren (CGRP mAbs), und CGRP-Rezeptorantagonisten (Gepante) haben das Spektrum der Behandlungsmöglichkeiten erweitert. Dennoch bleibt die Behandlung eines relevanten Anteils an Patienten herausfordernd. Kombinationstherapien aus klassischen und modernen Therapien könnten verschiedene Aspekte der komplexen Migränepathophysiologie adressieren und so synergistisch besser als in Monotherapie wirksam sein. Die vorgestellte Arbeit untersucht die Evidenz für diese Hypothese literaturbasiert.


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Ergebnisse

Die Ergebnisse zeigen, dass Kombinationstherapien eine vielversprechende Option darstellen, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Patienten zugeschnitten werden kann. Sie umfassen Kombinationen klassischer Medikamente, die Verwendung von Botulinumtoxin A (BoNT-A) mit CGRP-basierten Therapien und die duale Inhibition des CGRP-Signalwegs.

Die Kombination klassischer Prophylaktika wurde in mehreren Studien untersucht. So zeigte eine randomisierte, doppelblinde Studie mit 73 Patienten, dass die Kombination von Topiramat und Amitriptylin nicht nur die Häufigkeit der Migränetage signifikant reduzierte, sondern auch die Depressivität verbesserte. Eine Studie mit Propranolol und Topiramat an 58 Patienten ergab, dass 62 % der Patienten eine Reduktion der Migränetage um mindestens 50 % erreichten, während nur 17 % die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abbrachen. Valproat in Kombination mit Propranolol wurde in einer retrospektiven Studie mit 52 Patienten evaluiert. Bei fast 60 % der Patienten reduzierten sich die Migränetage um mehr als 50 %. Eine weitere randomisierte Studie untersuchte die Kombination von Propranolol und Flunarizin und zeigte vergleichbare Wirksamkeit wie bei den einzelnen Monotherapien, jedoch ohne zusätzliche Nebenwirkungen. Interessanterweise erzielten Patienten mit spezifischen Komorbiditäten wie Depression oder Epilepsie mit diesen Kombinationen besonders gute Ergebnisse, sodass möglicherweise indirekte Effekte auf die Migräneaktivität vorlagen.

Eine weitere Strategie stellt die Kombination von BoNT-A mit CGRP-mAbs dar. Eine retrospektive Analyse von 79 Patienten, die mit BoNT-A und CGRP-mAbs behandelt wurden, zeigte, dass 60 % der Patienten eine Reduktion der Migränetage um mindestens 50 % erreichten. Der Bedarf an Akutmedikamenten sank signifikant, was die verbesserte Krankheitskontrolle und Lebensqualität der Patienten verdeutlichten. Eine Langzeitstudie mit 150 Patienten, die BoNT-A und CGRP-mAbs über ein Jahr hinweg erhielten, zeigte eine fortschreitende Verbesserung der Migränekontrolle. Nach 12 Monaten berichteten 68 % der Patienten über eine signifikante Reduktion der Kopfschmerztage, während die Schmerzintensität bei 55 % der Patienten deutlich abnahm.

Die gleichzeitige Anwendung von 2 CGRP-basierten Therapien, einem CGRP-mAb und einem Gepant, wurde wenig untersucht. Eine Fallserie mit 17 Patienten, die sowohl mit CGRP-mAbs als auch mit einem Gepant behandelt wurden, ergab, dass 58,8 % der Patienten eine Reduktion der Kopfschmerztage um mindestens 50 % erreichten. Zudem berichteten 64,7 % der Patienten über eine signifikante Verringerung der Kopfschmerzintensität. Die Kombinationstherapie war gut verträglich, ohne dass schwerwiegende Nebenwirkungen beobachtet wurden.


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Diskussion

Die Autoren betonen, dass Monotherapie weiterhin die erste Wahl in der Migräneprophylaxe bleibt, während Kombinationstherapien vor allem bei Patienten in Betracht gezogen wurden, die unzureichend auf Einzelbehandlungen ansprechen. Kombinationstherapien haben das Potenzial, multiple therapeutische Mechanismen anzusprechen und könnten besonders für therapieresistente Patienten von Vorteil sein. Die wissenschaftliche Evidenz für solche Ansätze ist jedoch begrenzt, insbesondere für Kombinationen aus klassischen Prophylaxen mit CGRP-mAbs oder BoNT-A.

Die Autoren schlussfolgern, dass orale Behandlungen, die nicht den CGRP-Signalweg betreffen, praktikable Kandidaten für Kombinationen mit CGRP-mAbs oder BoNT-A insbesondere hinsichtlich der Kosten sein könnten. Es bedarf jedoch einer erheblichen Verbesserung der Evidenz, um Protokolle für Kombinationstherapien zu etablieren und Leitlinien zu entwickeln. Alternative Forschungsansätze wie Computermodelle oder die Identifikation prädiktiver Biomarker könnten helfen, potenziell wirksame und sichere Kombinationen vorab zu identifizieren, wodurch die Notwendigkeit aufwendiger klinischer Studien reduziert würde.

Christine Klötzer und Robert Fleischmann, Greifswald

INFORMATION

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Exzellente Arbeit, die bahnbrechende Neuerungen beinhaltet oder eine ausgezeichnete Übersicht bietet

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Gute experimentelle oder klinische Studie

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Gute Studie mit allerdings etwas geringerem Innovationscharakter

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Studie von geringerem klinischen oder experimentellen Interesse und leichteren methodischen Mängeln

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Studie oder Übersicht mit deutlichen methodischen oder inhaltlichen Mängeln

Die Kopfschmerz-News werden betreut von der Jungen DMKG, vertreten durch Dr. Robert Fleischmann, Greifswald, Dr. Katharina Kamm, München (Bereich Trigemino-autonomer Kopfschmerz & Clusterkopfschmerz), Dr. Laura Zaranek, Dresden (Bereich Kopfschmerz bei Kindern und Jugendlichen) und Dr. Thomas Dresler, Tübingen (Bereich Psychologie und Kopfschmerz).

Ansprechpartner ist Dr. Robert Fleischmann, Klinik und Poliklinik für Neurologie, Unimedizin Greifswald, Ferdinand-Sauerbruch-Str. 1, 17475 Greifswald, Tel. 03834/86-6815, robert.fleischmann@uni-greifswald.de

Die Besprechungen und Bewertungen der Artikel stellen die Einschätzung des jeweiligen Autors dar, nicht eine offizielle Bewertung durch die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft.


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  • Literatur

  • 1 Diener HC. et al. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG. In: DGN. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Berlin:

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
04. März 2025

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  • Literatur

  • 1 Diener HC. et al. Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG. In: DGN. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Berlin: