Schlüsselwörter
Stationsäquivalente Behandlung - StäB - Hometreatment
Keywords
home treatment - health services research - mental health
Einleitung
Die stationsäquivalente Behandlung (StäB) nach §115 d SGB V stellt eine besondere
Variante des international bereits gut etablierten „Home Treatment“-Modells, einer
Form von aufsuchender akutpsychiatrischer Versorgung dar [1]. Seit 2018 ist diese als Alternative
zur konventionellen Krankenhausbehandlung in der deutschen Regelversorgung verankert
und wird von der S3-Leitlinie (Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen
Erkrankungen) der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie,
Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) mit dem höchsten Evidenzgrad empfohlen
[2]
[3]. StäB bietet prinzipiell allen
Personen mit akut (stationär) behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankungen eine
intensive multiprofessionelle Behandlung zuhause an. Dabei sind die Nähe zum Alltag
und der Einbezug des Umfeldes in die Behandlung als Vorteile zu nennen [4]. Internationale Studien und
Pilotstudien im deutschsprachigen Raum zeigen, dass diese Behandlungsform
Behandlungszeiten, aber auch die Anzahl an Wiederaufnahmen reduzieren kann [5]. Zudem deuten Ergebnisse auf eine
höhere Zufriedenheit bei Patient:innen und Angehörigen hin [6]
[7]
[8].
StäB wurde als Alternative zur stationär psychiatrischen Behandlung konzipiert, vor
allem auch, um stationäre Aufenthalte zu vermeiden. Dennoch zeigt sich, dass für
einen Teil der Patient:innen diese Behandlungsform als Anschluss nach einer
stationären Behandlung und nicht als Direktaufnahme als Alternative zur stationären
Behandlung genutzt wird [9] . Klocke et
al. (2021) untersuchten bereits an einer Münchner StäB-Stichprobe Unterschiede
zwischen Patient:innen, die direkt in StäB aufgenommen worden waren im Vergleich zu
zunächst stationär aufgenommenen und erst anschließend in StäB verlegten
Patient:innen [10]. In ihrer
Untersuchung zeigte sich, dass ein Großteil (66%) der später in StäB übergeleiteten
Patient:innen bei Aufnahme auf Station Ausschlusskriterien für StäB gezeigt hatten
(z. B. akute Suizidalität). Darüber hinaus litten in StäB übergeleitete
Patient:innen häufiger unter einer schizophrenen Erkrankung, zeigten bei Aufnahme in
StäB eine höhere Krankheitsschwere und hatten mehr stationäre Voraufenthalte.
Ziel der gegenwärtigen Publikation war es, weitere Erkenntnisse zu den verschiedenen
Zugangswegen zu StäB (Direktaufnahme vs. ausleitende Aufnahme im Anschluss an einen
stationären Aufenthalt) anhand einer größeren Stichprobe aus verschiedenen Zentren
zu gewinnen und zusätzlich Informationen zum therapeutischen Erfolg der
verschiedenen Zugangsarten zu erhalten. Hierfür wurden Daten der
quasi-experimentellen und multizentrischen AKtiV-Studie (Aufsuchende
Krisenbehandlung mit teambasierter und integrierter
Versorgung: Evaluation der stationsäquivalenten Behandlung), welche die
Umsetzung, Behandlungsprozesse und die klinische Wirksamkeit von StäB evaluiert
[11], genutzt.
Folgende Fragen sollten beantwortet werden:
-
Unterscheiden sich die einzelnen in der AKtiV-Studie teilnehmenden Zentren
hinsichtlich der Zugangswege zu StäB (d. h. Direktaufnahmen bzw.
Verlegungen)?
-
Unterscheiden sich die Patient:innen mit Direktaufnahmen von denen, die in
StäB verlegt wurden, zum Zeitpunkt der Aufnahme in StäB (Baseline)?
-
Zeigen sich im weiteren Verlauf differenzierte Behandlungseffekte nach
Zugangsarten?
Methoden
Teilnehmende der Studie wurden über einen Zeitraum von 12 Monaten deutschlandweit an
den insgesamt 10 an der AKtiV-Studie teilnehmenden Zentren konsekutiv rekrutiert
[11]. Im Rahmen der vorliegenden
Analyse wurden ausschließlich die N=200 Patient:innen der Interventionsgruppe (d. h.
mit StäB-Behandlung) untersucht. Befragungen fanden zum Zeitpunkt des
Studieneinschlusses (Baseline-Erhebung) sowie nach 6 und nach 12 Monaten statt [11].
Aus der umfangreichen Datenerhebung im Rahmen der AKtiV-Studie [11] wurden die folgenden
Parameter/Instrumente im Rahmen der vorliegenden Analyse genutzt:
Baseline-Parameter: Soziodemographische Daten wurden mittels Fragen zur
Basisdokumentation und der deutschen Version des Client Sociodemographic and Service
Receipt Inventory (CSSRI-D) erhoben [12]. Für die gegenwärtige Publikation waren die Baseline-Variablen
Geschlecht, Alter, Hauptdiagnose, Familienstand, Suizidalität, Medikamenteneinnahme,
Alter bei Ersterkrankung und Voraufenthalte innerhalb von zwei Jahren relevant.
Zur Erhebung der Wiederaufnahmerate wurden Patient:innen nach 6 und 12 Monaten
hinsichtlich weiterer Behandlungen befragt. Darüber hinaus wurde das
Krankenhausinformationssystem genutzt, um Daten zu erheben. Mögliche Abbrüche der
Indexbehandlung in der StäB wurden Behandler:innenseits dokumentiert.
Die Symptomschwere wurde mittels der deutschen Version von Health of Nation Outcome
Scale (HoNOS_D) erhoben [13]. Das
psychosoziale Funktionsniveau wurde mittels der deutschen Version der Personal and
Social Performance Scale (PSP) erhoben [14].
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mittels der deutschen Version des
European Quality of Life Dimension 5 Level Version (EQ-5D-5L) erhoben, die den
EQ5D-Index und EQ5D-VAS beinhaltet [15].
Zudem wurden für jedes der teilnehmenden 10 Zentren die Zugangswege der
Patient:innen, d. h. die Anzahl der Direktaufnahmen/Übernahmen von Station in StäB
dokumentiert. Um nachvollziehen zu können, wie schnell eine Direktaufnahme für akut
Kranke erfolgen kann, wurde weiterhin die Variable „Möglichkeit der schnellen
Direktaufnahme“ gebildet. Hierfür wurden Telefoninterviews mit den für die
Patient:innenaufnahme in den 10 Zentren jeweils verantwortlichen Person durchgeführt
und Details zu Aufnahmesteuerung und -organisation erhoben. Aus den Antworten der
Befragten wurde durch Kategorienbildung die Variable mit den möglichen Ausprägungen
„Aufnahme in StäB erfolgt i.d.R. innerhalb von 24 h“, „Aufnahme in StäB erfolgt
i.d.R. innerhalb von einer Woche“, “Wartezeit für eine Aufnahme in StäB i.d.R.>1
Woche“, abgeleitet.
Auswertung/Statistik
Es handelt sich um eine ergänzende Analyse des StäB Kollektivs der AKtiV-Studie
[11]. Insofern erfolgten
deskriptive Analysen und (nur) explorative Tests (mit alpha=5%). In einem ersten
Schritt wurde deskriptiv und mit einem Fisher Test untersucht, ob sich der
Anteil direkter StäB Aufnahmen in den verschiedenen Zentren unterschied. Der
Zusammenhang zwischen der „Möglichkeit der schnellen Direktaufnahme“ und dem
Behandlungszugang wurde ebenfalls mittels eines Fisher-Tests analysiert.
Anschließend wurde geprüft, ob zwischen direkt in StäB aufgenommen Patient:innen
und im Anschluss an eine stationäre Behandlung in StäB übergeleiteten
Patient:innen bereits bei Baseline Unterschiede vorlagen. Hierfür wurden
explorative Gruppenvergleiche (Chi2-, Fisher-, Welch- und Mann-Whitney U-Tests)
zum Niveau α=0,05 (zweiseitig) durchgeführt.
Hinsichtlich der Behandlungseffekte (Wiederaufnahmerate, Abbruch des
Indexaufenthalts, Symptomschwere, soziales Funktionsniveau) nach Zugangsarten
wurden zweiarmige Analysen mittels logistischen bzw. linearen Regressionen
durchgeführt. Dabei wurde für die zuvor gefundenen Baseline-Unterschiede
kontrolliert.
Ergebnisse
An den 10 Standorten wurden insgesamt 200 StäB Nutzende in die Studie eingeschlossen.
Davon wurden 144 (72%) Personen direkt in StäB aufgenommen und 56 (28%) Personen
nach einer stationären Behandlung in die StäB verlegt. Insgesamt nahmen 136
weibliche (68%) und 64 männliche (32%) StäB Nutzende teil.
Der prozentuale Anteil der StäB-Aufnahmen an allen Aufnahmen der jeweiligen Zentren
lag zwischen einem und zehn Prozent (Mittelwert 5,5%). Die Zentren unterschieden
sich signifikant (p=0,04) hinsichtlich des Anteils direkter StäB Aufnahmen, wobei
der Anteil zwischen 50% und 95% lag (s. [Tab.
1]). Die „Möglichkeit der schnellen Direktaufnahme“ (in 24 h, in einer
Woche,>1 Woche, s. [Tab.1]) hatte
keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Direktaufnahmen und Verlegungen (p=0,41).
Tab. 1 Deskriptive Analyse des Anteils direkter StäB
Aufnahmen nach den Zentren.
Zentrum
|
Direktaufnahmen
|
Verlegungen
|
Gesamt
|
Möglichkeit der schnellen Direktaufnahme (innerhalb von
24 h/einer Woche/>1Woche)
|
N
|
(%)
|
N
|
(%)
|
N
|
|
Zentrum 1
|
18
|
95
|
1
|
5
|
19
|
24 h
|
Zentrum 2
|
21
|
84
|
4
|
16
|
25
|
Eine Woche
|
Zentrum 3
|
17
|
77
|
5
|
23
|
22
|
Eine Woche
|
Zentrum 4
|
10
|
77
|
3
|
23
|
13
|
24 h
|
Zentrum 5
|
19
|
76
|
6
|
24
|
25
|
>1Woche
|
Zentrum 6
|
19
|
76
|
6
|
24
|
25
|
24 h
|
Zentrum 7
|
11
|
61
|
7
|
39
|
18
|
24 h
|
Zentrum 8
|
12
|
60
|
8
|
40
|
20
|
>1Woche
|
Zentrum 9
|
15
|
52
|
14
|
48
|
29
|
Eine Woche
|
Zentrum 10
|
2
|
50
|
2
|
50
|
4
|
>1Woche
|
Gesamt
|
144
|
72
|
56
|
28
|
200
|
|
Bezüglich der Baseline-Daten zeigten sich signifikante Unterschiede zwischen
Direktaufnahmen und Verlegungen hinsichtlich der Diagnosegruppe ([Tab. 2]). So war die Gruppe affektiv
Erkrankter bei direkt in StäB aufgenommenen Patient:innen größer als bei der Gruppe
der in StäB verlegten Patient:innen, wohingegen sich bei Erkrankungen aus dem
schizophrenen Formenkreis das gegenteilige Muster zeigte. Darüber hinaus
unterschieden sich die Gruppen signifikant hinsichtlich der Lebensqualität. Die
Verlegungen zeigten eine höhere Lebensqualität (MW=0,7) als die Direktaufnahmen
(MW=0,6). Die Analyse der Voraufenthalte der letzten zwei Jahre ergab, dass die
Verlegungen signifikant mehr stationäre Aufenthalte hatten (MW=3) als die
Direktaufnahmen (MW=1).
Tab. 2 Vergleich von Baselinevariablen Direktaufnahmen und
Verlegungen in die StäB.
Variable
|
|
Direktaufnahmen
|
Verlegungen
|
Teststatistik
|
Anzahl
|
|
N=144
|
N=56
|
|
Basisdaten bei Aufnahme in die StäB
|
Geschlecht (N=200) (weiblich)
|
|
96 (67%)
|
40 (71%)
|
χ²(1)=0,42, p=0,52
|
Alter (N=200)
|
|
MW=47 SD=16
|
MW=42 SD=14
|
U=3391.5, p=0,08
|
Hauptdiagnose (N=200)
|
F0–F09
|
1 (1%)
|
0 (0%)
|
Fisher Test p=0,01
|
|
F10–F19
|
6 (4%)
|
7 (13%)
|
|
|
F20–F29
|
24 (17%)
|
19 (34%)
|
|
|
F30–F39
|
74 (51%)
|
20 (36%)
|
|
|
F40–F49
|
27 (19%)
|
4 (7%)
|
|
|
F50–F59
|
1 (1%)
|
1 (2%)
|
|
|
F60–F69
|
11 (8%)
|
5 (9%)
|
|
|
F70–F79
|
0 (0%)
|
0 (0%)
|
|
Familienstand (N=198)
|
Alleinstehend
|
76 (53%)
|
31 (55%)
|
χ²(2)=0,84, p=0,66
|
|
In einer Partnerschaft
|
19 (13%)
|
9 (16%)
|
|
|
verheiratet
|
48 (33%)
|
15 (27%)
|
|
Suizidalität (N=200)
|
Überhaupt nicht
|
66 (46%)
|
30 (54%)
|
Fisher Test, p=0,34
|
|
An einzelnen Tagen
|
43 (30%)
|
19 (34%)
|
|
|
An mehr als der Hälfte der Tage
|
17 (12%)
|
4 (7%)
|
|
|
Beinahe jeden Tag
|
18 (13%)
|
3 (5%)
|
|
Medikamenteneinnahme (N=200) (ja)
|
|
124 (86%)
|
50 (89%)
|
χ²(1)=0,36, p=0,55
|
Alter bei Ersterkrankung (N=199)
|
|
MW=34 SD=17
|
MW=29 SD=11
|
U=3502.5p=0,17
|
Voraufenthalte innerhalb von 2 Jahren (N=200)
|
|
MW=1 SD=1
|
MW=3 SD=5
|
U=5050.5, p=0,00
|
Psychopathologie (HoNOS Score, N=200)
|
|
MW=15 SD=5
|
MW=15 SD=5
|
Welch Test F=0,20, p=0,84
|
Soziales Funktionsniveau (PSP, N=200)
|
|
MW=55 SD=13
|
MW=58 SD=11
|
U=4478.5, p=0,22
|
Lebensqualität (EQ5D-Index, N=200)
|
|
MW=0,6 SD=0,3
|
MW=0,7 SD=0,3
|
U=4979.5, p=0,01
|
Lebensqualität (EQ5D-VAS, N=198)
|
|
MW=45 SD=22
|
MW=56 SD=23
|
U=U=5041.5, p=0,003
|
MW=Mittelwert; SD=Standardabweichung; N=Häufigkeit; HoNOS-D=deutsche Version
der Health of the Nation Outcome Scale; PSP=deutsche Version des Fragebogens
Personal and Social Performance; EQ5D-Vas und EQ5D-INDEX=deutsche Version
des Fragebogens European Quality of Life
„Verlegte“ StäB Nutzende wiesen eine höhere Wiederaufnahmerate (39%) auf als direkt
in StäB aufgenommene (25%). Unter Berücksichtigung der Unterschiede bei Baseline
(Diagnose, Lebensqualität, Anzahl der stationären Voraufenthalte innerhalb von zwei
Jahren) war dieser Effekt allerdings nicht signifikant (p=0,56). Bei den
weiteren Outcome-Variablen (Abbruch der Indexbehandlung, Symptomschwere und soziales
Funktionsniveau) konnten keine Unterschiede nach Zugangsart nachgewiesen werden
([Tab. 3]).
Tab. 3 Vergleich der Outcomevariablen der StäB-Behandlung
zwischen Direktaufnahmen und Verlegungen.
|
Direktaufnahmen
|
Verlegungen
|
Teststatistik
|
Wiederaufnahmerate
|
N=134 36 Wiederaufnahmen (27%)
|
N=52 22 Wiederaufnahmen (42%)
|
OR=0,13, p=0,56* R2=0,19**
|
Abbruch der Indexbehandlung
|
N=144 11 Abbrüche (8%)
|
N=56 3 Abbrüche (5%)
|
OR=0,22, p=0,12* R2=0,09**
|
HONOS 6 Monate
|
N=129 MW 11,8 (SD 6,2)
|
N=44 MW11,6 (SD 5,4)
|
B=0,02, p=0,98+ R2=0,35
|
HONOS 12 Monate
|
N=131 MW 10,3 (SD 6,1)
|
N=48 MW 10,0 (SD 5,4)
|
B=-0,18, p=0,85+ R2=0,31
|
PSP 12 Monate
|
N=130 MW 67,7 /SD 13,1)
|
N=48 MW 67,4 (SD 11,9)
|
B=0,09, p=0,82* R2=0,28**
|
* (ordinale) logistische Regression mit Korrektur für Baselineunterschiede
(Hauptdiagnose, Voraufenthalte, EQ5D-Index). ** Für logistische
Regressionen wurde das Cox-Snell R2 berechnet.+lineare Regression
mit Korrektur für Baselineunterschiede (Hauptdiagnose, Voraufenthalte,
EQ5D-Index)
Diskussion
Die untersuchten StäB Zentren unterscheiden sich signifikant in Bezug auf den Anteil
direkter Aufnahmen. Direktaufnahmen weisen häufiger affektive Störungen auf, während
bei Verlegungen Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis häufiger sind. Nach
Korrektur von Baseline-Unterschieden zeigen sich keine signifikanten Unterschiede
hinsichtlich des Therapieerfolgs.
Die Möglichkeiten, Patient:innen sowohl direkt als auch ausleitend in StäB
aufzunehmen, werden also von den verschiedenen teilnehmenden Einrichtungen auf
unterschiedliche Art und Weise genutzt. Da hierzu bisher keine Daten vorlagen, kann
nur über die möglichen Hintergründe spekuliert werden. Auf jeden Fall sind die
untersuchten StäB-Teams in sehr verschiedenen Settings angesiedelt und zudem
organisatorisch verschieden verortet (urban vs. ländlich, Fachklinik vs.
Abteilungspsychiatrie, aus einer Station heraus organisiert vs. an ein generelles
Aufnahmemanagement angegliedert etc.), so dass die Unterschiede in der Häufigkeit
von Direktaufnahmen in diesen Unterschieden begründet sein könnten [16]. Weiterhin kann die vorgegebene
Zielrichtung der jeweiligen StäB Organisation (d. h. StäB als spezialisiertes
Angebot für bestimmte Patient:innengruppen vs. generelles Angebot für praktisch alle
möglichen Aufnahmen) einen Teil der Unterschiede erklären. Schließlich gibt auch die
verschiedene Zusammensetzung z. B. hinsichtlich der Diagnosen der Direktaufnahmen
bzw. der ausleitenden Aufnahmen einen Hinweis darauf, dass möglicherweise
StäB-Anbieter sich auch nach den Bedürfnissen ihres jeweils hilfebedürftigen
Klientels richten.
Wie bereits die Ergebnisse einer Münchner Stichprobe zeigten [10], deuten auch die aktuellen Ergebnisse
der größeren und deutschlandweiten Stichprobe darauf hin, dass Direktaufnahmen und
Verlegungen in StäB verschiedene Patient:innengruppen repräsentieren könnten.
Offenbar sehen die Behandler:innen für manche Betroffene mit schizophrenen
Erkrankungen und mehreren Voraufenthalten StäB eher im Anschluss an eine stationäre
Behandlung als sinnvoll an, eventuell auch, weil erst nach einem stationären
Aufenthalt die Einschlusskriterien für StäB erfüllt sind.
Die höhere Lebensqualität der in StäB verlegten Patient:innen ist vermutlich auf den
bereits erfolgten stationären Aufenthalt und seine Wirkung zurückzuführen.
Die Analyse der Wiederaufnahmerate nach Zugangsart zeigte anfängliche signifikante
Unterschiede, die jedoch nach Berücksichtigung der Baseline-Unterschiede (Diagnose
u. a.) nicht mehr signifikant waren. Dies deutet darauf hin, dass die
Wiederaufnahmerate eben nicht auf die Zugangsart zu StäB (und damit die Art des
Einsatzes des StäB-Angebotes) zurückzuführen ist, sondern von anderen Faktoren
beeinflusst wird. Es ist wahrscheinlich, dass etwa an einer Schizophrenie erkrankte
Patient:innen ein höheres Risiko für eine Wiederaufnahme aufweisen und dies nicht
kausal mit der Zuweisungsart (direkt vs. verlegt) in Zusammenhang steht.
Limitationen
Bereits bei den zehn teilnehmenden Zentren zeigte sich eine große Heterogenität
in den Behandlungsmustern. Es ist zu erwarten, dass sich in dieser Studie nicht
abgebildete StäB-Zentren ggf. noch einmal deutlich davon unterscheiden.
Konsequenzen für Klinik und Praxis
-
Dass StäB-Behandlung für verschiedene Patient:innengruppen flexibel
genutzt wird und die Effektivität dabei keine größeren Unterschiede
zeigt, kann vor dem Hintergrund einer patient:innenzentrierten
Psychiatrie nur positiv gesehen werden.
-
Offenbar versuchen die Behandler:innen den Patient:innen die jeweils
für diese am besten passende Versorgungsform anzubieten. Damit
variieren die angebotenen Behandlungsformen konsequenterweise
zwischen verschiedenen Patient:innengruppen.
-
Zudem hat sich mit StäB eine Behandlungsform etabliert, die sich je
nach Umgebung verschieden einsetzen lässt, d. h. die Unterschiede in
der Anwendung von StäB zwischen den beobachteten Zentren resultieren
wahrscheinlich aus den vor Ort jeweils unterschiedlichen sonstigen
Versorgungsangeboten.
-
Zusammenfassend deutet die flexible Nutzung von StäB darauf hin, dass
aufsuchende Angebote noch flexibler gestaltet werden sollten, als
das starre Gerüst von StäB derzeit erlaubt. Somit wird auch dem
wichtigen Ruf nach Flexibilisierung und Ambulantisierung der
Krankenauspsychiatrie entsprochen [17].
Fördermittel
Das Projekt „AKtiV-Studie – Aufsuchende Krisenbehandlung mit teambasierter und
integrierter Versorgung (AKtiVStudie): Evaluation der stationsäquivalenten
psychiatrischen Behandlung (StäB nach § 115d SGB V) – eine Proof-of-Concept-Studie“
wurde vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses gefördert
(Förderkennzeichen 01VSF19048).