CC BY-NC-ND 4.0 · Gesundheitswesen
DOI: 10.1055/a-2486-6360
Originalarbeit

Patient Journey von Menschen mit Down-Syndrom und Demenz: Zugang zur und Schnittstellen in der medizinischen Versorgung – eine qualitative Analyse

Access to and Transitions within the Medical Care Process of Persons with Down Syndrome and Dementia: A Qualitative Analysis
Anke Walendzik
1   Gesundheitspolitik, EsFoMed – Essener Forschungsinstitut für Medizinmanagement GmbH, Essen, Germany
,
Milena Weitzel
2   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
,
Godwin D. Giebel
2   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
,
Pascal Raszke
2   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
,
Jürgen Wasem
2   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
,
Johannes Levin
3   Neurologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Germany
4   DZNE, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Standort München, München, Germany
5   SyNergy, Munich Cluster for Systems Neurology, München, Germany
,
Olivia Wagemann
3   Neurologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Germany
4   DZNE, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Standort München, München, Germany
,
Elisabeth Wlasich
3   Neurologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Germany
,
Georg Nübling
3   Neurologische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Germany
4   DZNE, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen Standort München, München, Germany
,
Johannes Pantel
6   Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Germany
,
Valentina A. Tesky
6   Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Germany
,
Arthur Schall
6   Institut für Allgemeinmedizin, Goethe-Universität Frankfurt am Main, Frankfurt am Main, Germany
,
Theresa Hüer
2   Lehrstuhl für Medizinmanagement, Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund

Menschen mit Down-Syndrom haben im Vergleich zur normativen Bevölkerung genetisch bedingt ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer Alzheimer-Demenz mit frühem Beginn zu erkranken. Dadurch ergeben sich besondere Herausforderungen sowie die Notwendigkeit einer zielgruppenspezifischen Patient Journey.

Methode

In einer Interviewstudie mit medizinischen Leitungserbringenden, Vertreter:innen von Selbsthilfeorganisationen und Wohn- und Arbeitseinrichtungen als Baustein des Innovationsfondsprojektes „DS-Demenz“ wurden Hürden im medizinischen Versorgungsprozess der Zielgruppe und Ansätze zu ihrer Überwindung erhoben. Die vorgestellten Ergebnisse fokussieren auf Zugang zur und Schnittstellengestaltung in der medizinischen Versorgung. 14 leitfadengestützte Interviews wurden von einem Moderator:innenteam per Videokonferenz durchgeführt, aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung erfolgte über eine qualitative Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring.

Ergebnisse

Im Zugang zur Diagnostik wurde von Verzögerungen durch Schwierigkeiten bei der Symptomerkennung der Alzheimer Demenz aufgrund der Variabilität des kognitiven Ausgangsniveaus und der in dem Zusammenhang fehlenden Sachkunde der Untersucher:innen berichtet. Entsprechend zeigten sich bei Erstzugang und Weiterleitung im Rahmen der Patient Journey Hürden aufgrund häufig begrenzter medizinischer Kenntnisse über Erkrankungsrisiko und -ausprägung in der Regelversorgung sowie eines unzureichenden Angebots und fehlender Bekanntheit spezialisierter Leistungserbringender. Auch in der Heilmitteltherapie wurde ein unzureichendes Angebot spezialisierter Leistungserbringender deutlich. Ein Schwerpunkt der Verbesserungsvorschläge lag auf einer gezielteren Patient:innensteuerung durch das Versorgungssystem und einfach zugänglicher Information für Patient:innen und ihre Betreuenden sowie auf einer verbesserten Schulung der Ärzt:innen.

Schlussfolgerung

Die identifizierten Hürden entsprechen sowohl den in der internationalen Literatur genannten Hürden wie dem unzureichenden Angebot an spezialisierten Leistungserbringenden und Informationsdefiziten über die spezifischen Krankheitsrisiken und Symptomatiken der Population als auch den bekannten Steuerungs- und Koordinationsdefiziten des fragmentierten deutschen Gesundheitssystems. Lösungsansätze sind einerseits in verbesserten Informations- und Schulungsangeboten für Betreuende und Leistungserbringende, andererseits aber in der Verbreiterung des Angebots spezialisierter Leistungserbringender, hier insbesondere der Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MEZB), zu sehen. Diese Lösungsansätze gehen im weiteren Verlauf des Forschungsprojekts in die Entwicklung gesundheitspolitischer Handlungsempfehlungen ein, um die Versorgungssituation Betroffener nachhaltig zu optimieren.


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Abstract

Objectives

Compared to the general population, individuals with Down syndrome carry a much higher genetic risk of developing early onset Alzheimer’s dementia. This leads to unique challenges and the need for a targeted patient journey.

Methods

In a qualitative interview study with medical professionals, patient organisations and formal and informal care persons, we assessed barriers within the medical care process of this patient group as well as current approaches to overcome these problems. The study is one module of a multi-method project founded by the Innovation Fund of the German Joint Commission. The results presented here focus on access to and transitions within the medical care process. 14 guided interviews were conducted by a team of moderators by video conference, recorded and transcribed. The analysis of the results was carried out as a qualitative content analysis based on the methods of Mayring.

Results

Given the varying degree of premorbid intellectual disability, difficulties recognizing dementia symptoms were reported leading to delays in initiating the diagnostic process. Limited knowledge of the special disease risk and symptom manifestation in routine medical care as well as the lack of specialized medical institutions were identified as additional hurdles. Insufficient dissemination of information about existing specialised institutions to regular physicians and caregivers was criticized. All stakeholder groups drew attention to limitations in access to occupational and speech therapy because of the inadequate number of specialized therapists. Improvements suggested by the interview partners focussed on topics such as the implementation of guidance of the patient journey to and within the medical care process by one institution, easily accessible information for patients and caregivers as well as optimised training for physicians in routine care.

Discussion

Barriers such as insufficient availability of specialised service providers and information deficits about the specific disease risks and symptoms of the population have also been identified in international literatur; in addition, management and coordination deficits in the fragmented German health care system represent well known additional barriers. Approaches to improve the situation can be seen, on the one hand, in improved information and training offers for caregivers and service providers, and, on the other hand, in the expansion of the range of specialized service providers, in particular the Medical Centres for Adults with Disabilities. Informed by these study results and the results of other project modules, health policy recommendations for the improvement of the patient journey of patients with Down syndrome and dementia will be developed in the last project module.


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Einleitung

Menschen mit einem Down-Syndrom (DS) haben nicht nur im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, sondern auch im Vergleich zu Menschen mit einer Intelligenzminderung ohne DS, ein deutlich erhöhtes Risiko, eine zudem relativ früh i.d.R. zum 51. Lebensjahr einsetzende Demenz zu entwickeln [1] [2]. Ursache für dieses genetisch determinierte stark erhöhte Risiko ist ein für die Alzheimer-Krankheit verantwortliches Gen auf Chromosom 21 (Amyloid-Vorläuferprotein, APP), welches bei den meisten Menschen mit DS (MmDS) dreifach vorhanden ist, und das Eiweiß codiert, aus dem die für die Alzheimer-Krankheit typischen Amyloid-Plaques bestehen.

Ein Gesamtkonzept für die medizinische Versorgung dieses Personenkreises, bei dem Diagnose und Therapie in Teilen unter veränderten Bedingungen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erfolgen müssen, liegt bisher jedoch nicht vor. Die S3-Leitlinie „Demenzen“ aus 2016 nennt nur einmal das DS als diagnostisches Kriterium für eine atypische Alzheimer-Demenz, in der Neubearbeitung findet sich keine Erwähnung dieses speziellen Personenkreises [3].

Mit Blick auf den gesamten Versorgungsprozess und seine möglichen Schnittstellenprobleme stehen die Gestaltung der Patient Journey und deren Steuerung bzw. Unterstützung zunehmend im Fokus der Versorgungsforschung, verstanden als „der gesamte Pfad, den der Patient durch alle Phasen der Versorgung zurücklegt, und seine emotionale Erfahrung während dieses Wegs“ [4]. Ein Ziel der im Folgenden dargestellten leitfadengestützten Expert:inneninterviews war es deshalb, Charakteristika, Hürden sowie Verbesserungsvorschläge und Best Practice-Ansätze im Rahmen der Patient Journey von MmDS und Demenz zu explorieren, mit dem Fokus auf Prozesse des Versorgungszugangs und des Übergangs zwischen verschiedenen Versorgungsschritten und -settings. Dabei werden auch patientenseitige Informationswege und -strategien sowie Fragen der Koordination der Versorgung zwischen medizinischen Leistungserbringenden behandelt.


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Methodik

Das durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses geförderte Projekt „(Zugang zur) Diagnostik und Therapie demenzieller Erkrankungen bei Menschen mit einem Down-Syndrom“ (DS-Demenz, Förderkennzeichen 01VSF21030) hat sich zum Ziel gesetzt, auf Basis eines Mixed-Methods-Ansatzes zur Erforschung von Anforderungen, Hürden sowie Verbesserungspotenzialen in der Versorgung von MmDS und Demenz gesundheitspolitische Handlungsempfehlungen zu entwickeln.

Es wurden zwischen Mai und August 2023 insgesamt 14 leitfadengestützte Interviews mit Vertreter:innen drei verschiedener Perspektiven durchgeführt, wie in [Tab. 1] gezeigt. Dafür wurden zur Repräsentierung der Patientenperspektive Vertreter:innen einschlägiger Selbsthilfeorganisationen und informelle Betreuende mit Bezug zu Selbsthilfegruppen rekrutiert[1]. Bei der Auswahl der ärztlichen Expert:innen wurde darauf geachtet, relevante Fachgruppen sowie Vertreter:innen von Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB) einzuschließen. Für die Perspektive der institutionell Betreuenden wurden sowohl Mitarbeiter:innen von Wohn- als auch von Arbeitseinrichtungen rekrutiert.

Tab. 1 Zahl und Perspektive der Interviewpartner:innen der Studie

Perspektive

Zahl der Interviews

Patient:innenvertretungen

4

Ärzt:innen aus unterschiedlichen Settings (Hausärzt:innen, Fachärzt:innen der Psychiatrie und Neurologie, Vertreter:innen von Medizinischen Zentren für Erwachsene mit Behinderung (MZEB))

5

Vertreter:innen von Wohn- und Arbeitseinrichtungen im Rahmen der Eingliederungshilfe

5

Grundlage der Interviews war ein halbstrukturierter Gesprächsleitfaden, der auf Basis eines im Rahmen des Projekts durchgeführten Scoping Reviews und einer vorangegangenen Analyse von Krankenkassen-Routinedaten[2] entwickelt wurde. Die Themen des Leitfadens bewegten sich entlang der Patient Journey im Rahmen der medizinischen Versorgung, also Symptomerkennung und Zugang, Diagnostik sowie therapeutische Ansätze. Innerhalb dieser Thematiken wurde zunächst nach einer Beschreibung des Status Quo, sodann nach möglichen Hürden und Verbesserungsvorschlägen gefragt. Der Gesprächsleitfaden wurde anschließend an die jeweilige Perspektive angepasst. Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse fokussieren selektiv ausschließlich auf die Zugangs- und Schnittstellenthematik im Rahmen der medizinischen und therapeutischen Versorgung. Die Problemfelder der medizinischen Diagnostik und Therapie von Menschen mit DS und Demenz betreffenden Ergebnisse der Interviewstudie wurden in einer weiteren Publikation dargestellt [5].


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Rekrutierung

Patient:innenvertretungen wurden über das Anschreiben einschlägiger Organisationen rekrutiert, Ärzt:innen sowohl über die Kontaktaufnahme mit MZEBs und Berufsverbänden als auch über die am Projektkonsortium beteiligten Partner:innen. Dabei wurde auf die Berücksichtigung der hausärztlichen sowie der fachärztlichen, neurologischen und psychiatrischen Versorgung und der regulären sowie der spezialisierten Versorgung in MEZBs geachtet. Zur Rekrutierung der Wohn- und Arbeitseinrichtungen wurden einschlägige Dachverbände angeschrieben und um die Vermittlung von Interviewpartner:innen gebeten. Die entsprechenden Personen sollten Erfahrungen in der Betreuung von MmDS und Demenz haben. Es wurde eine Aufwandspauschale von 100 Euro gezahlt.


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Durchführung

Die Interviews wurden durch ein Moderatorinnenteam des Lehrstuhls für Medizinmanagement unter Nutzung der vorab entwickelten Gesprächsleitfäden geleitet. Mindestens zwei Moderatorinnen waren jeweils präsent, davon mindestens eine Senior-Researcherin mit umfangreicher Interviewerfahrung. Der Verlauf der online durchgeführten Interviews wurde jeweils audiovisuell aufgezeichnet. Die Interviews dauerten zwischen 30 und 60 Minuten.


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Auswertung

Die Aufnahmen wurden vollständig entsprechend gängiger Transkriptionsregeln transkribiert und pseudonymisiert, so dass kein Rückschluss auf die interviewte Person möglich war. Auf dieser Basis erfolgte die Analyse nach der inhaltlich-strukturierenden Variante der qualitativen Inhaltsanalyse in Anlehnung an Mayring [6] und Weiterentwicklungen durch Kuckartz [7] mit Hilfe des Programms MAXQDA [8]. Kern der inhaltlich-strukturierenden Vorgehensweise ist es, am Material ausgewählte inhaltliche Aspekte zu identifizieren, zu konzeptualisieren und das Material systematisch zu beschreiben. Bei der Kodierung wurde eine Mischform aus deduktiver und induktiver Kategorienbildung verwendet und nach dem Vier-Augenprinzip qualitätsgesichert. Im Falle von Meinungsverschiedenheiten wurde ein dritter Senior-Researcher hinzugezogen.


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Ergebnisse

Praxis und Erfahrungen im Zugang und zu Schnittstellen in der medizinischen Versorgung

Praxis und Erfahrungen im Zugang und zu Schnittstellen in der medizinischen Versorgung der Patient:innen mit DS und Demenz gestalteten sich recht vielfältig abhängig vom Wohn- und Betreuungssetting.

Die Vertreter:innen aus den befragten formellen Wohn- und Betreuungsinstitutionen berichteten über in ihrem Kontext etablierte Wege zur medizinischen Leistungserbringung, die allerdings individuell unterschiedlich waren. Teilweise werden patientenindividuell Haus- und Fachärzt:innen angesprochen, teilweise wurde von Wohneinrichtungen über etablierte Kooperationen mit Haus- und Fachärzt:innen, in diesem Falle der Neurologie und Psychiatrie, berichtet. In einzelnen Wohnheimen ist auch eine zugehende ärztliche Betreuung etabliert: „Wir haben Psychiater und einen Neurologen, die kommen auch regelmäßig ins Haus, auch eine super Kooperation. Aber bis wir die gefunden haben und so verlässlich, wie die arbeiten, damit wir glücklich sind, …das hat ein paar Jahre gedauert“. Eine Zusammenarbeit mit den Wohneinrichtungen wird auch im Interview mit dem Vertreter der Neurolog:innen bestätigt. Einzelne Interviewpartner:innen aus dem Wohn- und Werkstattbereich erwähnten auch den Aufbau von Kooperationen mit MZEBs.

Von Seite der Patient:innenvertretungen wurde über eine erschwerte Patient Journey im informellen Betreuungs- und Wohnsetting berichtet. Erste Anlaufstelle war i.d.R. die hausärztliche Versorgung. Die Bewältigung der Schnittstellen zur weiteren Diagnostik und Therapie gestaltete sich eher als schwierige Suchbewegung: „Wo soll man es finden, wer soll einem das sagen. Selbst bei der Lebenshilfe, die die Beratung hier haben. (…) Manches wissen die, sicherlich. Aber so die richtigen Anlaufstellen…“.

Aus Sicht eines MZEB-Vertreters etabliert sich die Anbindung älterer und damit potenziell von Demenz betroffener Patient:innen an das MZEB nur langsam: „Dann sind das überwiegend die Jungen, die jetzt zu uns kommen, so Transitions-Patient:innen oder so im Alter bis 30, bis 40. Und ich glaube, so viele mit 50, 60 oder 70 und älter so, die sind dann in so schon lang etablierten Strukturen, dass da gar nicht mehr so das Augenmerk daraufgelegt ist, um dann entsprechend auch die richtigen Fragen zu stellen oder Untersuchungen einzuleiten.“

Hürden und Hemmnisse im Rahmen der Patient Journey

Die Analyse der Angaben der Interviewpartner:innen zeigte mehrere Kategorien von Zugangs- und Schnittstellenrisiken auf. Das Diagramm in [Abb. 1] gibt zudem Anhaltspunkte für ihre jeweilige Relevanz durch die unterschiedlich große Darstellung in Abhängigkeit von der Anzahl an Interviews, in denen die Aspekte genannt wurden.

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Abb. 1 Zugangs- und Schnittstellenrisiken im Überblick.

[Tab. 2] gibt zudem einen Überblick über die jeweilige Anzahl der Interviewpartner:innen in den einzelnen Gruppen von Befragten, die die im folgenden Text näher beschriebenen Hürden und Hemmnisse benannten.

Tab. 2 Zugangs- und Schnittstellenrisiken: Anzahl der Interviews mit Benennung einzelner Hürden und Hemmnisse

Ärzt:innen n=5

Patientenvertretungen n=4

Wohn- und Arbeitsstätten n=5

Total n=14

Zugangsrisiko Information

Fehlendes Wissen über spez. Risiko bei MmDS

  • bei Ärzt:innen

3

1

2

6

  • bei Patient:innen

1

1

  • bei Mitarbeitenden in Wohn- und Arbeitsstätten

1

1

  • bei informell Betreuenden/Angehörigen

2

2

Fehlendes Wissen über spezialisierte Leistungserbringende

2

1

1

4

Zugangsrisiko Symptomerkennung

2

1

4

7

Barrieren durch Ängste/Verdrängung der Diagnose

bei Ärzt:innen

1

1

bei Patient:innen

1

2

3

bei Mitarbeitenden in Wohn- und Arbeitsstätten

2

2

bei informell Betreuenden/Angehörigen

1

4

1

6

Zugangsrisiko Versorgungsbereitschaft von LE

Eingeschränkte Bereitschaft des Umgangs mit Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung

2

1

3

Zweifel an der Umsetzbarkeit der Versorgung

1

1

Zweifel an der Notwendigkeit der Versorgung

3

2

5

Zugangsrisiko Verfügbarkeit von LE

Fehlende Assistenz für MmDS für Aufsuchen von Leistungserbringenden

2

1

3

Fehlende regionale Verfügbarkeit von MZEBs/Spezialambulanzen und eingeschränkte Behandlungsberechtigung

2

2

4

Fehlende Verfügbarkeit von Heilmittel-Erbringenden

3

2

2

7

Zugangsrisiko Fehlende Zusammenarbeit und Steuerung

Fehlende Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringenden

2

1

3

Fehlende Lotsenfunktion für Betreuende

2

2

Zugangsrisiko Information

Die Interviewpartner:innen aus allen Befragungsgruppen waren sich darüber einig, dass das erhöhte Risiko einer frühen Demenz der Zielgruppe kaum oder zu wenig bekannt ist, und zwar sowohl bei den medizinischen Leistungserbringenden als auch bei den Betreuenden, so eine Vertreterin eines MZEB: „Das Thema Trisomie 21 Demenz ist überhaupt nicht aufgeklärt in der Regelversorgung. Null. Wirklich Null. Also wenn ich irgendwo damit anfange (…), schauen mich immer alle an, als ob ich gerade ein Geheimnis erzähle, was man nirgends lesen kann.“

Wie schon aus der Beschreibung der Praxis der Patient Journey ableitbar, fehlen auch Informationen über den Standort spezialisierter medizinischer Leistungserbringender; hier die Aussage einer Patientenvertreterin: „Naja, die große Hürde ist vor allem, wer weiß, wo die Diagnostik stattfinden kann? Gibt es bestimmte Fachstellen, qualifizierte Stellen? Wer kümmert sich darum, speziell im Hinblick auf Erwachsene mit Down-Syndrom?“

Aus hausärztlicher Perspektive wurde beschrieben, dass die Existenz und Funktion von MZEBs noch häufig unbekannt ist.


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Zugangsrisiko Symptomerkennung

In allen Gruppen von Interviewpartner:innen wurde auch über Schwierigkeiten von Betreuenden in der Symptomerkennung in Abgrenzung zu typischen Verhaltensmustern im Rahmen des Down-Syndroms berichtet. Von ärztlicher Seite wurde dabei noch auf die zusätzliche Schwierigkeit des relativ kurzen Kontakts gerade bei Neuvorstellungen von Patient:innen hingewiesen. Von institutionell Betreuenden wurden auch Unsicherheiten in der Abgrenzung, z.B. zu Symptomen der Depression, angegeben.


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Barrieren durch Ängste und Verdrängung der Diagnose Alzheimer-Demenz

Auch Ängste und Verdrängung der möglichen Diagnose Alzheimer-Demenz wurden als Hindernisse auf dem Weg in die Versorgung beschrieben. Erwähnung fanden sie in allen Gruppen von Interviewpartner:innen. Dabei wurden besonders häufig Ängste der Angehörigen beschrieben, die verhindern, dass Symptome der Demenz wahrgenommen werden. „…und als Eltern, glaube ich, will man das als Allerletztes sehen. So würden wir im Nachhinein sagen“, aber auch Mitarbeitende in Wohneinrichtungen berichteten, davon betroffen zu sein.


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Zugangsrisiko Versorgungsbereitschaft der medizinischen Leistungserbringenden

Die Interviewpartner:innen berichteten auch über Einschränkungen in der Versorgungsbereitschaft der medizinischen Leistungserbringenden gegenüber Patient:innen mit DS und Demenz. Zwei der ärztlichen Interviewpartner:innen und eine Angehörige sehen ein Problem in der grundsätzlichen Einstellung zur Behandlung des Personenkreises bei manchen Ärzt:innen: „…so ist es im Umgang mit behinderten Menschen. Ist auch eine Einstellungssache. Aber zum Teil ist (es) ja schon schlecht, weil man auch ein Stück Angst davor hat“.

In einem Interview mit einer Patientenvertreterin werden Erfahrungen berichtet, dass eine Versorgung aufgrund von Zweifeln an der Compliance der Patient:innen verweigert wurde.

Häufiger wird aus der Perspektive der Betreuenden berichtet, dass Zweifel am Behandlungserfolg von den Ärzt:innen formuliert werden. Dabei werden auf den Personenkreis von MmDS bezogene Argumente genannt, so eine Angehörige: „Ich müsste ja bedenken, in seinem Alter…, da war er 48 oder 47 gerade noch, …er wäre ja schon ein alter Mann…“. Die meisten genannten Begründungen seitens diverser Interviewpartner:innen beziehen sich jedoch generell auf die bisher noch geringen medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten der Alzheimer-Demenz.


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Zugangsrisiko Verfügbarkeit von Leistungserbringenden

Von Interviewpartner:innen aus der Perspektive von Patientenvertretungen und ärztlicher Leistungserbringender wurde die fehlende Verfügbarkeit von MZEBs und/oder spezialisierten Ambulanzen in ihrer Region beklagt. Dabei wurde von ärztlicher Seite auch eine restriktive und dazu regional unterschiedliche Behandlungsberechtigung der MZEBs kritisiert, „Mitversorgung hört sich toll an, die Überschrift im SGB V Paragraph 119c, was MZEB bedeutet, heißt Behandlungszentrum. Wir dürfen aber in ganz NRW nicht behandeln. Wir dürfen nur eine Lotsenfunktion erfüllen, was natürlich völliger Quatsch ist. Wir dürfen nur mit den Menschen irgendwohin fahren, so nach dem Lotsenprinzip. An sich eine gute Sache, das machen wir auch, aber das reicht nicht. Und wir dürfen Diagnostik machen“. In Interviews mit allen Gruppen von Interviewpartner:innen wird auch die fehlende Verfügbarkeit von für den Personenkreis qualifizierten Heilmittelerbringenden beklagt. „… was Ergotherapie, Logopädie angeht, da wissen wir jetzt so von Angehörigen (…), dass es manchmal nicht so einfach ist, jemanden zu finden, der mit älteren Menschen auch arbeitet oder eben mit demenziell veränderten Menschen“.

Schließlich wurde von einigen Ärzt:innen und Vertreter:innen von Wohneinrichtungen das Problem fehlender Assistenz bei der Inanspruchnahme von Versorgungsleistungen thematisiert als Voraussetzung, dass der/die Leistungserbringende überhaupt erreicht wird.


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Zugangs- und Schnittstellenrisiko fehlende Zusammenarbeit und Steuerung

Eine fehlende Zusammenarbeit zwischen den einzelnen an der Versorgung beteiligten Leistungserbringenden, z.B. in der Umsetzung von Empfehlungen aus den MZEBs oder in der Zusammenarbeit zwischen Haus- und Fachärzt:innen, wurde von Interviewpartner:innen aus Patienten- und Leistungserbringendenperspektive benannt. Besonders Patientenvertreter:innen berichten von einer Patient Journey, die fast ausschließlich auf der Eigeninitiative von Angehörigen beruht, anstelle eines zielgerichteten Lotsens der Patient:innen durch Leistungserbringende. „Und dann fing die Odyssee an. Von Pontius zu Pilatus und der hat die Meinung, der hat die Meinung“. „Ich fühle mich auch ziemlich alleine gelassen bei vielen Sachen, weil ich bin ja eben keine Medizinerin.“


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Best Practice und Verbesserungsvorschläge

Die Interviewpartner:innen wurden gebeten, Vorschläge zur Verbesserung der Versorgungssituation zu machen. Außerdem wurden ihre Berichte über eine besonders gelungene Gestaltung des Versorgungszugangs und der Patientensteuerung als Best Practice bei der Auswertung der Interviews in Hinblick auf Verbesserungsmöglichkeiten berücksichtigt. [Abb. 2] gibt einen Überblick über die genannten Aspekte.

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Abb. 2 Verbesserungsmöglichkeiten und Best Practice-Ansätze im Zugang / bei Übergängen in der Patient Journey, eigene Darstellung.

[Tab. 3] zeigt zudem die Anzahl der jeweiligen Interviews in den einzelnen Gruppen von Befragten, in denen bestimmte Ansätze erwähnt wurden. Die Verbesserungsansätze konzentrierten sich auf die Zugangsrisiken Information und Symptomerkennung, auf eine verbesserte Verfügbarkeit und einen verbesserten Zugang zu Leistungserbringenden sowie auf die Stärkung von interdisziplinärer Zusammenarbeit und gezielter Steuerung durch das Versorgungssystem.

Tab. 3 Zugangs- und Schnittstellenrisiken: Anzahl der Interviews mit Benennung von Verbesserungsansätzen

Ärzt:innen n=5

Patientenvertretungen n=4

Wohn- und Arbeitsstätten n=5

Total n=14

Verbesserte Information

Verzeichnis mit relevanten medizininschen Leistungserbringenden/Anlaufstelle

1

3

4

Verbesserte Symptomerkennung

Schulungen zur Symptomerkennung

3

3

Verbesserte Verfügbarkeit und verbesserter Zugang zu med. LE

Assistenz für MmDS für Aufsuchen von medizinischen Leistungserbringenden

3

3

Mobile Leistungserbringung

  • durch Leistungserbringende von Heilmitteln

1

1

  • durch Ärzt:innen

1

3

4

Verbesserte (regionale) Verfügbarkeit und erhöhter Versorgungsumfang von MZEBs/Spezialambulanzen

3

1

1

5

Verbesserte Zusammenarbeit und Steuerung

(interdisziplinäre) Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringenden

  • im formellen Betreuungssetting

2

2

  • zwischen medizinischen Leistungserbringenden

1

1

2

Lotsenfunktion für Betreuende durch medizinische Leistungserbringende

1

1

2

4

Verbesserte Information

Sowohl von Patient:innenvertretungen als auch von ärztlicher Seite wurde die Erstellung und Verfügbarkeit eines Verzeichnisses mit spezialisierten Leistungserbringenden, ggfs. zur Verfügung gestellt von einer zentralen Anlaufstelle, vorgeschlagen. „…ich würde mir halt eben wünschen, dass es so ein Verzeichnis, so wissen Sie, wie so ein Pflegefinder auch für Menschen, älter werdende Menschen mit Down-Syndrom, auch so Therapeuten- und Ärztefinder gäbe. Wer macht denn zum Beispiel eine Schluckuntersuchung bei Menschen mit Down-Syndrom und Verdacht auf Alzheimer?“.


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Verbesserte Symptomerkennung

Von Seiten der Wohn- und Arbeitseinrichtungen wurden insbesondere Schulungen zu einer verbesserten Symptomerkennung einer Alzheimer-Demenz bei MmDS gewünscht und in einigen Einrichtungen schon systematisch durchgeführt. „Du musst sensibel sein natürlich. Deswegen auch regelmäßig Fortbildung für alle Mitarbeiter, damit sie wirklich ihre Antennen aufgestellt haben, damit die das frühzeitig erkennen können.“


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Verbesserte Verfügbarkeit von und verbesserter Zugang zu Leistungserbringenden

Als Best Practice nannten die Interviewpartner:innen aus den Wohneinrichtungen einerseits die regelmäßige Begleitung der Patient:innen bei Arztbesuchen durch Mitarbeiter:innen, aber auch – in einigen Einrichtungen – regelmäßige Hausbesuche sowohl von Fachärzt:innen als auch von Heilmittelerbringenden.

Jedoch wurde besonders von Ärzt:innen eine erhöhte regionale Verfügbarkeit von MZEBs gewünscht. Dabei wurde auch eine Aufhebung der Reduktion der Befugnisse der MZEBs auf die Diagnostik, die bisher in einigen Regionen mit den Krankenkassen vertraglich vereinbart ist, als hilfreich gesehen. „Hoffentlich, indem wir bis dahin behandeln dürfen und das gut verfolgen dürfen. Weil …das wäre extrem wichtig, nicht nur bei Trisomie 21, aber besonders da, weil es früher beginnt mit der Demenz, muss gut verfolgt sein. Und man kann es nicht als Hausarzt oder eine große Klinik … Man muss unterstützte Kommunikation beherrschen. Man muss wissen, wie man mit den Menschen …auch die Dinge raus bekommt und eine Vertrauensbasis haben.“


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Verbesserte Zusammenarbeit und Steuerung

Eine verbesserte interdisziplinäre Zusammenarbeit wurde sowohl innerhalb der Wohneinrichtungen als auch zwischen den medizinischen Leistungserbringenden als wünschenswert genannt. Entsprechende Wünsche werden auch aus der hausärztlichen Versorgung heraus geäußert: „Also wichtig wären Multi-Professionalität…Wird immer so getan, aber da sind wir noch weit weg von gut. Und das ist ja so, dass sich Teams bilden, um die Patienten zu versorgen. Und das würde im Bereich der Behindertenmedizin… auch sehr gut zu Gesicht stehen.“

Von Interviewpartner:innen aus allen vertretenen Perspektiven wurde eine verbesserte Lotsenfunktion durch das medizinische System gewünscht, wobei jeweils sehr unterschiedliche mögliche Anlaufstellen genannt werden, hier eine Patientenvertreterin: „Klar, so Beratungsstellen sind unheimlich wichtig bei der Lebenshilfe oder bei anderen, beim Deutschen Roten Kreuz oder an Krankenhäusern.“


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Diskussion

Hürden und Hemmnisse im Rahmen der Patient Journey im Zugang und an Schnittstellen in der medizinischen Versorgung von MmDS und einer Alzheimer Demenz sind nach Aussagen der Interviewpartner:innen einerseits bei der Verfügbarkeit geeigneter Leistungserbringender zu verorten. Der zweite Schwerpunkt liegt beim Informationszugang im weitesten Sinne, sei es zu Informationen zum Erkrankungsrisiko, zur Symptomerkennung oder zum Auffinden geeigneter Leistungserbringender. Schließlich ist die fehlende Steuerung an Versorgungsschnittstellen zu nennen.

Diese Hürden entsprechen weitgehend den in der internationalen Literatur genannten Problembereichen für die Versorgung von MmDS und Demenz. Gerade im Bereich der Symptomerkennung wird das Problem des „Diagnostic Overshadowing“ bezüglich typischer Verhaltensmuster im Rahmen des DS im Zusammenhang mit fehlender Aufklärung häufig genannt und die Notwendigkeit von Schulungen im Bereich formell und informell Pflegender betont [9]. Aus mehreren Gesundheitssystemen wird auch über das Fehlen von medizinischen Leistungserbringenden mit entsprechender Spezialisierung berichtet [10]. Ebenso werden Probleme aufgrund der Notwendigkeit der Begleitung zu Terminen benannt [11]. Die Steuerung an Schnittstellen wird mehrfach als problematisch beschrieben [12].

Das deutsche Gesundheitssystem wird generell bzgl. der Versorgungssteuerung und der bedarfsgerechten Gestaltung von Schnittstellen kritisch diskutiert [13] . Umso schwieriger gestaltet sich die Steuerung der Versorgung von Patientengruppen mit spezifischen Bedürfnissen. So wird aus den Interviews auch klar, dass spezialisierte Institutionen wie z.B. die MZEBs bei den Hausärzt:innen nur unzureichend bekannt sind, was dann eine gezielte Weiterverweisung von vornherein unmöglich macht.

Der globale Aktionsplan der World Health Organization (WHO) zu Public Health Reaktionen auf die Indikation Demenz betont auch den Equity-Aspekt der Inklusion aller vulnerablen Gruppen und nennt spezifisch Menschen mit Behinderung [14]. Die Demenzstrategie der Bundesregierung enthält jedoch keine spezifischen Maßnahmen oder Problembeschreibungen für die besonders von Demenz betroffene Gruppe der Menschen mit Intelligenzminderung und spezifisch mit DS [15], obwohl es sich um eine Gruppe mit hohem Erkrankungsrisiko und besonderen Herausforderungen der Versorgung handelt. Auf einem internationalen Gipfel zu Intelligenzminderung und Demenz wird entsprechend auch die Inklusion der speziellen Versorgungsthematik dieser betroffenen Gruppe gefordert [16].


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Limitationen

Die hier vorgestellten Forschungsergebnisse entspringen einer qualitativen explorativ angelegten Methodik und unterliegen entsprechenden Limitationen. Sie können keine quantitativen Aussagen über Haltungen von Gruppen von Ärzt:innen, Patient:innenvertretungen sowie Vertreter:innen von Wohn- und Arbeitsstätten machen; deshalb können die Aussagen auch nicht generalisiert werden. Aus der Häufigkeit von Nennungen können auch nur begrenzt Rückschlüsse auf die Relevanz der angesprochenen Thematik gezogen werden: eine Einzelnennung kann durchaus den Hinweis auf ein besonders schwerwiegendes Problem oder eine besonders angemessene Lösungsmöglichkeit geben. Da die Rekrutierung der Wohn- und Arbeitsstätten über ein Anschreiben der einschlägigen Verbände erfolgte und auf Freiwilligkeit der Teilnahme einzelner lokaler Einheiten beruhte, ist anzunehmen, dass sich eher besonders interessierte und engagierte Einrichtungen zum Interview meldeten. Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass relativ häufig Prozesse berichtet wurden, die als Best Practice eingeordnet werden konnten. Die Rekrutierung von Patient:innenvertretungen aus spezifischen Selbsthilfegruppen für DS gestaltete sich schwierig; es kam nur zu wenigen Rückläufen auf Anfragen. Auch aus den Internetpräsentationen dieser Organisationen ließ sich nur in einem Einzelfall spezifisches Interesse an der Thematik DS und Demenz herleiten.


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Fundref Information

Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses — 01VSF21030


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Schlussfolgerungen für die Praxis

Ziel des Projekts „DS-Demenz“ ist die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für die medizinische Versorgung von MmDS und Demenz auf der Basis der Ergebnisse aller empirischen Projektmodule, priorisiert und konsentiert über einen Workshop mit relevanten Stakeholdern. Die hier vorgestellten Ergebnisse lassen erwarten, dass wichtige Themen bzgl. des Versorgungszugangs und der Schnittstellengestaltung den Aufbau eines verbesserten spezialisierten Behandlungssystems betreffen werden. Hier sind insbesondere ein Ausbau der MZEB-Versorgung und eine Klärung ihrer Behandlungsberechtigung zu nennen, aber auch die Stärkung der Arbeitsteilung zwischen MZEB und spezialisierten Ambulanzen auf der einen und den Leistungserbringenden der Regelversorgung auf der anderen Seite. Aber auch zentralisierte gut zugängliche Informationen über Krankheitsrisiken, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten und ein Verzeichnis über geeignete Leistungserbringende sollten in Zukunft zugänglich sein. Weiterhin scheinen Schulungen für Betroffene und Betreuende zentral zu sein.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1 Die Durchführung von Interviews mit potenziell direkt betroffenen Menschen mit DS wurde im Konsortium intensiv diskutiert, aber letztendlich verworfen. Zum einen hätte dies für viele der Betroffenen eine Erstinformation über ein sehr hohes Erkrankungsrisiko bedeutet, wobei die ggfs. daraus erwachsene notwendige psychologische Unterstützung des Verarbeitungsprozesses über die Möglichkeiten des Projektumfangs hinausgegangen wäre. Zum anderen hätte das Recht auf Nichtwissen über ein zukünftiges Erkrankungsrisiko für diese stark lebensverändernde Erkrankung, wie es regelmäßig bzgl. der Testung genetischer Risiken diskutiert wird (Herbst 2021), so nicht gewährt werden können.


2 Die Ergebnisse dieser weiteren Forschungsmodule im Rahmen des Projekts „DS-Demenz“ werden derzeit für die Publikation vorbereitet.


  • Literatur

  • 1 Fortea J, Zaman S, Hartley S, Rafii M, Head E, Carmona-Iragui M. Down syndrome-associated Alzheimer’s disease: a genetic form of dementia. Lancet Neurol 2021; 20 (11) 930-942
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Korrespondenzadresse

Dr. rer. pol. Theresa Hüer
Universität Duisburg-Essen, Lehrstuhl für Medizinmanagement, Thea-Leymann-Straße 9
45127 Essen
Germany   

Publication History

Received: 03 May 2024

Accepted: 24 October 2024

Article published online:
17 January 2025

© 2025. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

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  • 16 Watchman K, Janicki MP, Splaine M. et al. International Summit Consensus Statement: Intellectual Disability Inclusion in National Dementia Plans. Am J Alzheimers Dis Other Demen 2017; 32 (04) 230-237

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Abb. 1 Zugangs- und Schnittstellenrisiken im Überblick.
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Abb. 2 Verbesserungsmöglichkeiten und Best Practice-Ansätze im Zugang / bei Übergängen in der Patient Journey, eigene Darstellung.