Geburtshilfe Frauenheilkd 2025; 85(01): 23-27
DOI: 10.1055/a-2486-7814
GebFra Magazin
Geschichte der Gynäkologie

Geburtshilfe unter besonderen Bedingungen

Anmerkungen zu Albert Schweitzer (1875–1965) und seinem Hospital in Lambarene
Matthias David
,
Andreas D. Ebert

Der „Lambarene-Geist“

Albert Schweitzer und sein Krankenhaus in Lambarene in Gabun sind auch heute noch vielen Menschen ein Begriff, der positiv mit (christlicher) Nächstenliebe und uneigennütziger medizinischer Hilfe für Menschen in Afrika verbunden ist [1]. In der deutschen Öffentlichkeit ist Schweitzer u. a. dadurch präsent, dass ca. 200 Schulen und etwa 690 Straßen in der Bundesrepublik Deutschland vor allem in den 1950er-Jahren seinen Namen erhielten und auch heute noch tragen [2]. Und nachdem Schweitzer 1952 für sein Engagement gegen das atomare Wettrüsten der Friedensnobelpreis zuerkannt worden war, wurden auch in der damaligen DDR Krankenhäuser und Schulen nach ihm benannt. Außerdem erfolgte 1963 in Weimar die Gründung des Albert-Schweitzer-Komitees (ASK), eine nicht selbstständige Einrichtung des DRK der DDR. Das ASK sammelte einerseits Spendengelder für das Hospital in Lambarene und war andererseits bemüht, die weltweite Popularität Schweitzers auch für sich und die DDR zu nutzen [3]. Unter dem Stichwort „Schweitzer, Albert“ findet sich in einem ein Jahr vor seinem Tode vom VEB Bibliographisches Institut Leipzig produzierten mehrbändigen Lexikon folgender Eintrag: „… protestantischer Theologe, Musiker und Philosoph, geb. am 14.1.1875 in Kayserberg (Elsaß). S. leitet das 1913 von ihm gegründete Krankenhaus in Lambarene. […] Seine Kulturphilosophie wendet sich mit ihrer humanistischen Tendenz gegen die bürgerliche Verfallsphilosophie. [Schweitzer] fordert … eine lebensbejahende Weltanschauung, die die Ethik als ‚Ehrfurcht vor dem Leben‘ versteht, sich gegen die Mißachtung des Denkens wendet und bewußt, trotz der theologischen Züge, eine rationalistisch-aufklärerische Haltung verteidigt. Die großen sozialen Fragen unsere Epoche bleiben außerhalb seiner Philosophie. S. versucht eine utopische Lösung jenseits des Klassenkampfes, die sich letztlich auf individuelle Moralität beschränkt. Dies hindert ihn jedoch nicht daran, sich gegen die Kriegsgefahr, für die allgemeine Abrüstung und das Verbot aller Kernwaffen entschieden einzusetzen …“ [4] ([Abb. 1]). Neben der in einem DDR-Lexikon erwartbaren, kritisch-ideologischen Einschätzung von Schweitzers philosophischen Auffassungen fällt auf, dass sein Arzt-Sein praktisch nicht erwähnt wird, wohl aber das Krankenhaus in Lambarene. Dieses Hospital aber war und ist auch medial eng mit dem „Mythos Schweitzer“ verknüpft ([Abb. 2]). Es war – nach Einschätzung von Mabika et al. – ebenso eine Idee wie ein Krankenhaus [1].



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Article published online:
02 January 2025

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