Schlüsselwörter
Leitlinie - Schulterdystokie - Prävention - McRoberts-Manöver - Gaskin-Manöver - Armlösung - interne Rotationsmanöver - First-Line-Manöver - Second-Line-Manöver - Last-Resort-Manöver - Algorithmus - geburtshilflicher Notfall - Plexusparese - Fraktur
I Leitlinieninformationen
Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG
Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.
Zitierweise
Shoulder Dystocia. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k-Level, AWMF Registry No. 015/098, 10/2024). Geburtsh Frauenheilk 2025; 85: 169–189
Leitliniendokumente
Die vollständige deutsche Langfassung dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der Interessenkonflikte aller Autoren befinden sich auf der Homepage der AWMF: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-098
Leitliniengruppe
Siehe [Tab. 1] und [2].
Autor/in
|
AWMF-Fachgesellschaft
|
Abele Harald, Prof. Dr. med.
|
DGGG
|
Jakubowski Peter, Dr. med.
|
DGGG
|
Abele Harald, Prof. Dr. med.
|
DGGG (AGG)
|
Bamberg Christian, Prof. Dr. med.
|
DEGUM
|
Bogner Gerhard, PD Dr. med.
|
OEGGG
|
Fazelnia Claudius, Dr. med.
|
OEGGG
|
Hamza Amr Sherif, PD Dr. med.
|
DEGUM
|
Heihoff-Klose Anne, Dr. med.
|
DGPGM
|
Jakubowski Peter, Dr. med.
|
DGGG
|
Janning Luise, B. Sc.
|
DGHWI
|
Jückstock Julia, PD Dr. med.
|
DGGG (AGG)
|
Kimmich Nina, PD Dr. med.
|
SGGG
|
Köbke Andrea
|
DHV
|
Kyvernitakis Ioannis, Prof. Dr. med.
|
DGPM
|
Lütje Wolf, Dr. med.
|
DGPFG
|
Reister Frank, Prof. Dr. med.
|
DGPM
|
Reitter Anke, PD Dr. med.
|
DGGG (AGG)
|
Seeger Sven, Dr. med.
|
DGPGM
|
Seehafer Peggy, M. A.
|
DGHWI
|
Springer Laila, Prof. Dr. med.
|
GNPI
|
Valet Axel, Dr. med.
|
BVF
|
Wallwiener Stephanie, Prof. Dr. med.
|
DGPFG
|
Die folgenden Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine haben Interesse an der Mitwirkung bei der Erstellung des Leitlinientextes und der Teilnahme an der Konsensuskonferenz bekundet und Vertreter dafür benannt.
Verwendete Abkürzungen
AC:
Abdomen Circumference
ACOG:
American College of Obstetricians and Gynecologists
aOR:
adjustierte Odds Ratio
aRR:
absolute Risikoreduktion
AWMF:
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V.
BE:
Base Excess
CI:
Konfidenzintervall
CTG:
Kardiotokografie
GDM:
Gestationsdiabetes
HC:
Head Circumference
HgE:
Hebammen geleite Einrichtung
hHHL:
hintere Hinterhauptslage
HiHH:
Hinterhauptshaltung
HPD:
Head Perineum Distance
IQTIG:
Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen
OR:
Odds Ratio
PDA:
Periduralanästhesie
PNB:
Pudendusnervenblockade
PPH:
postpartale Hämorrhagie
PTBS:
posttraumatische Belastungsstörung
RANZCOG:
The Royal Australian and New Zealand College of Obstetricians and Gynaecologists
RCOG:
Royal College of Obstetricians and Gynaecologists
RR:
relatives Risiko
SOGC:
The Society of Obstetricians and Gynaecologists of Canada
SSW:
Schwangerschaftswoche
vHHL:
vordere Hinterhauptslage
WHO:
World Health Organization
Z. n.:
Zustand nach
II Leitlinienverwendung
Fragestellung und Ziele
Etwa 1% aller Geburten werden durch eine Schulterdystokie kompliziert. Es handelt sich häufig um einen unvorhersehbaren Notfall.
Ziel der Leitlinie ist die Erarbeitung von möglichst evidenzbasierten Empfehlungen zum Management eines solchen Notfalls, um potenziellen Schaden und Langzeitfolgen von Mutter und Kind abzuwenden.
Versorgungsbereich
-
stationärer Versorgungssektor
-
ambulanter Versorgungssektor (Geburten im häuslichen Umfeld oder in einer von Hebammen geleiteten Einrichtung [HgE])
-
teilstationärer Versorgungssektor
Anwenderzielgruppe/Adressaten
Die Leitlinie richtet sich an Gynäkologinnen/Gynäkologen in der Niederlassung, Gynäkologinnen/Gynäkologen mit Klinikanstellung, Neonatologinnen/Neonatologen und Hebammen und dient zur Information für Pädiaterinnen und Pädiater, Anästhesistinnen und Anästhesisten, Pflegefachkräfte und andere in die Geburtshilfe einbezogene Gesundheitsfachberufe.
Verabschiedung und Gültigkeitsdauer
Die Gültigkeit dieser Leitlinie wurde durch die Vorstände/Verantwortlichen der beteiligten medizinischen Fachgesellschaften, Arbeitsgemeinschaften, Organisationen und Vereine sowie durch den Vorstand der DGGG, SGGG, OEGGG sowie der DGGG/OEGGG/SGGG-Leitlinienkommission im Oktober 2024 bestätigt und damit in ihrem gesamten Inhalt genehmigt. Diese Leitlinie besitzt eine Gültigkeitsdauer vom 01.10.2024 bis 30.09.2029. Diese Dauer ist aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge geschätzt. Bei dringendem Bedarf kann eine Leitlinie früher aktualisiert werden, bei weiterhin aktuellem Wissensstand kann ebenso die Dauer verlängert werden.
III Methodik
Grundlagen
Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es wird zwischen der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden. Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen, erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe S2 in die systematische evidenzrecherchebasierte (S2e) oder strukturelle konsensbasierte Unterstufe (S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.
Diese Leitlinie entspricht der Stufe: S2k
Empfehlungsgraduierung
Die Evidenzgraduierung nach systematischer Recherche, Selektion, Bewertung und Synthese der Evidenzgrundlage und eine daraus resultierende Empfehlungsgraduierung einer Leitlinie auf S2k-Niveau ist nicht vorgesehen. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen nur sprachlich – nicht symbolisch – unterschieden (siehe [Tab. 3]).
Beschreibung der Verbindlichkeit
|
Ausdruck
|
starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit
|
soll/soll nicht
|
einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit
|
sollte/sollte nicht
|
offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit
|
kann/kann nicht
|
Statements
Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als einfache Darlegung Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen Statements ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.
Konsensusfindung und Konsensusstärke
Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH-Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen die berechtigten Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements und Empfehlungen ab. Der Ablauf war wie folgt: Vorstellung der Empfehlung, inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge. Bei Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen) Diskussion und erneute Abstimmung. Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmer die Stärke des Konsensus ermittelt (siehe [Tab. 4]).
Symbolik
|
Konsensusstärke
|
prozentuale Übereinstimmung
|
+++
|
starker Konsens
|
Zustimmung von > 95% der Teilnehmer
|
++
|
Konsens
|
Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer
|
+
|
mehrheitliche Zustimmung
|
Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer
|
–
|
kein Konsens
|
Zustimmung von < 51% der Teilnehmer
|
Expertenkonsens
Wie der Name bereits ausdrückt, sind hier Konsensusentscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements ohne vorige systemische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlenden Evidenzen (S2e/S3) gemeint. Der zu benutzende Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP). Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung beschrieben ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik, sondern rein semantisch („soll“/„soll nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).
IV Leitlinie
1 Definition/Diagnosestellung
Eine Schulterdystokie ist ein seltener, unvorhersehbarer und bei einer vaginalen Geburt nicht vollständig vermeidbarer geburtshilflicher Notfall. Es handelt sich um einen akut auftretenden Geburtsstillstand nach Austritt des kindlichen Kopfes. Die nachfolgende Geburt des Rumpfes verzögert sich.
Geburtsmechanisch gibt es 2 Varianten der Schulterdystokie:
-
Hoher Schultergeradstand: Die Schultern treten nicht in den querovalen Beckeneingang der Mutter ein. Der Kopf wird schwer über den Damm geboren und gleich danach zurückgezogen. Er sitzt fest aufgepresst auf der Vulva. Das Erscheinungsbild wird als Schildkrötenphänomen (Turtle Sign) bezeichnet. Manchmal kommt es in diesem Zustand zu einer leichten äußeren Drehung des Kopfes als Anpassung an den hohen Schultergeradstand. Im Verhältnis zu der auf der Symphyse festsitzenden anterioren Schulter ist eine auf dem Promontorium festsitzende posteriore Schulter seltener. In der Vagina sind seitlich des Kopfes keine Schultern tastbar.
-
Tiefer Schulterquerstand: Durch eine fehlende Rotation in der Beckenhöhle und die damit fehlende Anpassung an den längsovalen Beckenausgang kann das Kind nicht austreten. Beim tiefen Schulterquerstand unterbleibt die äußere Drehung des Kopfes, wobei dieser – im Gegensatz zum hohen Schultergeradstand – nicht zurückgezogen wird. Die Schultern bleiben auf Höhe der Spinae ischiadicae hängen. Die kindlichen Schultern sind seitlich des Kopfes in der Vagina tastbar.
Konsensbasierte Empfehlung 1.E1
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Nach dem Austritt des kindlichen Kopfes sollte die physiologische Rotation der Schultern bis zur nächsten Wehe abgewartet werden, um nicht durch eine forcierte Kindsentwicklung eine Schulterdystokie zu provozieren.
|
Konsensbasiertes Statement 1.S1
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Diagnosestellung einer Schulterdystokie erfolgt nicht vollständig anhand objektivierbarer Kriterien, sondern beinhaltet immer auch eine subjektive Komponente.
|
Konsensbasiertes Statement 1.S2
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Diagnose Schulterdystokie lässt sich retrospektiv am ehesten durch die Notwendigkeit von Manövern untermauern, die zur Entwicklung des Kindes erforderlich waren.
|
Folgende klinischen Symptome können Prädiktoren für das Vorliegen einer Schulterdystokie sein:
-
Schwierigkeiten bei der Geburt des Gesichts und des Kinns
-
Der kindliche Kopf bleibt fest an der Vulva oder zieht sich mit der Uterusretraktion sogar zurück („Schildkrötenzeichen“).
-
Ausbleiben der äußeren Kopfrotation
-
Ausbleiben der Schulterrotation
2 Epidemiologie
Die Schulterdystokie ist in der Literatur nicht einheitlich definiert. Dadurch ergibt sich eine Inzidenz von etwa 0,2% bis 3% aller vaginalen Geburten. Eine Studie an 3 Level-1-Perinatalzentren aus Deutschland zeigte eine Inzidenz von 0,9% im Zeitraum von 2014 bis 2017.
3 Risikofaktoren und Prävention
3.1 Risikofaktoren
Eine zuverlässige Prädiktion der Schulterdystokie ist trotz bekannter Risikofaktoren nicht möglich. Da die Hälfte der Ereignisse ohne bekannte Risikofaktoren eintritt, ist stets damit zu rechnen. [Tab. 5] fasst bekannte Faktoren zusammen, die mit einem erhöhten Risiko einer Schulterdystokie assoziiert sind. Es besteht häufig ein Zusammenhang zwischen den Risikofaktoren, die einander womöglich bedingen (z. B. Diabetes, Adipositas und fetale Makrosomie). Vor allem eine Schulterdystokie in einer vorangegangenen Geburt und die fetale Makrosomie in der aktuellen Schwangerschaft gelten als wichtigste unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten einer Schulterdystokie.
präpartale Risiken
|
intrapartale Risiken
|
Zustand nach Schulterdystokie
|
prolongierte Eröffnungsperiode
|
Makrosomie > 4500 g
|
Geburtsstillstand
|
Diabetes mellitus
|
protrahierte Austrittsphase
|
maternale Adipositas (BMI ≥ 30 kg/m2)
|
Unterstützung der Wehentätigkeit mit Oxytocin
|
Geburtseinleitung
|
vaginal-operative Geburt
|
Übertragung > 42 + 0 SSW
|
Periduralanästhesie
|
Multiparität
|
|
fetaler Kopfumfang < fetalem Abdomenumfang mit Differenz > 2,5 cm
|
|
maternale Körpergröße < 160 cm
|
|
Konsensbasiertes Statement 3.S3
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Da eine Schulterdystokie unabhängig von bekannten Risikofaktoren auftreten kann, ist mit dieser Komplikation bei einer vaginalen Geburt immer zu rechnen.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E2
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Schwangeren im Z. n. Schulterdystokie bzw. mit erheblichen Risiken für eine Schulterdystokie soll im Hinblick auf eine angestrebte vaginale Geburt und das damit verbundene Risiko einer Schulterdystokie eine Geburt in einem geburtshilflichen Zentrum mit angeschlossener Kinderklinik empfohlen werden.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E3
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Schwangere mit einem sonografischen Schätzgewicht über 4250 g sollten vor dem Hintergrund der Messungenauigkeit über das erhöhte Risiko einer Schulterdystokie informiert werden, insbesondere, wenn ein Diabetes vorliegt. Eine Empfehlung zum Geburtsmodus soll jedoch anhand der geburtshilflichen Gesamtsituation abgeleitet werden.
|
Für diese Empfehlung liegt ein Sondervotum der SGGG vor.
|
Konsensbasiertes Statement 3.S4
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Diagnose einer kindlichen Makrosomie kann erst postnatal gestellt werden. Pränatal kann lediglich der Verdacht auf eine Makrosomie geäußert werden.
|
3.2 Prävention
3.2.1 Diabetes/Gestationsdiabetes (GDM)
Konsensbasiertes Statement 3.S5
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Durch eine adäquate Therapie eines Diabetes in der Schwangerschaft lässt sich das Risiko für eine Schulterdystokie signifikant senken.
|
3.2.2 Geburtseinleitung
Konsensbasierte Empfehlung 3.E4
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Eine Geburtseinleitung ab 37 + 0 SSW zur Prävention einer Schulterdystokie bei Schwangeren ohne Diabetes, jedoch mit der fachlichen Einschätzung eines makrosomen fetalen Wachstums zum Zeitpunkt der Messung, stellt stets eine individuelle Entscheidung dar.
Sie soll im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung unter Einbeziehung aller geburtshilflicher Faktoren getroffen werden. Eine Geburtseinleitung vor 39 + 0 SSW ist besonders zu begründen.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E5
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Bei maternalem Diabetes und sonografischem fetalen Schätzgewicht > 95. Perzentile sollten mögliche Vorteile der Einleitung ab 37 + 0 SSW mit den Auswirkungen eines früheren Gestationsalters bei Geburt sorgfältig abgewogen werden.
|
Zum Kapitel „3.2.2 Geburtseinleitung“ liegt ein Sondervotum der SGGG vor.
3.2.3 Primäre Sectio caesarea
Konsensbasierte Empfehlung 3.E6
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Entscheidung über den angestrebten Geburtsmodus bei Risikofaktoren für eine Schulterdystokie ist stets eine individuelle und soll im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung getroffen werden.
Anamnestische und aktuelle geburtshilflich relevante Faktoren sollen in die gemeinsamen Überlegungen einfließen.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E7
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Eine Sectio caesarea soll bei Schwangeren ohne Diabetes ab einem Schätzgewicht von 5000 g, bei Schwangeren mit Diabetes ab einem Schätzgewicht von 4500 g angeboten werden.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E8
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke ++
|
Neben dem geschätzten Fetalgewicht kann eine Kopf-Abdomen-Umfangsdiskrepanz ab 2,5 cm das Risiko für eine Schulterdystokie erhöhen und sollte in die Überlegungen zum Geburtsmodus einfließen.
|
3.2.4 Zustand nach Schulterdystokie
Konsensbasierte Empfehlung 3.E9
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Schwangere im Zustand nach Schulterdystokie sollen über ein Wiederholungsrisiko von 10 – 15% informiert werden.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E10
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke ++
|
Schwangere im Zustand nach Schulterdystokie sollen eine dezidierte Beratung zum Geburtsmodus erhalten.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E11
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Schwangeren im Zustand nach Schulterdystokie mit einem fetalen Schätzgewicht über 4000 g sollte die Sectio caesarea aufgrund des Wiederholungsrisikos als alternativer Geburtsmodus angeboten werden.
|
3.2.5 Vaginal-operative Geburt
Konsensbasierte Empfehlung 3.E12
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Das Vorliegen zusätzlicher Risikofaktoren für eine Schulterdystokie stellt keine Kontraindikation für eine vaginal-operative Geburt dar. Das geburtshilfliche Fachpersonal sollte jedoch auf diese Komplikation vorbereitet sein und bei einer als schwierig eingestuften vaginal-operativen Geburt die Sectio caesarea als echte Alternative mit der Gebärenden besprechen.
|
3.2.6 Rolle des Ultraschalls
Konsensbasiertes Statement 3.S6
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Anamnese und fetale Biometrie sind bei der Risikoabschätzung für das Auftreten einer Schulterdystokie in der präpartalen Beratung wichtig. Sie stellen nicht die alleinige Grundlage für eine Entscheidung zum Geburtsmodus dar, da das Ausmaß an Komplikationen beim Auftreten der Schulterdystokie (fetale und maternale Morbidität und Mortalität) damit nicht ausreichend abgeschätzt werden kann.
|
Konsensbasierte Empfehlung 3.E13
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Frauen mit Risikofaktoren für das Auftreten einer Schulterdystokie sollten innerhalb von 14 Tagen vor der zur erwartenden Geburt eine fetale Biometrie erhalten, um eine Grundlage für eine individuelle Entscheidung zum Geburtsmodus zu schaffen.
|
Anhand von retrospektiven Daten von mehr als 15 000 Einlingsgeburten aus Schädellage ≥ 37. SSW wurden pränatale Faktoren evaluiert, die das Risiko für eine Schulterdystokie anzeigen. Die allgemeine Prävalenz der Schulterdystokie in dieser Studie betrug etwa 1%, und es wurden 3 signifikante Risikofaktoren evaluiert:
-
fetales Schätzgewicht max. 14 Tage vor der Geburt von mindestens 4250 g (OR 4,27; p = 0,002)
-
Kopf-Abdomen-Diskrepanz (fetaler Kopfumfang < fetaler Bauchumfang) von mindestens 2,5 cm (OR 3,96; p = 0,001)
-
jegliche Form eines maternalen Diabetes mellitus (OR 2,18; p = 0,009)
Die Daten der Studie wurden genutzt, um anhand der oben genannten Risikofaktoren einen Risikoscore zur Vorhersage einer Schulterdystokie zu entwickeln. Dabei wurde ein Diabetes der Mutter mit 1 Punkt bewertet, wobei ein fetales Schätzgewicht größer oder gleich 4250 g und eine Kopf-Abdomen-Diskrepanz von mind. 2,5 cm jeweils mit 2 Punkten klassifiziert wurden. Anhand des Scores wurde die Inzidenz kalkuliert und die Anzahl an Kaiserschnitten berechnet, um eine Schulterdystokie zu verhindern (Number needed to treat). Die Ergebnisse fasst [Tab. 6] zusammen.
Score
|
beobachtete Schulterdystokie – Inzidenz
|
Number needed to treat
|
0
|
0,5% (60/11 336)
|
189
|
1
|
0,9% (16/1764)
|
110
|
2
|
2,1% (38/1809)
|
48
|
3
|
5,4% (18/336)
|
19
|
4
|
10,4% (10/96)
|
10
|
5
|
25% (5/20)
|
4
|
Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass in der klinischen Entscheidungsfindung bei einem Score von 4 oder 5 die elektive Sectio erwogen werden sollte, insbesondere, da die praktische Anwendung des Modells in einer Verlaufsbeobachtung zeigte, dass das Risiko einer Schulterdystokie beim Score 4 – 5 unterschätzt wurde. Es muss aber betont werden, dass fast 41% der Schulterdystokien in diesem Kollektiv keine Risikofaktoren aufwiesen.
Konsensbasiertes Statement 3.S7
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Der pränatale Ultraschall ist aktuell die am besten geeignete Methode zur Prädiktion einer fetalen Makrosomie. Das tatsächliche Geburtsgewicht wird bei makrosomen Kindern eher unterschätzt.
|
Konsensbasiertes Statement 3.S8
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Bei der sonografischen Einschätzung einer fetalen Makrosomie ist die erhebliche Divergenz der Ergebnisse je nach zugrunde gelegter Biometrie-Formel zu beachten.
|
4 Logistik
4.1 Planung, Steuerung und Durchführung von Behandlungsabläufen beim Auftreten einer Schulterdystokie
Konsensbasierte Empfehlung 4.E14
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Da die Schulterdystokie einen Notfall darstellt, der jederzeit eintreten kann, sollte jede Einrichtung, die Geburtshilfe anbietet, einen Notfallplan zur Behandlung einer Schulterdystokie vorhalten.
|
4.2 Kommunikation – personelle/fachliche Ressourcen
Konsensbasierte Empfehlung 4.E15
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Mit dem Erkennen soll die Diagnose „Schulterdystokie“ allen an der Geburt beteiligten Personen klar kommuniziert werden.
|
Konsensbasierte Empfehlung 4.E16
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Leitung der Geburt nach Diagnose einer „Schulterdystokie“ soll die geburtshilflich erfahrenste anwesende Fachperson übernehmen.
|
Konsensbasierte Empfehlung 4.E17
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Spätestens mit Beginn sekundärer Lösungsmanöver sollten in den Behandlungsprozess – wenn möglich – andere Fachdisziplinen (z. B. Neonatologie, Anästhesie etc.) hinzugezogen werden.
|
4.3 Räume und Ausstattung
Es gibt keine für die Überwindung der Schulterdystokie ideale Raumausstattung. Die räumlichen Gegebenheiten sind je nach Geburtsort sehr unterschiedlich. Zu fordern ist jedoch, dass das Umfeld so optimiert werden sollte, dass die notwendigen Lösungsmanöver ohne Verzug durchgeführt werden und eine Notfallversorgung des Kindes erfolgen können.
5 Maßnahmen bei Schulterdystokie
5.1 Information der Gebärenden
Konsensbasierte Empfehlung 5.E18
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Gebärende soll bei einer Schulterdystokie über die eingetretene Notfallsituation und die dadurch erforderlichen Manöver situationsgerecht informiert werden.
|
5.2 First-Line-Manöver
Ein schlüssiger Algorithmus zur Behandlung der Schulterdystokie zielt auf die Vermeidung von Kompressionsverletzungen ab, die durch unkontrollierte Wehen und intrauterinen Druck entstehen können. Folgende Schritte sollen ein fester Bestandteil des Behandlungsalgorithmus sein:
-
Kommunikation der Notfallsituation (Information der Gebärenden, Alarmierung etc.)
-
Übernahme der Leitung der Geburt durch die erfahrenste anwesende Fachperson
-
Die Gebärende wird aufgefordert, nicht weiter zu pressen und ruhig zu atmen (Vermeidung einer weiteren Verkeilung der kindlichen Schulter auf dem mütterlichen Beckeneingang, bevor weitere externe oder interne Manöver durchgeführt werden).
-
Eine zu diesem Zeitpunkt laufende Oxytocininfusion soll abgestellt werden.
-
Bei einer Wassergeburt soll die Wanne umgehend verlassen werden, um die notwendigen Lösungsmanöver durchzuführen.
-
Jede Form von fundalem Druck soll unterlassen werden.
-
Eine forcierte Traktion am oder eine äußere Überdrehung des kindlichen Kopfes soll nicht durchgeführt werden.
-
Entleerung der Harnblase (wenn in der Situation möglich und/oder erforderlich)
-
Positionierung der Gebärenden entsprechend den geplanten Lösungsmanövern und vorhandenen Hilfsmitteln (Gebärbett, Matte etc.)
Konsensbasiertes Statement 5.S9
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die First-Line-Manöver unterliegen keiner festen Reihenfolge oder Abstufung, sondern werden entsprechend der geburtshilflichen Situation gewählt.
|
Es ist wichtig zu unterstreichen, dass eine Schulterdystokie in sehr unterschiedlichen geburtshilflichen Situationen eintreten kann. Daher gibt es kein klassisches First-Line-Manöver. Ziel der First-Line-Manöver ist, durch Bewegung den Bezug der kindlichen Schulter zum knöchernen Becken der Mutter zu verändern. Bei einer Wassergeburt beispielsweise kann bereits der Ausstieg aus der Wanne – im Sinne eines Gaskin-Manövers – zu einer Lösung der Schulter führen.
Ausführliche Beschreibungen und Abbildungen zu den First-Line-Manövern finden sich in der Langfassung der Leitlinie. Hierzu zählen:
5.2.1 Gaskin-Manöver
Konsensbasiertes Statement 5.S10
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Das Gaskin-Manöver ist bei der mobilen Gebärenden mit einer hohen Erfolgsrate assoziiert und benötigt nur eine Hilfsperson.
|
5.2.2 Das klassische McRoberts-Manöver
Konsensbasierte Empfehlung 5.E19
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Das klassische McRoberts-Manöver kann mit oder ohne suprapubischen Druck durchgeführt werden.
|
5.2.3 Das modifizierte McRoberts-Manöver
Konsensbasiertes Statement 5.S11
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Im deutschsprachigen Raum ist ein modifiziertes McRoberts-Manöver verbreitet.
|
5.2.4 Suprapubischer Druck
Konsensbasierte Empfehlung 5.E20
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Das klassische McRoberts-Manöver in Kombination mit einem suprapubischen Druck hat höhere Erfolgsraten als das McRoberts-Manöver allein. Spätestens bei fehlendem Erfolg soll ein das Manöver ergänzender suprapubischer Druck erwogen werden.
|
5.2.5 Die Walcherʼsche Hängelage
Konsensbasiertes Statement 5.S12
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Datenlage zur Erfolgsrate und zum Stellenwert der Walcherʼschen Hängelage ist unklar.
|
5.2.6 Episiotomie
Konsensbasierte Empfehlung 5.E21
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Das Anlegen oder die Erweiterung einer bestehenden Episiotomie kann im Rahmen einer Schulterdystokie erwogen werden, um bei unzureichenden Platzverhältnissen den vaginalen Zugang zur Durchführung interner Manöver zu optimieren.
|
5.3 Second-Line-Manöver
Konsensbasierte Empfehlung 5.E22
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Als erstes Second-Line-Manöver sollte, wenn die hintere Schulter erreichbar ist, die hintere Armlösung bzw. der hintere Achselzug erfolgen. Ansonsten sollten die Rotationsmanöver erfolgen.
|
Wenn die primären Manöver frustran verlaufen, sollte unverzüglich auf die Durchführung eines der Second-Line-Manöver übergegangen werden. Aufgrund höherer Erfolgsraten ist die hintere Armlösung bzw. der hintere Achselzug gegenüber den Rotationsmanövern zu bevorzugen. Die Erfolgsraten der hinteren Armlösung liegen bei 72 – 97%, die der internen Rotationsmanöver bei 43 – 77%.
Ausführliche Beschreibungen und Abbildungen zu den Second-Line-Manövern finden sich in der Langfassung der Leitlinie. Hierzu zählen:
-
hintere Armlösung nach Jacquemier
-
hinterer Achselzug nach Menticoglou bzw. hintere Achselschlinge nach Cluver
-
Schulter-„Shrug“-Manöver
-
Entwicklung des vorderen Arms nach Couder
-
umgekehrter Schuhlöffel (Inverse Shoehorn)
-
Rubin-Manöver
-
Woods-Manöver
-
Kombination aus Rubin- und Woods-Manöver
-
Carit-Manöver
-
Reverse Lövset-Manöver
5.4 Last-Resort-Manöver
Eine Situation, in der das geburtshilfliche Team gezwungen wird, die Entwicklung des Kindes als Last-Resort-Manöver durchzuführen, ist selten (kasuistisch) und stellt eine besondere geburtshilfliche Herausforderung und starke emotionale Belastung für alle Beteiligten dar. Das Outcome des Kindes und auch die zu erwartende Morbidität der Mutter sind zu diesem Zeitpunkt unklar. Es herrscht ein immenser Zeitdruck ohne Gewissheit, dass die Situation mit einem guten Outcome für Mutter und Kind unter Anwendung von Manövern gelöst werden kann, mit denen in der Praxis nur wenig Erfahrung und Evidenz bestehen. Grundlage für ein Gelingen ist die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden personellen und apparativen Ressourcen.
Verstirbt das Kind, bevor es aus dem Geburtsweg entwickelt werden kann, steht bei der Wahl weiterer Schritte die Morbidität der Gebärenden im Vordergrund.
Konsensbasierte Empfehlung 5.E23
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Für die Last-Resort-Manöver soll eine Intubationsnarkose mit effektiver Muskelrelaxation erfolgen.
|
Konsensbasierte Empfehlung 5.E24
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Im Rahmen der Last-Resort-Manöver sollte zunächst ein abdominaler Rettungsversuch durchgeführt werden, gefolgt vom klassischen oder modifizierten Zavanelli-Manöver, ggf. unter zusätzlicher Kleidotomie. Die Symphysiotomie hat einen untergeordneten Stellenwert.
|
Eine ausführliche Beschreibung und Abbildungen zu den Last-Resort-Manövern finden sich in der Langfassung der Leitlinie. Hierzu zählen:
-
abdominaler Rettungsversuch
-
klassisches und modifiziertes Zavanelli-Manöver
-
Brechen der kindlichen Klavikula
-
Symphysiotomie
5.5 Analgesie
Konsensbasiertes Statement 5.S13
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Eine ausreichende Analgesie der Mutter ist ein grundlegender Baustein für die Kindsentwicklung bei einer Schulterdystokie – insbesondere bei den Second-Line- und Last-Resort-Manövern.
|
5.6 Handlungsalgorithmus
Konsensbasierte Empfehlung 5.E25
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Die Behandlung der Schulterdystokie soll einem in der geburtshilflichen Einrichtung abgestimmten Algorithmus folgen.
|
Die Umstände bei einer Schulterdystokie sind vielfältig. Daher kann ein Handlungsalgorithmus ([Abb. 1]) zur Behandlung derselben nicht starre Vorgaben geben. Wichtig ist, die eingetretene Notfallsituation zu erkennen und ein forciertes Handeln (z. B. unkontrollierte Traktion am kindlichen Kopf etc.) zu unterlassen. Die Information der Gebärenden ist wichtig, um sich der Kooperation derselben bei den nächsten Schritten sicher zu sein. Auf eine klare Kommunikation ist zu achten, wobei die Leitung der Geburt (Auswahl und Durchführung der zur Überwindung der Schulterdystokie notwendigen Manöver) durch die erfahrenste anwesende Fachperson erfolgen sollte. Dabei sollten die Manöver zur Anwendung kommen, mit der die anwesenden Fachpersonen die meiste Erfahrung haben und die entsprechend der Präsentation des Kindes im Geburtsweg am erfolgversprechendsten sind.
Fig. 1 Handlungsalgorithmus bei einer Schulterdystokie. [rerif]
6 Komplikationen
6.1 Mütterliche Komplikationen
Die Behandlung der Schulterdystokie schließt zahlreiche Manöver und Maßnahmen ein, die wiederum kindliche und mütterliche Komplikationen bedingen können.
Konsensbasiertes Statement 6.S14
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Eine Schulterdystokie erhöht das Risiko für eine höhergradige Geburtsverletzung und eine postpartale Hämorrhagie.
|
Konsensbasierte Empfehlung 6.E26
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Eine vaginale Untersuchung auf Geburtsverletzungen unter besonderer Berücksichtigung des Analsphinkters soll nach einer Geburt, die durch eine Schulterdystokie kompliziert wurde, durchgeführt werden.
|
6.2 Kindliche Komplikationen
Die neonatale Komplikationsrate nach Schulterdystokie beträgt ca. 5 – 10%. Typische Komplikationen sind hierbei:
-
Erbʼsche Plexusparese (60%)
-
Klumkeʼsche Plexusparese (4%)
-
Klavikulafraktur (39%)
-
Humerusfraktur (2%)
-
hypoxisch ischämische Enzephalopathie (HIE) (6%)
-
neonataler Tod (0,0025 – 0,004%)
Es kann bei einem Neugeborenen zu mehreren Komplikationen kommen.
Konsensbasierte Empfehlung 6.E27
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Nach einer Schulterdystokie soll der Gesundheitszustand des Neugeborenen durch eine in der postnatalen Anpassung von Neugeborenen geschulte Fachperson (bevorzugt eine Kinderärztin bzw. ein Kinderarzt) beurteilt werden.
|
Konsensbasierte Empfehlung 6.E28
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Wenn ein Neugeborenes nach Schulterdystokie klinisch auffällig ist, soll zeitnah eine Beurteilung und ggf. erforderliche Therapiefestlegung durch eine Kinderärztin bzw. einen Kinderarzt erfolgen.
|
6.2.1 Klavikula- und Humerusfrakturen
Konsensbasiertes Statement 6.S15
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Der direkte Hautkontakt, das Stillen oder die Gabe von Paracetamol sind effektive Methoden, die Schmerzen des Neugeborenen nach einer Schulterdystokie (z. B. bei Klavikula- und Humerusfrakturen) zu reduzieren.
|
6.2.2 Neonatale Asphyxie
Konsensbasierte Empfehlung 6.E29
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Aufgrund der potenziellen kindlichen Komplikationen, die im Rahmen einer Schulterdystokie auftreten können, soll bei der Erstversorgung eine in der Behandlung von Anpassungsstörungen bzw. ungünstigem Outcome eines Neugeborenen fachkundige Person anwesend sein.
|
Konsensbasierte Empfehlung 6.E30
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Bei Verdacht auf neonatale Geburtstraumata (Plexusparesen, Frakturen, hypoxisch ischämische Enzephalopathie) nach einer Schulterdystokie soll das Kind durch eine Kinderärztin bzw. einen Kinderarzt beurteilt werden.
|
7 Dokumentation – Debriefing – forensische Aspekte
7.1 Dokumentation
Konsensbasierte Empfehlung 7.E31
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Bei Geburten mit Schulterdystokie soll minutengenau, exakt handlungsgetreu und für fachkundige Dritte nachvollziehbar dokumentiert werden.
|
7.2 Debriefing
Konsensbasierte Empfehlung 7.E32
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke ++
|
Nach einer Schulterdystokie sollte den involvierten Teammitgliedern eine Nachbesprechung (Debriefing) angeboten werden.
|
7.3 Forensische Aspekte
Konsensbasiertes Statement 7.S16
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Kindliche und mütterliche Verletzungen sind auch bei regelrechter Durchführung der zur Lösung einer Schulterdystokie erforderlichen Manöver nicht vollständig vermeidbar.
|
Konsensbasiertes Statement 7.S17
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Der Begriff einer „erschwerten Schulterentwicklung“ ist nicht definiert und soll daher in der geburtshilflichen Praxis nicht verwendet werden.
|
8 Schulung/Training/Simulation
Konsensbasierte Empfehlung 8.E33
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Alle in die Geburtshilfe eingebundenen Fachkräfte sollten regelmäßig – idealerweise im multiprofessionellen Team – an Trainings zur Behandlung einer Schulterdystokie teilnehmen.
|
9 Nachbesprechung der Schulterdystokie
Konsensbasierte Empfehlung 9.E34
|
Expertenkonsens
|
Konsensusstärke +++
|
Allen Beteiligten (Eltern und geburtshilflichem Fachpersonal) sollten nach einer Schulterdystokie Nachgespräche und ggf. psychologische Unterstützung angeboten werden.
|
Die der Leitlinie zugrunde liegende Literatur findet sich in der Langfassung der Leitlinie unter https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-098