Schlüsselwörter
Perimetrie - Glaukom - Virtual-Reality-Perimetrie - Melbourne Rapid Field - Tablet-Perimetrie
Einleitung
Die Gesichtsfelduntersuchung stellt eine essenzielle diagnostische Säule bei Glaukomerkrankungen
dar, die den funktionellen Glaukomschaden quantifiziert und ist somit eine wichtige
Untersuchung der Glaukomdiagnostik. Die klassische Gesichtsfelduntersuchung besteht
in der statischen automatisierten Halbkugelperimetrie, findet an einem Halbkugelperimeter
in einem verdunkelten Raum statt, stellt eine subjektive Untersuchung dar und bereitet
vielen Patienten Schwierigkeiten. Sie erfordert Konzentration, Zeit und hat eine gewisse
Lernkurve. Eine Studie, die sich mit der Patientenpräferenz im Rahmen von Verlaufskontrollen
der Glaukomerkrankung beschäftigt hat, konnte zeigen, dass die Gesichtsfelduntersuchung
die am wenigsten beliebte Untersuchung aus allen Untersuchungen inkl. Augeninnendruckmessung
und apparativer Diagnostik war [1]. Es konnte auch gezeigt werden, dass die Gesichtsfelduntersuchung mehr als andere
Glaukomuntersuchungen Ängstlichkeit des
Patienten auslöst, die wieder zu einer Abnahme der Zuverlässigkeit der Ergebnisse
führt [2], [3].
Gerade in Pandemiezeiten wurde die Notwendigkeit der Halbkugelperimetrie hinterfragt.
Neue innovative Perimetriemethoden, wie die Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie oder
die Tablet-basierte Perimetrie, bieten viele Vorteile gegenüber der konventionellen
Methode und könnten zukünftig eine wichtige Rolle in der Glaukomversorgung spielen
[4].
Ziel dieser Studie war es, die Akzeptanz portabler neuer Systeme bei Glaukompatienten
herauszufinden.
Methodik
Stichprobe
Die Untersuchungsstichprobe bestand aus 204 Glaukompatienten im Alter von 19 bis 93
Jahren (Durchschnittsalter 67,5 ± 12,6 Jahre), die jeweils zunächst mit der herkömmlichen
Halbkugelperimetrie (HKP) und anschließend mit einer der beiden neuen Perimetriemethoden
(Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie oder Tablet-basierter Perimetrie) am Zentrum für
Augenheilkunde an der Uniklinik Köln, Deutschland, untersucht wurden. Die Erhebung
der Daten und Untersuchung der Patienten der beiden Gruppen erfolgte konsekutiv und
unabhängig voneinander von 2 unterschiedlichen Untersuchern. Die verwendeten Geräte
waren: 1. Octopus 900 (Haag-Streit Deutschland) für die HKP, 2. PalmScan VF 2000 (MicroMedicalDevice,
USA) für die Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie (VRP) in Gruppe 1 und 3. die Applikation
Melbourne Rapid Fields (MRF) Glaucoma App (Version 5.0, Glance Optical Pty.Ltd., Melbourne,
Australien) in Gruppe 2, die auf einem iPad Pro (Apple Inc., USA) abgespielt wurde
für die Tablet-basierte
Perimetrie (TBP). Sowohl das PalmScan-VF200-Gerät als auch die MRF-App verfügen über
eine CE-Zertifizierung in Europa und eine FDA-Zulassung in den USA.
Weiterhin wurde das Glaukomstadium für jede Gruppe nach der modifizierten Hodapp-Klassifikation
basierend auf den Referenzwerten der Halbkugelperimetrie angegeben: Mean Deviation
0 bis − 6 dB beginnendes, − 6 bis − 12 dB mittelgradiges und unter − 12 dB fortgeschrittenes
Stadium.
Die Studie wurde von der Ethikkommission der Universität Köln genehmigt (Zeichen:
21 – 1502_2), und alle Patienten haben eine Einverständniserklärung unterschrieben.
Untersuchungsablauf
Zu Beginn der Untersuchungen wurden die Patienten über den Untersuchungsablauf instruiert
und eine schriftliche Einverständniserklärung wurde eingeholt. Alle Patienten waren
mit der Halbkugelperimetrie (HKP) vertraut und haben diese in der Vergangenheit mehr
als einmal durchgeführt. Anschließend wurden die Besonderheiten zu der Untersuchung
bez. der beiden neuen Methoden erklärt. Jeder Patient wurde mit der klassischen Halbkugelperimetrie
untersucht ([Abb. 1]). Hierbei wurde das Standardprogramm in unserer Klinik TOP 30 – 2 (Tendency-orientated
Perimetry) gewählt. Bei der Tendenzorientierten Perimetrie handelt es sich um eine
Optimierung der Schnellschwellentests, indem die Untersuchungszeit um fast 80% reduziert
wird auf nur 2 – 4 min im Vergleich zu 6 – 8 min (dynamische Strategie) oder 10 – 12 min
(normale Strategie) [5], [6]. Der TOP-Algorithmus ist eine systematische Methode, die die
Korrelation der Schwellenwerte an benachbarten Stellen berücksichtigt. Da die ersten
Testpunkte auf einem überschwelligen Niveau dargestellt werden, verstehen auch unerfahrene
Patienten schnell die Art des Tests.
Abb. 1 Untersuchungssituation mit einem klassischen Halbkugelperimeter (Octopus, Haag-Streit):
Der Patient sitzt an dem Halbkugelperimeter leicht nach vorne gebückt. Die Untersucherin
passt die Sitzhöhe des Kopfes an. Der Patient hält den kabelgebundenen Drucktaster
in der rechten Hand. Das rechte Auge ist okkludiert und das linke Auge wird untersucht.
Anschließend erfolgte die Untersuchung mit einer der beiden neuen Methoden (Virtual-Reality-
oder Tablet-basierte Perimetrie). Im Anschluss an die beiden Gesichtsfelduntersuchungen
füllte der Patient einen Fragebogen aus ([Abb. 2] und [3]).
Abb. 2 Patientenfragebogen zu der Untersuchung mit der Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie
und Vergleich zu der klassischen Halbkugelperimetrie.
Abb. 3 Patientenfragebogen zu der Untersuchung mit der Tablet-basierten Perimetrie und Vergleich
zu der klassischen Halbkugelperimetrie.
Virtual-Reality-Perimetrie
Die Virtual-Reality-Brille besteht aus 3 Komponenten: Brille, Drücker und Tablet.
Der Ablauf der Untersuchung ist ähnlich wie bei der klassischen Halbkugelperimetrie.
Der Patient setzt das Brillengehäuse auf und dieses wird mit Kopfbändern fixiert.
Durch eine gute Anpassung mittels Kopfbändern wird das Gewicht des Brillengehäuses
ausgeglichen, denn innerhalb des Brillengehäuses befindet sich ein Smartphone, auf
dessen Oberfläche sich die Untersuchung abspielt. Die Brille ist gepolstert und die
Oberfläche zum Gesicht kann desinfiziert werden oder es kann ein ausgeschnittenes
Einmaltuch benutzt werden. Der Auslöser in der Hand des Patienten dient als Antwortsignal
und wird vom Patienten betätigt, wenn er die Lichtreize, die während der Untersuchung
erscheinen, gesehen hat. Die Untersuchung kann in einer bequemen Körperhaltung stattfinden
([Abb. 4]). Der Auslöser ist mittels Bluetooth mit dem Tablet verbunden. Mit dem Tablet steuert
der
Untersucher die Untersuchung. Es wurde das vom Hersteller empfohlene Glaukom-Standardprogramm
„Central 24 – 2 Threshold“ ausgewählt. Diese Teststrategie wurde vom Hersteller als
eine der am häufigsten verwendeten Teststrategien für Glaukomerkrankungen gekennzeichnet
und für die Untersuchung von Glaukompatienten empfohlen. Zu erwähnen ist ebenfalls,
dass diese Teststrategie, im Vergleich zur TOP-Strategie der HKP, mehrere Testpunkte
für die Lokalisation des blinden Flecks und als Fixationskontrolle verwendet. Daraus
resultiert die hohe Anzahl der erfragten Testlokalisationen und die längere Testdauer.
Das Tablet benötigt eine WLAN-Verbindung. Am Ende der Untersuchung erscheint das Untersuchungsergebnis
auf dem Tablet und kann als pdf-Datei exportiert und ausgedruckt werden.
Abb. 4 a Gesichtsfeldtestung mittels Virtual-Reality-Brille. Der Patient sitzt in einer bequemen
Position, hat das Brillengehäuse aufgesetzt und hält den kabelfreien Drucktaster in
der Hand. b Beispielausdruck eines Untersuchungsergebnisses mit der Virtual-Reality-Brille.
Tablet-basierte Perimetrie
Die Tablet-basierte Perimetrie (TBP) benötigt ein Tablet und eine Applikation (App).
Die MRF ist für das iOS-Betriebssystem konzipiert und funktioniert mit iOS-Versionen
8 oder neuer. Die Belichtung des Bildschirms erfolgt automatisch. Der Patient hält
das Tablet in ca. 33 cm Abstand, und man muss sicherstellen, dass der Raum abgedunkelt
ist, dass es keine Spiegelung durch externe Lichtquellen auf der Oberfläche des Tablets
gibt und dass das nicht untersuchte Auge abgedeckt ist. Der Patient muss dann ein
rotes Kreuz (Fixierkreuz) fixieren, das anfangs mittig auf dem Bildschirm erscheint.
Somit wird zunächst die Lage des blinden Flecks bestimmt und das zentrale Gesichtsfeld
getestet. Später wandert das Fixierkreuz in die 4 Ecken des Tablets, der Reihe nach.
Durch die Bestimmung der Lage des blinden Flecks wird auch die Fixation kontrolliert.
Wenn der Patient den Lichtreiz sieht, muss er mittels Daumen oder Zeigefinder beliebig
auf der Tablet-Oberfläche oder im unteren
rechten Bereich des Bildschirms in der sog. „Touch Zone“ tippen ([Abb. 5]). Somit gibt der Untersuchte die Antwort auf die Lichtreize direkt auf dem Tablet-Bildschirm
an. Die App ist mit einer optionalen mehrsprachigen akustischen Hilfsfunktion ausgestattet,
die den Patienten regelmäßig zu Aufmerksamkeit motiviert; die Funktion kann aber auch
ausgeschaltet werden. Die Untersuchung fand in Untersuchungsräumen der Klinik tagsüber
bei normalen Lichtverhältnissen statt.
Abb. 5 a Gesichtsfeldtestung mittels eines Tablets. Die Patientin hält das Tablet in der Hand,
abgestützt auf einem Tisch. Das getestete Auge bleibt offen, das nicht getestete Auge
wird mit einer Augenklappe okkludiert. In der Mitte des Tablet-Bildschirms ist das
Fixierkreuz zu sehen (dicker Pfeil). In der rechten unteren Ecke ist die Touch-Zone
zu sehen. Links von dem Fixierkreuz sieht man den Lichtstimulus (dünner Pfeil), welcher
der Patientin dargeboten wird. Die Patientin tippt auf die Oberfläche des Tablets,
um das Wahrnehmen des Lichtstimulus zu signalisieren. b Beispielausdruck eines Untersuchungsergebnisses mit der Tablet-Applikation Melbourne
Rapid Fields.
Das in unserer Studie benutzte Programm war das sog. „Central 24 – 2 Full Grid Threshold
Test“. Hierbei handelt es sich um ein modifiziertes 24-2-Programm, das 24° × 21° des
Gesichtsfelds testet. Dabei werden fixe 56 Lokalisationen geprüft und der Test dauert
ca. 4 min pro Auge. Diese Teststrategie wird vom Hersteller für die Untersuchung von
Glaukompatienten empfohlen.
Ergebnisse
Es wurden insgesamt 204 Patienten untersucht. Gruppe 1 (VRP) beinhaltete n = 101 Patienten
und 202 Augen. In Gruppe 2 (TBP) wurden 103 Patienten mit 206 Augen eingeschlossen.
Der Altersdurchschnitt der Patienten aus Gruppe 1 (n = 101) betrug 69,1 ± 11,9 Jahre
(Mittelwert ± Standardabweichung) und aus Gruppe 2 (n = 103) 66,0 ± 13,2 Jahre (Mittelwert
± Standardabweichung).
Die Geschlechterverteilung lag bei 52% (männlich) in Gruppe 1 und 40,4% (männlich)
in Gruppe 2.
Die Glaukomstadien nach der modifizierten Hodapp-Klassifikation waren in Gruppe 1
bzw. Gruppe 2: 37,9% bzw. 44,5% beginnend; 27,6% und 26% mittelgradig und 34,5% und
29,5% fortgeschritten.
Die Fragebogenantworten der Patienten der beiden Gruppen sind in [Tab. 1] und [Tab. 2] zusammengefasst.
Tab. 1 Ergebnisse zum allgemeinen Eindruck der neuen Perimetriemethoden Gruppe 1 (VRP = Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie)
bzw. Gruppe 2 (Tablet). Diese Tabelle führt die Ergebnisse beider Teilgruppen („VRP“
bzw. „Tablet“) zusammen, was zwangsläufig zu nicht ausfüllbaren Feldinhalten führt
(leere Zellen).
|
Fragen
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Gruppe 1 (VRP)
|
Gruppe 2 (Tablet)
|
|
ja
|
nein
|
ich weiß es nicht
|
ja
|
nein
|
ich weiß es nicht
|
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Sind Sie den Umgang mit der Virtual-Reality-Brille bzw. mit dem Tablet gewohnt?
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6%
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94%
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0%
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58,4%
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41,6%
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0%
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Hatten Sie Schwierigkeiten, den Signalknopf bei der Virtual-Reality-Brille zu betätigen?
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3%
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96%
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1%
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Hatten Sie das Gefühl, dass Sie bei der Durchführung der Untersuchung mit dem Tablet
mehr abgelenkt waren im Vergleich zu der Halbkugelperimetrie?
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26,3%
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68,7%
|
5,1%
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Hatten Sie Schwierigkeiten, eine Antwort abzugeben beim Tippen der Tablet-Oberfläche?
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|
|
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11,1%
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85,9%
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3%
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Hatten Sie den Eindruck, die Lichtmarken bei der Virtual-Reality-Brille bzw. auf dem
Tablet im Vergleich zur Halbkugelperimetrie weniger gut zu sehen?
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19%
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77%
|
4%
|
0%
|
99%
|
1%
|
|
Hatten Sie mehr Schwierigkeiten, den Fixationspunkt auf dem Tablet zu fixieren als
bei der Halbkugelperimetrie?
|
|
|
|
9,1%
|
90,9%
|
0%
|
|
Fanden Sie Untersuchung mit der Virtual-Reality-Brille bzw. mit dem Tablet anstrengender
im Vergleich zur Halbkugelperimetrie?
|
8%
|
91%
|
1%
|
5,1%
|
84,8%
|
10,1%
|
Tab. 2 Ergebnisse der Patientenbefragung zum direkten Vergleich der beiden Geräte (herkömmliche
Methode und neue Methode).
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Gruppe 1 (VRP)
|
Gruppe 2 (Tablet)
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|
VRP
|
HKP
|
beide gleich
|
Tablet
|
HKP
|
beide gleich
|
|
VRP: Virtual-Reality-Brillen-Perimetrie; HKP: Halbkugelperimetrie
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Welches Verfahren könnten Sie sich vorstellen, regelmäßig für die Verlaufskontrolle
Ihrer Erkrankung zu benutzen?
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80%
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7%
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13%
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81,8%
|
3%
|
15,2%
|
|
Welches Verfahren bevorzugen Sie hinsichtlich Dauer der Untersuchung?
|
35%
|
14%
|
51%
|
54%
|
11,1%
|
34,8%
|
|
Welches Verfahren bevorzugen Sie hinsichtlich Konzentrationsbedarf der Untersuchung?
|
54%
|
6%
|
40%
|
62,1%
|
10,1%
|
27,8%
|
|
Welches Verfahren bevorzugen Sie in Bezug auf Bequemlichkeit (Kopf- und Körperhaltung)?
|
86%
|
7%
|
7%
|
90,9%
|
6,1%
|
3%
|
In Gruppe 1 beurteilten 58% der Patienten die Durchführbarkeit der Untersuchung mit
der VR-Brille im Vergleich zur herkömmlichen Methode als „einfacher“, 19% als „viel
einfacher“, 19% „gleich“ und 4% „schwerer.“
In Gruppe 2 beurteilten 53,5% der Patienten die Durchführbarkeit der Untersuchung
mit dem Tablet im Vergleich zur herkömmlichen Methode als „einfacher“, 36,4% als „viel
einfacher“, 8,1% „gleich“ und 2% „schwerer.“
Hinsichtlich der Dauer und des Konzentrationsbedarfs der Untersuchung bevorzugten
die Patienten der Gruppe 1 zu 51% bzw. 40% beide Untersuchungsmethoden gleich, gefolgt
von einer 35%igen bzw. 54%igen Präferenz für die VR-Brille. In Gruppe 2 bevorzugten
bez. Dauer und Konzentrationsbedarf 54% bzw. 62,1% das Tablet, gefolgt von einer äquivalenten
Bevorzugung beider Methoden bei 34,8% bzw. 27,8% der Patienten („beide gleich“). Hierbei
ergab sich der einzig statistisch signifikante Unterschied in den beiden Gruppen (VRP
und TBP) bez. Dauer und Konzentrationsbedarf, nämlich p < 0,001 und p = 0,022 (Chi-Quadrat-Test).
Bezüglich Wahl und Bequemlichkeit der neuen Methoden ergaben sich keine signifikanten
Unterschiede.
Die Dauer der Gesichtsfelduntersuchung mit der VR-Brille lag bei 6,26 ± 1,88 min (Mittelwert
± Standardabweichung; Min. 2,11 und Max.15,15 min) und die mit dem Tablet bei 4 ± 0,71 min
(Mittelwert ± Standardabweichung; Min. 2 und Max. 6,03 min). Im Vergleich lag die
Dauer der Untersuchung mit der HKP bei 2,67 ± 0,98 min (Mittelwert ± Standardabweichung;
Min. 1,66 und Max. 9,88 min).
Diskussion
Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse lässt sich festhalten, dass die Mehrheit
der „erfahrenen“ Glaukompatienten die Perimetrieuntersuchung mit beiden innovativen
Perimetriemethoden (VRP und TBP) im Vergleich zur Halbkugelperimetrie (HKP) als weniger
anstrengend empfand. Die hohe Zufriedenheit bez. der Bequemlichkeit während der Untersuchung
ist durch den portablen Charakter der beiden Geräte zu erklären. Während die Körperhaltung
bei der HKP fest vorgegeben ist, kann man diese bei den beiden neuen Perimetriegeräten
flexibel gestalten. Dieser Aspekt ermöglicht eine große Flexibilität in Bezug auf
die Untersuchungsumstände; bspw. kann eine Gesichtsfelduntersuchung mit den neuen
Methoden am Patientenbett stattfinden, bei Kindern oder körperlich behinderten Patienten
(z. B. auf einen Rollstuhl Angewiesene), die Schwierigkeiten haben, sich an das Halbkugelperimeter
zu positionieren.
Finanziell gesehen sind portable Systeme, verglichen zu der konventionellen HKP, günstiger
und können zu Hause zur Selbstkontrolle oder in Gegenden mit eingeschränkter ophthalmologischer
Versorgung, z. B. im ländlichen Raum, verwendet werden [7], [8]. Weiterhin sind innovative Methoden auch für die Gesichtsfelduntersuchung von Kindern
geeignet. Groth et al. untersuchten 50 gesunde Kinder und Jugendliche im Alter von
8 bis 17 Jahren mit einer VR-Brille (anderes Modell als hier) und konnten eine hohe
Patientenzufriedenheit zeigen, was die Methode zu einer neuen Möglichkeit für die
Prüfung des Gesichtsfeldes für dieses Alterskollektiv qualifizierte [9]. Auch das Tablet wird mittlerweile viel im Schulunterricht benutzt, sodass Kinder
mit diesem Medium zunehmend vertraut sind.
Hinsichtlich Untersuchungsdauer und Konzentrationsbedarf war der Zuspruch für die
neuen Methoden, anders als die anderen Aspekte, nicht eindeutig und es wurde eine
gemischte Befürwortung für beide Methoden (neu und konventionell) abgegeben. Hierbei
muss erläutert werden, dass die Dauer der Untersuchung sowohl mit der VRP als auch
mit der TBP im Durchschnitt etwa 2- bis 3-fach länger als mit der HKP war. Zumindest
bei der VRP liegt dies daran, dass das durchgeführte Gesichtsfeldprogramm viel mehr
Testlokalisationen als bei der HKP testet. Hierbei wurde das vom Hersteller empfohlene
Standardprogramm für Glaukompatienten ausgewählt. Eine mögliche Erklärung für die
längere Untersuchungsdauer ist, dass viele der untersuchten Patienten eine fortgeschrittene
Glaukomerkrankung hatten: Je mehr Defekte vorhanden waren, desto länger dauerte die
Untersuchung. Auch andere Autoren kamen zu einem ähnlichen Ergebnis hinsichtlich der
Dauer [10], [11].
Ein weiterer Vorteil der portablen Systeme ist, dass die Compliance und Adhärenz der
Patienten durch den naheliegenden telemedizinischen Ansatz gesteigert werden können.
Vor allem bei der TBP gibt es viel Potenzial, da das Tablet mittlerweile in der Bevölkerung
sehr verbreitet ist. Mehr als die Hälfte der von uns untersuchten Patienten (58,4%)
gaben an, bereits Erfahrung im Umgang mit einem Tablet zu haben. Prea et al. konnten
in 2 telemedizinischen Studien zeigen, dass in einer mittelgroßen bis großen Kohorte
von Glaukompatienten sowohl über einen kurzen Zeitraum von 6 Wochen als auch über
einen längeren Zeitraum von 12 Monaten die Compliance der Patienten bei einer wöchentlichen
Selbsttestung zu Hause sehr hoch war [12], [13]. Die TBP würde sich also für eine telemedizinische Versorgung sehr gut eignen, bei
der Patienten bei der Kontrolluntersuchung „In-Office“ Gesichtsfelduntersuchungen
zur Beurteilung mitbringt, die
er zuvor „In-Home“ mittels des Tablets durchgeführt hat.
Hinsichtlich Validierung wurde die diagnostische Genauigkeit von portablen Systemen
in der Literatur in kleinen Patientenkohorten getestet. Shetty et al. konnten anhand
von 166 Augen zeigen, dass die VRP (mittels PalmScan 2000; gleiches von uns benutztes
Gerät) eine sehr gute Erkennung von Glaukom besitzt [14]. Harris et al. konnten bspw. an 40 gesunden Patienten zeigen, dass die MRF-App eine
gute Vergleichbarkeit zu dem Halbkugelperimeter hatte [15]. Auch Kong et al. konnten eine starke Korrelation der Ergebnisse des TBP mit der
MRF-Applikation gegenüber der HKP nachweisen, ebenso wie eine vergleichbare Test-Retest-Zuverlässigkeit
[16]. Weitere Studien zur Validierung fehlen noch, um die Nichtunterlegenheit der neuen
Methode gegenüber der HKP zu beweisen. Auch muss berücksichtigt werden, dass sich
aktuell eine Reihe von verschiedenen Herstellern von VR-Brillen und Tablet-basierten
Perimetrieapplikationen auf dem Markt befinden und somit eine große Heterogenität
der Produkte herrscht.
Ein weiterer wichtiger Aspekt vor allem bei der TBP ist die Patientenselektion für
die Untersuchung mit den neuen Methoden. In der untersuchten Patientenkohorte gaben
die Patienten aus Gruppe 2 (Tablet) an, zu 68,7% bei der Untersuchung mit dem Tablet
nicht mehr abgelenkt zu sein im Vergleich zur HKP. Umgekehrt bejahten 26,3% der Patienten
diese Frage, d. h. rund jeder 4. Patient schien bei der TBP mehr abgelenkt zu sein.
Dieser Aspekt muss bei der Patientenselektion berücksichtigt werden. Auch gaben 99%
der Patienten von Gruppe 2 an, keine Probleme mit der Wahrnehmung der Lichtmarken
auf dem Tablet zu haben. Dies ist eine überraschend eindeutige Antwort, entgegen der
einer möglichen Erwartung, dass die Sichtbarkeit auf der reflektierenden Tablet-Oberfläche
ein mögliches Problem darstellen könnte. Manche Studien zu dem Thema TBP beschrieben
sogar eigens Strategien über die optimale Haltung des Tablets, weg von Fenstern oder
schlugen Konstruktionen von Schirmwänden vor, um
Reflexionen auf der Tablet-Oberfläche zu vermeiden [17]. In unserer Studie wurden keine Maßnahmen getroffen, um solche Nebeneffekte zu vermeiden,
und doch gaben die Patienten an, keine Probleme bei der Sichtbarkeit der Lichtmarken
zu haben, da höchstwahrscheinlich intuitiv eine korrekte Haltung des Tablets eingenommen
wurde.
Weiterhin muss berücksichtigt werden, dass bei fortgeschrittener Glaukomerkrankung
die Vergleichbarkeit der TBP geringer ist als mit der HKP. Prince et al. konnten in
einer westafrikanischen Kohorte von 103 Patienten zeigen, dass die TBP signifikante
Abweichungen bei der diagnostischen Genauigkeit beim mittleren bis fortgeschrittenen
Glaukom zeigte, jedoch Potenzial für das Screening in einem ressourcenarmen Umfeld
hatte [18].
Eine ähnliche Studie von Freeman et al. untersuchte 81 Patienten mit der TBP (MRF-Applikation)
mit dem Ziel, die Akzeptanz herauszufinden, und verwendeten hierfür einen Fragebogen.
In dieser Patientenkohorte gaben 90,1% der Patienten an, eine „sehr gute“ Erfahrung
mit dem Tablet gehabt zu haben und 75% gaben an, dass sie sich wöchentliche Untersuchungen
mit dem Tablet vorstellen könnten [19].
Das Ziel unserer Studie war, die Untersuchungserfahrung der Patienten mit den neuen
Systemen zu evaluieren und die potenzielle Akzeptanz von Glaukompatienten in Deutschland
zu eruieren. Es konnte eine eindeutig positive Resonanz hinsichtlich der Akzeptanz
der neuen Methoden festgehalten werden. Dies ist eine vielversprechende Tendenz, die
einen möglichen Türöffner für portable Perimetriemethoden und Telemedizin darstellt,
insbesondere hinsichtlich Patientenadhärenz.
Schlussfolgerung
Portable Perimetriegeräte sind eine vielversprechende Entwicklung und haben das Potenzial,
einen Paradigmenwechsel hinsichtlich der Glaukomversorgung in Deutschland zu induzieren.
Dies ist die erste Studie in Deutschland, die ein Meinungsbild über das subjektive
Empfinden der Gesichtsfelduntersuchung mit der Virtual-Reality-Brille und mit einer
Tablet-basierten Applikation bei Glaukompatienten erhebt. Die Befragungsergebnisse
machen deutlich, dass Glaukompatienten gegenüber neuen und innovativen Gesichtsfelduntersuchungsmöglichkeiten
aufgeschlossen sind. Eine hohe Akzeptanz bei den Patienten kann zu einer hohen Adhärenz
der Patienten führen. Die innovativen Perimetriemethoden ermöglichen ebenfalls eine
Gesichtsfelduntersuchung zu Hause und sind für telemedizinische Versorgungssettings
geeignet. Zukünftige Studien zur Übereinstimmung der beiden Geräte mit der konventionellen
Halbkugelperimetrie sind nötig, um solche neuen Methoden langfristig in Deutschland
implementieren zu
können.