Einleitung
In früheren randomisierten, kontrollierten Studien (randomized controlled trials;
RCT) zum Mammografie-Screening fand man, dass die Mortalität an Brustkrebs unter eingeladenen
Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren um 20–25% reduziert war [1 ]. Diese Effekte wurden durch große systematische Reviews von prospektiven Beobachtungstudien
bestätigt [2 ]
[3 ].
Die Vorteile von Brustkrebs-Screening-Programmen resultieren aus der Detektion der
Tumore bereits in frühen Stadien, in denen die Therapie häufig weniger eingreifend
und die Prognose deutlich günstiger ist [4 ]
[5 ]
[6 ]. Innerhalb dieser Gruppe früh entdeckter, nicht-metastasierter Mammakarzinome hängt
die Prognose vor allem von intrinsischen Faktoren ab, insbesondere vom histologischen
Grading [7 ]
[8 ]. So senkt die Detektion von Mammakarzinomen der Grade 2 bzw. 3 die brustkrebsbedingte
Mortalität stärker als die von Mammakarzinomen des Grades 1 (Risikoreduktion 0,68
bzw. 0,65 vs. 0,94) [9 ].
Aus radiologischer Sicht reduziert die digitale Brust-Tomosynthese (DBT) im Vergleich
zur digitalen Mammografie (DM) die Tumormaskierung durch überlagerndes Brustgewebe
[10 ]. Die im deutschen Mammografie-Screening-Programm (MSP) eingebettete randomisierte
kontrollierte Studie TOSYMA (TOmosynthesis plus SYnthesized MAmmography Screening
Study) belegte bei Frauen im Alter von 50 bis 70 Jahren, dass die Entdeckungsrate
für invasiven Brustkrebs bei einem Screening mit DBT plus synthetisierter Mammografie
(DBT+SM) signifikant höher liegt (71/10 000 gescreente Frauen) als mit DM (48/10 000)
[11 ]. Eine nachfolgende Subanalyse zeigte, dass mit DBT+SM die Detektionsrate von Mammakarzinomen
im UICC-Stadium I (Tumorgröße bis 20 mm ohne regionale Metastasierung oder Fernmetastasierung)
markant erhöht war und sich diese Erhöhung vor allem durch die Entdeckung von Stadium-I-Karzinomen
der Grade 2 oder 3 ergab (+12,3 pro 10 000 im Vergleich zu DM) [12 ].
Um die radiologische Aufmerksamkeit in der Screening-Befundung für die Entdeckung
solcher Mammakarzinome zu schärfen, sind Wissen und Kenntnis der zur Entdeckung führenden
mammografischen Tumorzeichen bedeutsam. Die hier vorliegende explorative Subanalyse
der TOSYMA-Studie vergleicht deshalb die Häufigkeit der einzelnen mammografischen
Tumorzeichen und ihre Kombinationen, die in der Screeninggruppe mit DBT+SM und jener
mit DM zur Entdeckung von Mammakarzinomen im Stadium I geführt haben, und untersucht,
ob sich die morphologischen Kriterien unter Berücksichtigung des histologischen Grades
unterscheiden.
Materialien und Methoden
Studiendesign
Die Phase 1 der TOSYMA-Studie wurde von Juli 2018 bis Dezember 2020 in 17 Screening-Einheiten
in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen durchgeführt. Dabei wurden
99 689 Frauen mit einer 1:1-Randomisierung dem Testarm (DBT+SM) oder dem Kontrollarm
(DM) zugeordnet. Das Studienprotokoll wurde von der zuständigen Ethikkommission genehmigt
und von zwei weiteren Ethikkommissionen positiv bewertet. Alle Studienteilnehmerinnen
gaben ihr schriftliches Einverständnis. Das Studienprotokoll, die Ergebnisse des ersten
primären Endpunkts – unter Einschluss einiger sekundärer Endpunkte – sowie mehrere
explorative Subanalysen wurden bereits veröffentlicht [11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ].
Studienteilnehmerinnen
Frauen im Alter von 50 bis 69 Jahre wurden zweijährlich schriftlich zu einer Teilnahme
am deutschen MSP eingeladen, infolge einer Coronaregelung temporär bis 70 Jahre. In
den Einzugsgebieten der Studienzentren wurde dem regulären Einladungsschreiben eine
persönliche Einladung zur TOMSYA-Studie zugefügt. Nicht anspruchsberechtigt waren
Frauen mit einer Brustkrebsdiagnose bis zu 5 Jahre zuvor oder mit einer Mammografie
innerhalb der letzten 12 Monate. Brustimplantate oder eine wiederholte TOSYMA-Teilnahme
waren spezifische Ausschlusskriterien der Studie [13 ]
[15 ].
Erstellung der Screening-Untersuchung
An 21 Standorten wurde eine Studienteilnahme angeboten (Niedersachsen Nordwest (Wilhelmshaven),
Hannover, Niedersachsen Nord (Stade), Niedersachsen Mitte (Vechta), Niedersachsen
Nordost (Lüneburg), Duisburg, Krefeld/Mönchengladbach/Viersen, Wuppertal/Solingen
(Bergisches Land/Kreis Mettmann), Aachen-Düren-Heinsberg, Köln rechtsrheinisch (Bergisch
Gladbach), Münster-Süd/Coesfeld, Bottrop, Gelsenkirchen, Recklinghausen, Minden-Lübbecke/Herford,
Bielefeld/Gütersloh, Hamm/Unna/Märkischer Kreis (Schwerte), Höxter, Paderborn, Soest
(Lippstadt), Münster-Nord/Warendorf).
Sieben verschiedene Hersteller von Mammografie-Geräten wurden zur Erstellung der DBT+SM
oder DM-Untersuchung eingesetzt: Amulet Innovality (Fujifilm Cooperation, Tokyo, Japan;
n=10,075 Untersuchungen), Class Tomo (IMS Giotto, Sasso Marconi, Italy; n=7,970),
Lorad Selenia 3Dimensions (Hologic, Malborough, USA; n=10,955), Lorad Selenia Dimensions
(Hologic, Malborough, USA; n=40,645), MAMMOMAT Inspiration (Siemens Healthineers,
Erlangen, Germany; n=6,759), MAMMOMAT Relevation (Siemens Healthineers, Erlangen,
Germany; n=12,917), Senographe Essential (GE Healthcare, Chicago, USA; n=10,237).
Die Untersuchungen umfassten in beiden Studienarmen die cranio-caudale und die medio-lateral-oblique
Projektion pro Brust. Im Testarm wurden neben den synthetisierten Mammografien (SM)
gestapelte Schichten von ≤ 1 mm Dicke zur Befundansicht rekonstruiert [11 ]
[13 ]
[15 ].
Mammografische Befundung
Wie im laufenden MSP wurde in beiden Studienarmen eine unabhängige Doppelbefundung
durch dieselben zertifizierten Ärztinnen und Ärzte durchgeführt. Insgesamt wirkten
83 erfahrene Befunderinnen bzw. Befunder mit, die eine vorherige Screening-Erfahrung
von mindestens zwei Jahren mit mindestens 5000 Screening-Befundungen pro Jahr aufwiesen.
Vor Beginn der TOSYMA-Studie wurden für alle Studienärztinnen und -ärzte DBT-Schulungen
durch das Referenzzentrum Mammographie Münster durchgeführt.
Bei Auffälligkeiten wurden die Ergebnisse mit der/dem Programmverantwortlichen Ärztin
bzw. Arzt in der Konsensuskonferenz besprochen, um über eine weiterführende Abklärungsdiagnostik
zu entscheiden. Während der Konsensuskonferenz wurden die mammografischen Auffälligkeiten,
die einen Rückruf veranlassten, digital dokumentiert und für die aktuelle Subanalyse
verwendet.
Die Abklärungsdiagnostik bei Studienteilnehmerinnen unterschied sich nicht vom etablierten
Ablauf des MSP und umfasste Befund-orientiert neben einer klinischen Untersuchung
ggf. weitere mammografische Projektionen (z.B. Vergrößerungsmammografien oder DBT),
die Sonografie, MR-Untersuchungen oder minimal-invasive Abklärungsverfahren.
Alle Screening-Daten wurden im Dokumentationssystem MaSc (KV-IT GmbH, Dortmund, Deutschland)
elektronisch zentral gespeichert [15 ].
Histologische Beurteilung
32 beteiligte Pathologinnen bzw. Pathologen, alle mit mindestens 15 Jahren Erfahrung,
stellten mindestens 100 histopathologische Diagnosen im Rahmen des MSP jährlich und
besuchten alle zwei Jahre eine obligatorische Schulung neben Selbstüberprüfungsverfahren.
Das Studientraining fokussierte das Nottingham-Grading-System für invasive Karzinome,
basierend auf einer semiquantitativen Bewertung (1 bis 3) der Drüsendifferenzierung,
des Kernpleomorphismus und der Mitoseanzahl pro Quadratmillimeter (G1: ScoreΣ 3–5,
G2: ScoreΣ 6–7, G3: ScoreΣ 8–9) [4 ]
[8 ]
[12 ]
[17 ].
Studiendaten
Die Stadien der Mammakarzinome wurden anhand der postoperativen Histologiebefunde
oder – im Fall einer neoadjuvanten Behandlung – klinisch-bildgebend gemäß der TNM-Klassifikation
der Union for International Cancer Control (UICC) eingestuft [18 ]. Bei multifokalen oder multizentrischen Karzinomen wurde der größte Tumordurchmesser
für das Staging verwendet [18 ], bei bilateralem Brustkrebs wurde die Seite mit der höchsten TNM-Klassifikation
verwendet. Das UICC-Stadium I ist definiert als eine Tumorgröße ≤ 20 mm (T1), keine
regionalen Metastasen (N0, N1mi) und keine Fernmetastasen (M0). Frauen mit Mammakarzinomen
im Stadium I wurden in zwei Gruppen unterteilt, solche mit dem histologischen Grad
1 und solche mit den Graden 2 oder 3. Bei Multifokalität oder Multizentrizität wurde
der höchste Grad herangezogen.
Zuvor publizierte TOSYMA-Studienergebnisse berichteten die Detektionsraten von invasivem
Brustkrebs (iCDR) pro 10 000 untersuchten Frauen stratifiziert nach Stadium und histologischem
Grad entsprechend genannter Gruppenbildung [12 ]. Dieses Kollektiv liegt auch dieser Subanalyse zugrunde. In diesem wurden von 99 689
randomisierten Frauen 66 Frauen, die sich keiner Studienuntersuchung unterzogen hatten
und zehn Frauen, die wiederholt an der TOSYMA-Studie teilnahmen, aus dem Analysesatz
ausgeschlossen. Zudem wurden Frauen mit fehlenden Daten zum Screening-Ergebnis, der
Brustdichte und zum UICC-Stadium exkludiert. Die aktuelle Subanalyse inkludierte entsprechend
49 462 Frauen im DBT+SM-Arm und 49 669 Frauen im DM-Arm [12 ].
Tumorzeichen
Die Häufigkeiten der Tumorzeichen, die während der Konsensuskonferenz dokumentiert
wurden und nach unabhängiger Doppelbefundung zur Abklärungsdiagnostik mit Detektion
eines invasiven Mammakarzinoms im Stadium I führten, wurden aus der Screening-Software
erhoben. Diese waren: Herdbefunde, Mikroverkalkungen, Architekturstörungen, Asymmetrien,
Verdichtungen oder ihre Kombinationen [19 ].
Statistische Auswertung
Die deskriptive Subanalyse umfasste die Erhebung der Tumorzeichen von Screening-detektierten
Mammakarzinomen im Stadium I zum Zeitpunkt der Konsensuskonferenz, auf denen der Rückruf
zur Abklärungsdiagnostik basierte. Für diese kategorialen Variablen wurden pro Studienarm
die absoluten Häufigkeiten insgesamt sowie stratifiziert nach histologischem Grad,
d.h. Grad 1 versus Grad 2 oder 3, ermittelt. Diese wurden für jedes mammografische
Tumorzeichen bzw. deren Kombination als Detektionsraten (DR) pro 10 000 untersuchte
Frauen ermittelt. Anschließend wurden die DR-Differenzen zwischen den beiden Studienarmen
berechnet.
Ergebnisse
Ein Mammakarzinom im Stadium I fand sich in der Gruppe mit DBT+SM bei 255 Frauen (DR
51,6 pro 10 000) und im DM-Arm bei 149 Frauen (30,0/10 000). Als häufigstes zur Diagnose
führendes, singuläres mammografisches Tumorzeichen erwiesen sich in beiden Studienarmen
Herdbefunde (DBT+SM: 20,2 pro 10 000 vs. DM: 16,1 pro 10 000; Differenz +4.1 pro 10 000),
seltener beruhte sie auf der Morphologie Mikrokalk (DBT+SM: 6,1/10 000 vs. DM: 3,0/10 000;
Differenz +3,1/10 000) oder der Morphologie Architekturstörung (6,1 vs. 2,4/10 000;
Differenz +3,7/10 000). Für alle oben betrachteten Tumorzeichen lag die DR bei DBT+SM
höher als bei DM, die größte DR-Differenz zwischen beiden Studienarmen wurde mit der
Kombination mammografischer Tumorzeichen erzielt: sie war mit DBT+SM (18,0/10 000)
um 12,4/10 000 höher als mit DM (5,6/10 000). In beiden Studienarmen waren Asymmetrien
und Verdichtungen seltene Tumorzeichen des Stadiums I ([Tab. 1 ], [Abb. 1 ], [Abb. 2 ]).
Tab. 1 Häufigkeiten mammografischer Tumorzeichen von Mammakarzinomen im Stadium I mit entsprechenden
Detektionsraten der randomisiert-kontrollierten Screening-Studie TOSYMA.
Mammografische Tumorzeichen*
DM Anzahl Mammakarzinom Stadium I
(DR pro 10 000)
DBT+SM Anzahl Mammakarzinom Stadium I
(DR pro 10 000)
Differenz Anzahl DBT+SM – DM
Differenz Detektionsrate DBT+SM – DM
pro 10 000
DM: Digitale Mammografie
DBT+SM: Digitale Brust-Tomosynthese plus synthetische Mammografie
* Mammografische Tumorzeichen in Anlehnung an ACR BI-RADS Atlas, Breast Imaging Reporting
and Data System [19 ].
Eingeschlossene Untersuchungen im DM-Arm: 49 669
Eingeschlossene Untersuchungen im DBT+SM-Arm: 49 462
DR: Detektionsrate pro 10 000 Untersuchungen.
Herdbefund
80 (16,1)
100 (20,2)
20
+4,1
Kombination
28 (5,6)
89 (18,0)
61
+12,4
Mikrokalk
15 (3,0)
30 (6,1)
15
+3,1
Architekturstörung
12 (2,4)
30 (6,1)
18
+3,7
Asymmetrie
3 (0,6)
0 (0)
−3
−0,6
Verdichtung
9 (1,8)
2 (0,4)
−7
−1,4
Keine Angabe
2 (0,4)
4 (0.8)
Gesamt
149 (30,0)
255 (51,6)
106
+21,6
Abb. 1 Ausschnitt einer Einzelschicht der Screening-Untersuchung mit Digitaler Brust-Tomosynthese
rechts cranio-caudal der lateralen Quadranten. Mit einem Kreis gekennzeichnet stellt
sich eine 15 mm messende Architekturstörung dar, die zentral amorphe Mikroverkalkungen
aufweist. Histologie: Invasives Mammakarzinom, pT1b (8mm), pN0, cM0.
Abb. 2 Ausschnitt der im Rahmen der Abklärungsdiagnostik ergänzend erstellten Vergrößerungsmammografie
rechts cranio-caudal der lateralen Quadranten. Mit einem Kreis gekennzeichnet sind
amorphe Mikroverkalkungen mit vergleichbarer morphologischer Darstellung zur Einzelschicht
der Abbildung 1. Die Vergrößerungsmammografie lässt die in der digitalen Brust-Tomosynthese
assoziierte Architekturstörung nicht erkennen. Histologie: Invasives Mammakarzinom,
pT1b (8mm), pN0, cM0.
In beiden Studienarmen wurden weniger Stadium-I-Karzinome des Grads 1 (DBT+SM: 18,0/10 000
vs. DM: 8,7/10 000; Differenz +9,3/10 000) als der Grade 2 oder 3 (DBT+SM: 33,6/10 000
vs. DM: 21,3/10 000; Differenz: +12,3/10 000) detektiert ([Tab. 2 ], [Tab. 3 ]).
Tab. 2 Häufigkeiten mammografischer Tumorzeichen von Mammakarzinomen im Stadium I des histologischen
Grads 1 mit entsprechenden Detektionsraten der randomisiert-kontrollierten Screening-Studie
TOSYMA.
Mammografische Tumorzeichen*
DM Anzahl Mammakarzinom Stadium I
Grad 1
(DR pro 10 000)
DBT+SM Anzahl Mammakarzinom Stadium I
Grad 1
(DR pro 10 000)
Differenz Anzahl DBT+SM – DM
Differenz Detektionsrate DBT+SM – DM
pro 10 000
DM: Digitale Mammografie
DBT+SM: Digitale Brust-Tomosynthese plus synthetische Mammografie
* Mammografische Tumorzeichen in Anlehnung an ACR BI-RADS Atlas, Breast Imaging Reporting
and Data System [19 ].
Eingeschlossene Untersuchungen im DM-Arm: 49 669.
Eingeschlossene Untersuchungen im DBT+SM-Arm: 49 462.
DR: Detektionsrate pro 10 000 Untersuchungen.
Herdbefund
25 (5,0)
32 (6,5)
7
+1,5
Kombination
9 (1,8)
39 (7,9)
30
+6,1
Mikrokalk
2 (0,4)
6 (1,2)
4
+0,8
Architekturstörung
4 (0,8)
12 (2,4)
8
+1,6
Asymmetrie
1 (0,2)
0 (0)
−1
−0,2
Verdichtung
2 (0,4)
0 (0)
−2
−0,4
Keine Angabe
0 (0)
0 (0)
Gesamt
43 (8,7)
89 (18,0)
46
+9,3
Tab. 3 Häufigkeiten mammografischer Tumorzeichen von Mammakarzinomen im Stadium I der histologischen
Grade 2 oder 3 mit entsprechenden Detektionsraten der randomisiert-kontrollierten
Screening-Studie TOSYMA.
Mammografische Tumorzeichen*
DM Anzahl Mammakarzinom Stadium I
Grad 2 oder 3
(DR pro 10 000)
DBT+SM Anzahl Mammakarzinom Stadium I
Grad 2 oder 3
(DR pro 10 000)
Differenz Anzahl DBT+SM – DM
Differenz Detektionsrate DBT+SM – DM
pro 10 000
DM: Digitale Mammografie
DBT+SM: Digitale Brust-Tomosynthese plus synthetische Mammografie
* Mammografische Tumorzeichen in Anlehnung an ACR BI-RADS Atlas, Breast Imaging Reporting
and Data System [19 ].
Eingeschlossene Untersuchungen im DM-Arm: 49 669.
Eingeschlossene Untersuchungen im DBT+SM-Arm: 49 462.
DR: Detektionsrate pro 10 000 Untersuchungen.
Herdbefund
55 (11,1)
68 (13,7)
13
+2,6
Kombination
19 (3,8)
50 (10,1)
31
+6,3
Mikrokalk
13 (2,6)
24 (4,9)
11
+2,3
Architekturstörung
8 (1,6)
18 (3,6)
10
+2,0
Asymmetrie
2 (0,4)
0 (0)
−2
−0,4
Verdichtung
7 (1,4)
2 (0,4)
−5
−1,0
Keine Angabe
2 (0,4)
4 (0,8)
Gesamt
106 (21,3)
166 (33,6)
60
+12,3
UICC I-Karzinome vom Grad 1 wurden mit Kombinationen von Tumorzeichen mit DBT+SM deutlich
öfter entdeckt als mit DM, die DR-Differenz betrug +6,1/10 000. Unter den singulären
Tumorzeichen betrug bei Herdbefunden die Differenz der DR DBT+SM minus DM +1,5/10 000,
+0,8/10 000 beim Mikroverkalkungen und +1,6/10 000 bei Architekturstörungen ([Tab. 2 ]).
Mammakarzinome im Stadium UICC I der Grade 2 oder 3 wurden mit Kombinationen von Tumorzeichen
mit DBT+SM bei einer DR von 10,1/10 000 häufiger als mit DM (3,8/10 000) entdeckt,
was einer DR-Differenz von +6,3/10 000 entsprach. Hier waren wiederum Herdbefunde
als singuläres Tumorzeichen führend (DBT+SM: 13,7/10 000 vs. DM: 11,1/10 000), allerdings
war die DR-Differenz DBT+SM minus DM geringer (+2,6/10 000) im Vergleich zu Kombinationen
von Tumorzeichen. In ähnlichen Größenordnungen bewegten sich die DR-Differenzen durch
Mikroverkalkungen (4,9 vs. 2,6/10 000; Differenz +2,3/10 000) und durch Architekturstörungen
(3,6 vs. 1,6/10 000; Differenz +2,0/10 000) ([Tab. 3 ]).
Diskussion
Als erster RCT zeigte die multizentrische TOSYMA-Studie, dass in einem nationalen,
populationsbezogenen Mammografie-Screening-Programm die invasive Detektionsrate mit
DBT+SM höher liegt als mit DM [11 ]. Eine ergänzende Subanalyse erbrachte darüber hinaus, dass im DBT+SM-Screening insbesondere
die Detektion von Mammakarzinomen im Stadium I vom Grad 2 oder 3 erhöht war [12 ]. Die gesteigerte Detektion von Mammakarzinomen dieser Grade im frühen Tumorstadium
kann zu einem verstärkenden Effekt auf die Senkung der Brustkrebssterblichkeit beitragen
[9 ]. Deshalb ist eine bildgebende Charakterisierung der im Screening mit DBT+SM bzw.
mit DM zur Detektion dieser Karzinome führenden mammografischen Tumorzeichen von besonderem
Interesse.
Die vorliegende Subanalyse der TOSYMA-Studie präsentiert in Ergänzung zu den zuvor
publizierten, Grading-bezogenen Detektionsraten der UICC I-Karzinome [12 ] die zugehörigen mammografischen Tumorzeichen, die – nach unabhängiger, qualifizierter
Doppelbefundung der Screening-Mammografie und resultierender Konsensuskonferenz –
zur Abklärungsdiagnostik führten. Die dokumentierten Tumorzeichen orientierten sich
entsprechend der Studienschulung am BIRADS-Atlas 5. Edition und bezogen sich auf die
Untersuchungsebene [19 ]. Die ergänzenden Charakterisierungen durch die Abklärungsdiagnostik flossen in die
Auswertung nicht ein.
Herdbefunde führen als häufigste Auffälligkeit einer Brustkrebserkrankung im DBT-Screening
[20 ]. Mit DBT+SM und DM war in der TOSYMA-Studie der Herdbefund das häufigstes Tumorzeichen
von Stadium-I-Karzinomen. Konform zur Literatur erreicht DBT eine höhere Detektion
für Mammakarzinome bis 20 mm als DM [21 ]. DBT+SM zeigte in der TOSYMA-Studie eine höhere Detektion gegenüber DM von +4,1/10 000
im Stadium I, die bei den histologischen Graden 2 oder 3 mit +2,6/10 000 stärker ausgeprägt
war bei Grad 1 (+1,5/10 000). Die Herdbefund-bezogene Detektionsrate im DBT+SM-Arm
von 13,7/10 000 entsprach 41% (68 von 166) der insgesamt entdeckten Mammakarzinome
im Stadium I der Grade 2 oder 3. Die DBT kann neben der Minderung von Maskierung zu
einer genaueren Bewertung der Randbegrenzung beitragen und hoch suspekte Morphologien
wie Spikulierung eindeutiger im Vergleich zur DM erkennen lassen [10 ]
[20 ]. Auch wenn Screening-detektierte, spikulierte Herdbefunde mit einer günstigen Prognose
beschrieben werden [22 ]
[23 ], dominiert mit DBT+SM nicht die Detektion von Mammakarzinomen mit Grad 1, sondern
von prognostisch bedeutenderem Grading [9 ]
[22 ].
Auch Mikroverkalkungen erbrachten mit DBT+SM häufiger Diagnosen von Mammakarzinomen
der Grade 2 oder 3 als mit DM. Zugleich war die Differenz der Detektionsraten nach
DBT+SM-Screening für Tumore vom Grad 2 und 3 (+2,3/10 000) größer als vom Grad 1 (+0,8/10 000).
Im DBT+SM-Arm wurden ca. 14% (24/166) der Mammakarzinome im UICC Stadium I vom Grad
2 oder 3 durch Mikroverkalkungen detektiert (DM ca. 12% (13/106)). Ursächlich könnte
die Kontraststeigerung von Mikroverkalkungen – trotz variierender technischer Auflösungsgrenzen
– sein [10 ]. Im Einklang dazu steht, dass mit DBT+SM die Detektion des duktalen Carcinoma in
situ versus DM keine markante Unterlegenheit in der TOSYMA-Studie aufwies (DBT+SM:
12/10 000; DM: 13/10 000) [11 ]. Mammakarzinome unter 15mm weisen mit Mikrokalkdarstellung ein erhöhtes Brustkrebssterberisiko
auf [24 ]. Ein Screening mit DBT+SM könnte daher die Diagnosehäufigkeit solch prognostisch
ungünstigerer Mammakarzinome gegenüber DM leichtgradig steigern. Die verwendete Gerätetechnologie
stützt keine Notwendigkeit einer doppelten Exposition (DBT+DM) zur Mikrokalkdarstellung
im Screening.
DBT+SM führte hinsichtlich der isolierten Architekturstörung ebenfalls zu einer höheren
Detektionsrate an Mammakarzinomen des Grades 1 wie auch der Grade 2 oder 3 als die
DM, allerdings waren die DR-Differenzen zwischen den Studienarmen für beide Grad-Strata
(+0,16 bzw. +0,20/10 000) sehr ähnlich. Demnach ist die Architekturstörung in der
Diagnostik von Mammakarzinomen im Stadium I nicht markant typisch für Mammakarzinome
vom Grad 1. Möglicherweise erlaubt DBT+SM eine etwas eindeutigere Wahrnehmung subtiler
Architekturstörungen in Verbindung mit Mammakarzinomen im Stadium I und entdeckte
so 11% (18/166) der Mammakarzinome des UICC-Stadiums I der Grade 2 oder 3 verglichen
mit ca. 7,5% (8/106) mit DM. Die Anzahl der durch Architekturstörungen im Screening
detektierten Mammakarzinome im Stadium UICC I vom Grad 1 lag in beiden Armen niedriger
als von den Graden 2 oder 3 (DBT+SM: 12 vs 18, DM: 4 vs. 8). Allerdings wird für DBT
eine höhere Rate benigner Abklärungen im Vergleich zu DM beschrieben, wie durch radiäre
Narben, Fibrose und Skleradenose [25 ].
Die größte Überlegenheit von DBT+SM gegenüber DM ergab sich durch die Kombination
einzelner Tumorzeichen (Grad 1: +6,1/10 000, Grad 2 oder 3: +6,3/10 000). Durch geringere
Überlagerungseffekte könnte die Sensitivität durch die Wahrnehmung einer Kombination
suspekter Zeichen gesteigert werden. Zum Beispiel kann DBT genauer als DM Verdichtungen
identifizieren, deren Kombination mit Mikroverkalkungen die Malignitätswahrscheinlichkeit
erhöht [26 ]. Von Mammakarzinomen im UICC-Stadium I vom Grad 2 oder 3 führte die Kombination
von Tumorzeichen mit einem DBT+SM-Screening zur Detektion von ca. 30% aller Tumore
(50/166). Die Wahrnehmung von kombinierten Tumorzeichen durch Befunder – oder perspektivisch
auch durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz – erscheint als Auffälligkeit im
Screening sehr bedeutsam [19 ].
Zu betonen ist dabei, dass die gesteigerte Tumordetektion im DBT+SM-Studienarm nicht
auf einer gesteigerten Rückrufrate zur Abklärungsdiagnostik (Rückrufraten DBT+SM:
4,9% vs. DM: 5,1%) beruhte, sondern mit einem höheren positiven prädiktiven Wert einherging
(PPV 1 DBT+SM: 17,2%, DM: 12,3%) [11 ].
TOSYMA ist die bisher größte randomisierte, kontrollierte Screening-Studie zur Untersuchung
von DBT+SM versus DM mit fast 100 000 Studienteilnehmerinnen. Sie ermöglicht ergänzende
explorative Auswertungen auf der Basis einer erfolgreichen Randomisierung. Der pragmatische
Ansatz hat ein hohes Maß an externer Validität und belegt auch die praktische Umsetzbarkeit,
insbesondere aufgrund der Einbeziehung zahlreicher Screening-Einheiten und Gerätetechnologien.
Alle Befunderinnen und Befunder waren erfahren und unterschieden sich weder zwischen
den Studienarmen noch zwischen der Studie und dem Routine-Screening [15 ].
Die Studie hat auch Limitationen. TOSYMA analysierte nur eine Screening-Runde, daher
könnten die Unterschiede zwischen den Studienarmen durch einen initialen Prävalenz-Screening-Effekt
mit DBT+SM beeinflusst sein. Darüber hinaus könnte eine Lernkurve in der Befundung
von Tomosynthesen vorhanden sein. Einen erschwerenden Einfluss auf die Befundung könnte
der Vergleich mit Voraufnahmen im DBT+SM-Arm gehabt haben, da im Screening-Programm
zuvor keine DBT+SM-Voruntersuchungen erstellt wurden [15 ]. Ferner wurden in der TOSYMA-Studie keine Subdifferenzierungen zu Herdbegrenzungen,
Kalkmorphologien oder Kalkanordnungen erhoben. Aufgrund der Vielzahl möglicher Kombinationen
radiologischer Tumorzeichen und folglich resultierender limitierender Fallzahlen wurde
auf eine differenzierte, vergleichende Darstellung innerhalb dieser Stratifizierungsgruppe
verzichtet.
Klinische Relevanz
Im DBT+SM-Screening ist die Detektionsrate von UICC-I-Mammakarzinomen im Vergleich
zur DM höher: Dazu tragen sowohl singuläre Tumorzeichen wie Herdbefunde, Mikroverkalkungen
und Architekturstörungen als auch ihre Kombinationen bei.
Die Detektionsraten von UICC-I-Mammakarzinomen Grad 2 oder 3 liegen in beiden Studienarmen
höher als die von Grad-1-Karzinomen: Dieser Zugewinn an Detektion von Grad 2 oder
3-Tumoren mit DBT+SM basiert etwa zur Hälfte auf der Kombination von Tumorzeichen.
Eine systematische Befundung von DBT+SM-Screening-Untersuchungen hat durch das gesteigerte
Erkennen verschiedener singulärer wie insbesondere kombinierter mammograpfischer Tumorzeichen
das Potenzial, intendierte Screeningeffekte zu verstärken.