Das mTOR-Molekül, das "mammalian target of rapamycin", war lange Zeit vor allem Transplantationsmedizinern ein Begriff. Inzwischen weiß man aber auch um seine Schlüsselfunktion innerhalb der intrazellulären Signalkaskaden der Zellproliferation, der Angiogenese und der Apoptose. "Wird mTOR 'aufgedreht', wachsen die Zellen schneller", erklärte Prof. Kurt Possinger, Berlin. Denn mTOR hat als zentrale Schaltstelle im PI3K/Akt-Signalweg eine Sensorfunktion für den Nährstoff- und Sauerstoffgehalt der zellulären Umgebung und reguliert so das Wachstumsverhalten der Zelle.
Interessant vor allem beim klarzelligen Nierenkarzinom
Interessant vor allem beim klarzelligen Nierenkarzinom
Vielversprechend ist die mTOR-Inhibition vor allem beim klarzelligen Nierenzellkarzinom, denn dieses ist mit einem Funktionsverlust des von-Hippel-Lindau (VHL)-Tumorsupressorgens assoziiert. Die Transkriptionsfaktoren HIF-1α und HIF-2α (HIF = "hypoxia inducible factor") können nicht mehr abgebaut werden, und angiogene und wachstumsstimulierende Molküle wie zum Beispiel der "vascular endothelial growth factor" (VEGF) werden verstärkt exprimiert. Eine Überaktivierung von mTOR wiederum führt zu einer gesteigerten HIF-1α-Genexpression.
Der bisherige Standard zur Therapie des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms, die Immuntherapie mit Interferon alfa (IFN-α), erlaube nur eine geringe Ansprechrate und verursache starke Nebenwirkungen, meinte Prof. Jürgen Gschwend, München. "Insbesondere bei Patienten mit hohem Risiko war dieser Ansatz nicht mit einem Therapieerfolg assoziiert, sondern nur mit Nebenwirkungen."
Besseres Überleben im Vergleich zum bisherigen Standard
Besseres Überleben im Vergleich zum bisherigen Standard
Gerade in dieser Situation ist Temsirolimus eine Alternative, erklärte Gschwend. Denn in der finalen Auswertung der ARCC[1]-Studie [4] lag das Gesamtüberleben von Hochrisikopatienten, die eine Temsirolimus-Monotherapie erhalten hatten, bei 10,9 Monaten und war damit gut 3 Monate länger als unter der IFN-α-Monotherapie. Auch das progressionsfreie Überleben fiel unter der Monotherapie mit Temsirolimus besser aus als bei Patienten, die mit dem Zytokin behandelt wurden (3,7 versus 1,9 Monate)
Von der Temsirolimus-Monotherapie profitierten Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom übrigens ebenso wie Patienten mit anderen Tumorhistologien, berichtete Gschwend [2]. Gleiches gilt auch für nephrektomierte und nicht nephrektomierte Patienten [5]
Erfreulicherweise zeigte Temsirolimus auch eine bessere Verträglichkeit als das Vergleichsregime [4]: Häufigste Nebenwirkungen (alle Grade) waren Asthenie (51%), Ausschlag (47%), Anämie (45%) und Übelkeit (37%). Nebenwirkungen der Grade 3 oder 4 traten im Vergleich zur Interferontherapie jedoch um 14% weniger auf. Dementsprechend war auch seltener eine Dosisreduktion nötig. Zudem brachen nur halb so viele Patienten die Behandlung ab, wenn sie nicht IFN-α, sondern den mTOR-Inhibitor erhalten hatten (7 versus 14%).
Potenzial bei anderen Tumorentitäten - Das Mantelzell-Lymphom
Potenzial bei anderen Tumorentitäten - Das Mantelzell-Lymphom
Der Einsatz von Temsirolimus wird auch bei anderen Tumorentitäten intensiv untersucht. Beim rezidivierenden oder therapierefraktären Mantelzell-Lymphom hat der Wirkstoff von der europäischen Arzneimittelbehörde EMEA inzwischen den Status als "Orphan Drug" erhalten. Grundlage für diese Empfehlung sind Studiendaten [3], die für eine Therapie mit 175 mg Temsirolimus pro Woche über drei Wochen und anschließender einmaliger Gabe von 75 mg in der darauffolgenden Woche im Vergleich zum Kontrollarm (Therapie der Wahl des behandelnden Arztes) ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben (4,8 versus 1,9 Monate) belegen. Auch bezüglich des Gesamtüberlebens war Temsirolimus von Vorteil, wenn auch der Unterschied die statistische Signifikanz verfehlte.
Nebenwirkungsspektrum verschiebt sich - Im Blick behalten!
Nebenwirkungsspektrum verschiebt sich - Im Blick behalten!
Ein Hand-Fuß-Syndrom wie unter einer Behandlung mit Tyrosinkinaseinhibitoren oder grippeähnliche Symptome (Fieber, Schüttelfrost) wie unter Interferon alfa sind mit Temsirolimus nicht zu erwarten. Allerdings kann sich unter der mTOR-Inhibition unter Umständen ein Diabetes mellitus, eine Fettstoffwechselstörung oder ein Hypertonus entwickeln, berichtete Prof. Thomas Otto, Neuss, die nach Absetzen der Behandlung auch wieder reversibel sind. "Bei diesen Nebenwirkungen kennen wir die Physiologie, da können wir eingreifen", meinte Possinger, "und wir können sie in der Regel beherrschen."
Auf das Gesamt- oder progressionsfreie Überleben hat das Auftreten solcher unerwünschter Wirkungen oder deren Behandlung jedoch keinen Einfluss [1], und auch die Lebensqualität der Betroffenen beeinflussten sie im Allgemeinen nicht [6].
Otto empfahl die Messung des Serumglukosespiegels unter einer Behandlung mit Temsirolimus, um einer diabetogenen Stoffwechsellage frühzeitig gegensteuern zu können. Eine Hypertonie oder periphere Ödeme lassen sich mit Diuretika und klassischen Antihypertensiva suffizient behandeln. Zudem habe sich - vor dem Hintergrund eines möglicherweise auftretenden Fatigue bzw. Asthenie-Syndroms - die Kontrolle und gegebenenfalls die Substitution der Serumelektrolyte wie Magnesium und Phosphat und der Schilddrüsenhormonparameter als sinnvoll erwiesen, meinte Otto.
sts
Quelle: Meet the Expert und Satellitensymposium "Temsirolimus: mTOR-Inhibition - Das neue Therapieprinzip" im Rahmen des Deutschen Krebskongresses sowie Presseinformation "ASCO 2008: Neue Ergebnisse zu Torisel® beim Nierenzellkarzinom und Mantelzell-Lymphom", veranstaltet bzw. herausgegeben von der Wyeth Pharma GmbH, Münster