Ein bislang weitgehend unterschätzter Aspekt bei der Transplantation (TX) solider
Organe wie der Niere ist für Prof. David Briscoe, Boston (USA), die Wechselbeziehung
von Verletzung und Reparatur. Man wisse, dass sich durch die Verstärkung physiologischer
Reparaturmechanismen selbst bei großen Läsionen der Langzeitschaden begrenzen lasse.
Das bedeute umgekehrt, dass sich bei der Behinderung dieser körpereigenen Instandsetzungsprozesse
bereits aus kleinen Läsionen extensive Gewebeschäden entwickeln könnten. Das bessere
Verständnis der nach einer Transplantation ablaufenden Reparaturvorgänge eröffne neue
Möglichkeiten für die Verbesserung des Langzeitüberlebens von Transplantaten. Eine
besondere Rolle scheine dabei der Intervention mit dem mTOR-Inhibitor Sirolimus (Rapamune®)
zuzukommen.
Besonders vulnerabel: vaskuläre Endothelzellen
Besonders vulnerabel: vaskuläre Endothelzellen
Im Mittelpunkt des von Briscoe veranschaulichten Szenarios stehen nicht - wie sonst
vorrangig beim Transplantatschutz durch Immunsuppressiva - die alloreaktiven T-Zellen.
Es fokussiert vielmehr auf die vaskulären Endothelzellen, weil diese sehr vulnerabel
auf Veränderungen der Sauerstoffversorgung wie beispielsweise bei Ischämie/Reperfusion
oder persistenten subakuten Abstoßungsreaktion reagieren. Störungen der renalen Mikrozirkulation
verhindern jedoch die suffiziente Versorgung der organspezifischen Zellen mit der
möglichen Konsequenz der Nephrondestruktion. Daher hängen die Chancen auf eine langfristige
Transplantatfunktion ganz wesentlich davon ab, wie gut die Revaskularisation bzw.
wie effizient die Anastomose von Spender- und Empfängergefäßen gelingen.
Im Gegensatz zur homöostatischen und damit reparativen Angiogenese in der frühen Post-Transplantationsphase
ist die Gefäßneubildung im späteren Verlauf meist pathophysiologisch. Trigger ist
allem Anschein nach eine Inflammation als Komponente akuter/subakuter Abstoßungsreaktionen.
Einmal induziert, verselbstständigt sich der Prozess gewissermaßen: Die Infiltration
von allogenetischen Leukozyten fördert die Freisetzung von Adhäsionsmolekülen und
Mediatoren wie vor allem VEGF ("vascular endothelial growth factor"), was wiederum
die Angiogenese stimuliert und die Leukozytenrekrutierung in Gang hält (Abb. [1]).
Abb. 1 Hypothese zur Rolle der Mikrozirkulation bei der Entwicklung der chronischen
Transplantatnephropathie. nach
[1]
Da die entzündungsinduzierte Neovaskularisation in der Regel unbeständig und der Blutfluss
unzureichend ist, trägt sie nicht zur Optimierung der Gewebeversorgung bei, sondern
geht mit Hypoxie und Endothelschaden einher, was dann letztlich zur tubulointestinalen
Fibrose und chronischen Transplantatnephropathie führen kann [1].
Unterbrechung des Circulus vitiosus
Unterbrechung des Circulus vitiosus
Eine zentrale Rolle bei diesen Reparaturvorgängen spielt auf molekularer Ebene nach
Aussage von Briscoe die Serin/Threonin-Kinase AKT. Wie man seit Kurzem wisse, werde
auch in den Endothelzellen die Phosphorylierung und Aktivierung dieses Enzyms maßgeblich
durch den Multiproteinkomplex mTOR ("mammalian target of rapamycin") gesteuert. Diese
Interaktion zwischen AKT und mTOR sei gewissermaßen der Schlüssel zum Verständnis
des zellbiologischen Hintergrunds der unter Immunsuppression mit Sirolimus bei nierentransplantierten
Patienten dokumentierten klinischen Effekte.
Vereinfacht gesagt wird mit der mTOR-Inhibition direkt (via Hemmung der Endothelzellproliferation)
und indirekt (via Abregulation der Expression von VEGF und anderen Transkriptionsfaktoren)
die (pathophysiologische) Angiogenese unterdrückt. Das schützt den Patienten zum einen
vor der chronischen Transplantatnephropathie und senkt zum anderen sein Risiko für
die Entwicklung von Malignomen [2].
Die AKT/mTOR-Signalkette in der Endothelzelle erklärt nach Auffassung von Briscoe
möglicherweise die - wenn auch seltenen - unerwünschten Effekte der mTOR-Inhibition
wie vor allem Wundheilungsstörungen bei Einsatz von Sirolimus unmittelbar nach Nierentransplantation
und Proteinurie bei Umstellung auf Sirolimus in der späteren Post-Transplantationsphase
mit bereits eingeschränkter glomerulärer Filtrationsrate. Der kritische Punkt sei
wahrscheinlich die patienteninterindividuelle Variabilität der basalen AKT-Aktivität.
Vermutlich gebe es einen Schwellenwert, ab dem die mTOR-Inhibiton unter Umständen
physiologische Reparaturvorgänge behindern bzw. die glomeruläre Integrität und Permselektivität
beeinträchtigen könne [3].
Gabriele Blaeser-Kiel, Hamburg
Quelle: Satellitensymposium "The Science of mTOR-Inhibition in Immunosuppression"
im Rahmen der "8th International Conference on New Trends in Immunosuppression and Immunotherapy" in
Berlin
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster