Der Schlaganfall ist zwar - nach Herzinfarkt und Krebserkrankungen - "nur" die dritthäufigste
Todesursache in Deutschland, allerdings der häufigste Auslöser einer bleibenden Behinderung.
Weltweit sind Schlaganfälle für mehr als 5 Millionen Todesfälle verantwortlich - mit
steigender Tendenz: Schätzungen zufolge wird die Inzidenz bis zum Jahr 2020 um weitere
30 % ansteigen, war jetzt auf dem World Stroke Congress (WSC) in Wien zu hören.
Patienten profitieren länger von der Thrombolyse als bislang belegt
Patienten profitieren länger von der Thrombolyse als bislang belegt
Seit über 10 Jahren sei die systemische Thrombolyse, beispielsweise mit dem Wirkstoff
Alteplase (Actilyse®), die wichtigste wissenschaftlich bewiesene und zugelassene Behandlung
akuter Schlaganfälle, so die Experten. Bislang war hierbei aufgrund der vorliegenden
Studiendaten ein Zeitfenster von maximal 3 Stunden vorgegeben.
Ein späterer Einsatz, so die Befürchtung, erhöhe die Gefahr von Hirnblutungen durch
die Wiedereröffnung des Gefäßes. Darüber hinaus habe die Ischämie dann bereits soviel
Gewebe zerstört, dass eine Wiedereröffnung keinen Sinn mehr mache - auch das befürchteten
die Experten. Erste Ergebnisse der ECASS[1]-3-Studie können dies jetzt widerlegen. Denn hier zeigte sich ein signifikanter Nutzen
der Alteplasetherapie auch innerhalb eines Zeitraums von 3-4,5 Stunden nach Einsetzen
der ersten Schlaganfallsymptome [1].
Studiendetails im Überblick
Studiendetails im Überblick
Insgesamt nahmen an der ECASS-3-Studie 821 Patienten aus 15 europäischen Ländern teil,
die in 2 Studienarme randomisiert wurden: 418 Schlaganfallpatienten wurden 3-4,5 Stunden
nach dem ersten Auftreten ihrer Symptome einer Thrombolyse mit Alteplase zugeführt,
403 erhielten Placebo. Primärer Studienendpunkt war der Grad der Behinderung nach
90 Tagen, gemessen anhand der modifizierten Rankin-Scale. Ein Wert von 0 auf dieser
Skala entspricht einem Patienten ohne Symptome, ansteigende Werte dokumentieren eine
immer höhere Beeinträchtigung (6 = Tod). Ein Wert von 0-1 war im Rahmen der Studie
als günstiges Ergebnis ("Outcome") definiert, ein Wert zwischen 2 und 6 wurde als
ungünstiges "Outcome" gewertet.
Mehr Patienten mit leichteren Behinderungen - auch nach 3 Stunden
Mehr Patienten mit leichteren Behinderungen - auch nach 3 Stunden
Rund 52,4 % mit Alteplase behandelten Patienten, aber nur 45,1 % der Patienten unter
Placebo sprachen gut auf die Therapie an und trugen keine oder nur geringfügige Behinderungen
davon (Abb. [1]). Demnach hatten die Alteplasepatienten eine um 34 % höhere Wahrscheinlichkeit für
ein günstiges Ergebnis als die Kontrollgruppe (p = 0,04). Auch 1,5 Stunden außerhalb
des zugelassenen Zeitfensters erhöht der Einsatz des Plasminogenaktivators also die
Wahrscheinlichkeit, dass Patienten nach einem Schlaganfall lediglich minimale oder
sogar keine Behinderungen haben.
ECASS 3: Grad der Behinderung auf der modifizierten Rankin-Scale-Verteilung der Scores.
nach [1]
Die Zahl der Todesfälle war mit etwa 8 % in beiden Studienarmen etwa gleich hoch.
Allerdings waren in der Thrombolysegruppe erwartungsgemäß mehr symptomatische intrakranielle
Blutungen zu verzeichnen (2,4 versus 0,3 %; p = 0,008) - eine Rate, wie sie aus den
vorangegangenen Studien bekannt ist.
Die positiven Ergebnisse aus ECASS 3 spiegeln sich auch im klinischen Alltag wider:
Die Daten des STS-ISTR[2], ein wissenschaftlich entwickeltes Register zur Thrombolyse bei akutem ischämischen
Schlaganfall, weisen in dieselbe Richtung [2]. Hier zeichnet sich ebenfalls ab, dass eine Behandlung in dem erweiterten Zeitfenster
ein vergleichbares klinisches Ergebnis ermöglicht, wie es Patienten aufweisen, die
früher behandelt werden.
Trotzdem bleibt es dabei: Je früher desto besser
Trotzdem bleibt es dabei: Je früher desto besser
"Dass wir mehr Zeit haben, heißt jedoch nicht, dass wir uns mehr Zeit nehmen dürfen",
warnte Prof. Werner Hacke, Heidelberg. Nach wir vor gelte es, Patienten mit Schlaganfallsymptomen
so schnell wie möglich in die Klinik zu bringen. Denn dass die Patienten umso mehr
Behinderungen davon tragen, je später sie behandelt werden, daran lassen auch die
neuen Daten keinen Zweifel.
Doch ECASS 3 stellt wichtige Weichen für die Zukunft: Auch Schlaganfallpatienten,
die nicht innerhalb von 3 Stunden in eine spezialisiertes Zentrum eingeliefert werden
können, können demnach effektiv behandelt werden. "Eine große Patientengruppe, die
derzeit von dieser Behandlungsmöglichkeit noch ausgeschlossen ist, könnte also in
Zukunft davon profitieren", kommentierte Hacke.
Alexander Wehr, Hamburg
Quelle: Pressegespräch und Satellitensymposium "Path breaking results in ischaemic
stroke therapy" im Rahmen des 6. World Stroke Congress, veranstaltet von der Boehringer
Ingelheim Pharma GmbH & Co. KG, Ingelheim