Diabetes aktuell 2008; 6(5): 230-231
DOI: 10.1055/s-0028-1101433
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Risikofaktoren für die Männergesundheit - Bauchumfang als Warnsignal - Testosteronmangel, erektile Dysfunktion und metabolisches Syndrom

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Publikationsdatum:
05. November 2008 (online)

 
Inhaltsübersicht

Bei vielen Männern kann man das metabolische Syndrom als Risikofaktor für eine Reihe von Erkrankungen schon per Blickdiagnose erahnen. Hinter dem Symptomkomplex aus Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhten Lipidspiegeln und Blutzuckerwerten könnte sich ein behandelbarer Testosteronmangel verbergen. Die beim metabolischen Syndrom sichtbare "Strandperle", d. h. der erhöhte Bauchumfang und die häufig auftretenden Erektionsstörungen, sind Alarmzeichen, die ernst genommen und umfassend behandelt werden sollten.

Männer gehen ungern zum Arzt, ignorieren Krankheitssymptome und machen auch wesentlich seltener Termine für Vorsorgeuntersuchungen als Frauen. Hier ist ein erhöhter Bauchumfang, die männliche "Strandperle", nicht nur der Einstieg in ein eingehendes Gespräch über mögliche Probleme, sondern auch ein Alarmzeichen. So öffnen auch Beschwerden wie die erektile Dysfunktion (ED) ein Fenster zur Männergesundheit, weil die ED ein Indikator für Hypertonie, Gefäßerkrankungen oder Diabetes sein kann.

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Das kardiometabolische Bermudadreieck

Grundlage der Strategie, die Diagnostik und Therapie von erektiler Dysfunktion und Testosteronmangel in ein ganzheitliches Konzept der Männergesundheit einzubetten, ist der Zusammenhang zwischen metabolischem Syndrom und Testosteronmangel, die sich gegenseitig bedingen und verstärken können. Alle Komponenten des metabolischen Syndroms wie Hypertonie, Dyslipidämie, Diabetes oder Übergewicht sind Grunderkrankungen mit erhöhtem ED-Risiko. Da auch der Testosteronmangel mit ED einhergeht, schließt sich das Dreieck.

Am Beispiel eines Patienten erläuterte der Endokrinologe und Diabetologe Professor Armin Heufelder aus München, dass besonders Männer im mittleren Alter neben psychischen Symptomen wie Reizbarkeit, Konzentrationsproblemen und Gedächtnisschwäche häufig auch körperliche Symptome zeigen. Dazu gehören etwa Müdigkeit, Muskel- und Gelenkbeschwerden und nachlassende Muskelkraft, und insgesamt führt dies zu einer verminderten Leistungsfähigkeit und eingeschränkten Lebensqualität. Hinter all diesen Symptomen kann sich ein Testosteronmangel verbergen. Bei sinkenden Testosteronspiegeln beobachtet man eine graduelle Zunahme der Beschwerden, die jedoch nicht bei allen Männern gleich ausfalle, so Heufelder.

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Testosteronspiegel und Bauchumfang

Gerade das bauchbetonte Körperfett ist mit vielen kardiovaskulären Risikofaktoren und Begleiterkrankungen gekoppelt. Das viszerale Fettgewebe ist metabolisch hochaktiv; hier werden eine Reihe von Hormonen und Zytokinen synthetisiert. Unter anderem wird auch die Insulinausschüttung stimuliert, was wiederum die Testosteronspiegel beeinflusst. "Das Testosteron geht in die Knie, weil man zu viel Bauchfett angesammelt hat", so Heufelder. In der Praxis zeige sich auch häufig, dass Menschen mit hohen Insulinspiegeln kaum abnehmen, weil sie in dieser "Insulinfalle" kaum eine Chance dazu haben. Je mehr Komponenten des metabolischen Syndroms Männer mit Sexualfunktionsstörungen zeigen, desto niedriger fallen ihre Testosteronspiegel aus. "Der Testosteronmangel wird um so schlimmer, je mehr der Stoffwechsel entgleist", resümierte Heufelder. "Etwa ein Drittel der Diabetiker zeigt einen Testosteronmangel, bei fortgeschrittenem Diabetes sogar bis zu zwei Dritteln." Bei übergewichtigen Männern habe sich der freie Androgenindex, das Verhältnis von Gesamttestosteron zu SHBG, als bester Anhaltspunkt für einen Testosteronmangel erwiesen. Normalwerte liegen hier über 45 %.

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Testosteron ergänzt Basismaßnahmen beim metabolischen Syndrom

Regelmäßiges körperliches Training und eine Gewichtsabnahme sind die wichtigsten Ansatzpunkte, mit denen Blutdruck, Insulinresistenz und Hyperinsulinämie gesenkt werden können. Mit einer Bestimmung der Testosteronspiegel kann man abklären, ob dem Symptomkomplex ein Hormonmangel zugrunde liegt. Testosteron kann hier langfristig den Abbau der Fettmasse unterstützen. In der Europäischen Testogel®-Studie zeigten Teilnehmer mit altersbedingtem Testosteronmangel unabhängig vom Alter und vom Ausgangswert bei einer Testosteronsubstitution eine deutlich bessere Abnahme des Körperfetts als die Placebogruppe.

In einer Pilotstudie mit 32 frisch diagnostizierten Typ-2-Diabetikern verglich Heufelder, wie sich Ernährungsberatung und Training im Vergleich zu Veränderungen im Lebensstil plus Testosteron auswirkten. Nach einem Jahr sank der Bauchumfang in der Kontrollgruppe um 6,7 cm, bei ergänzender Testosteron-Gabe hingegen um 14,6 cm auf 93,3 cm und damit unter die von der Internationalen Diabetes Föderation empfohlenen IDF-Zielwerte. Auch die Langzeitblutzuckerwerte besserten sich nach einem Jahr und sanken auf einen HbA1c-Wert von 6,3 unterhalb der IDF-Zielwerte (Abb. [1]). Heufelder betonte, dass diese Effekte ohne zusätzliche Medikation, rein mit Lebensstilveränderungen und einem Ausgleich des Testosteronmangels zustande kommen.

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Abb. 1 Testosterongabe senkt HbA1c bei frisch diagnostizierten Diabetikern noch deutlicher ab als Ernährung und Bewegung alleine.

"Bei Testosteronmangel ist der Ausgleich des Hormondefizits keine Frage von Wellness und keine Anti-Aging-Maßnahme, sondern eine fundamentale Maßnahme, um den Patienten zu ermöglichen, Fett abzubauen und Muskelmasse aufzubauen, die Insulinsensitivität und andere Faktoren des metabolischen Syndroms zu verbessern", fasste Heufelder zusammen.

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Blick über die Mauer des Schweigens

Das metabolische Syndrom und der mögliche Testosteronmangel sollten auch für die Frage nach einer erektilen Dysfunktion sensibilisieren. Denn nach Schätzungen ist jeder fünfte Mann einmal in seinem Leben von ED betroffen und für die meisten Männer ist dies immer noch ein Tabuthema. In Deutschland wären das zwischen 4 und 6 Millionen Männer, von denen jedoch nur 15 % bis 20 % behandelt werden. Neben psychogenen Faktoren gibt es eine Reihe organischer Ursachen. Diese sind bei etwa 70 % der Fälle für Erektionsstörungen verantwortlich, erläuterte Dr. Kornelia Hackl, niedergelassene Fachärztin für Urologie und Andrologie in München. Das metabolische Syndrom stellt einen wichtigen Risikofaktor für die erektile Dysfunktion (ED) dar. Komponenten wie Rauchen, Hypertonie, Diabetes, Dyslipidämie und Adipositas führen zu einer Gefäßschädigung, die als endotheliale Dysfunktion und Arteriosklerose häufig Vorstufen kardiovaskulärer Ereignisse sind.

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ED als "kleiner Herzkatheter"

"Die ED kann ein erstes Anzeichen einer generalisierten ubiquitären Gefäßerkrankung und damit auch einer KHK sein", warnte Hackl. Am Penis manifestieren sich Gefäßveränderungen schon früh als ED, die im Bereich des Herzen als koronare Herzerkrankung auftreten. Auch viele Diabetiker nehmen eine ED noch vor pathologischen Blutzuckermessungen wahr. Man beobachtet hier eine enge Korrelation zwischen dem Schweregrad der ED und dem Schweregrad der KHK. "Die ED ist das erste apokalyptische Zeichen, ein Frühsymptom, ein Warnsignal, das ernst zu nehmen ist, weil sich dahinter eine generalisierte Gefäßerkrankung erstmals manifestiert hat", so Hackl. Die ED kann der KHK um bis zu 2 Jahre vorausgehen. Deshalb sei es so elementar, die ED zu diagnostizieren und als Symptom einer bisher unerkannten Grunderkrankung zu hinterfragen.

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Wirksame Therapie mit Vardenafil

In der Therapie der ED gelten die PDE-5-Hemmer inzwischen als Goldstandard. Sie unterscheiden sich in ihrer Pharmakokinetik in der Anflutung und der Halbwertszeit. Unter den 3 am Markt erhältlichen PDE-5-Hemmern zeigt Vardenafil (Levitra®) den schnellsten Wirkeintritt: bei einigen Männern ist bereits 10 Minuten nach Einnahme die maximale Plasmakonzentration erreicht, im Allgemeinen nach 25 Minuten, wobei die Wirkdauer bis zu 12 Stunden betragen kann.

In einer im Frühjahr auf dem Europäischen Urologenkongress in Mailand vorgestellten internationalen Studie zeigte sich, dass der PDE-5-Hemmer Vardenafil auch bei Männern mit Lipidstörungen wirksam und sicher eingesetzt werden kann. Bei 386 ED-Patienten, die mindestens einen Lipidsenker einnahmen, verbesserte Vardenafil die erektile Funktion und bewies damit seine Wirksamkeit (Abb. [2]). Als Endpunkt wurde hier nicht nur eine erfolgreiche Erektion gewertet, sondern als härteres Kriterium musste die Frage nach einer lustvollen Erektion und einem erfolgreichen Geschlechtsverkehr bejaht werden (SEP-3-Frage). Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder der einem leichten Erröten ähnlichen "Flush" sind laut Hackl moderat und zeitlich limitiert. Zu den Kontraindikationen zählen die Einnahme von Nitraten und NO-Donatoren, ein kürzlich erlittener Herzinfarkt oder Schlaganfall (binnen 6 Monaten), eine instabile Angina pectoris oder Hypotonie mit Kollapsneigung. Herzinfarkt und Schlaganfall sind keine prinzipiellen Kontraindikationen, was bei Unsicherheiten mit dem Internisten oder Kardiologen abgeklärt werden sollte.

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Abb. 2 Vardenafil bei ED-Patienten mit Dyslipidämie.

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ED und Testosteronmangel

Testosteronmangel ist eine der möglichen Ursachen von ED, so dass man hier bei einer Testosteronsubstitution auch Effekte auf die ED sehen kann. Durch die Gabe von Testosteron steigt die Libido, die sexuelle Erregbarkeit wird verbessert. Unter der Einnahme von Testosteron kann mit einer besseren Reaktivität der Schwellkörper auch ein verbessertes Ansprechen auf PDE-5-Hemmer beobachtet werden. "Bei Non-Respondern kann, unter der Maßgabe eines Testosteronmangels, durch die Testosterongabe und ein damit wieder ausgeglichenes Hormonmilieu eine Konversion zu Respondern auftreten" meint Hackl und empfiehlt bei diesen Patienten das Bestimmen der Testosteronspiegel und eine entsprechende Substitution.

Bei Testosteronmangel und ED können also beide Varianten auftreten: Bei hypogonadalen Patienten zeigen PDE-5-Hemmer oft eine unzureichende Wirkung, so dass eine zusätzliche Testosteronsubstitution erforderlich ist. Genauso reicht in der Praxis bei einigen Patienten Testosteron allein nicht aus, um die ED zu beseitigen, so dass hier die zusätzliche Gabe von PDE-5-Hemmern erforderlich ist.

Martina Freyer

Quelle: Pressegespräch der Bayer Vital GmbH: "Wenn die männliche ‚Strandperle' immer weiter wächst. Testosteronmangel, erektile Dysfunktion und metabolisches Syndrom - Zusammenhänge und Behandlungsmöglichkeiten", 12. Juni 2008 in München

 
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Abb. 1 Testosterongabe senkt HbA1c bei frisch diagnostizierten Diabetikern noch deutlicher ab als Ernährung und Bewegung alleine.

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Abb. 2 Vardenafil bei ED-Patienten mit Dyslipidämie.