Der Klinikarzt 2008; 37(11): 512
DOI: 10.1055/s-0028-1103090
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Hoher Aufwand, wenig Erfolg - Psychologische Intervention bei orthopädischer Rehabilitation

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Publication Date:
30 November 2008 (online)

 
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    Quelle: Bandemer-Greulich U, Bosse B, Fikentscher E et al. Wirksamkeit psychologischer Interventionen auf die Schmerzverarbeitung innerhalb einer orthopädischen Rehabilitation von chronischen Rückenschmerzen. Psychother Psych Med 2008; 58: 32-37

    Thema: Psychosoziale Faktoren fördern die Chronifizierung von Rückenschmerzen: Typisch ist die Angst vor den Schmerzen, die über ein Vermeidungsverhalten zur muskulären Insuffizienz und dadurch zur Chronifizierung der Schmerzen führen kann ("Fear-Avoidance-Pattern". Auch eine durch suppressives Verhalten ausgelöste, übermäßige Muskelaktivität kann dazu beitragen ("Endurance-Pattern"). Ein biopsychosoziales Behandlungskonzept, das beide Muster berücksichtigt, sollte daher den Effekt einer orthopädischen Rehabilitation verbessern können.

    Projekt: Genau dies versucht Prof. Monika Hasenbring, Bochum, mit ihrem Konzept aus Schmerzbewältigungstraining, "euthymem Training" und "konzentrativer Entspannung", das in das übliche orthopädische Rehabilitationsprogramm integriert wurde.

    Ergebnis: Trotz des erheblichen zeitlichen, personellen und finanziellen Aufwands waren die Erfolge nur gering. Zwar besserte die zusätzliche psychotherapeutische Behandlung im Vergleich zur konventionellen orthopädischen Rehabilitation die Schmerzbewältigung der Patienten auf emotionaler (Angst/Depressivität, gereizte Stimmung) und kognitiver Ebene (Katastrophisierung, Durchhalteappell) etwas - der Effekt blieb jedoch marginal. Am besten war die Wirkung noch auf der emotionalen Ebene: Angst und Depressivität wurden während der 3-wöchigen Rehabilitation abgebaut (übrigens auch unter dem konventionellen Ansatz). Doch dies war nach einem halben Jahr bereits wieder verflogen.

    Fazit: Auch in diesem Modellprojekt ist die Integration psychologischer Konzepte in die Rehabilitation von Patienten mit chronifizierten Rückenschmerzen nicht überzeugend gelungen. Ein Grund ist möglicherweise die relativ kurze Dauer der Maßnahme. Eine im Mittel 10 Jahre dauernde Krankheitskarriere mit verfestigter Schmerzverarbeitung kann wahrscheinlich nicht in 3 Wochen kuriert werden. Schwerwiegender scheint jedoch die fehlende Motivation der Patienten zu sein. Sie standen den psychosozialen Modulen des Programms häufig so ablehnend gegenüber, dass sie trotz der etwas besseren Ergebnisse der integrierten Rehabilitation insgesamt unzufriedener waren.

    Schlüsselwörter: chronische Rückenschmerzen - Vermeidungsverhalten - suppressives Verhalten - biopsychosoziale Behandlung