Dialyse aktuell 2008; 12(8): 506-508
DOI: 10.1055/s-0028-1104653
Forum der Industrie

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Nachlese - 4. Stuttgarter Nephrologisches Seminar

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Publication Date:
01 December 2008 (online)

 
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Der Fokus des Stuttgarter Nephrologischen Seminars unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Mark Dominik Alscher, Prof. Christoph Olbricht und Dr. Thomas Schneider liegt traditionsgemäß auf den Heimdialyseverfahren. Das Seminar ist eine gemeinsam ausgerichtete Tagung der nephrologischen Kliniken des Robert-Bosch-Krankenhauses und des Klinikums Stuttgart sowie des Nephrologischen Zentrums in der Wolframstraße und wird von der Firma Fresenius Medical Care unterstützt. Es richtet sich an das gesamte nephrologische Team, also die Ärzte und Fachpflegekräfte.

Kernpunkte des Seminars, das am 11. Oktober stattfand, sind die praxisnahen Workshops zur Peritonealdiayse (PD) und (Heim-)Hämodialyse (HD). Die über 100 Teilnehmer konnten zwischen einer großen Bandbreite an Themen wählen und sich an Diskussionen zu relevanten Aspekten des Dialysealltags beteiligen. Neben den Praxisworkshops HD und PD bot das Seminar auch wissenschaftliche Beiträge jenseits der reinen Dialysemedizin zu aktuellen Themen aus den Bereichen Nephrologie und Transplantation. Nicht zuletzt ist es der Themenvielfalt und der hohen Qualität der Vorträge zu verdanken, dass das Nephrologische Seminar über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus bekannt ist.

Die Stuttgarter Veranstaltung findet alle 2 Jahre statt und wurde 2002 auch durch das persönliche Engagement von Prof. Hans-Wilhelm Schneider, der im letzten Jahr verstarb, initiiert. Dr. Manfred Fromme, Stuttgart, nutzte den Auftakt der diesjährigen Veranstaltung zu einer bewegenden Gedenkrede und erinnerte an das Lebenswerk und die wissenschaftlichen Leistungen seines Kollegen.

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ABO-inkompatible Nierenlebendspende

Dr. Georg Hasche, Stuttgart, berichtete über den Stand der ABO-inkompatiblen Nierenlebendspende. Transplantatfunktion und -überleben der inkompatiblen Lebendspende sind in etwa mit der kompatiblen vergleichbar [1], die Kosten jedoch nicht. Während in Japan in den letzten Jahren zur Konditionierung des Empfängers eine Splenektomie durchgeführt wurde, setzt man in Deutschland neben einer spezifischen Immunadsorption Rituximab ein, um die Blutgruppen-Antikörper-Bildung zu blockieren. Der Einsatz des effektiven CD-20-Antikörpers erhöht die allgemeine Infektionsanfälligkeit kaum (41 versus 38 %) [2], geht aber möglicherweise mit einer höheren Inzidenz von Erkrankungen durch das JC- und das BK-Virus einher.

Von besonderer Wichtigkeit bei blutgruppeninkompatibler Spende ist das Arzt-Patienten-Gespräch. Empfänger und Spender müssen Geduld und eine gewisse zeitliche Flexibilität mitbringen, denn die Patienten sprechen unterschiedlich auf die Immunadsorption an. In seltenen Fällen kann der Erfolg sogar ganz ausbleiben, was die Patienten vorab wissen sollten. Insgesamt sind die Ergebnisse blutgruppeninkompatibler Lebendspenden jedoch gut - zumal sie eine reelle Chance für Menschen mit der Blutgruppe 0 darstellt, denen ansonsten nur Organe der eigenen Blutgruppe transplantiert werden könnten. Mit zusätzlichen Kosten von zirka 4 000 Euro pro Immunadsorption und zirka 2 000 Euro für die Behandlung mit Rituximab, ist dieses Verfahren zwar mit höheren Kosten als eine kompatible Transplantation verbunden, rechnet sich aber dennoch langfristig im Vergleich mit einer Dauerdialysetherapie.

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Welche Rolle spielt das Alter bei der Transplantation?

Über Nierentransplantation bei älteren Patienten sprach Prof. Ulrich Frei, Berlin. Das zugrunde liegende Problem ist, dass die Wartezeiten mit bis zu 72 Monaten nach wie vor zu lang sind und niereninsuffiziente Patienten immer älter werden - ebenso wie die zur Verfügung stehenden Organe [3]. Wurden Organe älterer Spender früher häufig verworfen, wird dieses Potenzial heutzutage manchmal bis an seine medizinischen Grenzen ausgeschöpft.

Grundsätzlich profitieren auch ältere Empfänger von einer Transplantation, doch die Zahl verwendbarer Organe jüngerer Spender ist unzureichend. Bei Eurotransplant kann ein Patient auf der Warteliste ab 65 Jahren ins "Senioren-Programm" wechseln, was die Wahrscheinlichkeit, eine Niere zu bekommen, stark erhöht. Amerikanische Kritiker des Programms befürchteten zunächst eine Benachteiligung jüngerer Patienten. Wie verschiedene "old to any"- versus "any to old"-Vergleiche jedoch zeigen konnten, ist es für jüngere Empfänger in Hinsicht auf die Funktionsprognose des Transplantats ungünstig, wenn sie ein älteres Organ erhalten [5].

Außerdem nimmt mit zunehmender Dialysedauer der durch eine Transplantation zu erwartende Benefit ab [4]. Daher ist gerade für ältere Patienten eine möglichst kurze Wartezeit entscheidend, um von einer Transplantation wirklich in Bezug auf eine Lebensverlängerung zu profitieren. Vor all diesen Daten und Hintergründen gilt es darüber nachzudenken, ob und welche weiteren Änderungen in der Allokation sinnvoll sind. Frei regte an, nicht nur das voraussichtliche Transplantatüberleben, sondern auch die durch eine Transplantation voraussichtlich gewonnenen Lebensjahre in den Verteilungsalgorithmus einzubeziehen.

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Nachsorge nach Transplantation gehört in die Hände von Nephrologen

Die Nachsorge von nierentransplantierten Patienten stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Fromme. Das Nachsorgeschema sieht vor, dass die Patienten in den ersten 3 Monaten nach der Transplantation wöchentlich untersucht werden, nach 3 Monaten dann im Abstand von 2-4 Wochen und nach einem Jahr dann nur noch alle 8 Wochen.

Zum einen geht es darum, die Transplantatfunktion zu überwachen, um etwa bei Verdacht auf eine sich entwickelnde chronische Transplantatnephropathie frühzeitig reagieren zu können (z. B. Nierenbiopsie zur Diagnosesicherung). Die Patienten müssen sich zudem einer umfassenden Jahreskontrolluntersuchung unterziehen, die unter anderem Abdomensonografie, Röntgen-Thorax, Belastungs-EKG, Langzeit-RR-Messung, Echokardiografie, viele Blutwerte, sowie fachärztliche (z. B. dermatologische) Untersuchungen umfasst. Malignome treten unter immunsuppressiver Therapie häufiger auf, weshalb die Früherkennung besonders wichtig ist.

Auch die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität nach Transplantation ist ein Problem. Risikofaktoren sind Posttransplantationsdiabetes, Hypertonie und Hyperlipidämie. Ein großer Risikofaktor sind auch lange Dialysezeiten: "Je länger ein Patient dialysepflichtig war, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Herz- und Gefäßerkrankungen entwickelt", so Fromme. Wichtig ist es, all diese Risikofaktoren zu kennen und zu reduzieren - sei es durch eine individualisierte Immunsuppression oder durch die Therapie der Hypertonie oder Hyperlipidämie. Die Nachsorge muss daher unbedingt in den Händen der Nephrologen bleiben, wie Fromme betonte.

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Hämodiafiltration weckt Hoffnung auf bessere Überlebensraten

"Hämodiafiltration (HDF) = Hämodialyse PLUS Hämofiltration" - diese Formel ergibt eine verbesserte Clearance durch gleichzeitigen diffusiven und konvektiven Stofftransport, erläuterte Dr. Christoph C. Haufe, Erfurt. Die HDF hat noch weitere Vorteile: Es werden hochpermeable, biokompatible Dialysemembranen und hochreines Wasser bzw. steril filtrierte Dialysierflüssigkeit eingesetzt. Diese Faktoren haben einen positiven Einfluss auf die renale Anämie und den Knochenstoffwechsel sowie auch auf Probleme wie intradialytische Instabilität von HD-Patienten, Mangelernährung, Azidose und dialyseassoziierte Hypotension. Offen bleibt die Frage, welche Komponente des HDF-Verfahrens den stärksten positiven Effekt hat.

Für High-Flux-Membranen wurde eine geringere Inzidenz von kardial bedingten Todesfällen nachgewiesen. Sie sollten vor allem verwendet werden, um Langzeitkomplikationen zu verzögern [6]. Hinzu kommt eine bessere Anämiekontrolle [7]. Die hohe Permeabilität von High-Flux-Membranen wird besonders mit der Online-Hämodiafiltration (große Substitutionsvolumina bei geringen Mehrkosten) optimal genutzt. Dabei wird das Kalzium-Phosphat-Produkt signifikant reduziert, Inflammation und Dyslipidämie werden günstig beeinflusst, hypotensive Ereignisse reduzieren sich und die kardiovaskuläre Mortalität nimmt ab [8].

Auch wenn bisherige Untersuchungen zur Hämodiafiltration eine retrospektive Ausrichtung hatten und die Ergebnisse großer prospektiver Studien noch fehlen, so lässt das HDF-Verfahren deutliche Überlebensvorteile erwarten, was sich in den 2007 neu erschienenen Europäischen Dialyseleitlinien [9] auch erstmals widerspiegelt.

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Bei Dialysepatienten kein Kontrastmittel-MRT durchführen

Über die nephrogene systemische Fibrose (NSF), eine sklerodermieartige fibrosierende Erkrankung, wurde 1997 erstmals berichtet. Dr. Martin Kimmel, Stuttgart, ging auf die Erkrankung ein, die durch eine systemische Vermehrung von fibroblastenähnlichen Zellen gekennzeichnet ist. Betroffen sind die Extremitäten, seltener der Stamm. Gesicht und Nacken bleiben typischerweise ausgespart. Es entstehen holzartige Verhärtungen der Haut, die schnell zu Gelenkkontrakturen, Immobilisierung und Rollstuhlpflichtigkeit führen.

Auch wenn die NSF relativ selten auftritt - laut Shabana [10] in 2,9 % einer mit Gadolinium behandelten Dialysepopulation -, nimmt sie häufig einen letalen Verlauf. Die mittlere Überlebenszeit nach Diagnosestellung beträgt lediglich 112 Tage [11]. Interessanterweise scheinen PD-Patienten ein höheres Erkrankungsrisiko als HD-Patienten zu haben. Seit geraumer Zeit wird ein Zusammenhang zwischen magnetresonanztomografischen Untersuchungen und dem Auftreten der NSF bei niereninsuffizienten Patienten beschrieben [12], weshalb gadoliniumhaltige Kontrastmittel in den CKD-Stadien 4 und 5 als kontraindiziert gelten.

Grundsätzlich sollte daher bei Dialysepatienten kein Kontrastmittel-MRT durchgeführt, sondern alternative Bildgebungsverfahren gewählt werden. Ist ein MRT unumgänglich, ist die Gabe eines zyklischen gadoliniumhaltigen Kontrastmittels in möglichst niedriger Dosis angeraten, bei HD-Patienten sollte dann im Anschluss eine Dialyse durchgeführt werden. Die Prävention der NSF ist von zentraler Bedeutung, da es bislang keine effektive Therapie dieser Erkrankung gibt.

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Praxisrelevante Fragen zu den PD- und HD-Verfahren

Im Anschluss dieser nephrologischen Vorträge fanden parallel 2 Workshops zur Peritonealdialyse und Hämodialyse statt. Hier standen praxisrelevante Fragen zu den Verfahren im Vordergrund: Beim PD-Workshop stellte Dr. Christian Friedrichsohn, Villingen-Schwenningen, über PD-Katheter-Typen und Implantationstechniken vor, Frau Christa Tast, Stuttgart, sprach über die optimale Exitversorgung und Prof. Mark Dominik Alscher über Strategien zum Erhalt der Membranfunktion. Dr. Thomas Schneider, Stuttgart, diskutierte die Frage "Funktionstests - wozu?" und Dr. Reinhard Wanninger, Braunschweig, schloss die Veranstaltung mit seinem Vortrag zur PD bei dialysepflichtigen herzinsuffizienten Patienten.

Ähnlich breit gefächert war das Programm des HD-Workshops: Dr. Michael Nebel, Köln, berichtete über Ergebnisse der hochfrequenten und der Langzeit-HD. Anschließend wurden verschiedene Möglichkeiten zur Optimierung der Dialyse diskutiert. Dr. Volker Mickley, Rastatt, beleuchtete diesbezüglich den Aspekt des Gefäßzugangs, Beate Spindler, Ludwigsburg, den der Shuntpflege und Dr. Christoph Machleidt, Stuttgart, den des Shuntmonitorings. Dr. Jens Wilhelm, Stuttgart, ging auf die Kreislaufstabilität ein und Dr. Niko Braun, Stuttgart, erläuterte, wie durch die Therapie der Hypertonie auch die Dialyse optimiert werden kann.

Das nächste Stuttgarter Nephrologische Seminar wird 2010 stattfinden - und sicher wieder wie in diesem Jahr durch eine thematische Bandbreite und wissenschaftliche Tiefe überzeugen.

Dr. Bettina Albers, Weimar

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Fresenius Medical Care Deutschland GmbH, Bad Homburg

Die Beitragsinhalte stammen vom "4. Stuttgarter Nephrologischen Seminar", unterstützt von Fresenius Medical Care Deutschland GmbH, Bad Homburg

Die Autorin ist Mitarbeiterin der PR-Agentur albersconcept

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Literatur

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