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DOI: 10.1055/s-0028-1104660
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Renale Anämie - Epoetin-alfa-Biosimilar: Neue Option in der Anämietherapie
Publication History
Publication Date:
01 December 2008 (online)
- Das Biosimilar ist therapeutisch äquivalent zum Referenzprodukt
- Vergleichbares Sicherheitsprofil
- Phase-III-Studie an Tumorpatienten
- Hintergründe zum ersten Epoetin-Biosimilar
- Fazit
- Literatur
Rund 90 % der Hämodialysepatienten benötigen eine Anämietherapie [1]. "Die entsprechenden Behandlungskosten betragen etwa 15 000 Euro pro Patient und Jahr", sagte Prof. Roland M. Schaefer, Münster. Es ist also sinnvoll, sich das kostengünstigere Epoetin-alfa-Biosimilar (Epoetin alfa HEXAL®) einmal etwas näher anzuschauen: Es bietet einen Preisvorteil von bis zu 38 % im Vergleich zum Festbetrag des Referenzproduktes (Erypo®) (Stand Lauer-Taxe: 15.09.2008).
Biosimilars sind Nachfolgepräparate biotechnologischer Arzneimittel, deren Patentschutz abgelaufen ist. Analog zum Referenzprodukt, gegen das getestet wird, durchlaufen Biosimilars zahlreiche klinische Studien zum Nachweis der vergleichbaren Wirksamkeit und Sicherheit.
#Das Biosimilar ist therapeutisch äquivalent zum Referenzprodukt
In einer randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Studie (Deutschland und Österreich) wurde die 1:1-Umstellung des Referenzprodukts auf das Biosimilar an Hämodialysepatienten untersucht [2]. "Es handelte sich um ein typisches Patientenkollektiv, wie es uns in der Praxis begegnet", erläuterte Schaefer. "Das Durchschnittsalter lag bei 62 Jahren, und häufige ursächliche Primärerkrankungen waren Diabetes mellitus und Hypertonie", so Schaefer.
Es wurden nur klinisch stabile Hämodialysepatienten in die Studie aufgenommen. Ein Einschlusskriterium war daher ein stabiler Hämoglobinspiegel im damals gültigen Zielbereich von 10-13 g/dl für mindestens 12 Wochen vor dem Einschluss. Ein weiteres Einschlusskriterium war eine stabile i. v. (intravenöse) Dosis des Referenzprodukts. Die Patienten erhielten nun über 28 Wochen 3-mal pro Woche eine i. v.-Injektion des Biosimilars oder weiterhin das Referenzprodukt (randomisiert im Verhältnis 2:1).
Im Anschluss an die doppelblinde Phase erhielten alle Patienten für weitere 28 Wochen unverblindet das Biosimilar. Über den gesamten Zeitraum von 56 Wochen wurden wöchentlich Hb-Werte (Hb: Hämoglobin) gemessen sowie Dosisänderungen, der klinische Verlauf und unerwünschte Ereignisse aufgezeichnet.
Die Studie zeigte, dass das Epoetin-alfa-Biosimilar in der i. v.-Behandlung der Anämie bei chronischer Niereninsuffizienz therapeutisch äquivalent zum Referenzprodukt ist (Abb. [1]; [2]) . Während der gesamten Studiendauer über 56 Wochen blieb die wöchentliche Dosis stabil, auch nach der Umstellung auf das Biosimilar (Abb. [2]; [2]).
Die Responder lagen in beiden Gruppen bei 81 % (Per-Protokoll-Population): Bei diesen Patienten lag der mittlere Hb-Wert sowohl bei Studieneinschluss als auch nach 28-wöchiger Behandlung im Zielbereich. Eine Dosisänderung war bei 17 % der Patienten in der Biosimilar- und bei 20 % der Referenzgruppe erforderlich (Per-Protokoll-Population) [2].
#Vergleichbares Sicherheitsprofil
Die Studie belegte, dass die Sicherheit beider Präparate in der i. v.-Behandlung bei chronischer Niereninsuffizienz vergleichbar ist [2]:
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Es traten keine relevanten Unterschiede im Sicherheitsprofil zwischen dem Epoetin-alfa-Biosimilar und dem Referenzprodukt auf.
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Die unerwünschten Ereignisse waren typisch für Dialysepatienten und für eine Epoetinbehandlung.
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Nach einer Langzeitbehandlung von über 12 Monaten wurden weder epoetinspezifische Antikörper noch klinische Anzeichen einer Erythroblastopenie nachgewiesen.
Phase-III-Studie an Tumorpatienten
Bei Tumorpatienten, die chemotherapiebedingt unter einer Anämie litten, lag die Ansprechrate unter der s. c.-Behandlung mit dem Epo-Biosimilar bei 61,7 % [2]: Sie lag damit im Bereich der für Epoetin-Präparate in der Literatur publizierten Ansprechraten von 50-60 % [3]. In diese Studie wurden Patienten mit soliden Tumoren eingeschlossen, die palliativ mit einer Chemotherapie behandelt wurden und deren Hb-Spiegel unter 10 g/dl lag. Sie hatten vorher weder eine Transfusion noch eine Epoetinbehandlung erhalten.
Die Patienten wurden auf eine s. c. (subkutane) Behandlung mit dem Epoetin-alfa-Biosimilar oder mit dem Referenzprodukt (randomisiert im Verhältnis 2:1) eingestellt und 12 Wochen lang behandelt. Die Dosis betrug 150 IE/kg Körpergewicht (KG) und wurde 3-mal pro Woche verabreicht. Die Dosis wurde bei ungenügendem Ansprechen auf 300 IE/kg KG gesteigert. Die gemeldeten unerwünschten Ereignisse entsprachen meist dem Krankheitsbild von Tumorpatienten und konnten meist auf Begleiterscheinungen der Chemotherapie zurückgeführt werden. Es traten keine epoetinspezifischen Antikörper oder klinische Anzeichen einer Erythroblastopenie auf [2].
Auch die Pharmakokinetik und -dynamik der beiden Präparate sind vergleichbar, wie Untersuchungen an gesunden Probanden zeigten, die über 4 Wochen 3-mal wöchentlich i. v. oder s. c. Gaben von 100 IE/kg KG erhielten [2]. Auch präklinische Tierversuche hatten keine Unterschiede in der Toxizität und lokalen Verträglichkeit erbracht [2].
#Hintergründe zum ersten Epoetin-Biosimilar
Das menschliche Hormon Erythropoetin ist ein komplexes Glykoprotein (siehe Molekülmodell: blau = Aminosäurekette, rot = Zuckerseitenketten, gelb = Disulfidbrücken). Beim biotechnologischen "Nachbau" geht es daher nicht nur um die korrekte Zusammensetzung des Moleküls, sondern vor allem um die 3-dimensionale Struktur. Diese ist entscheidend für die Wirksamkeit: "Wenn die Faltung des Moleküls nicht stimmt, kann es die gewünschte Wirkung nicht ausüben, weil es nicht am entsprechenden Rezeptor bindet", erläuterte Schaefer.
"Von den ursprünglich 10 Firmen, die versuchten, ein entsprechendes Biosimilar zu entwickeln und die EU-Zulassung zu erlangen, waren nur 2 erfolgreich", so Schaefer. Der Firma Hexal gelang es als erstes: "Das Epoetin-alfa-Biosimilar wurde in Deutschland entwickelt und wird auch hier hergestellt. Es ist das erste Epoetin-alfa-Präparat, das nach den EU-Richtlinien für Biosimilars entwickelt und zugelassen wurde", sagte Dr. Carsten Brockmeyer, Leiter Hexal Biotech.
Das Glykoprotein wird in kultivierten Ovarzellen des chinesischen Hamsters (CHO-Zellen) hergestellt, auf die das menschliche Erythropoetin-Gen übertragen wurde. "Während die Abfolge der 165 Aminosäuren in der Proteinkette genetisch vorgegeben ist, hängt die Ausbildung der Zuckerseitenketten, die 40 % des Moleküls ausmachen, sehr stark von den Kultivierungsbedingungen - Nährmedium, Temperatur, pH-Wert usw. - ab", erläuterte Brockmeyer.
Es ist vor allen Dingen das Glykosylierungsmuster, das erheblich variieren kann und zu unterschiedlichen Isoformen führt. Ob die Isoformen dem Referenzprodukt entsprechen, lässt sich beispielsweise mittels Gelelektrophorese feststellen. Das Epoetin-alfa-Präparat zeigt das gleiche Bandenmuster wie das Referenzprodukt - und nur solche Präparate werden in Europa zugelassen.
"Die Erstellung einer geeigneten CHO-Zelllinie, sowie die Entwicklung des gesamten Herstellungsverfahrens erfolgte nach Quality-by-Design-Grundsätzen", so Brockmeyer. Das bedeutet, dass zunächst ein in Deutschland zugelassenes Referenzprodukt umfangreich auf seine Zusammensetzung und Struktur hin analysiert wurde. Mit diesen Daten wurden dann Spezifikationen für das Epoetin-alfa-Biosimilar festgelegt und mit der Entwicklung begonnen. Das Ergebnis wurde immer wieder mit dem Referenzprodukt verglichen. Aus dem Wechselspiel von Prozessentwicklung und Analytik resultierte dann das neue Epoetin-alfa-Präparat.
Fazit
In der Gesamtbeurteilung kam der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMEA ("European Medicines Agency") unter Berücksichtigung der Vorschriften der Europäischen Union zu folgendem Ergebnis: Epoetin alfa HEXAL® zeigt ein zum Referenzprodukt vergleichbares Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsprofil. Das Biosimilar ist für die in Tabelle 1 aufgeführten Indikationen zugelassen. "In unserer Klinik erhalten Dialysepatienten, die neu auf ein Erythropoetin eingestellt werden, daher ein Biosimilar", resümierte Schaefer.
Anne Bleick, Stuttgart
Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung der Hexal AG, Holzkirchen Die Beitragsinhalte stammen vom Pressegespräch "Epoetin alfa HEXAL®: Therapeutische Gleichwertigkeit des Biosimilars zum Original? - Ein Update nach dem ersten Jahr am Markt" im Rahmen des Kongresses für Nephrologie in Tübingen, veranstaltet von der Hexal AG, Holzkirchen Die Autorin ist freie Journalistin |
Literatur
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01 Österreichisches Dialyse- und Transplantationsregister 2002.
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02 European Public Assessment Report for Epoetin alfa HEXAL (H-C-726): http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/epoetinalfahexal/epoetinalfahexal.htm
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03 ITA Assessment. Österreichische Akademie der Wissenschaften. Erythropoetin bei Tumorpatienten: 1-37.
Literatur
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01 Österreichisches Dialyse- und Transplantationsregister 2002.
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02 European Public Assessment Report for Epoetin alfa HEXAL (H-C-726): http://www.emea.europa.eu/humandocs/Humans/EPAR/epoetinalfahexal/epoetinalfahexal.htm
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03 ITA Assessment. Österreichische Akademie der Wissenschaften. Erythropoetin bei Tumorpatienten: 1-37.