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DOI: 10.1055/s-0028-1104662
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Umstellung der Abstoßungsprophylaxe auf Sirolimus - Chance auf längeren Erhalt der Nierentransplantatfunktion
Publication History
Publication Date:
01 December 2008 (online)
- Therapiebeginn sofort nach Transplantation vermutlich unvorteilhaft
- Unkomplizierter Wechsel nach primärer CNI-Immunsuppression
- Gute Nutzen-Risiko-Relation bei "präventiver" Umstellung
- Kardioprotektive und antivirale Zusatzeffekte
- Umstellung von Calcineurininhibitor auf Sirolimus nach Nierentransplantation
- Literatur
Die Anforderungen an die Nachsorge bei nierentransplantierten Patienten sind hoch. Als Alternative zur Immunsuppression mit den Calcineurininhibitoren (CNI) Ciclosporin und Tacrolimus bietet sich der mTOR-Inhibitor (mTOR: "mammalian Target of Rapamycin") Sirolimus (Rapamune®) an. Da die Erfahrungen nach der Zulassung mit 7 Jahren für Sirolimus verglichen mit annähernd 30 Jahren für Ciclosporin bzw. 15 Jahren für Tacrolimus deutlich geringer sind, lohnt sich ein Update der neuen klinischen Daten.
#Therapiebeginn sofort nach Transplantation vermutlich unvorteilhaft
Unter Transplantationsmedizinern werden seit einiger Zeit die Ergebnisse der "Efficacy Limiting Toxicity Elimination Symphony Study" (ELITE) viel diskutiert [1]. Bei diesem bisher wohl größten Vergleich (n = 1 645) verschiedener Regime zur primären Immunsuppression nach Nierentransplantation, waren im Sirolimus-Kollektiv deutlich mehr akute Abstoßungsreaktionen aufgetreten als in den 3 anderen Studienarmen: Sirolimus ist in den ersten Tagen und Wochen nach einer Nierentransplantation (NTX) vermutlich kein idealer Ersatz für die etablierten CNI. Der Einsatz scheint vor allem in der vulnerablen Frühphase bei der in dieser Studie gewählten niedrigen Dosierung (Talspiegel 4-8 ng/ml) wenig vorteilhaft zu sein, besonders in Kombination mit Mykophenolatmofetil (MMF) in der Standarddosis.
Denn diesbezüglich kontrastieren die Ergebnisse von ELITE mit Erfahrungen aus früheren Studien. Bei der primären Immunsuppression mit höher dosiertem Sirolimus (Talspiegel 10-15 ng/ml) wurden in puncto Abstoßungsrisiko keine signifikanten Unterschiede zu CNI-basierten Regimen beobachtet. Für eine dieser Untersuchungen liegen inzwischen die 5-Jahres-Daten vor. Über diesen Zeitraum war die Rate akuter Abstoßungen unter Sirolimus plus MMF/Steroid sogar im Trend niedriger als unter Ciclosporin plus MMF/Steroid (13 versus 23 %) bei insgesamt signifikant besserem Überleben (96,4 % versus 76,7 %; p = 0,00265) der Nierentransplantate [2]. Die Daten berücksichtigen nicht den Verlust an funktionstüchtigen Organen durch den Tod des Patienten [2].
#Unkomplizierter Wechsel nach primärer CNI-Immunsuppression
Einen ganz anderen Stellenwert hat Sirolimus, wenn es gilt, die Transplantatfunktion langfristig zu sichern (Infokasten). Der Wechsel von einem CNI auf Sirolimus ist unkompliziert. Gemäß den von einer Konsensuskonferenz erarbeiteten Empfehlungen sollen Ciclosporin oder Tacrolimus während der Aufsättigungsphase von Sirolimus (4-6 mg/Tag) in halber Dosis weitergegeben und erst abgesetzt werden, wenn der Sirolimus-Zielspiegel (5-10 ng/ml) erreicht ist. Die Komedikation mit MMF (oder Azathioprin) sollte in halber Dosis und diejenige mit einem Steroid unverändert fortgeführt werden [3].
Ein sicherlich dringender Bedarf für die Modifikation der Immunsuppression besteht bei progressiver Verschlechterung der Nierenfunktion. Patienten mit biopsiegesicherter Transplantatnephropathie waren daher auch an der nephrologischen Universitätsklinik in Baltimore (USA) die Zielgruppe, um die Umstellung von Tacrolimus auf Sirolimus unter Beibehaltung der Komedikation mit MMF (maximal 1,5 mg/Tag) und Prednisolon zu erproben. Diese Maßnahme war erfolgreich, was eine signifikante Verbesserung der Nierenfunktion in den nächsten Monaten widerspiegelt (Abb. [1]). Akute Abstoßungsreaktionen waren bei weniger als 10 % der Patienten aufgetreten und hatten in keinem Fall zum Transplantatverlust geführt [12].
Als prädiktive Faktoren für eine Response (75 %) wurden identifiziert:
-
kürzere Zeitdauer seit der NTX (17 versus 34 Monate; p = 0,001) und
-
bessere glomeruläre Filtrationsrate (GFR) (28 versus 19 ml/min/173 m²; p = 0,0001).
Nicht prädiktiv war die Höhe des Eiweißverlusts. Bei der Urin-Albumin/Kreatinin-Ratio war der Unterschied zwischen Respondern und Nonrespondern mit 93 versus 113 µg/mg nicht signifikant. Das steht im Gegensatz zu den bei einem Gemeinschaftprojekt der Transplantationszentren in Barcelona und Berlin (Charité) gesammelten Erfahrungen, die sich inzwischen auf einen Beobachtungszeitraum von bis zu 7 Jahren stützen. Bei Patienten mit einer Proteinurie von mehr als 800 mg/Tag hatte auch der Austausch des CNI gegen Sirolimus die Progression des renalen Schadens nicht aufhalten können. Nach im Mittel 5,3 Jahren waren bei ihnen nur noch 4 % der transplantierten Organe funktionstüchtig, im Vergleich zu 65 % der Nieren bei Patienten mit zum Umstellungszeitpunkt geringerer Eiweißausscheidung [9].
#Gute Nutzen-Risiko-Relation bei "präventiver" Umstellung
Wesentlich früher - im Mittel 117 Tage nach einer NTX - ist die Immunsuppression in der multizentrischen "Spare-the-Nephron"-Studie modifiziert worden. Mit der Fragestellung, ob der Wechsel auf den mTOR-Inhibitor der Nierenfunktion zugute kommt, hat man entweder randomisiert Ciclosporin oder Tacrolimus durch Sirolimus ersetzt (n = 148) oder das Regime unverändert (inklusive Komedikation mit MMF und eventuell einem Steroid) beibehalten (n = 150). Nach 12 Monaten hatte sich die GFR bei den auf Sirolimus umgestellten Patienten stärker verbessert als bei der weiterhin mit einem CNI behandelten Population - um 28 % versus 11 % (p = 0,052). Die Inzidenz biopsiegesicherter Abstoßungsreaktionen bzw. Transplantatverluste waren in beiden Kollektiven vergleichbar (6,5 versus 7,1 % bzw. 1,6 versus 2,4 %) [11].
Weniger erfolgversprechend scheint dagegen nach den Erfahrungen an der nephrologischen Universitätsklinik in Leeds (Großbritannien) die Immunsuppression mit Sirolimus ohne Komedikation mit einem Steroid zu sein. In der ECSEL-Studie (ECSEL: "Early Calcineurin-Inhibitor and Steroid Elimination in Leeds") war Methyprednisolon nur einmalig intraoperativ gegeben worden. Nach dem 2. oder 4. Monat nach Transplantation wurde von Tacrolimus auf Sirolimus umgestellt, während MMF beibehalten wurde. Nach einem Follow-up von im Median 701 Tagen war in 87 % der Fälle der mTOR-Inhibitor wegen Unverträglichkeit wieder abgesetzt worden. Häufiger als in der Kontrollgruppe mit unveränderter Immunsuppression waren vor allem Exantheme, Mundulzera, Arthralgien und Pneumonitiden aufgetreten [13]. Man könnte spekulieren, dass ein niedrigdosiertes Steroid gebraucht wird, um bestimmte Sirolimus-Nebenwirkungen "in Schach zu halten".
#Kardioprotektive und antivirale Zusatzeffekte
Ein limitierender Faktor für die Langzeitprognose von nierentransplantierten Patienten ist neben der erhöhten Krebsinzidenz die kardiovaskuläre Komorbidität. Als unabhängiger Risikofaktor gilt die Linksherzhypertrophie. Eine Arbeitsgruppe an der Universitätsklinik Genua (Italien) untersuchte, ob Sirolimus hierbei einen positiven Einfluss hat. Zwölf Monate nachdem wegen einer Transplantatnephropathie der CNI gegen Sirolimus ausgetauscht worden war (n = 14), zeigte die echokardiografische Kontrolle eine signifikante Abnahme (p < 0,001) des LVMI (Index für die linksventrikuläre Masse) bedingt durch die Reduktion der Ventrikelwanddicke bei nahezu unverändertem enddiastolischen/-systolischen Ventrikeldurchmesser. Bei der bezüglich demografischer und klinischer Merkmale vergleichbaren Kontrollgruppe (n = 26) zeigten sich keine Veränderungen (Abb. [2]) - bei nahezu identischen Blutdruck- und Kreatininwerten [14].
Ein unter kardiovaskulären Gesichtspunkten ebenfalls relevanter Aspekt ist die bei Nierentransplantierten nahezu regelhaft auftretende Gewichtszunahme. Die gepoolte Auswertung von 4 prospektiven Studien (n = 1421) ergab, dass nach 2-jähriger Behandlung Körpergewicht und BMI (Body-mass-Index) signifikant (p < 0,001) weniger angestiegen waren (um 5,8 versus 8,6 kg bzw. um 2 versus 3 kg/m²), wenn die Immunsuppression Sirolimus anstelle eines CNIs enthalten hatte [15].
Ein Problem, das nach einer NTX anscheinend an Bedeutung zunimmt, sind Infektionen mit BK-Polyoma-Viren. Unter der Hypothese, dass diese Viren intrazelluläre Signalwege inklusive des Multiproteinkomplexes mTOR aktivieren, erscheint es bei den betroffenen Patienten einen Versuch wert, die Immunsuppression von einem CNI auf Sirolimus umzustellen. Die beim diesjährigen "American Transplant Congress" in Toronto von mehreren Zentren vorgestellten klinischen Erfahrungen sind vielversprechend [16], [17].
Prof. Dr. Frank Eitner, Aachen
#Umstellung von Calcineurininhibitor auf Sirolimus nach Nierentransplantation
Umsetzversuch sinnvoll:
-
Calcineurininhibitor-Nebenwirkungen (Nephrotoxizität, Hochdruck, Diabetes mellitus) [4]
-
chronische Transplantatnephropathie, "Creeping Creatinine" [3]
-
Tumoranamnese oder Tumorerstmanifestation/-rezidiv [4], [5], [6]
-
ganciclovirresistente Zytomegalievirusinfektionen (andere Virusinfektionen?) [7], [8]
Umsetzversuch nicht sinnvoll:
-
weniger als 3 (oder als 6?) Monate nach Nierentransplantation [3]
-
noch nicht verheilte Wunden oder geplante Reoperation [3]
-
GFR < 40 ml/min [3]
-
Proteinurie > 800-1000 mg/Tag [9]
-
unkontrollierte/therapierefraktäre Hyperlipidämie [3]
-
FSGS (Fokale Segmentale Glomerulosklerose) als Grundkrankheit [10]
Implikationen für den klinischen Alltag:
-
(präventive) Umstellung zwischen dem 30. und 180. Tag nach der NTX verbessert langfristig die Nierenfunktion, ohne ein erhöhtes Risiko für akute Abstoßungsreaktionen [11]
-
bei chronischer Transplantatnephropathie Umstellung nicht hinauszögern; je niedriger die GFR, desto schlechter die Chancen auf eine Erholung der Nierenfunktion [12]
-
steroidfreie Sirolimus/MMF-Immunsuppression geht vermutlich mit einem erhöhten Nebenwirkungsrisiko einher; der Verzicht auf ein Steroid erscheint daher nicht sinnvoll [13]
-
kardiovaskulär bedeutsame Effekte: Reduktion der linksventrikulären Masse [14] und eine geringere Zunahme des Köpergewichts [15]
-
bei BK-Polyoma-Virusinfektionen mögliche Vorteile durch Sirolimus [16], [17]
Die Beitragsinhalte stammen vom Symposium "Neues aus der Transplantationsmedizin" im Rahmen des Kongresses für Nephrologie in Tübingen, veranstaltet von der Wyeth Pharma GmbH, Münster Dieser Artikel entstand mit freundlicher Unterstützung der Wyeth Pharma GmbH, Münster |
Literatur
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