RSS-Feed abonnieren
DOI: 10.1055/s-0028-1114252
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Daten von über 10 000 Patienten ausgewertet - Was den Deutschen weh tut: Alltag in Schmerzzentren
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
24. Dezember 2008 (online)


Bild: Photo Disc
Gesicherte Daten zum Thema Schmerz konnten Forscher beim Deutschen Schmerzkongress 2008 in Berlin präsentieren. Sie werteten über 10 000 Datensätze der international größten schmerzbezogenen Datenbank "QUAST" aus. Es zeigte sich, dass im untersuchten Patientenkollektiv der Rückenschmerz am häufigsten und der neuropathische Schmerz am zweithäufigsten genannt werden. Platz 3 nehmen Muskel-, Gelenk- und Knochenschmerz ein, an 4. Stelle stehen Kopfschmerzen.
Die psychische Belastung durch den Schmerz ist erheblich, und 40 % der Betroffenen sind aufgrund ihrer Erkrankung in Rente. Die gute Nachricht: Die Versorgung in spezialisierten Schmerzzentren hilft auch den am schwersten betroffenen chronischen Schmerzpatienten. Vor 10 Jahren hatte der Vorstand der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) mit dem Dokumentationssystem "Qualitätssicherung in der Schmerztherapie - QUAST" die große anonymisierte Datenbank initiiert. Sie wird aus mittlerweile mehr als 125 deutschen Schmerzeinrichtungen gespeist.
#Sieben Jahre Dauerschmerz
Fast 75 % der 10 054 Patienten der Analysestichprobe beklagen einen Dauerschmerz. Die Erkrankungsdauer liegt im Mittel bei 7 Jahren. Erfreulicherweise suchen mehr als 20 % der Patienten bereits innerhalb der ersten 12 Monate eine spezialisierte schmerztherapeutische Einrichtung auf. Knapp 40 % der Schmerzpatienten sind nach dem Mainzer Stadienmodell (MPSS) dem höchsten Chronifizierungsstadium III zuzuordnen, nur 17 % dem Stadium I. Mehr als 40 % der Patienten geben an, dass sie aktuell eine Rente beziehen. "Besonders erwähnenswert ist die hohe psychische Belastung, wie z. B. Depressivität, Einschränkung der Lebensqualität, schmerzbezogene Beeinträchtigung des Alltagslebens, die deutlich höher ausfällt als es die bisherigen Vergleichswerte für Schmerzpatienten vorsehen", unterstreicht Dr. Jule Frettlöh von der Schmerzambulanz der Ruhr-Universität Bochum im Klinikum Bergmannsheil. "Bereits diese ersten Ergebnisse unterstreichen ganz deutlich die Notwendigkeit einer interdisziplinären Behandlung, bei der die psychologische Versorgung der Schmerzpatienten fester Bestandteil im Behandlungskonzept sein muss."
#Auch schwerer chronischer Schmerz ist behandelbar
Neben der Auswertung der gesamten Stichprobe analysierten die Forscher die Daten auch getrennt nach Schmerzdiagnosegruppen. Hierbei unterscheidet sich die Patientengruppe mit der Hauptdiagnose Kopfschmerzen im Hinblick auf mehrere Schmerzparameter und psychometrischer Kennwerte von den übrigen Gruppen. Die untersuchten Kopfschmerzpatienten sind deutlich länger erkrankt, weisen aber niedrigere Depressionswerte und eine höhere körperliche Lebensqualität auf als alle anderen Diagnosegruppen. Patienten mit neuropathischem Schmerz hingegen unterscheiden sich wenig von anderen Patientengruppen. Für die häufigsten Hauptschmerzdiagnosen zeigt sich, dass die psychologische Beeinträchtigung der Patienten umso ausgeprägter ist, je höher die Schmerzchronifizierung ist. "Erstmals konnte unsere Analyse dabei an einem größeren Patientenkollektiv nachweisen, dass therapeutisch gute Behandlungseffekte auch bei hoher Chronifizierung (Stadium III nach MPSS) zu beobachten sind", so Frettlöh. Zudem zeigt sich, dass hoch chronifizierte Schmerzpatienten mit dem Behandlungserfolg ähnlich zufrieden sind wie Patienten mit niedrigerem Chronifizierungsstadium. "Das sind wichtige Hinweise auf die hohe Ergebnisqualität schmerztherapeutischer Einrichtungen", folgert die Psychologin.
Quelle: idw


Bild: Photo Disc