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DOI: 10.1055/s-0028-1114287
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York
Point-of-Care-Diagnostik oder "Blutläufer"? - Rasche Diagnostik bei Verdacht auf Myokardinfarkt
Publication History
Publication Date:
30 December 2008 (online)
- Kardiale Marker in Minutenschnelle
- Ein typischer Fall, wie ihn jeder kennt ...
- Relevanter Zeitgewinn
- Potenzielle Kostenvorteile
Mit eiligen Schritten verlässt der junge Mann mit dem roten Pullover und der roten Tasche über dem Arm den Stationsflur. Der "Blutläufer" ist auf dem Weg ins Zentrallabor. Dort sollen Labormediziner oder medizinisch technische Angestellte (MTA) die Blutprobe, die dem Patienten eben entnommen wurde, untersuchen. Im besten Fall wird es nun gut eine halbe bis eine Stunde dauern, bis die Probe das Labor erreicht, dort analysiert wird und Prof. Frank M. Baer, der Leiter des Herzzentrums der Universitätsklinik Köln, telefonisch über den Befund informiert wird. Erst dann weiß er mit hoher Sicherheit, ob der notfallmäßig eingelieferte Patient einen Herzinfarkt hat und kann dementsprechend handeln.
Deutlich rascher könnten die notwendigen Entscheidungen getroffen werden, wenn die erforderlichen Tests wie beispielsweise der Troponin-T-Test direkt als Point-of-Care-Untersuchung bei der Einlieferung durchgeführt würde. "Dann wissen wir innerhalb weniger Minuten, ob der Patient stationär aufgenommen werden muss und ob eine Herzkatheteruntersuchung sowie möglicherweise eine interventionelle Behandlung erforderlich ist", sagt der Kardiologe, der das cobas h 232 System am Kölner Herzzentrum erprobt hat. Die Erfahrungen mit dem Point-of-Care-System waren positiv, so Baer. "Wir diskutieren derzeit, dieses System für das Katheterlabor wie auch die Intensivstation zu etablieren."
#Kardiale Marker in Minutenschnelle
cobas h 232 ist ein Analysesystem zur Bestimmung der kardialen Marker Troponin T, D-Dimer, NT-proBNP, CK-MB und Myoglobin. Die aufgeführten Parameter werden am Point-of-Care, also direkt am Krankenbett bzw. auf der Station, als Einzelmarkermessung mithilfe von Teststreifen aus venösem Vollblut ermittelt. Innerhalb von maximal 15 Minuten liegt das jeweilige Ergebnis vor, das mit den im Zentrallabor ermittelten Werten gut korreliert und über die gängigen Laborinformationssysteme direkt in die digitale Patientenakte integriert werden kann.
"Wir schätzen bei dem System den Zeitvorteil, den es uns in der Notfallsituation bei der Diagnostik akuter Thoraxschmerzen gibt", schildert Baer seine Erfahrungen. So lassen sich nach seinen Worten deutlich rascher therapeutische Entscheidungen fällen. Für die Point-of-Care-Diagnostik spricht nach Baer darüber hinaus die Sicherheit, innerhalb von 15 Minuten den Befund, also beispielsweise das Ergebnis des Troponin-T-Tests, tatsächlich vorliegen zu haben und nicht darauf warten zu müssen.
#Ein typischer Fall, wie ihn jeder kennt ...
Der notfallmäßig eingewiesene Patient klagt über starke Luftnot und ein thorakales Engegefühl. Er ist 68 Jahre alt, übergewichtig und Raucher. Liegt eine instabile Angina pectoris vor? Oder doch eine exazerbierte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)? Die Klinik und das EKG sind nicht eindeutig. Rasche Klarheit verschafft man sich mit einem sofortigen Troponin-T-Test mit einem Point-of-Care-System.
Schon 12 Minuten später ist klar: Der Test ist positiv. Nicht die Lunge, sondern das Herz des Patienten streikt. Es liegt ein akutes Koronarsyndrom vor. Dementsprechend ist Eile geboten und die „volle Maschinerie“ kann anlaufen ...
Relevanter Zeitgewinn
Zwar liefert das Zentrallabor die angefragten Befunde theoretisch innerhalb einer Stunde, darauf ist aber nicht immer Verlass. Schließlich dauert es eine gewisse Zeit, bis der "Blutläufer" angerufen und vor Ort ist, um die Blutprobe abzuholen. Er muss den Weg ins Labor zurücklegen, und dort müssen tatsächlich Kapazitäten für eine sofortige Untersuchung bereit stehen. Das aber ist bei vollem Betrieb - wenn Herzoperationen und Katheteruntersuchungen anstehen - nicht immer der Fall. In solchen Situationen läuft gelegentlich nicht alles nach Plan, und es kann durchaus auch einmal 2 Stunden dauern, ehe das Untersuchungsergebnis vorliegt. "Dann geht wertvolle Zeit verloren, was in der Notfallsituation nicht unproblematisch ist", konstatiert Baer.
Point-of-care-Systeme bieten Baers Erfahrung nach Vorteile bei der Notfalldiagnostik: Auch in einer Universitätsklinik mit angeschlossenem Zentrallabor können sie dazu beitragen, die Diagnostik zu beschleunigen. Noch bedeutsamer sind solche Systeme für Kliniken, die kein Zentrallabor im Hause haben. "Dann werden die Zeitvorteile noch erheblich größer", sagt der Kardiologe. Damit wächst aus seiner Sicht zwangsläufig die Bedeutung der Point-of-Care-Diagnostik, deren Ergebnis durchaus wegweisend für das weitere Vorgehen sein kann.
#Potenzielle Kostenvorteile
Baer hält eine Point-of-Care-Diagnostik schon in der Praxis des niedergelassenen Kardiologen für sinnvoll. So würde die Kenntnis darüber, ob der Troponin-T-Test positiv ist oder nicht, die Entscheidungssicherheit bei Patienten, die wegen thorakaler und/oder kardialer Beschwerden die Praxis oder Klinik aufsuchen, deutlich steigern.
Zusammen mit dem Zeitvorteil kann sich dies durchaus auch in Kostenvorteilen niederschlagen. Schließlich könnte, so Baer, in der Praxis wie auch in der Klinik rascher entschieden werden, ob eine stationäre Aufnahme und eine invasive Diagnostik und Therapie erforderlich sind oder ob der Patient möglicherweise nach Hause gehen kann und eine engmaschige Überwachung seiner Beschwerden ausreicht.
Kostenvorteile erwartet der Kardiologe auch in der Klinik - zum Beispiel dann, wenn Patienten mit Luftnot und thorakalem Engegefühl nachts oder am Wochenende eingeliefert werden und rasch zwischen einem akuten Koronarsyndrom, einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder einer Lungenembolie als Ursache zu differenzieren ist. Per Point-of-Care-Diagnostik lasse sich die Dringlichkeit in einem solchen Fall oft klären, so Baer, ohne die gesamte "Labor-Maschinerie anzuwerfen".
Der Kölner "Blutläufer" muss dennoch nicht um seinen Arbeitsplatz bangen. Er wird auch weiterhin eiligen Schrittes zwischen den Stationen oder den Operationssälen und dem Labor hin und her laufen und Blutproben transportieren - möglicherweise aber weniger bei Notfallaufnahmen als mehr bei den üblichen Routineuntersuchungen.
Christine Vetter, Köln
Quelle: Frau Christine Vetter, freie Journalistin, informierte sich am Herzzentrum in Köln und im Gespräch mit dessen Leiter, Prof. Frank M. Baer, über die Möglichkeiten der Point-of-Care-Diagnostik